Vor zehn Tagen noch ein Souterrain in Bremen in halbrenoviertem Zustand mit vier Meter Glasfront ohne Vorhänge, heute eine Pension in Rostock, ungewöhnlich gemütlich, für alle möglichen und einige unmögliche Bedürfnisse ist vorgesorgt, nur ein gewisser Hang zur Überdekorierung wäre vielleicht zu bemängeln.
Zwischendurch zu Hause.
Zu Hause, in dem Haus, das ich als das meinige bezeichne. Heimat in Architektur gebunden.
Warum spielt es eine Rolle, ob ich einen Lichtschalter im Dunkeln finden kann? Was macht ein Zuhause zu einem Ort an, oder besser, in dem ich mich zu Hause fühle? Die meisten Menschen lasssen sich irgendwann nieder, sie verbinden sich und ihre Lieben mit einem Ort und gehen von ihm aus hinaus in die Welt. Dies ist in meinem, freiwillig gewählten, Beruf nicht möglich, meine Möbel, zum Beispiel, lagern seid fünf Jahren in einem Container.
Also finde ich mich circa alle acht Wochen mit einer neuen Umgebung zurecht. Mal ist es schön, mal nicht, mal neigt sich das Bett meinen Bedürfnissen entgegen, mal ist es ein überweicher, durchgelegener Ort der Schlafqual. Die Farben wurden von mir unbekannten Menschen ausgewählt, wie auch die Formen. Dänemark und die Designer dänischer Massivholzmöbel bestimmen mein ästhetisches Sein weit mehr, als ich es wünsche und IKEA und der OTTO-Katalog, achja und Rattan in allen Verbiegungen.
Ich schlafe mich sozusagen durch die Geschichte der deutschen Innendekoration.
Da ist das Zimmer der alten Dame in schwerem Gelsenkirchener Barock aus dem Möbelkatalog des Jahres 1965, oder die verschiedensten Theaterzimmer, die, da Theater stets finanziell klamm sind, dies durch ihre in langen Jahren ehrenvoll erworbene Abgewetztheit und eine bescheidene Neigung zu fleckenunempfindlichem Beigebraun illustrieren. Oder Wohngemeinschaftszimmer möbliert mit allem, was noch übrig war und sonst keiner wollte.
Manche Räume sind mit den ungelesenen Buchcluberwerbungen vieler Jahrzehnte ausgestattet, manche haben nicht mal eine Nachttischlampe. Theaterplakate sind beliebte Wandverzierung, auch um Flecken abzudecken. Entkalker für Wasserkocher ist
immer in meinem Gepäck, genau wie die Kaffeetasse, die die für mein morgenmuffliges Gehirn nötige Menge Kaffee aufnehmen kann.
Vielleicht nur für die weiblichen Leser verständlich: man lebt sieben Wochen mit den Klamotten, die man, meist in Hast gepackt hat und deren Inhalt in keiner Weise, auf wetterliche Stimmung, Selbstempfinden oder Tageslaune reagieren kann.
In der ersten Woche wache ich manchmal auf und versuche mich zu erinnern, wo diesmal das Badezimmer ist.
Aber dann finde ich ein Cafe mit gutem Macchiato, einen Bäcker mit knusprigen Brötchen, eine tolle Pizzeria, einen kleinen Buchladen und, wenn dann die Proben Vergnügen machen, aufregend sind und produktiv - dann geht's irgendwiem meist sogar gut - bis zur nächsten Überraschung oder, um es politisch unkorrekt zu formulieren: "Lustig ist das Zigeunerleben!"
Beispiel für Gelsenkirchener Barocck mit Deko
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