Samstag, 14. Februar 2015

Friedrich Nietzsche - Die Krähen schrei'n und ziehen schwirren Flugs zur Stadt- Irrsinn!


Der Freigeist
Abschied

Die Krähen schrei'n
Und ziehen schwirren Flugs zur Stadt:
Bald wird es schnei'n –
Wohl dem, der jetzt noch – Heimat hat!

Nun stehst du starr,
Schaust rückwärts ach! wie lange schon!
Was bist du, Narr,
Vor Winters in die Welt – entflohn?

Die Welt – ein Tor
Zu tausend Wüsten stumm und kalt!
Wer Das verlor,
Was du verlorst, macht nirgends Halt.

Nun stehst du bleich,
Zur Winter-Wanderschaft verflucht,
Dem Rauche gleich,
Der stets nach kältern Himmeln sucht.

Flieg', Vogel, schnarr'
Dein Lied im Wüsten-Vogel-Ton! –
Versteck' du Narr,
Dein blutend Herz in Eis und Hohn!

Die Krähen schrei'n
Und ziehen schwirren Flugs zur Stadt:
Bald wird es schnei'n –
Weh dem, der keine Heimat hat! 

Friedrich Nietzsche



The Imitation Game - O Benedict!


Damit es gleich zu Beginn gesagt ist: ja, gegen Ende wird der Film pathetisch, sowohl in seiner persönlichen, wie auch in der nationalistischen Erzählung. 
Ersteres ist wohl gar nicht vermeidbar, wenn man, wie es dieser Film tut, auch wenn er nicht eins zu eins die historischen Fakten nacherzählt, wenn man sich also mit der wahrhaft tragischen Lebensgeschichte dieses Mannes, Alan Turing, ernsthaft beschäftigen will.

Siehe: http://johannaschall.blogspot.de/2012/12/der-vergiftete-apple.html?showComment=1423942219054#c1713173473587356792

Zweiteres ist ein Übel, dass ich ständig bemerke. 
Wer hat den nun verfluchten Zweiten Weltkrieg gewonnen? Wer war der Beste, der Opferbereiteste, der Siegreichste? Als ob sich die unsäglichen Leiden und Heldentaten der Vielen so einfach gegeneinander aufrechnen ließen. Die komplizierte Vorgeschichte dieses Massenschlachtens und die Geschwindigkeit und Absolutheit, in der aus den gemeinsam einen Feind Bekämpfenden wiederum selbst Feinde in einem kalten Krieg wurden, läßt offensichtlich wenig Abwägung, Gerechtigkeit und gegenseitige Achtung zu. In diesem Film sind es also die Codebrecher aus Bletchley-Park, die in Zusammenarbeit mit dem amerikanischen Geheimdienst den Ausgang des Krieges bestimmen.
Aber diese Mäkelei betrifft nur das Ende.

Alan Turing

Bis dahin hatte ich eine ganz wunderbar merkwürdige und spannende und erschütternde Geschichte gesehen.

Wie schaffen die Briten es immer wieder, über Außenseiter, Spinner, Eigenbrötler zu erzählen, mit klarem Blick und Witz und Menschlichkeit, und dass ohne sie zur besseren Verdaulichkeit in warmherzige Kuscheltiere zu verwandeln? Warum sind die Dialoge so interessant, knapp und doch voller überraschender Nebenwege? Warum können sie mir die "Metaebene" sozusagen unterjubeln, anstatt sie, wie es sich im deutschen Film gehört, als dicke Paste über jeden Filmmeter schmieren? Warum sehen die Kostüme so glaubwürdig aus und die Masken? Turing trägt z. B. einen Pullunder, der ganz offensichtlich oft und ungeschickt gewaschen worden ist. Warum machen sie es mir so viel leichter, ganz unterschiedliche Figuren zu "mögen", dass heißt dass ich ihnen mit Zuneigung zusehen will?

Benedict Cumberbatch spielt Alan Turing. In der ersten Szene läuft er über einen vollen Bahnsteig und schon dieser Gang, zielgerichtet, doch nach innen konzentriert und Berührung mit anderen aus alter Gewohnheit vermeidend, ist großartig. Ja, ja, ich bin ein Fan, oder, wie die offizielle Bezeichnung heißt, eine Cumberbitch. Aber, auch ohne meine  
fangetrübten Augen, wird man einen sehr gut gespielten Film sehen! 
Selbst Keira Knightley, nach "Bend it like Beckham" eher für niedliche Flirrigkeit bekannt, als für Spielkunst, ist erstklassig!


Alan Turing:

Now, Detective, you get to judge. That’s how the game works. I answered your questions. You know my story. That’s the point of the game. We are all pretending to be something. Imitating something. Someone. And we are no more, and no less, than what we can convince other people that we are. So tell me: What am I? Am I a person? Am I a machine? Am I a war hero? Am I a criminal?

http://de.wikipedia.org/wiki/Turing-Test

http://de.wikipedia.org/wiki/Enigma_%28Maschine%29

Das Lied der Lieder






Poesie.

Ein Liebeslied? 
Ein erotisches Dialog-Gedicht.
Die Geschichte einer Vergewaltigung?
Ein Loblied auf die katholische Kirche??? 


Gemäß der allegorischen Auslegungsmethode wurde in Antike und Mittelalter 
von Juden und Christen die erotische Annäherung, von der das Gedicht handelt, 
als Beschreibung der Liebe zwischen Gott und seinem auserwählten Volk (im Judentum) 
bzw. zwischen Christus und der Kirche als Braut Christi (im Christentum) interpretiert.

