Samstag, 14. Juni 2014

TARTUFFE an der Schaubühne


Ein Geständnis: Ich habe gestern Lars Eidinger zum ersten Mal auf der Bühne gesehen. Sein Ruf war mir zu Ohren gekommen, in ein oder zwei Fernsehspielen war er mir ein wenig auf die Nerven gegangen, dass er in Tartuffe mitspielen würde, wusste ich nicht. Peinlich.

Man war der gut! Er spielte übrigens, dies für die ebenso Uninformierten wie mich, den Tartuffe. Jetzt muß ich also versuchen, Karten für den Hamlet zu bekommen.

Die Altmann-Bühne eine schwarze Wand mit einem kleinen güldenen Kabinett in der Mitte, ein schwarzer 70er Jahre Ledersessel das einzige Möbel.

Es beginnt laut und schrill, geradezu entnervend ausgestellt, mit der Mutter des Hauses, hier ein Mann. Die Kinder sind gleichfalls wild-üble Chargen von unterschiedlicher Qualität. Der Vater tritt auf mit gepflegt langer Mähne und weinrotem Hemd - und mit ihm ein Anderer, dieselbe Frisur, nur strähnig und vor dem Gesicht hängend. Der Gesichtslose spricht erbarmungslos, rhythmisiert, mit heiligem Zorn Texte aus dem Neuen Testament und geht ab. 

Es wird weiter geclownt und chargiert, das muß sein, habe ich später verstanden, damit der Kontrast steht.
 
Der Kontrast - Bettina Zimmermann & Lars Eidinger sprechen über die Liebe. Wow. So leise, so intelligent, so abgeklärt und doch verletzlich. Sie tun dies, während sich das quadratische Kabinett um 180 Grad gedreht hat und der unerschütterlich an den Propheten der Lehre und seine Wahrhaftigkeit glaubende Vater nunmehr schräg im Sessel an der Seitenwand hängt. Ein großartiges Bild der aus den Fugen geratenen Welt, in der im festgklebten Sessel die behauptete entspannte Sitzhaltung weiter behauptet wird, und wenn die stabilisierende verkrampfte Hand auch fast abfällt.
Dieser Tartuffe ist ein brennender Prediger, ein Fanatiker der Liebe, der in solcher Gesellschaft also nur zum Vieh werden kann. Elmire versteht das und weist ihn dennoch ab. Sie wiederholt seine wunderschönen Bibelzitate verwundert, enttäuscht, ihnen nachlauschend, so schön und so unmöglich.
  
Der Schluß ist ein bisschen abrupt, da fehlt irgendwas. Dass der Bote des König nicht kommt, ist sicher folgerichtig. Aber mein sentimentales Mörderherz hätte gern gewusst, was mit Tartuffe und Elmire, die als einzige am Finale nicht teilnehmen, denn noch geschieht.

Matthäus 25
Denn ich bin hungrig gewesen, und ihr habt mich nicht gespeist; ich bin durstig gewesen, und ihr habt mich nicht getränkt; ich bin ein Fremdling gewesen, und ihr habt mich nicht beherbergt; nackt, und ihr habt mich nicht bekleidet; krank und gefangen, und ihr habt mich nicht besucht!

Ich glaube, sie haben die Schlachter-Übersetzung genutzt, da bin ich nicht ganz sicher. Würde aber passen, Franz Eugen Schlachter, Schweizer, stand der protestantischen Erweckungsbewegung nahe und studierte gründlich die Originalsprachen der Schrift. Es ist eine sehr klare, genaue, verständliche Version der Bibel. 





