In einem kunterbunten, überfüllten Lokal sind einige wunderliche Fantasten auf der Bühne zu sehen, welche Tzara, Janco, Ball, Huelsenbeck, Emmy Hennings und meine Wenigkeit darstellen. Wir vollführen einen Höllenlärm. Das Publikum um uns schreit, lacht und schlägt die Hände über dem Kopf zusammen. Wir antworten darauf mit Liebesseufzern, mit Rülpsern, mit Gedichten, mit »Muh, Muh« und »Miau, Miau« mittelalterlicher Bruitisten. Tzara lässt sein Hinterteil hüpfen wie den Bauch einer orientalischen Tänzerin, Janco spielt auf einer unsichtbaren Geige und verneigt sich bis zur Erde. Frau Hennings mit einem Madonnengesicht versucht Spagat, Huelsenbeck schlägt unaufhörlich die Kesselpauke, während Ball, kreideweiß wie ein gediegenes Gespenst, ihn am Klavier begleitet.
Hans Arp 1916
EINE DADA-TOTENKLAGE
weh unser guter kaspar ist tot wer trägt nun die brennende fahne im zopf wer dreht die kaffeemühle wer lockt das idyllische reh auf dem meer verwirrte er die schiffe mit dem wörtchen parapluie und die winde nannte er bienenvater weh weh weh unser guter kaspar ist tot heiliger bimbam kaspar ist tot die heufische klappern in den glocken wenn man seinen vornamen ausspricht darum seufze ich weiter kaspar kaspar kaspar warum bist du ein stern geworden oder eine kette aus wasser an einem heissen wirbelwind oder ein euter aus schwarzem licht oder ein durchsichtiger ziegel an der stöhnenden trommel des felsigen wesens jetzt vertrocknen unsre scheitel und sohlen und die feen liegen halbverkohlt auf den scheiterhaufen jetzt donnert hinter der sonne die schwarze kegelbahn und keiner zieht mehr die kompasse und die räder der schiebkarren auf wer isst nun mit der ratte am einsamen tisch wer verjagt den teufel wenn er die pferde verführen will wer erklärt uns die monogramme in den sternen seine büste wird die kamine aller wahrhaft edlen menschen zieren doch das ist kein trost und schnupftabak für einen totenkopf
1919 in der Doppelnummer 4-5 der Zeitschrift Dada
Späterer Variant:
kaspar ist tot
weh unser guter kaspar ist tot
wer trägt nun die brennende fahne im wolkenzopf verborgen täglich zum schwarzen schnippchen schlagen
wer dreht nun die kaffeemühle im urfass
wer lockt nun das idyllische reh aus der versteinerten tüte
wer verwirrt nun auf dem meere die schiffe mit der anrede parapluie und die winde mit dem zuruf bienenvater ozonspindel euer hochwohlgeboren
weh weh weh unser guter kaspar ist tot. heiliger bimbam kaspar ist tot.
die heufische klappern herzzerreissend vor leid in den glockenscheunen wenn man seinen vornamen ausspricht. darum seufze ich weiter seinen familiennamen kaspar kaspar kaspar.
warum hast du uns verlassen. in welche gestalt ist nun deine schöne grosse seele gewandert. bis du ein stern geworden oder eine kette aus wasser an einem heissen wirbelwind oder ein euter aus schwarzem licht oder ein durchsichtiger ziegel an der stöhnenden trommel des felsigen wesens.
jetzt vertrocknen unsere scheitel und sohlen und die feen liegen halbverkohlt auf dem scheiterhaufen.
jetzt donnert hinter der sonne die schwarze kegelbahn und keiner zieht mehr die kompasse und die räder der schiebkarren auf.
wer isst nun mit der phosphoreszierenden ratte am einsamen barfüssigen tisch.
wer verjagt nun den sirokkoko teufel wenn er die pferde verführen will.
wer erklärt uns die monogramme in den sternen
seine büste wird die kamine aller wahrhaft edlen menschen zieren doch das ist kein trost und schnupftabak für einen totenkopf.
