Donnerstag, 2. November 2017

Ich auch, und ihr? Etwa auch?

Kevin Spacey, Dustin Hoffman die Liste der Täter wird länger, täglich. Diese Kerle haben sich schlecht benommen. Sie waren zu bestimmten Zeiten, betrunken oder nüchtern, Arschlöcher. Aber gibt es auch weibliche Mistschweine?
"House of Cards" wird keine nächste Staffel haben, "Reifeprüfung" ist nun ein mieser Film? 
Ich weiß nicht mehr, was ich meinen soll. 
Wie werden wir in Zukunft miteinander umgehen? 
Ich bin aus diesen Kämpfen, unfreiwillig, raus. 
Frauen außerhalb des gebärfähigen Alter sind, für Jäger, nahezu unsichtbar. 
Aber wie läuft es jetzt zwischen euch jungen, unbedachten, sehnsüchtigen Unsicheren? 
Vergewaltigung ist ein Verbrechen. Mißbrauch von ökonomischer Macht zur Befriedigung nicht erwiederten Verlangens sollte es sein.
Aber. ABER. Aber, was ist, wenn mein Vierzehnjähriges Ich sich in einen um vieles Älteren verliebt? 
Wenn Karrierewunsch und Bewahrung der eigenen Würde mein persönlicher Kampf ist? Und diesen Kampf habe ich gebraucht, um die zu werden, die ich bin.
Mit Vierzehn war ich außen vor, ahnungslos, aber schon mit Sechzehn habe ich dumme Entscheidungen ganz allein, absichtsvoll getroffen, aus Abenteuerlust, um wildes Zeug zu erleben, um Spaß zu haben, um erwachsen zu werden. 
War ich also Opfer, der Männer, die ich in diesem Alter gevögelt habe, oder haben sie mich mißbräuchlich gevögelt? Wer hat wen erjagt?
Ich weiß um die Macht weißer Männer, aber ich weiß auch um meine jugendliche Lust auf Abenteuer, um meine mir noch selbst unbekannte Lust. 
Ich kann mit meinen Irrtümern leben. 
Bin ich trotzdem ein Opfer? Oder ein experimentierfreudiges pubertierendes Mädchen mit heftigen eigenen Interessen?
Ich weiß es nicht. Und mag Männer immer noch, nicht alle, aber manche. Und mit Frauen geht es mir genauso.
Machtmißbrauch ist ein subtiles Maschinengewehr. Wer schießt?



nnn

Montag, 30. Oktober 2017

Jeanne Mammen & The Square

Wieder mal die Berlinische Galerie in der Alten Jakobstrasse, die ist immer einen Besuch wert. Jeanne Mammen geboren am 21. November 1890 in Berlin, gestorben am 22. April 1976 ebenda, sehr erfolgreich bis 1933, dann Rückzug, um zu Überleben arbeitet sie als Gebrauchsgrafikerin. Sie notiert "Ende meiner realistischen Periode". Und „Ich habe mich getarnt. Eine Frau als Gebrauchsgrafikerin: Die macht Blümchen.“  Später war sie lang fast vergessen, hat aber immer weiter experimentiert. Wieviele Leben, selbst von Überlebenden, tief eingerissen wurden durch diese verfluchten 12 Jahre.




1947, als ihre Kunst zum ersten Mal seit dem Zweiten Weltkrieg wieder in einer Einzelausstellung präsentiert wurde, zeichnete sie für den Almanach der Galerie Rosen statt einer Vita einfach eine krakelige Linie und schrieb darunter:
„Das ist mein Lebenslauf – er fing mal an und hörte noch nicht auf.“ 
https://www.berlinischegalerie.de/ausstellungen-berlin/aktuell/jeanne-mammen/jeanne-mammen-die-beobachterin/aeusserlicher-kurzbericht/

 
L’art pour L’art
Das Schwirren eines aufgeschreckten Sperlings
begeistert Korf zu einem Kunstgebilde,
das nur aus Blicken, Mienen und Geberden
besteht. Man kommt mit Apparaten,
es aufzunehmen; doch v. Korf ‚entsinnt sich
des Werks nicht mehr‘, entsinnt sich keines Werks mehr
anläßlich eines ‚aufgeregten Sperlings‘.

Christian Morgenstern 1932


Anmutig und herb.
Kurt Tucholsky über J.M.