 Wiki

Das Hohelied Salomos.
Schir ha-Schirim
Das Lied der Lieder.
 
Er küsse mich mit dem Kusse seines Mundes; denn deine Liebe ist lieblicher als Wein. 

Es riechen deine Salben köstlich; dein Name ist eine ausgeschüttete Salbe, 
darum lieben dich die Jungfrauen. Zieh mich dir nach, so laufen wir. 
Der König führte mich in seine Kammern. Wir freuen uns und sind fröhlich über dir; 
wir gedenken an deine Liebe mehr denn an den Wein. Die Frommen lieben dich.

Ich bin schwarz, aber gar lieblich, ihr Töchter Jerusalems, wie die Hütten Kedars, 
wie die Teppiche Salomos. Seht mich nicht an, daß ich so schwarz bin; 
denn die Sonne hat mich so verbrannt. Meiner Mutter Kinder zürnen mit mir. 
Sie haben mich zur Hüterin der Weinberge gesetzt; aber meinen eigenen Weinberg 
habe ich nicht behütet. Sage mir an, du, den meine Seele liebt, wo du weidest, 
wo du ruhest im Mittage, daß ich nicht hin und her gehen müsse bei den Herden deiner Gesellen. 
Weiß du es nicht, du schönste unter den Weibern, so gehe hinaus auf die Fußtapfen der Schafe 
und weide deine Zicklein bei den Hirtenhäusern. 
Ich vergleiche dich, meine Freundin, meinem Gespann an den Wagen Pharaos. 
Deine Backen stehen lieblich in den Kettchen und dein Hals in den Schnüren. 
Wir wollen dir goldene Kettchen machen mit silbernen Pünktlein. 
Da der König sich herwandte, gab meine Narde ihren Geruch. 
Mein Freund ist mir ein Büschel Myrrhen, das zwischen meinen Brüsten hanget. 
Mein Freund ist mir eine Traube von Zyperblumen in den Weinbergen zu Engedi. 
Siehe, meine Freundin, du bist schön; schön bist du, deine Augen sind wie Taubenaugen.  
Siehe, mein Freund, du bist schön und lieblich. 
Unser Bett grünt, unserer Häuser Balken sind Zedern, unser Getäfel Zypressen. 

Sehnsucht der Freundin nach dem Freund


Ich bin eine Blume zu Saron und eine Rose im Tal. 
Wie eine Rose unter den Dornen, so ist meine Freundin unter den Töchtern. 
Wie ein Apfelbaum unter den wilden Bäumen, so ist mein Freund unter den Söhnen. 
Ich sitze unter dem Schatten, des ich begehre, und seine Frucht ist meiner Kehle süß. 
Er führt mich in den Weinkeller, und die Liebe ist sein Panier über mir. 
Er erquickt mich mit Blumen und labt mich mit Äpfeln; denn ich bin krank vor Liebe. 
Seine Linke liegt unter meinem Haupte, und seine Rechte herzt mich. 
Ich beschwöre euch, ihr Töchter Jerusalems, bei den Rehen oder bei den Hinden Hirschkühen 
auf dem Felde, daß ihr meine Freundin nicht aufweckt noch regt, bis es ihr selbst gefällt. 
Da ist die Stimme meines Freundes! 
Siehe, er kommt und hüpft auf den Bergen und springt auf den Hügeln. 
Mein Freund ist gleich einem Reh oder jungen Hirsch. 
Siehe, er steht hinter unsrer Wand, sieht durchs Fenster und schaut durchs Gitter. 
Mein Freund antwortet und spricht zu mir: 
Stehe auf, meine Freundin, meine Schöne, und komm her. 
Denn siehe, der Winter ist vergangen, der Regen ist weg und dahin; 
die Blumen sind hervorgekommen im Lande, 
der Lenz ist herbeigekommen, und die Turteltaube läßt sich hören in unserm Lande; 
der Feigenbaum hat Knoten gewonnen, die Weinstöcke haben Blüten gewonnen 
und geben ihren Geruch. 
Stehe auf, meine Freundin, und komm, meine Schöne, komm her! 
Meine Taube in den Felsklüften, in den Steinritzen, zeige mir deine Gestalt, 
laß mich hören deine Stimme; denn die Stimme ist süß, und deine Gestalt ist lieblich. 
Fanget uns die Füchse, die kleinen Füchse, 
die die Weinberge verderben; denn unsere Weinberge haben Blüten gewonnen. 
Mein Freund ist mein, und ich bin sein, der unter Rosen weidet. 
Bis der Tag kühl wird und die Schatten weichen, 
kehre um; werde wie ein Reh, mein Freund, 
oder wie ein junger Hirsch auf den Scheidebergen.

Treue der Freundin


Des Nachts auf meinem Lager suchte ich, den meine Seele liebt. 
Ich suchte; aber ich fand ihn nicht. 
Ich will aufstehen und in der Stadt umgehen auf den Gassen und Straßen und suchen, 
den meine Seele liebt. Ich suchte; aber ich fand ihn nicht. 
Es fanden mich die Wächter, die in der Stadt umgehen: 
"Habt ihr nicht gesehen, den meine Seele liebt?" 
Da ich ein wenig an ihnen vorüber war, da fand ich, den meine Seele liebt. 
Ich halte ihn und will ihn nicht lassen, bis ich ihn bringe in meiner Mutter Haus, 
in die Kammer der, die mich geboren hat. 
Ich beschwöre euch, ihr Töchter Jerusalems, bei den Rehen oder Hinden Hirschkühen 
auf dem Felde, daß ihr meine Freundin nicht aufweckt noch regt, bis es ihr selbst gefällt.

