Mittwoch, 5. Dezember 2012

UnRechtschreibung


Die Wahrscheinlichkeit, dass ich ohne Hilfe je einen längeren Text in fehlerloser deutscher Rechtschreibung verfertigen werde, tendiert gegen Null. Kann auch gar nicht anders sein, (gar nicht, wird gar nicht zusammengeschrieben!) denn die Regeln der deutschen Orthographie (-fie),  entpuppen sich, wenn man sie genauer betrachtet, als zwischen Radikalität, ängstlicher Spießigkeit und widerwillige Anpassung an die ohnehin bestehenden Fakten hin- und herschwankende Zwitterwesen.
Auf der Zweiten Orthographischen Konferenz von 1901 in Berlin wurde unter anderem entschieden, dass: in heimischen Wörtern das h nach t grundsätzlich fallen (Tal, Tür statt Thal, Thür) sollte. In Fremdwörtern wie Thron und Theater sowie germanischen Begriffen wie Thing und Thor wurde die th-Schreibung beibehalten. Ohne allgemeine tiefe Kenntnis der Etymologie öffnete man damit der Verwirrung Tür und Thor. 
Eine anekdotische Überlieferung behauptet allerdings, der Deutsche Kaiser habe auf die Mitteilung der geplanten Reform mit etwa folgendem Satz reagiert: Mit Tür und Tor können sie machen, was sie wollen, aber der Thron bleibt Unser. Ob er das Theater auch für sich beanspruchte, ist nicht überliefert.
Und so haben wir nun Köln und Köthen, aber eben auch Cottbus, nur der Kottbusser Platz deutet daraufhin, dass Kottbus auch möglich gewesen wäre. Celle bleibt aber Celle, nicht Zelle.
Der Reformkritiker Theodor Ickler schrieb: »Die „Rechtschreibreform von 1901“ – eine Legende: Unter Fachleuten ist bekannt, daß die um 1900 übliche Rechtschreibung nach der Zweiten Orthographischen Konferenz keineswegs „reformiert“, sondern im Gegenteil gegen willkürliche Veränderungen unter staatlichen Schutz gestellt wurde. (Wiki)

Meinen Eltern ist es zu aufwändig, alle Stängel einzeln zu beschneiden. 
Warum nicht, dennschon wennschon, Ältern von Alter, älter? Würde sich die betreffende Bevölkerungsgruppe gekränkt, (gekrenkt sieht auch ganz niedlich aus,) fühlen? Der Stengel/Stängel und das Bendel/Bändel sind belemmert/belämmert dran, von ihnen ist kein Widerstand zu erwarten.
Wenn's mit Dir abwärtsgeht ist's ein Wort, doch wenn Du abwärts gehst, nicht. Ein Wort für den Zustand und zwei für die Tat. Das geht mir nah. - nahegehen und nahe gehen. Jetzt nicht mehr, jetzt schreiben wir beides getrennt. What the fuck??? Oder WTF, wie die sich gänzlich den Orthographieregeln verweigernden Twitterer, Smser etc. schreiben würden. Jetzt ist's einfacher, aber ist es schöner? 
Hatte auch nicht gewusst, dass nun auch der O-fen getrennt werden darf, das U-fer aber nicht! 
Oder, alt: par-allel und Neu: par-allel / pa-ral-lel, LOL? 
LOL ist Laughing out loud! 



DAU, dümmster anzunehmender user (Benutzer), ist das die Zielgruppe der Reformer? 

Und für Ö.

Das Mal, das Mahnmal:
in der neuhochdeutschen Form sind zusammengefallen mittelhochdeutsch, althochdeutsch meil = Fleck, Zeichen; Sünde, Schande und eine Vermischung aus mittelhochdeutsch māl mit mittelhochdeutsch māl, althochdeutsch māl(i) = Zeichen, Fleck, Markierung. (Duden)
Das Ehrenmal, kann also ein Ort zum Ehren sein oder ein Ort der schändlichen Ehre. Und ein Ehrenmahl ist ein Essen, dass jemandem zu Ehren gegeben wird.

ein Mal und einmal:
Wenn du einmal sagen willst, "Könntest Du mir wenigstens ein Mal zuhören?", dann lägest Du richtig. Noch einmal, oder ich könnte es auch hundertmal sagen, wenn ich beide Wörter betone, das Zahlwort vielleicht etwas mehr, dann wird es getrennt geschrieben, wenn ich es nur so dahin sage, einmal, zweimal oder wie oft auch immer, dann ist es ein Wort.

Liste von Abkürzungen/Akronymen aus dem Netz
Zur Orthographischen Konferenz von 1901

4 Kommentare:


  1. Das hat den Geschmack von Lust u n d Zorn. Eine sehr feine Mischung.

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  2. Na dann kommen Sie mal in die Schweiz Frau Schall... :)
    Gewiss Amtsprache Deutsch, Hochdeutsch oder Standartdeutsch... wird aber nur als Schriftsprache verwendet... gesprochen wird es als Fremdsprache empfunden. Gesprochen wird Schweizerdeutsch und das kann innerhalb eines Umkreises von 100km ab drei verschiedene Varianten aufwärts kennen... und nur eine halbverbindliche Rechtschreibung.
    Zitat: Einer der wichtigen und gewichtigen Unterschiede besteht darin, dass im Züritüüsch die Form fehlt vom deutsch-deutschen Pronomen der 1. Person Plural; das Wort "WIR" ist nicht vorhanden. Gemeinsames entsteht züritüüsch über den Dativ vom ICH als MIËR [bestimmt] und MËR [unbestimmt], behält also den Bezug zum SELBST und ist dadurch kein manipulierbares Phantom wie beim Standard-Deutsch, wo das unbekannte ALLE, eine Dualität von Alles/Nichts, als Drittes aufgehoben wird durch ein vermeintliches WIR, welches aber tatsächlich bloss fiktiv bzw. eine grammatikalische Konstruktion ist, weil, ohne [m]ich auch kein drittes ["alle"]."
    Aha!
    Ehrlich, ich hab' immer gesagt: wenn ich in einem anderen Land lebe, dann lerne ich dessen Sprache... dann war ich in der Schweiz und begann mich zu fragen: welche?

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  3. Steckt bestimmt ein tiefer Sinn drin.
    Aber ich glaub, ich will kein Schweizer sein. WIR ist geborgen, tröstlich, lieb, stark. Das würd ich nicht hergeben.

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