weggis 1912 (mögliches Entstehungsdatum)
Nach 1920 erschienen im Gedichtband On my Way
Max Ernst 1922 Au rendez-vous des amis - Das Rendezvous der Freunde
Vorn links sitzt René Crevel, der die Tasten eines imaginären Klaviers vor einem Wintergarten zu bedienen scheint. Es folgen Max Ernst, auf den Knien Fjodor Dostojewskis sitzend, Théodore Fraenkel, Jean Paulhan, Benjamin Péret, Johannes Theodor Baargeld, Robert Desnos. In der hinteren Reihe stehen Philippe Soupault, Hans Arp, Max Morise, Raffael, Paul Éluard, Louis Aragon (mit Lorbeerkranz um die Hüften), André Breton (mit rotem Schal), Giorgio de Chirico und als einzige Frau Gala Éluard - Mit ihr verband Ernst, von Éluard anfangs geduldet, bald eine Liebesaffäre. Ab 1929 war sie Dalís Muse. (Wiki)
Du hättest mich gerade beim lesen sehen müssen... erst breites Grinsen ob der Überschrift... für die und die zutiefst geschätzte dahinterstehende Absicht ich mich sehr bedanke... ich mich also an die Texte gemacht... gelesen... erster Abschnitt geht, weil Beschreibung... Gehirn darf Bilder malen - klappt... dann kommt der Kaspar... bis zum Bimbam gelesen, dann verwirrt... die Augen schwenken unwillkürlich wieder auf den Beginn des Textes... nehme den Zweitanlauf peppiger, rutschender, in einem Bogen... vielleicht stolpert mein Kopf dann ja weniger über das Bedürfnis nachzuvollziehen... fühlt sich trotzdem an wie ein kratzender Wollpullover im Hirn... nehme die nächste Kasparvariante in Angriff... wird nicht besser... den Satz mag ich: "wer erklärt uns die monogramme in den sternen"... könnte ich sogar... bei dem Rest helfen mir auch die anteiligen Sterne nicht weiter... mein Kopf hat Bilder... schlimmer als ein LSD-Trip, Bilder gegen die Dali graue Konstruktionszeichnungen gemalt hat... irgendetwas daran wie ich Sprache denke reagierte auf solche Werke als hätte ich einen Fieberschub... Wortdrogen...
AntwortenLöschenSonja, Du hast keine leichte Aufgabe vor Dir...
Denke an Sex. Klingt rüpelig, könnte aber helfen. Streicheln, kitzeln, vorenthalten, mehr als erwartet kriegen. Was passiert mit Dir, wenn Du in die Sterne starrst? Erwartest Du Ordnung? Symmetrie? Stimmigkeit? Nein, Du akzeptierst, was da ist. Es üer-wältigt Dich.
AntwortenLöschenDas ist nicht rüpelig... das ist kein schlechter Vergleich... Sex ist spüren und nicht denken. Aber diese Texte fühlen sich einfach nicht nach streicheln an, sie enthalten überhaupt nichts vor... es fühlt sich mehr so an, als ob sie mein Gehirn bombardieren. :)
AntwortenLöschenDie meisten Worte, besonders Adjektive und Substantive sind für mich Bilder, wie ein aufleuchtendes Diabild in meinem Kopf. Fügt man schon wenige Worte in eine Kette entsteht durch ihre Verbindung ein Film, durch ihre Interaktion ein Inhalt. Ich lese also weniger oder höre Worte, ich sehe sie irgendwie. In diesen Texten nun interagieren permanent Worte, die keinen Inhalt ergeben, trotzdem aber Filme. Und das fühlt sich, zumindest in meinem Kopf, tatsächlich nach Drogentrip an. Als würden in meinem Kopf wenige Sekunden andauernde surreale Videoclips abgefeuert, die nicht ineinandergreifen können und sich gegenseitig verzerren.
Die Weise, wie ich Sprache verarbeite, arbeitet nicht mehr, sondern häuft diese Clips und Bilder an bis sich ein Aktenberg aus psychedelischen Fragmenten auftürmt, der mangels Stauraum und wegen beständiger Nachlieferung beginnt sich zusätzlich zu versplittern. Das Ende ist ein gedankengefühlter Scherbenhaufen - und Kopfschmerzverwirrung. Deswegen nehme ich diese Texte so unangenehm wahr... und bräuchte wahrscheinlich tatsächlich einen Katalysator, eine Auslagerung in einen Zwischenmenschen, einen Vermittler.