Herrlichkeit des Freundes


Wer ist die, die heraufgeht aus der Wüste wie ein gerader Rauch, wie ein Geräuch von Myrrhe, Weihrauch und allerlei Gewürzstaub des Krämers? 
Siehe, um das Bett Salomos her stehen sechzig Starke aus den Starken in Israel. 
Sie halten alle Schwerter und sind geschickt, zu streiten. 
Ein jeglicher hat sein Schwert an seiner Hüfte um des Schreckens willen in der Nacht. 
Der König Salomo ließ sich eine Sänfte machen von Holz aus Libanon. 
Ihre Säulen sind silbern, die Decke golden, der Sitz purpurn, und inwendig ist sie lieblich ausgeziert 
um der Töchter Jerusalems willen. 
Gehet heraus und schauet an, ihr Töchter Zions, 
den König Salomo in der Krone, damit ihn seine Mutter gekrönt hat am Tage seiner Hochzeit 
und am Tage der Freude seines Herzens.

Vorzüge der Freundin

Siehe, meine Freundin, du bist schön! siehe, schön bist du! 
Deine Augen sind wie Taubenaugen zwischen deinen Zöpfen. 
Dein Haar ist wie eine Herde Ziegen, die gelagert sind am Berge Gilead herab. 
Deine Zähne sind wie eine Herde Schafe mit bechnittener Wolle, die aus der Schwemme kommen, 
die allzumal Zwillinge haben, und es fehlt keiner unter ihnen. 
Deine Lippen sind wie eine scharlachfarbene Schnur und deine Rede lieblich. 
Deine Wangen sind wie der Ritz am Granatapfel zwischen deinen Zöpfen. 
Dein Hals ist wie der Turm Davids, mit Brustwehr gebaut, daran tausend Schilde hangen 
und allerlei Waffen der Starken. 
Deine zwei Brüste sind wie zwei junge Rehzwillinge, die unter den Rosen weiden. 
Bis der Tag kühl wird und die Schatten weichen, will ich zum Myrrhenberge gehen 
und zum Weihrauchhügel. 
Du bist allerdinge schön, meine Freundin, und ist kein Flecken an dir. 
Komm mit mir, meine Braut, vom Libanon, komm mit mir vom Libanon, 
tritt her von der Höhe Amana, von der Höhe Senir und Hermon, 
von den Wohnungen der Löwen, von den Bergen der Leoparden! 
Du hast mir das Herz genommen, meine Schwester, liebe Braut, 
mit deiner Augen einem und mit deiner Halsketten einer. 
Wie schön ist deine Liebe, meine Schwester, liebe Braut! 
Deine Liebe ist lieblicher denn Wein, und der Geruch deiner Salben übertrifft alle Würze. 
Deine Lippen, meine Braut, sind wie triefender Honigseim; Honig und Milch ist unter deiner Zunge, 
und deiner Kleider Geruch ist wie der Geruch des Libanon. 
Meine Schwester, liebe Braut, du bist ein verschlossener Garten, 
eine verschlossene Quelle, ein versiegelter Born. 
Deine Gewächse sind wie ein Lustgarten von Granatäpfeln mit edlen Früchten, 
Zyperblumen mit Narden, Narde und Safran, Kalmus und Zimt, 
mit allerlei Bäumen des Weihrauchs, Myrrhen und Aloe mit allen besten Würzen. 
Ein Gartenbrunnen bist du, ein Born lebendiger Wasser, die vom Libanon fließen. 
Stehe auf, Nordwind, und komm, Südwind, und wehe durch meinen Garten, 
daß seine Würzen triefen! 
Mein Freund komme in seinen Garten und esse von seinen edlen Früchten.
Ich bin gekommen, meine Schwester, liebe Braut, in meinen Garten. 

Ich habe meine Myrrhe samt meinen Würzen abgebrochen; 
ich habe meinen Seim samt meinem Honig gegessen; 
ich habe meinen Wein samt meiner Milch getrunken. 
Eßt, meine Lieben, und trinkt, 
meine Freunde, und werdet trunken!

Die Sehnsucht der Freundin 


Ich schlafe, aber mein Herz wacht. Da ist die Stimme meines Freundes, der anklopft: 
Tue mir auf, liebe Freundin, meine Schwester, meine Taube, meine Fromme! 
denn mein Haupt ist voll Tau und meine Locken voll Nachttropfen. 
Ich habe meinen Rock ausgezogen, wie soll ich ihn wieder anziehen? 
Ich habe meine Füße gewaschen, wie soll ich sie wieder besudeln? 
Aber mein Freund steckte seine Hand durchs Riegelloch, und mein Innerstes erzitterte davor. 
Da stand ich auf, daß ich meinem Freund auftäte; meine Hände troffen von Myrrhe 
und meine Finger von fließender Myrrhe an dem Riegel am Schloß. 
Und da ich meinem Freund aufgetan hatte, war er weg und hingegangen. 
Meine Seele war außer sich, als er redete. 
Ich suchte ihn, aber ich fand ihn nicht; ich rief, aber er antwortete mir nicht. 
Es fanden mich die Hüter, die in der Stadt umgehen; 
die schlugen mich wund; 
die Hüter auf der Mauer nahmen mir meinen Schleier. 
Ich beschwöre euch, ihr Töchter Jerusalems, 
findet ihr meinen Freund, so sagt ihm, 
daß ich vor Liebe krank liege. 
Was ist dein Freund vor andern Freunden, o du schönste unter den Weibern? 
Was ist dein Freund vor andern Freunden, daß du uns so beschworen hast? 
Mein Freund ist weiß und rot, auserkoren unter vielen Tausenden. 
Sein Haupt ist das feinste Gold. 
Seine Locken sind kraus, schwarz wie ein Rabe. 
Seine Augen sind wie Augen der Tauben an den Wasserbächen, mit Milch gewaschen 
und stehen in Fülle. Seine Backen sind wie Würzgärtlein, 
da Balsamkräuter wachsen. 
Seine Lippen sind wie Rosen, die von fließender Myrrhe triefen. 
Seine Hände sind wie goldene Ringe, voll Türkise. 
Sein Leib ist wie reines Elfenbein, 
mit Saphiren geschmückt. Seine Beine sind wie Marmelsäulen, 
gegründet auf goldenen Füßen. 
Seine Gestalt ist wie Libanon, auserwählt wie Zedern. 
Seine Kehle ist süß, und er ist ganz lieblich. 
Ein solcher ist mein Freund; mein Freund ist ein solcher, ihr Töchter Jerusalems!