© dpa Foto: Carstensen/dpa

Aus: DIE GNADENLOSE LIEBE

gefunden im Programmheft zu Tartuffe

Eine weitere dieser ungeschriebenen Regeln betrifft die religiösen Überzeugungen. Man muss so tun, als sei man ungläubig. Gibt man den eigenen Glauben offen und öffentlich zu, wird dies fast als etwas Schamloses, Exhibitionistisches empfunden. Wir alle scheinen uns in der Situation von Goethes Faust zu befinden, der, nach dem er mit Gretchen geschlafen hat, auf deren Frage »Nun sag', wie hast du's mit der Religion?« mit einer Fülle ausweichender Gegenfragen antwortet (s. Goethes Faust I, Vers 3415 ff.). Die verborgene Kehrseite dieses Widerstands besteht darin, dass niemand dem Glauben wirklich entkommt – ein Phänomen, das gerade heute, in unseren angeblich gottlosen Zeiten, besonders hervorgehoben zu werden verdient. D.h., in unserer angeblich atheistischen, hedonistischen, posttraditionellen, säkularen Kultur, in der niemand bereit ist, seinen Glauben offen einzugestehen, ist die zugrundeliegende Struktur des Glaubens dafür um so weiter verbreitet: Wir alle glauben heimlich. Lacans Position in diesem Zusammenhang ist klar und unzweideutig: »Gott ist unbewusst«, d.h. es ist ganz natürlich, dass der Mensch der Verlockung des Glaubens nachgibt. Diese Vorherrschaft des Glaubens, die Tatsache, dass das Bedürfnis zu glauben im Wesen der menschlichen Subjektivität liegt, ist das, was das gängige Argument, mit dem die Ordnungsgläubigen ihre Gegner zu entwaffnen versuchen, so problematisch macht: Nur diejenigen, die glauben, können verstehen, was es heißt, zu glauben, Atheisten sind daher von vornherein außerstande, mit uns zu diskutieren ... Falsch an dieser Argumentation ist die ihr zugrundeliegende Prämisse: Der Atheismus ist nicht die Nullstufe, die jeder verstehen kann, da sie lediglich die Abwesenheit Gottes oder des Glaubens an ihn bedeutet – vielleicht gibt es nichts, das schwieriger auszuhalten ist als diese Position, nämlich ein echter Materialist zu sein. Insofern als die Struktur des Glaubens diejenige der fetischistischen Spaltung und Verleugnung ist (»Ich weiß, dass es keinen Großen Anderen gibt, aber dennoch ... [glaube ich heimlich an ihn]«), ist nur der Psychoanalytiker, der die Nichtexistenz des Großen Anderen behauptet, ein echter Atheist. Selbst Stalinisten waren Gläubige, insoweit sie sich auf das Jüngste Gericht der Geschichte beriefen, das dereinst über die »objektive Bedeutung« unserer Taten entscheiden wird. Und selbst ein derart radikaler Verletzer von Grenzen wie Sade war kein konsequenter Atheist, denn die geheime Logik seiner Grenzüberschreitung ist ein gegen Gott gerichteter Akt der Auflehnung, d.h. die Umkehrung der gängigen Logik der fetischistischen Spaltung (»Ich weiß, dass es keinen Großen Anderen gibt, aber dennoch ...«): »Obwohl ich weiß, dass Gott existiert, bin ich bereit, mich gegen Ihn aufzulehnen, seine Verbote zu verletzen, so zu handeln, als existiere Er nicht!« Abgesehen von der Psychoanalyse (der freudschen, nicht der jungschen Deviation) war es vielleicht nur Heidegger, der in Sein und Zeit den konsequenten atheistischen Begriff der menschlichen Existenz entfaltete, die in einen kontingenten endlichen Horizont geworfen und deren ultimative Möglichkeit der Tod ist.

....

In einem seiner (unpublizierten) Seminare kommentiert Jacques-Alain Miller ein unheimliches Experiment mit Ratten: In einem labyrinthartigen Kasten wird ein begehrtes Objekt (Futter oder ein sexueller Partner) zunächst leicht zugänglich gemacht; dann ändert man die Anordnung so, dass die Ratte das begehrte Objekt sieht und daher weiß, wo es sich befindet, aber keinen Zugang dazu hat; statt dessen hat sie, als eine Art Trostpreis, Zugriff auf eine Reihe ähnlicher Objekte von untergeordnetem Wert – wie reagiert die Ratte hierauf? Eine Zeitlang versucht sie, sich den Weg zu dem »echten« Objekt zu bahnen; nachdem sie sich sicher ist, dass sich dieses definitiv außerhalb ihrer Reichweite befindet, wird die Ratte darauf verzichten und sich mit einigen der minderwertigen Ersatzobjekte begnügen. Kurzum, sie wird handeln wie ein »rationales« utilitaristisches Subjekt. Doch das eigentliche Experiment beginnt erst jetzt: Die Wissenschaftler unterziehen die Ratte einem chirurgischen Eingriff, wobei sie ihr Gehirn mit Hilfe von Laserstrahlen manipulieren und allerlei Dinge tun, über die man, wie Miller es dezent formuliert, besser den Mantel des Schweigens breitet. Was aber geschah, nachdem die operierte Ratte erneut in jenes Labyrinth gesetzt wurde, dessen Objekt unzugänglich ist? Die Ratte insistierte: Sie gab sich nie mit dem Verlust des »echten« Objekts zufrieden und begnügte sich mit dem minderwertigen Ersatz, sondern kehrte immer wieder zu dem begehrten Objekt zurück und versuchte dieses zu erreichen. Kurzum, die Ratte wurde gewissermaßen vermenschlicht, sie ging jene tragische »menschliche« Beziehung zu dem absoluten Objekt ein, das unser Begehren gerade wegen seiner Unerreichbarkeit für immer fesselt. (Miller geht es natürlich darum, dass diese Quasihumanisierung der Ratte das Ergebnis ihrer biologischen Verstümmelung ist: Die bedauernswerte Ratte begann sich hinsichtlich des Objekts ihrer Begierde von dem Moment an wie ein Mensch zu verhalten, als ihr Gehirn durch einen »unnatürlichen« chirurgischen Eingriff verkrüppelt worden war.) Andererseits ist es genau diese »konservative« Fixierung, die den Menschen zu ständiger Erneuerung treibt, da er diesen Exzess niemals vollständig in seinen Lebensprozess integrieren kann. Wir sehen nun, warum Freud den Begriff »Todestrieb« verwendete. Die Psychoanalyse lehrt uns, dass Menschen nicht nur einfach lebendig sind, sondern von einem eigenartigen Trieb besessen sind, das Leben über den normalen Lauf der Dinge hinaus zu genießen, und der Tod steht schlicht und einfach für jene Dimension, die über das »gewöhnliche« biologische Leben hinausgeht.