Wenn ich in die Sterne schaue... ja, da ist vollkommene Ordnung, vollkommener Sinn, alles greift ineinander, alles ist verbunden, Ursache und Wirkung bestimmen den einzig möglichen Platz von allem. Und wird die bestehende Ordnung aufgemischt, dann fädelt sich aus dem Chaos sofort wieder eine neue heraus... und braucht dafür nur vier Grundkräfte. Vier, für's ganze Universum, für alles. Das ist ungeheur entspannend.
In diesen Texten aber prallen die Worte aufeinander wie durchgeknallte Elementarteilchen auf speed, ohne Gesetz auf Revolution gepolt. Ich verstehe den Reiz des Unerwarteten, der dabei entsteht, wenn die Worte als freie Radikale aneinander zerplatzen, in freundlichen atonalen Chören Konzerte anstimmen und ihren Sinn in Gruppenhaft nehmen... aber für mein Gehirn entsteht dabei vorallem Maximalstress. :)
Ich möchte Dir
AntwortenLöschenein wenig Ruhe schenken...
lass mich Deine Seele
schweigend berühren
- streicheln
für einen kleinen Moment -
Stille im Denken -
ein kleines bisschen
Harmonie und Liebe
lasse Dich fallen -
für kurze Zeit -
lehn Dich zurück
für ein kleines
bisschen Seelenglück...
R.M. Rilke
Jep, das funktioniert sofort... :)
AntwortenLöschenDAS geht zum Beispiel aber auch:
An Anna Blume (Kurt Schwitters) Gedicht
Oh Du, Geliebte meiner 27 Sinne, ich liebe Dir!
Du, Deiner; Dich Dir, ich Dir, Du mir, - - - - wir?
Das gehört beiläufig nicht hierher!
Wer bist Du, ungezähltes Frauenzimmer, Du bist, bist Du?
Die Leute sagen, Du wärest.
Laß sie sagen, sie wissen nicht, wie der Kirchturm steht.
Du trägst den Hut auf Deinen Füßen und wanderst auf die
Hände,
auf den Händen wanderst Du.
Halloh, Deine roten Kleider, in weiße Falten zersägst,
Rot liebe ich, Anna Blume, rot liebe ich Dir.
Du, Deiner, Dich Dir, ich Dir, Du mir, - - - - - wir?
Das gehört beiläufig in die kalte Glut!
Anna Blume, rote Anna Blume, wie sagen die Leute?
Preisfrage:
1.) Anna Blume hat ein Vogel,
2.) Anna Blume ist rot.
3.) Welche Farbe hat der Vogel.
Blau ist die Farbe Deines gelben Haares,
Rot ist die Farbe Deines grünen Vogels.
Du schlichtes Mädchen im Alltagskleid,
Du liebes grünes Tier, ich liebe Dir!
Du Deiner Dich Dir, ich Dir, Du mir, - - - - wir!
Das gehört beiläufig in die - - - Glutenkiste.
Anna Blume, Anna, A - - - - N - - - -N- - - - -A!
Ich träufle Deinen Namen.
Dein Name tropft wie weiches Rindertalg.
Weißt Du es Anna, weißt Du es schon,
Man kann Dich auch von hinten lesen.
Und Du, Du Herrlichste von allen,
Du bist von hinten und von vorne:
A - - - - - - N - - - - - N - - - - - -A.
Rindertalg träufelt STREICHELN über meinen Rücken.
Anna Blume,
Du tropfes Tier,
Ich - - - - - - - liebe - - - - - - - Dir!
Der Text geht, den finde ich sogar extrem geordnet. Der lässt Bezüge zu, verbaut sie dann zwar wieder in der nächsten Bewegung aber das macht nichts, das kann mein Gehirn mitmorphen. Das ist ein bißchen als ob man träumt... alles hat nicht den Sinn, den es wach hat, aber es hat einen anderen. Komischerweise kann mein Gehirn also rote Kleider in weiße Falten zersägen, aber keinen barfüßigen Tisch herstellen.