Wo ist denn dein Freund hin gegangen, o du schönste unter den Weibern? 

Wo hat sich dein Freund hin gewandt? So wollen wir mit dir ihn suchen. 
Mein Freund ist hinabgegangen in seinen Garten, zu den Würzgärtlein, 
daß er weide in den Gärten und Rosen breche. 
Mein Freund ist mein, und ich bin sein, der unter den Rosen weidet.
 
Die Freude der Wiedervereinigung 


Du bist schön, meine Freundin, wie Thirza, lieblich wie Jerusalem, schrecklich wie Heerscharen.
Wende deine Augen von mir; denn sie verwirren mich. 
Deine Haare sind wie eine Herde Ziegen, die am Berge Gilead herab gelagert sind. 
Deine Zähne sind wie eine Herde Schafe, die aus der Schwemme kommen, 
die allzumal Zwillinge haben, und es fehlt keiner unter ihnen. 
Deine Wangen sind wie ein Ritz am Granatapfel zwischen deinen Zöpfen. 
Sechzig sind der Königinnen und achtzig der Kebsweiber, und der Jungfrauen ist keine Zahl. 
Aber eine ist meine Taube, meine Fromme, eine ist ihrer Mutter die Liebste 
und die Auserwählte ihrer Mutter. Da sie die Töchter sahen, priesen sie dieselbe selig; 
die Königinnen und Kebsweiber lobten sie. 
Wer ist, die hervorbricht wie die Morgenröte, 
schön wie der Mond, auserwählt wie die Sonne, schrecklich wie Heerscharen? 
Ich bin hinab in den Nußgarten gegangen, zu schauen die Sträuchlein am Bach, 
zu schauen, ob die Granatbäume blühten. 
Ich wußte nicht, daß meine Seele mich gesetzt hatte zu den Wagen Ammi-Nadibs.

Zwiegespräch des Freundes und der Freundin 


Kehre wieder, kehre wieder, o Sulamith! kehre wieder, kehre wieder, daß wir dich schauen! 
Was sehet ihr an Sulamith? Den Reigen zu Mahanaim. 
Wie schön ist dein Gang in den Schuhen, du Fürstentochter! 
Deine Lenden stehen gleich aneinander wie zwei Spangen, 
die des Meisters Hand gemacht hat. 
Dein Schoß ist wie ein runder Becher, dem nimmer Getränk mangelt. 
Dein Leib ist wie ein Weizenhaufen, umsteckt mit Rosen. 
Deine zwei Brüste sind wie zwei Rehzwillinge. 
Dein Hals ist wie ein elfenbeinerner Turm. 
Deine Augen sind wie die Teiche zu Hesbon am Tor Bathrabbims. 
Deine Nase ist wie der Turm auf dem Libanon, der gen Damaskus sieht. 
Dein Haupt steht auf dir wie der Karmel. 
Das Haar auf deinem Haupt ist wie der Purpur des Königs, in Falten gebunden. 
Wie schön und wie lieblich bist du, du Liebe voller Wonne! 
Dein Wuchs ist hoch wie ein Palmbaum und deine Brüste gleich den Weintrauben. 
Ich sprach: Ich muß auf dem Palmbaum steigen und seine Zweige ergreifen. 
Laß deine Brüste sein wie Trauben am Weinstock und deiner Nase Duft wie Äpfel 
und deinen Gaumen wie guter Wein, 
der meinem Freunde glatt eingeht und der Schläfer Lippen reden macht. 
Mein Freund ist mein, und nach mir steht sein Verlangen. 
Komm, mein Freund, laß uns aufs Feld hinausgehen und auf den Dörfern bleiben, 
daß wir früh aufstehen zu den Weinbergen, 
daß wir sehen, ob der Weinstock sprosse und seine Blüten aufgehen, 
ob die Granatbäume blühen; da will ich dir meine Liebe geben. 
Die Lilien geben den Geruch, und über unsrer Tür sind allerlei edle Früchte. 
Mein Freund, ich habe dir beide, heurige und vorjährige, behalten.