The Square ein dänischer Film von Ruben Östlund mit Claes Bang (dänisch für Klaus Knall?) in der Hauptrolle. "hm ja durchwachsen, schlechte synchro, mal so mal so, mal platt, mal harter toback, mal gut, recht böser humor" schrieb ein Bekannter. Ich fand ein langer Film, toll photographiert, nicht langweilig, oft überraschend, manchmal überdeutlich und die Schlußsequenz macht klar, was bis dahin dunkel blieb. Ich bin froh, dass ich den Film gesehen habe und Claes Bang ist sehr cool.


Sonntag, 29. Oktober 2017

Wörter klingen - Bilder entstehen

Eine nicht erinnerte, mir nur von meiner Mutter, die heute Geburtstag hätte, würde sie noch am Leben sein, berichtete Episode aus meiner frühesten Kindheit: ich, ihr neues, erstes Baby wird angepriesen, als blond, fett, ausgeglichen und blauäugig, die Gäste bereiten den erwarteten Jubel vor und treffen auf mich, den Säugling im Gitterbett, mild grinsend und über und über mit der mir eigenen Kinderkacke beschmiert. Kontrastbild: blond und dunkelbraun.
Wir bennenen es nur ungern. Obwohl jeder von uns es produziert. Es ist unser völlig idiotisches, geteiltes Geheimnis. Wir essen und verdauen und scheiden die unverdauten Reste aus. Oben geht Nahrung rein, unten kommt Scheiße raus. Warum ist uns das so peinlich?

Die Kackwurst, ein Kinderwort - in meinem Kopf das Bild von etwas länglichem, rundlichen, mittelbraun, nahezu geruchlos. Das erstemal eigenständig auf einer Toilette oder in einen Nachttopf, Windeln werden bald ein vergessenes Wort sein. Hurra!
Aber es gibt auch viele andere Worte für diese menschliche Ausscheidung, zum Beispiel: Scheiße, Kacke, Kot, Stuhl, Darmausscheidung, Haufen, Fäzes, Fäkalien, Exkrement, Schiß, Kaviar.  
Jedes dieser Synonyme, sprachlichen Entsprechungen hat einen eigenen Geruch, eine eigene Deutung, ein eigenes damit verbundenes Gefühl.
Stuhl wird in kleinen Gläsern in Labore gesandt, zur Untersuchung.
Schiß ist, wenn es denn ein guter ist, befreiend, oder er impliziert Angst.
Kacke klingt wie infantiles Schimpfwort.

Kot ist zu untersuchen. Ein Indiz für etwas.
Die Darmausscheidung vermeidet den Ekel und übersetzt ihn hilfreich ins medizinische.
Der Haufen wurde von einem Tier ausgeschieden.
Fäkalien kommen nur in Masse vor. Sie sind Teil des Abwassers, des Abfalls, den wir als Rasse erzeugen.

Fäzes kenne ich nur im Zusammenhang von Kriminalromanen und pathologischen Untersuchungen. 

Kaviar nennt man es in Anzeigen sexueller Art. Ein Euphemismus, Wiki bezeichnet das als Glimpfwort, Beschönigung, Hehlwort, Hüllwort oder Verbrämung. Glimpfwort, als Gegensatz zur Verunglimpfung habe ich das erst heute kennengelernt.
Scheiße ist ein gutes Wort. Das deutsche Equivalent zum englischen "Fuck you". Ich liebe dieses Wort. Es ist ist hart, kurz und und nicht zu verniedlichen. Was Scheiße ist, wird nicht als etwas anderes mißverstanden werden.