Ich muss gestehen, dass ich das gerade selbst recht spannend finde.
Ist das alles herrlich! Auch wegen solcher hinreißenden Vorgänge möchte ich in meinem nächsten Leben Hirnforscher werden!
AntwortenLöschenNicht wahr? :)
AntwortenLöschenAber eigentlich glaube ich nicht, dass wir dieses Wunderwerk, obwohl wir es benutzen, je vollkommen verstehen werden. Absolut ähnlich dem Universum. Konrad Zuse greift diesen Gedanken übrigens auf in seiner Idee vom rechnenden Raum. Darin wird das Universum mit einem riesigen Computer, einer Datenverarbeitungsanlage verglichen. Das Universum wäre, so gesehen, ein gigantisches Gehirn. :)
Und wenn man sich den Spaß macht Bilder von Gehirnzellen und Galaxieclustern zu vergleichen... dann muss man wirklich lächeln... die Optik ist verblüffend ähnlich.
Von meinem Gehirn jedenfalls weiß ich, dass es ein schlechter Aussortierer ist. Ich hab' keine guten Filtersysteme, ich tue mich schwer damit den Strom relevanter Daten von der Flut des Beifangs zu trennen. Also hat mein Gehirn sich Systeme angewöhnt um eine zu gleichwertige Flutung zu verhindern. Und scheinbar hebeln manche dieser Texte diese Systeme aus. Was bedeutet, dass ich die Textinformationen gleichwertig wahrnehme. Das heißt ich versuche tatsächlich für fast jedes Wort eine Bildübersetzung zu finden... wohingegen ich in "normalen" Sätzen nur auf Satzzentren reagiere von denen es 1 bis höchstens 3 pro Satz gibt. Dadaistische Texte beliefern mich aber nun gewissermaßen mit 5 oder 6 solcher Zentren und entziehen ihnen zusätzlich noch die Verknüpfung, erlauben also nicht die gewohnten Systeme.
Das Ergebnis ist eine vollkommene CPU-Überlastung. :)
Burkhard Ritter schrieb:
AntwortenLöschenhttp://www.youtube.com/watch?v=molt7gOY4b0
Dada Sprüche - Hans Arp
[Dadadadadadadadadada.]
Crikey TiTo schrieb:
http://www.youtube.com/watch?v=AQehY1PP_nA
Die Skeptiker - DaDa in Berlin
Wieland Herzefelde, Richard, Georg und John, 1920 in Berlin Die Kunst ist tot !
so riefen sie aus, sie suchen einen neuen Ismus, DaDa kam heraus.
In den siebziger Jahren wurde der alte DADA wieder einmal entdeckt.
AntwortenLöschenMatthias Koeppel erfand in dieser Zeit das STARCKDEUTSCH.
Koeppels Gedicht über Architektur :
Arr, di Arr; di Arrckitucktn –
jarr, di sünd tautul pfarrucktn.
Pauhn onz euburoll Quaduren,
vo se gurrnücht henngehuren.
Vn demm Hurz büsz ze denn Ullpn
snd di Häusur steitz di sullpn.
Duch di Arrckitucktn tschumpfn:
Onzre Pauhörrn snd di Tumpfn!
Olle zullte mon kastruren,
düßße auff ze pauhin huren;
odur stott ünn rachtn Winkuln
se dönn pauhin, wi se pinkuln.
Werde gerade gefragt, ob Du das Stück "Der blonde Fetzen" kennst... die Geschichte Emmy Hennings. Soll ein sehr... ich zitiere "tolles Stück" sein... und handelt wohl (ich kenne es nicht)vom Dadaismus...
AntwortenLöschenNoch nie gehört. Wird nachgeguckt. DaDa kenn ich gar nichts!
AntwortenLöschenWoWo ist die Frage
AntwortenLöschenauf die Antwort des Dada.
(Wowoetisches Manifest)
WoWo? Na, DaDa!
LöschenNee, Hanna, das ist zu direkt.
AntwortenLöschenDas war ein KaKa-lauer!
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