Die Treue der für immer Vereinten 


O, daß du mir gleich einem Bruder wärest, der meiner Mutter Brüste gesogen! 
Fände ich dich draußen, so wollte ich dich küssen, und niemand dürfte mich höhnen!  
Ich wollte dich führen und in meiner Mutter Haus bringen, da du mich lehren solltest; 
da wollte ich dich tränken mit gewürztem Wein und mit dem Most meiner Granatäpfel. 
Seine Linke liegt unter meinem Haupt, und seine Rechte herzt mich. 
Ich beschwöre euch, Töchter Jerusalems, daß ihr meine Liebe nicht aufweckt 
noch regt, bis es ihr selbst gefällt. 
Wer ist die, die heraufsteigt von der Wüste und lehnt sich auf ihren Freund? 
Unter dem Apfelbaum weckte ich dich; da ist dein genesen deine Mutter, 
da ist dein genesen, die dich geboren hat. 
Setze mich wie ein Siegel auf dein Herz und wie ein Siegel auf deinen Arm. 
Denn Liebe ist stark wie der Tod, und ihr Eifer ist fest wie die Hölle. 
Ihre Glut ist feurig und eine Flamme des HERRN, 
daß auch viele Wasser nicht mögen die Liebe auslöschen noch die Ströme sie ertränken. 
Wenn einer alles Gut in seinem Hause um die Liebe geben wollte, so gölte es alles nichts. 
Unsere Schwester ist klein und hat keine Brüste. 
Was sollen wir unsrer Schwester tun, wenn man nun um sie werben wird? 
Ist sie eine Mauer, so wollen wir ein silbernes Bollwerk darauf bauen. 
Ist sie eine Tür, so wollen wir sie festigen mit Zedernbohlen. 
Ich bin eine Mauer und meine Brüste sind wie Türme. 
Da bin ich geworden vor seinen Augen, als die Frieden findet. 
Salomo hat einen Weinberg zu Baal-Hamon. 
Er gab den Weinberg den Hütern, daß ein jeglicher für seine Früchte brächte tausend Silberlinge. 
Mein eigener Weinberg ist vor mir. 
Dir, Salomo, gebühren tausend, 
aber zweihundert den Hütern seiner Früchte. 
Die du wohnst in den Gärten, laß mich deine Stimme hören; die Genossen merken darauf. 
Flieh, mein Freund, und sei gleich einem Reh oder jungen Hirsch auf den Würzbergen!

Hohelied Salomo, Holzskulptur von Walter Green

http://www.google.de/imgres?imgurl=http%3A%2F%2Fwww.dhushara.com%2Fbook%2Fsong%2Fsongf%2Fsm6.jpg&imgrefurl=http%3A%2F%2Fwww.dhushara.com%2Fbook%2Fsong%2Fsongf%2Fmeincrag.htm&h=421&w=324&tbnid=jJL3pc1Wr-cYhM%3A&zoom=1&docid=HjZxVoFK4o0NpM&hl=de&ei=hBzfVJ-xK8aAU7qagLgE&tbm=isch&iact=rc&uact=3&dur=3100&page=9&start=145&ndsp=17&ved=0CJABEK0DMC44ZA

Liste von Vertonungen
http://www.grabinski-online.de/div/hoheslied.html


Donnerstag, 12. Februar 2015

Wir spielen nicht, wir sind - Authentizität ist der Tod des Theaters


"Eine ernst gemeinte philosophische Frage: Wieso gilt es eigentlich neuerdings als rassistisch und anstößig, wenn im Theater Weiße mit geschminkten Gesichtern Schwarze spielen – aber wenn ein normal gewachsener Schauspieler mit aufgeschnalltem Buckel und groteskem Pappklumpfuß einen Behinderten imitiert, finden das alle okay? Wie dem auch sei:..."
Matthias Heine

Als kleines Kind, dessen Eltern Abends auf Theater-Arbeit waren, hatte ich, zur Überbrückung der Einsamkeit, einen imaginierten Zwillingsbruder mit dem ich mir die magiegefüllte Herrschaft über ein ebenfalls vorgestelltes Königreich teilte. Der ärmliche Berliner Fasching sah mich als pubertären Neanderthaler, als Fliegenpilz und als Prinzessin. Wenn ich mich in früher Jugend überfordert fühlte, verschwand ich in Ersatzfiguren, die der coolen Alleswisserin oder in die der jungen Frau, die nichts erschrecken konnte - auf Grund meiner familiären Einbindung dauerte es sehr lang, bis ich mir eingestand, dass dieses "als ob" Getue, diese Sehnsucht nach dem anders sein, als ich war, auch mein Beruf werden könnte. Meine Freiheit. 
Ich, Johanna, mochte nicht vor anderen weinen, aber Johanna, die Spielerin schluchzte bei jeder sich bietenden Gelegenheit, sehr zur Irritation mancher Regisseure.
Ich durfte böse sein, blöd, dem Tod geweiht, verrückt, entrückt, verzückt. Freiheit.

Aber jetzt wird ein soziales, ökonomisches und gesellschaftliches Problem, nämlich dass Mitmenschen anderer Hautfarbe, sexueller Orientierung, genetischer Bevozugtheit auf dem Arbeitsmarkt nicht fair behandelt werden, dass heißt, sie werden nicht ihrer Begabung entsprechend engagiert und eingesetzt, zu einem ästhetischen Dogma umgeformt: Sei wer du bist, nicht wer du sein könntest. 
Sei authentisch. Das harsche Todesurteil für Spiel und Clownerie und das Ausprobieren von Kleidern, die Dir nicht passen. 

Fremdheit macht scharfsichtig. 

Der gefürchtete V-Effekt, Verfremdung genannt: ich bin, was ich nicht sein kann, ich sehe was ich ich kenne, aber anders, als ich es gewohnt bin, uraltes Mittel des Theaters wird tagespolitisch fragwürdig, oder sogar anrüchig. 

