Samstag, 1. April 2017

Adlershof, berlinisches Ausland

Adlershof [-ˈhoːf] (Aussprache: endbetont, damit ungleich zum nahegelegenen Adlergestell) ist ein Berliner Ortsteil im Bezirk Treptow-Köpenick. Bis zur Verwaltungsreform 2001 war es ein Ortsteil des ehemaligen Bezirks Treptow. 
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Nach Gründung der DDR wurde in Adlershof die Akademie der Wissenschaften der DDR angesiedelt, die viele Institute der angewandten Forschung (Chemie, Elektronik, Kosmosforschung) beherbergte. Ein Radioteleskop mit 36 Meter Durchmesser fand hier ebenfalls einen Standort.
Auch das Fernsehen wurde am Standort platziert – von 1950 bis 1952 entstand das Fernsehzentrum Adlershof nach Plänen von Wolfgang Wunsch. In den neuen Studios ging am 21. Dezember 1952 erstmals der Deutsche Fernsehfunk (DFF) auf Sendung. Bis Anfang 1990 war in Adlershof auch ein Teil des Wachregiments Feliks Dzierzynski der DDR-Staatssicherheit (Gesamtstärke 12.000 Mann) stationiert. Das Regiment nutzte den ehemaligen Flugplatz als Munitionslagerplatz, für die „militärische Körperertüchtigung“ und als Paradeübungsstrecke. Auch das Akademie- und das Fernsehgelände waren in dieser Zeit eingezäunt, sodass diese Flächen faktisch losgelöst von den Wohngebieten auf der nordöstlichen Seite des Bahndamms existierten.
Wiki

Für uns Schauspieler war Adlershof, endbetont, die S-Bahn-Station, an der man ausstieg, um dann beim Fernsehen der DDR zu arbeiten. Aufnahmestudios, Redaktionen, Einlass nur mit Personalausweis der DDR.

Heute klingt das viel schicker:
Am wichtigsten Wissenschafts-, Wirtschafts- und Medienstandort Berlins erwarten Sie zehn außeruniversitäre Forschungseinrichtungen, sechs Institute der Humboldt-Universität und rund 1.000 technologieorientierte Firmen.
http://www.adlershof.de/

Ich, Bewohner der Berliner Mitte, nehme die U-Bahn Nummer 8 zur Hermannstrasse, steige irrtümlich am Herrmannplatz aus, korrigiere meinen Fehler, und nehme dann die Ringbahn in Richtung Schönefeld, in die Richtung unseres gefürchteten, geradezu mythisch-gehassten Flughafens, von niemandem hier erwünscht, ewig im Bau, unfassbar teuer, wahrscheinlich nie vollendet, Gott schütze Tegel! 
Adlershof, uneinladend, die Gebäude sind DDR-typisch, nur ist die Mauer, die das alte Fernsehgelände umgab, mit der anderen schrecklicheren Mauer weggegefallen. Neubauten, eigenschaftslos, die Strassen sind breiter, als es das Verkehrsaufkommen verlangt, Fußgänger gibt es nur im Rhythmus der ankommenden S-Bahnen.
Und hier, in der Moriz Seeler Strasse befindet sich ein kleines Theater. 

Moriz Seeler (geboren als Moritz Seeler; * 1. März 1896 in Greifenberg in Pommern; am 15. August 1942 in das Ghetto Riga deportiert) war ein deutscher Theaterregisseur, Schriftsteller, Filmproduzent und Opfer des Holocaust. Wiki

Was für eine Berufsliste. Als wäre Opfer des Holocaust nur ein weiterer Schritt auf seiner Karriereleiter gewesen. Er wurde von Else Lasker-Schüler geehrt, arbeitete mit Hollaender, Bronnen und Brecht zusammen, uraufführte Marie-Louise Fleisser, produzierte "Menschen am Sonntag", einen halbdokumentarischen Film, den man gesehen haben sollte.

In der von Seeler gegründeten und geführten Produktionsfirma „Filmstudio 1929“ wurde 1929 der halbdokumentarische Stummfilm "Menschen am Sonntag" hergestellt, das Filmplakat wies Moritz Seeler Leiter, Robert Siodmak Regisseur, Billie Wilder Manuskript, Eugen Schüfftan Kamera aus, weitere, auf dem Plakat ungenannte Mitarbeiter waren Curt Siodmak, Edgar G. Ulmer und Fred Zinnemann. Die Schauspieler waren außer Valeska Gert und Kurt Gerron Amateure. Wiki


Jüdische Flüchtlinge und spätere Hollywood-Größen in erstaunlich großer Zahl für nur einen Film. 
Wo wären wir heute, wenn all diese Leute nicht ermordet worden wären, oder in glaubhafter Furcht unser Land verlassen hätten müssen?
Und nun endet sein Name, Moritz Seeler, als Nebenstrasse in Adlershof, wo Kathrin Schülein und ihr Team ein kleines Theater am Leben halten. Gegen große Widerstände. Fürs erste scheinen sie gerettet und eine Freundin hat dort ein ganz überraschendes und beglückendes Konzert gegeben. In Love and Grave with Cash and Cave. Ich habe sie als gradlinige, unruhige und erfreulich ehrgeizige Spielerin vor vielen Jahren kennengelernt, jetzt hat sie ihre Stimme gefunden.

4 Kommentare:

  1. durch Zufall entdeckte ich "Theaterliebe". Glückwunsch!Gestern die Kietztipps und heute Adlershof. Dort lebte ich von 1970-1998.Auf der anderen Seite...Hier wohnten ja Menschen wie Wagner-Regeny, Anna Seghers und in der Thelenstr.waren 1949 viele Schauspieler des BE einquartiert.(z.b.. Peter Palitsch, Regine Lutz, W.v. Beneckendorf)
    P.S. habe einen DEFA Augenzeugen ins Netz gestellt. (BE 1965 )

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  2. Danke für den Kommentar. Das Video finde ich allerdings nicht.

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  3. Ich glaube, das könnte es sein:

    https://www.youtube.com/watch?v=0pcY3HGbUQE

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