Donnerstag, 26. Oktober 2017

Ein feiner Abend

TALENT IST INTERESSE.  
b.b. zugeschrieben

Meist treibt es mich Dreiviertel des Jahres durch die Lande und wenn ich mal in Berlin bin, will ich meine Freunde sehen, meine Wohnung bewohnen, Rezepte ausprobieren und Kultur fressen. Aber Premieren und ähnliches meide ich und bin deshalb, was den sozialen Teil der Berliner Theaterszene betrifft, mittlerweile völlig raus.
Aber heute Abend hat ein Freund ein großes Buch- und Ausstellungsprojekt in der Akademie der Künste vorgestellt und ich hatte durch ihn einen wirklich feinen Abend.
Spannende Reden, man stelle sich das vor, eine kluge Lesung, nicht so schöne Musik, eine faszinierende Ausstellung, die ich mir, wenn sie dann nicht so überlaufen ist, nocheinmal ansehen werde. 
Und danach. Danach Leute wiedersehen, die ich Ewigkeiten, große und kleine, nicht getroffen habe. 
Ein langer Plausch mit Christa & B.K. Tragelehn. Wichtigste DDR-Theatergeschichte in wunderbaren, minimalistischen Anekdoten, angereichert mit den Namen aller Idole meiner kindlichen Theaterbegeisterung. Sie unterbrechen, korrigieren & ergänzen einander - ein Ehepaar erzählt einen Witz mit mehr als einer Pointe. 
Dieter Schütt befragt ihn glücklicherweise schon, denn solch ein Schatz an Wissen und Erfahrung darf nicht verloren gehen. 
Wiki schreibt: Tragelehn war von 1955 bis 1958 Meisterschüler an der Akademie der Künste in Berlin(Ost) bei Bertolt Brecht und Erich Engel, danach war er meist freischaffend als Schriftsteller und Regisseur in Berlin tätig. Er arbeitete an der Studentenbühne der Hochschule für Ökonomie Berlin-Karlshorst und inszenierte das Stück Die Korrektur von Heiner Müller. Im September 1961, einen Monat nach dem Bau der Berliner Mauer, löste die Inszenierung der Uraufführung von Heiner Müllers Stück Die Umsiedlerin oder Das Leben auf dem Lande einen kulturpolitischen Skandal aus. Stück und Aufführung wurden für konterrevolutionär erklärt; Die Umsiedlerin konnte in der DDR bis 1976 nicht aufgeführt werden. Tragelehn wurde aus der SED ausgeschlossen, vom Senftenberger Theater fristlos entlassen und zur Bewährung in der Produktion in einen Braunkohlentagebau in der Niederlausitz geschickt. Nach Intervention von Paul Dessau durfte er ab 1964 wieder als Regisseur arbeiten.

Christa erzählte dann, dass sie, während Tragelehn im Bergbau strafarbeiten mußte, zur Universität gelaufen ist, weil das Geld für die Straßenbahn nicht reichte. Die beiden sind seit 57 Jahren und durch vier Kinder verbunden. Das ist einen gewaltigen Tusch wert!
14 war ich, als Tragelehn mit Einar Schleef beschloß, am BE Frühlingserwachen mit Schülern Berliner Schulen zu machen. 24 als ich in einer Inszenierung von Christas Übersetzung von Oscar Wildes "Von der Wichtigkeit Ernst zu sein" umbesetzt wurde, weil mein Humor mit dem Humor des Regisseurs inkompatibel und mein Gesicht, nach Aussage des Regisseurs, wegen Mangel an Mimik für den Beruf des Schauspielers sowieso ungeeignet sei. Auf dem Heimweg habe ich mir lustvoll vorgestellt, wie ich ihn mit meinem Brotmesser ersteche. Jahre später hat er sich bei mir entschuldigt und wir wurden liebevolle Freunde.
Ich hatte, habe, ein interessantes Leben. Ich werde ein interessantes Leben haben.

Benjamin und Brecht.
Denken in Extremen

Unter Brechts Einfluss treibt Benjamin nur dumme Dinge.
Theodor W. Adorno

Akademie Der Künste Hanseatenweg 10
Di – So, 11 – 19 Uhr 
€ 9/6
Bis 18 Jahre und dienstags ab 15 Uhr Eintritt frei


 Bertolt Brecht und Walter Benjamin spielen Schach, 1934, Skovsbostrand/Dänemark, 
Foto: unbekannt © Akademie der Künste, Berlin, Bertolt-Brecht-Archiv 

An Walter Benjamin der sich auf der Flucht vor Hitler entleibte

Ermattungstaktik war’s, was dir behagte
Am Schachtisch sitzend in des Birnbaum Schatten
Der Feind, der dich von deinen Büchern jagte
Lässt sich von unsereinem nicht ermatten.

b.b.

Dienstag, 24. Oktober 2017

Muskelkater - Aua!

 
Der Muskelkater, wahrscheinlich eine Verhunzung von Muskelkatarrh, verwandt jenem Kater/Katarrh, den man nach übermäßiger Zufuhr von Alkohol haben kann, ist nicht schlimm, aber er nervt ungemein. 
Ich habe momentan einen solchen, weil ich nach langer Zeit sehr hoher Aktivität, seit letzter Woche in einen Zustand der fast vollständigen Faulheit verfallen bin. Stunden auf dem Sofa, Stunden vor dem Computer beim Patience-Spiel. Kultivierte Verblödung im Exzess. Und nun schmerzt mein Körper, weil er intensiv unterfordert wird. Verkrümmt gemütlich auf dem Sofa und mit untergeschlagenem Bein auf dem schönsten Bürostuhl der Welt. 
Der Stuhl ist bescheuert teuer und unglaublich bequem und wird durch Manufaktum vertrieben. Die verkaufen auch einen Besenschrank für 1720 Euro, den habe ich nicht gekauft.
Meschugge, Muskelschmerzen durch Überforderung in Folge von Unterforderung. Und nun bewege ich mich wie die alte Frau, die ich in naher Zukunft hoffentlich sein werde.