Wer ist Hamlet? Ein Däne mit freudscher Vaterproblematik? Wer Cleopatra? Eine junge Ägypterin? Wer ist Richard der Dritte oder Othello? Wer ist schwarz, behindert oder sonstwie anders? Ich bin es. Ich darf all dies sein, weil ich spiele. Und vergesse doch nicht, die Ungerechigkeit, die Intoleranz die unsere Gesellschaft prägt.

Nicht wer ich bin ist entscheidend, sondern wer man mir erlaubt zu sein.


Mittwoch, 11. Februar 2015

Thomas Brasch - Halts Maul, Kassandra




Nur 13 Jahre trennen uns. 1945 & 1958. Der große verfluchte Krieg endete und er wurde geboren. Er starb schon 2001, wie unfaßbar schade.

Ich, Mitglied einer sogenannten "Familie", bin in DDR-Zusammenhängen mit den Mitgliedern anderer "Familien" zusammengetroffen, den Goldsteins und den Braschs, hauptsächlich mit den Söhnen. 
Ihre Väter - der eine Emigrant und der andere Ausschwitz & Buchenwald-Überlebender, wurden in Folge rechtens Vertreter der DDR-Macht. Und die Söhne wuchsen auf unter der harten Knute der immer stärker verunstalteten Utopie ihrer Väter. 
Der eine Vater erzählte, wie er, aus Buchenwald befreit, auf dem von der Bürgern der Stadt Weimar gesäumten Strasse in die Freiheit, den Satz "Die wollten mich alle töten" nicht aus dem Hirn bekam. Der andere bestrafte, so scheint es, seine Söhne, für die eigene unverschuldete Nichtteilnahme am Widerstandskampf.
Schreckliche Endrechnung: Vor den Vätern starben die Söhne. 
Klaus, Peter, Kurt, Thomas, die ich kannte und auf unterschiedlichste Weise liebte, starben früh. Früher als nötig.
Klaus, der Clown und Zartbeseelte, Peter, der Dichter ohne Schutz, Kurt der wunderbare Liebhaber und Thomas der Zornige. 

http://de.wikipedia.org/wiki/Kurt_Goldstein_%28Journalist%29

http://de.wikipedia.org/wiki/Horst_Brasch

WIE VIELE SIND WIR EIGENTLICH NOCH.
Der dort an der Kreuzung stand,
war das nicht von uns einer.
Jetzt trägt er eine Brille ohne Rand.
Wir hätten ihn fast nicht erkannt.
Wie viele sind wir eigentlich noch.
War das nicht der mit der Jimi-Hendrix-Platte.
Jetzt soll er Ingenieur sein.
Jetzt trägt er einen Anzug und Krawatte.
Wir sind die Aufgeregten. Er ist der Satte.
Wer sind wir eigentlich noch.
Wollen wir gehen. Was wollen wir finden.
Welchen Namen hat dieses Loch,
In dem wir, einer nach dem andern, verschwinden.


UND DER SÄNGER DYLAN IN DER DEUTSCHLANDHALLE
Ausgepfiffen angeschrien mit Wasserbeuteln beworfen
von seinen Bewunderern, als er die Hymnen
ihrer Studentenzeit sang im Walzertakt und tanzen ließ
die schwarzen Puppen, sah staunend in die Gesichter
der Architekten mit Haarausfall und 5000 Mark im Monat,
die ihm jetzt zuschrien die Höhe der Gage und
sein ausbleibendes Engagement gegen das Elend der Welt. So sah
ich die brüllende Meute. Die Arme ausgestreckt im Dunkeln neben
ihren dürren Studentinnen mit dem Elend aller Trödelmärkte
der Welt in den Augen, betrogen um ihren Krieg,
zurückgestoßen in den Zuschauerraum
der Halle, die den Namen ihres Landes trägt, endlich
verwandt ihren blökenden Vätern, aber anders als die
betrogen um den, den sie brauchen: den führenden Hammel.
Die Wetter schlagen um:
sie werden kälter.
Wer vorgestern noch Aufstand rief,
ist heute zwei Tage älter.
 


FRIEDE DEN WÄCHTERN
An den Wänden die Drähte,
auf dem gebohnerten Fußboden Teppiche gegen
den harten Schritt der Stiefel
in deinem Rücken. Tür an Tür die Einzelzellen
der neuen Gesellschaft. Wessen Straße ist die Straße.

Die Stille ist die Schwester des Wahnsinns.
Zwischen Hocker und Tür fünf Schritte und
der Herzschlag zwischen den Schläfen.
Die Posen:
Widerstand/Härtetest/Selbstmitleid/Jammer/Gelächter
sind verbraucht: Leitartikel im eigenen Zentralorgan.

Schreie im Flur nach zehn Wochen oder zwölf: Ihr
Verbrecher. Das hastige Tappen der Füße über
den Teppich. Dein Ohr an der Tür.
No man is an island. Friede den Wächtern.
Der Schädel ist ein keimfreies Schlachthaus.

 
KRANICH
Du hast den Kranich gesehn
hoch oben
mit weiten Schwingen,
frei,
unendlich frei.
Doch tröste dich:
auch er muß sterben,
vielleicht bald.
 
Alle diese Gedichte sind von Thomas Brasch

Thomas Brasch nimmt einen Preis von Franz Josef Strauß entgegen.
https://www.youtube.com/watch?v=bYX-tY_pnu0 

 
Die Generation der heute Dreißigjährigen in der DDR hat den Sozialismus nicht als Hoffnung auf das Andere erfahren, sondern als deformierte Realität. Nicht das Drama des Zweiten Weltkriegs, sondern die Farce der Stellvertreterkriege (gegen Jazz und Lyrik, Haare und Bärte, Jeans und Beat, Ringelsocken und Guevara-Poster, Brecht und Dialektik). […] Ich entschuldige mich nicht dafür, daß ich den 32. Versuch von Thomas Brasch, Auf einem untergehenden Schiff aus der eigenen Haut zu kommen, nicht einfach als Literatur lesen und rezensieren konnte. Er geht mich zu viel an, und ich hoffe, daß ihm auch der 33. Versuch mißlingt. Er ist immer noch in seiner Haut der Beste, und Schiffsuntergänge sind kein Alibi für Selbstmord. Gerade die Spuren und Narben seiner DDR-Biographie zeichnen seine Texte aus der Masse der westdeutschen Literaturproduktion, die mich im ganzen herzlich langweilt. Ich weiß nicht, was sie dort für Folgen haben werden, in der DDR wird nach dem Erscheinen seiner Bücher Vor den Vätern sterben die Söhne und Kargo niemand mehr so schreiben können, als ob er sie nicht geschrieben hätte. Wie es ist, bleibt es nicht. Heiner Müller in Der Spiegel, 12.9.1977

Kurt und Thomas wurden von ihren Vätern in diese Institution geschickt:
http://www.ddr-wissen.de/wiki/ddr.pl?Kadettenanstalt_Naumburg 
 

Montag, 9. Februar 2015

Tracht & Eintracht & Zwietracht & Niedertracht & trachten




Wer Zwietracht sät, arbeitet für des Teufels Scheuer

Ich spreche und quatsche und rede so vor mich hin und höre auch vielen zu und manchmal begegne ich mittendrin einem Wort, nicht unbekannt, aber doch nie bedacht verwendet, und das Wort lungert dann so herum und will, dass ich es ausprobiere, in Sätze einbaue, genauer drüber nachdenke. So ein Stocker-Wort kann wie eine kleine Gräte im Hals stecken, ohrwurmartig Schleifen bilden oder nur kurz in der Sicht auftauchen und schnell wieder verblassen. Und manchmal bemerke ich so ein Wort in einem bestimmten Zusammenhang und dann scheint es in ganz anderen Konstellationen aus jeder zweiten Ecke zu schnipsen. Seltsam.

Meine Beschreibungen:
Eintracht - friedlich & harmonisch, mit der Gefahr öde und stagnierend zu werden, wenn sie um jeden Preis bewahrt werden soll.
Zwietracht - Unfrieden und Neid, nicht Uneinigsein, sondern gegeneinander, sich nicht mehr wahrnehmend, aber verurteilend.
Niedertracht - wenn man ihr begegnet, auch in sich selbst, reißt sie einem die Beine weg.
Tracht Prügel - dazu interessant zu lesen: http://www.welt.de/print/wams/kultur/article136989914/Es-muss-weh-tun.html

Aber dieses ganze Mahagonny
Ist nur, weil alles so schlecht ist
Weil keine Ruhe herrscht 
Und keine Eintracht
und weil es nichts gibt
Woran man sich halten kann
b.b. 

Tracht
eine Tracht Prügel - umgangssprachlich: Schläge: eine Tracht Prügel/(auch:) eine Tracht bekommen, kriegen; jemandem eine [gehörige] Tracht Prügel verpassen; zu »Tracht« in der älteren Bedeutung»aufgetragene Speise«; Prügel, die man jemandem verabreicht, wurden früher oft mit Gerichten, die man jemandem serviert, verglichen
Duden 
dazu Tracht - dracht: das, was getragen wird

Staatskunst ist die kluge Anwendung persönlicher Niedertracht für das Allgemeinwohl. 
Abraham Lincoln

Zwietracht
aus mittelhochdeutsch zwitraht, abgeleitet von enzwei tragen, „sich entzweien, uneinig sein
Wiktionary

Meint ihr, dass ich gekommen bin, Frieden zu bringen auf Erden? Ich sage: Nein, sondern Zwietracht. Denn von nun an werden fünf in einem Hause uneins sein, drei gegen zwei und zwei gegen drei. Es wird der Vater gegen den Sohn sein und der Sohn gegen den Vater, die Mutter gegen die Tochter und die Tochter gegen die Mutter, die Schwiegermutter gegen die Schwiegertochter und die Schwiegertochter gegen die Schwiegermutter.
Jesus in Lukas 12, Vers 51 bis 53

Eintracht
mittelhochdeutsch eintraht „Übereinkunft, Absprache, Vertrag“, abgeleitet von mittelhochdeutsch über ein tragen „übereinkommen, -stimmen, sich vertragen, beschließen, vereinbaren“; vergleiche frühneuhochdeutsch übereintragen. Das Wort ist seit dem 14. Jahrhundert belegt.
Wiktionary
Zustand der Einmütigkeit, der Harmonie mit anderen
Universal Lexikon

Wo Zwietracht, laß mich Eintracht bringen 
F. von Assisi

Niedertracht - bewusst gemeine, hinterhältige, boshafte Gesinnung
niederträchtig
Das Adjektiv gehört seit dem 15. Jahrhundert zum Standardwortschatz und leitet sich vom mittelhochdeutschen nidertrehtic, nidertrechtic herablassend, zu mittelhochdeutsch sich tragen, sich benehmen (also sich nach unten benehmend) ab. Im 16. Jahrhundert kommt auch hochträchtig im Sinne von hochfahrend dazu. Im 18. Jahrhundert verschlechtert sich die Bedeutung zu sittlich gemein und gering geschätzt, verächtlich. Hierzu entsteht dann die Rückbildung als Substantiv Niedertracht.
Wiktionary

Eintracht ernährt, Zwietracht verzehrt

traktieren mittelhochdeutsch trahten, althochdeutsch trahtōn < lateinisch tractare, traktieren - etwas Bestimmtes zu erreichen versuchen, 
Wiktionary
tractare - bearbeiten, berühren, schleppen, untersuchen, verhandeln, verwalten, behandeln, benehmen, besprechen, herumzerren
herumziehen, leiten, sich beschäftigen, verarbeiten, überdenken
Wörterbuch Deutsch-Latein


Psychomachia of Prudentius London
British Library MS Cotton Cleopatra C. VIII, Canterbury, Christ Church, 
Illuminierte Handschrift des 8. Jh.s n. Chr. 
Die Eintracht wird von der Zwietracht leicht verwundet.