Wiki definiert Kattarh so: Ein Katarrh (auch katarrhalische Entzündung oder Catarrhus; v. altgriechisch καταρρεῖν katarrhein, deutsch ‚herunterfließen‘) ist eine Entzündung der Schleimhäute, häufig der Atmungsorgane, die mit einer vermehrten Absonderung wässrigen oder schleimigen Sekretes verbunden ist.

Montag, 23. Oktober 2017

Eine Band - Prada Meinhoff

Christin Nichols singt, René Riewer spielt den elektrischen Bass.
Sie nennen sich Prada Meinhoff, ein Schelm wer ....
Post-Zweitausender Punk-Rock.
Ein erfreulicher Widerspruch in sich.
Die spinnen, drehen ab. 
Sie kreischt, säuselt, schreit und singt.
Er unterstützt, konzentriert und versunken. 

Leider nur ein Musik-Beispiel, sie starten gerade erst durch und die anderen Videos sind ungelenke Live-Mitschnitte.

Maske
https://www.youtube.com/watch?v=a4-HEEY7aXo 




© radioeins/Schuster

Sonntag, 22. Oktober 2017

BLADE RUNNER - 2049

Jared Leto ist ein furchtbarer Schauspieler.

An diesem Film ist alles gut und alles richtig, er ist wunderbar langsam, brillant photographiert, gespickt mit klugen Zitaten seines Vorgängers.
An dem Film stimmt nichts, er nimmt sich selbst so ungeheuerlich ernst, dass er mir kaum Raum läßt, das für ihn zu tun.
Wo das Original feucht und stickig und schmuddelig war, zelebriert er eine edle und durchkomponierte Ästhetik des Drecks und der Nässe.
Wo Harrison Ford stoisch und doch zutiefst verstört durch seine Geschichte stolperte, von der er nicht wußte, dass sie eine Tragödie war, breitet Ryan Gosling seine emotionale Tiefe vor uns aus, wie ein edles Fünf-Sterne-Mahl aus Anlass der Apokalypse.
Wo der Soundtrack von Vangelis minimalistisch in den Magen schoß, setzen heute Zimmer & Wallfisch jede Menge Beats obendrauf, damit unser Herz gewiss im gewünschten Rhytmus pocht.
Rutger Hauer starb im Regen, vielleicht hat er geweint, aber es könnten auch nur Regentropfen gewesen sein, jetzt weint jeder Replikant, und sogar die digitalisierte Menschin, mindestens zweimal, um ihre Menschlichkeit zu beweisen.
Es gibt keine Menschen mehr, nur Massen von Kahlköpfigen.
Darryl Hannah war häßlichschön, wild und witzig, die schiefgegangenen Replikantenmodelle in Tyrells Haus kleine traurige Kunstwerke, Edward James Olmos konnte Tiere aus Papier falten. Im "alten" Film von 1982 wollten alle Figuren unbedingt leben, hier träumen sie alle vom Tod.
Joe Turkel als Dr. Eldon Tyrell war ein herzerweichend einsamer Mensch. Jared Leto ist ein furchtbarer Schauspieler.



Für meine ungenaue Unzufriedenheit gibt es viele Gründe. Sicher verliert man seine filmische Unschuld nur einmal, aber es ist nicht nur das. Denn den Untergang der Welt zu fürchten, ist etwas anderes als sich in dieser Angst zu baden. 
1982, ein es war einmal vor der weltweiten Aidsepedemie, vor der Vernetzung aller mit allem, vor der Entwicklung der Motion-Capture-Technik, vor so vielem anderen. 
2017 eine Zeit der allgemeinen Verunsicherung, Verängstigung. Und möglicherweise aber auch eine Zeit der morbiden Lust an der Katastrophe.

Jared Leto ist ein furchtbarer Schauspieler.