 
Die Zwietracht schlingt mit Schlangenarmen
Die Todesfackel ohn' Erbarmen
Und würgt mit Wut in einem Augenblick,
Der göttlichen Vernunft zur Schande,
Die ganze Hoffnung ganzer Lande
Und mancher Jahre schönes Glück.
J.G. Seume


Die Masken der Niedertracht 

Seelische Gewalt im Alltag und wie man sich dagegen wehren kann
Marie-France Hirigoyen
Taschenbuch
http://www.amazon.de/Die-Masken-Niedertracht-Seelische-dagegen/dp/342336288X/ref=sr_1_1?ie=UTF8&qid=1423514852&sr=8-1&keywords=die+masken+der+niedertracht

Samstag, 7. Februar 2015

Spielen! Spielen! - Der Glücksgott


Heute habe ich nach acht Jahren mal wieder auf einer Bühne gestanden und selbst gespielt.
Das war schön. Adrenalin und Klarheit und Konzentration und Spaß.

"Die Reisen des Glücksgotts", ein Fragment zu einer Oper von Bertolt Brecht.

Ich bin der Glücksgott, sammelnd um mich Ketzer
auf Glück bedacht in diesem Jammertal!
bin Agitator, Schmutzaufwirbler, Hetzer
und hiemit - macht die Tür zu - illegal.

b.b. für Fritz Lang 1941
 
Der japanische Glücksgott Hotei (Netsuke)

„In Chinatown einen kleinen chinesischen Glücksgott gekauft. Überlegte ein Stück Die Reisen des Glücksgotts. Der Gott derer, die glücklich zu sein wünschen, bereist den Kontinent. Hinter ihm her eine Furche von Exzessen und Totschlag. Bald werden die Behörden aufmerksam auf ihn, den Anstifter und Mitwisser mancher Verbrechen. Er muß sich verborgen halten, wird illegal. Schließlich denunziert, verhaftet, im Prozeß überführt, soll er getötet werden. Er erweist sich als unsterblich. Lachend sitzt er gemütlich zurückgelehnt im elektrischen Stuhl, schmatzt, wenn er Gift trinkt usw. Völlig erschöpft ziehen die verstörten Henker, Richter, Pfaffen usw. ab, während die Menge vor dem Totenhaus, die von Furcht erfüllt zur Exekution gekommen war, von neuer Hoffnung erfüllt, weggeht …" b.b.

Donnerstag, 5. Februar 2015

Ich arbeite zu viel.


Das ist neu für mich. 
Ich arbeite gern. Sehr gern. Arbeite gern viel, sehr viel und werde schnell unruhig, wenn ich einige Zeit nicht arbeite. 
Aber gerade jetzt arbeite ich zu viel. Eindeutig zu viel. 
Um Mißverständnissen vorzubeugen: Dies geschieht durchaus freiwillig, ist Ergebnis eigener Entscheidungen. Ich muß es eingestehen, die "Schuld" liegt bei mir. (Obwohl Ereignisse außerhalb meines Einflußbereiches auch ein paar gewichtige Beiträge leisten.)

Freischaffende haben ein eigenartiges Verhältnis zur Arbeit.
Sie sind genauso so faul wie die meisten Menschen.
Aber Angebote abzulehnen scheint immer riskant. 
Sind es zu viele? Wie wähle ich die richtigen aus? Wird vielleicht nie wieder eins kommen? 
Unsere zarte Selbstgewissheit schwingt zwischen diesen extremen Polen. Und selbst durch jahrelange Erfahrung bestätigte Gewißheit des Gewolltseins hilft nur zeitweise über völlig irrationale Panikattacken hinweg.
Und so geht ein "Nein" uns nur mühselig über die Lippen. Auch wenn es vernünftig wäre,
Ach ja, und Spaß macht es auch meist, selbst im Halbschlaf.

© Pete W.

Morgen eine kleine Premiere, am Samstag beginnt eine Woche ohne Proben.
"Schlafen, schlafen, vielleicht träumen...."
Und dann zwei Wochen Endproben für die "Mahagonny" in Rostock.
Schlaf wird überbewertet. 

Müde bin ich

Müde bin ich, geh' zur Ruh',
Schließe beide Äuglein zu;
Vater, laß die Augen dein
Über meinem Bette sein!

Hab' ich Unrecht heut' gethan,
Sieh' es, lieber Gott, nicht an!
Deine Gnad' und Jesu Blut
Macht ja allen Schaden gut.


Alle, die mir sind verwandt,
Gott, laß ruhn in deiner Hand!
Alle Menschen, groß und klein,
Sollen dir befohlen sein.

Kranken Herzen sende Ruh',
Nasse Augen schließe zu;
Laß den Mond am Himmel stehn
Und die stille Welt besehn!

Luise Hensel 
1798 - 1876