Freitag, 20. Oktober 2017

Kingsman - The Golden Circle

Matthew Vaughn. Sein klassischer Gangsterfilm Layer Cake mit dem sehr jungen, und schon großartigen Daniel Craig ist einer meiner liebsten. Mit Guy Ritchie hat er einige seiner Filmen produziert, leider auch Swept Away. Und eine ziemlich gute X-Men Folge hat er gedreht.
Seinem erfolgreichsten Produkt Kingsman - Secret Service folgt jetzt die gänzlich unvermeidliche Fortsetzung. 

Was kann ich sagen? Vollkommen inhaltsfrei und äußerst unterhaltsam. James Bond trifft Indiana Jones auf Kokain und mir unbekannten Drogen unter freundlichster Verwendung jeden Zitates aus Western und Film noir, dessen er habhaft werden konnte. Und erschreckend zuverlässig dreht Vaughn die Schraube noch mindestens einmal weiter, als von mir erwartet oder faßbar. 

Toll besetzt mit Colin Firth, Mark Strong, Hale Berry, Jeff Bridges, Julianne Moore, Channing Tatum, Michael Gambon, Emily Watson, die alle sichtbar ein extrem gute Zeit hatten, ihre eigenen Spieler-Klischees auf die Schippe zu nehmen. Hale Berry mimt die graue Maus, Emily Watson emotioniert, Jeff Bridges ist cooler als cool, etc..

Und sie alle leichthändig und übergewichtig überflügelnd: Elton John, der auch den einzigen deutlichen blitzenden Blick in die Kamera wirft, während er mit einem mühelosen meterhohen Ninja-Sprung einen Gegner außer Gefecht setzt. 


Wo führt das hin? Wann sind alle irrwitzigen Kampfchoreographien ausgereizt? Wann überholt sich die Ironisierung des eigenen Genres selbst über links? Wann ist nicht mehr zu toppen, was schon ausgetoppt ist? Manchmal denke ich, mit Skyfall war das gesamte Thema auserzählt. Aber nix da, die atemlose Jagd geht weiter.
Im Theater spielt sich, zumindestens in Deutschland, gerade der gleiche Wettlauf ab - Was kann ich tun, das noch kein anderer vor mir getan hat? Alle inhaltlichen Fragen ducken sich unter diese eine, sehr existentielle.
Wie es in Labiches Sparschwein heißt:
Es ist ein Kampf! Der Liebenswertere wird geliebt! Der Gewinnendere wird gewinnen!  
Ich habe heute Abend nichts gelernt, nur gegrinst, und eine Idee für eine künftige Inszenierung auf einer altmodischen Theaterbühne gesehen.

Mittwoch, 18. Oktober 2017

Caligula & die Psychiatriepatientin

"Diese Welt ist so, wie sie gemacht ist, nicht zu ertragen."

Heute Nachmittag in Clärchens Ballhaus, der Spiegelsaal, absichtsvoll unrestauriert, gemütlich, geschichtsbeladen.





Am Abend im neuen BE - CALIGULA - Camus verzweifeltes Erstlingsdrama auf die Bühne gesetzt von Antú Romero Nunes mit Constanze Becker in der Titelrolle und anderen hochbegabten Spielern. Böse Clowns, die sich ihrer Wirkung nur allzu sicher sind. Es wird intensiv ironisiert. Aufwendig. Mit gigantischer Windmaschine, ästhetischem Regen, viel Nebel und einem nahezu unbespielten Bühnenbild von überdimensionalen Orgelpfeifen in der zweiten Stückhälfte. Und jede Menge Spritzblut gab es auch.
Ich mag diese Effekte, wenn sie klug eingesetzt werden. Ich bewundere Constanze Becker, die immer die Übersicht behält, ihre Mittel im Griff hat, spielend denkt und nix gucken läßt. Felix Rech ist so erstaunlich präsent, wie er es immer ist. Aljoscha Stadelmann chargiert selbstbewußt und Oliver Kraushaar zeigt maskuline Stärke. Und die von mir verehrte Annika Meyer, versucht dem Ganzen einen Hauch von existentieller Not hinzuzufügen.
Vor Jahren im Maxim-Gorki-Theater saß ich auf der Stuhlkante bei Nunes' Räubern. Heute saß ich ganz bequem und leicht ermüdet. Ironie bietet keine ernsthafte Konfrontation. 
Heute? Worum geht es? Warum das Ganze? Wen kümmert es? Ich weiß es nicht.


Auf dem Heimweg die Begegnung mit einer kleinen schwarzhäutigen Frau auf Droge mit dem Armband der psychiatrischen Tagesklinik. Sie changierte zwischen Kommunikation und aggressiven Ausbrüchen. Ich habe die Polizei gerufen. Die kamen nach zwanzig Minuten und verhielten sich hilflos. Sie wurde mit Handschellen gefesselt und ihre verzweifelten Schreie in Französisch hallen in meinen Ohren. Was hat sie erlebt, überlebt? Ein Krankenwagen hat sie weggefahren. Ich hoffe, dass ihr geholfen werden kann. Sie hatte keine Kraft für Ironie.



Wiki definiert Ironie so: Ironie (altgriechisch εἰρωνεία eirōneía, wörtlich „Verstellung, Vortäuschung“) bezeichnet zunächst eine rhetorische Figur (auch als rhetorische Ironie oder instrumentelle Ironie bezeichnet). Dabei behauptet der Sprecher etwas, das seiner wahren Einstellung oder Überzeugung nicht entspricht, diese jedoch für ein bestimmtes Publikum ganz oder teilweise durchscheinen lässt. Sie kann dazu dienen, sich von den zitierten Haltungen zu distanzieren oder sie in polemischer Absicht gegen angesprochene Personen zu wenden.

Montag, 16. Oktober 2017

Ich auch! - Me too!

Im Netz schlägt, in Reaktion auf den heftig propagierten Harvey Weinstein Skandal, eine Aufforderung an Frauen, sich zu eigenem Erleben von sexuellem Mißbrauch, oder besser Machtmißbrauch zum Zwecke sexueller egoistischer Interessen, hohe Wellen. 
Keiner hat etwas gewußt. Alle wußten es, aber niemand hat sich getraut, etwas zu sagen.
Niemand? 

Und jetzt diese hohe Welle. Me, too! Oder, verdeutscht, Ich, auch! Auch mir ist Schreckliches geschehen.

Ich könnte problemlos einstimmen in diesen vielstimmigen weibichen Chor. 
Mistkerle haben keine Skrupel und Angst ist ein mächtiges Mittel zur Erreichung selbstsüchtiger Ziele.
 
ABER.

Aber mich irritiert Zweierlei. 
Erstens werden hier, so scheint es mir, sehr verschiedene Dinge in einen brodelnden politischen Topf geworfen - wirklicher Mißbrauch, aber auch Ungeschicklichkeit, wie z.B. ungelenke Komplimente oder veraltete Umgangsformen & in der Reaktion, Gefühle, die in der eigenen jugendlichen Unsicherheit wurzeln & oder im nachträglich defensiven Blick auf die eigene Geschichte.
Ja, anteilig sind zu viele Männer in mächtigen Positionen und Frauen werden immer noch, bei gleicher Arbeit, schlechter bezahlt. Das ist ungeheuerlich ungerecht.
Aber, zweitens, warum eilen wir Frauen jetzt übereifrig zur Stelle und erklären uns zu Opfern der Männerwelt? Ist es wirklich die hilflose Opferposition, aus der wir kämpfen wollen?

Harvey Weinstein ist, höchstwahrscheinlich, ein mieses Schwein. Aber nicht jeder Mann, der meine Schönheit bemerkte, als ich schön war, wollte mir Böses. Und ich, als Frau, habe manchesmal meine frauliche Wirkung benutzt, Asche auf mein Haupt, um zu erreichen, was ich wollte. 
Nein. Nicht jeder Moment in dem ich mich in meinem Frausein unwohl fühlte war das Ergebnis männlicher Manipulation. Manche ja. Aber nicht jeder. 

 
Skandal bezeichnet ein Aufsehen erregendes Ärgernis und die damit zusammenhängenden Ereignisse oder Verhaltensweisen. Das Wort ist im Deutschen seit dem Ende des 16. Jahrhunderts belegt. Es wurde aus dem gleichbedeutenden französischen scandale entlehnt, das auf das kirchenlateinische scandalum zurückgeht, dieses wiederum auf das griechische skandalon „Fallstrick, Anstoß, Ärgernis“. (Wiki)

Irritation ist der Zustand, dass jemand verwirrt und erregt ist und/oder sich ärgert. (ebenfalls Wiki)

Das Wort Opfer tritt ungefähr seit den 2000er Jahren im deutschen Sprachraum auch als Schimpfwort auf. Abweichend vom traditionellen Sprachgebrauch drückt es eine abwertende und verächtliche Haltung jemandem gegenüber aus. Inzwischen wird es unter Umständen auch abgeschwächt im Sinne von „uncool“, „langweilig“, „dumm“ verwandt, seltener als ironisch-freundliche Anrede. (und wieder Wiki)