Slavoj Žižek


Sonntag, 8. Juni 2014

PFINGSTGOTT



Aus: Noch fünfzig Fabeln für Kinder
 
Pfingsten ist es: Kinder, hört,
Was uns dieser Tag bescheert.
Jesu Jünger, still verborgen,
Machten sich gar große Sorgen
Um der Menschen Haß und Spott;
Doch da hat der liebe Gott
Seinen Geist auf sie ergossen,
Daß sie nun gar unverdrossen,
Stark und frei sind ausgegangen,
Recht mit Eifer angefangen,
Viele Menschen treu belehrt
Und zum lieben Gott bekehrt.

Geist des Herrn, ich bitte dich,
Pfingsten ist's, komm auch auf mich;
Laß von nun an mich auf Erden
Einen Jünger Jesu werden;
Lehre mich und steh' mir bei,
Daß ich recht verständig sei,
Daß ich recht auf Gottes Werke
Und auf seinen Willen merke,
Recht mit Freuden ihn vollbringe,
Und mich keine Sünde zwinge.
Geist des Herrn, o mach' mich fromm,
Daß ich in den Himmel komm'!
Wilhelm Hey 
  
Der Heilige Geist ist die dritte Person der Heilige Dreifaltigkeit, gemeinsam mit dem Vater und dem Sohn bildet er den dreifaltigen Gott, er ist selbst Gott. Kathpedia
Ganz oben: Taube aka der Heilige Geist aus dem Das Oratorium des San Francesco Saverio in Rom
 

Samstag, 7. Juni 2014

Bolle reiste jüngst zu Pfingsten



Heinrich Zille: Ringkampf in der Schaubude 1903

BOLLE REISTE JÜNGST ZU PFINGSTEN


Bolle reiste jüngst zu Pfingsten,
Nach Pankow war sein Ziel;
Da verlor er seinen Jüngsten
Janz plötzlich im Jewühl;
’Ne volle halbe Stunde
Hat er nach ihm jespürt.
Aber dennoch hat sich Bolle
Janz köstlich amüsiert.
In Pankow jab’s keen Essen,
In Pankow jab’s keen Bier,
War allet uffjefressen
Von fremden Leuten hier.
Nich’ ma’ ’ne Butterstulle
Hat man ihm reserviert!
Aber dennoch hat sich Bolle
Janz köstlich amüsiert.
Auf der Schönholzer Heide,
Da jab’s ’ne Keilerei,
Und Bolle, jar nich feige,
War mittenmang dabei,
Hat’s Messer rausjezogen
Und fünfe massakriert.
Aber dennoch hat sich Bolle
Janz köstlich amüsiert.
Es fing schon an zu tagen,
Als er sein Heim erblickt.
Das Hemd war ohne Kragen,
Das Nasenbein zerknickt,
Das linke Auge fehlte,
Das rechte marmoriert.
Aber dennoch hat sich Bolle
Janz köstlich amüsiert.
Als er nach Haus jekommen,
Da ging’s ihm aber schlecht,
Da hat ihn seine Olle
janz mörderisch verdrescht!
’Ne volle halbe Stunde
Hat sie auf ihm poliert.
Aber dennoch hat sich Bolle
Janz köstlich amüsiert.
Und Bolle wollte sterben,
Er hat sich’s überlegt:
Er hat sich uff die Schienen
Der Kleinbahn druffjelegt;
Die Kleinbahn hat Verspätung,
Und vierzehn Tage druff,
Da fand man unsern Bolle
Als Dörrjemüse uff.
Heinrich Zille: Kutscher Bolle macht Feierabend
 

Donnerstag, 5. Juni 2014

Anne Carson, ein Heiratsantrag



Aus red doc>

        ... Du könntest
die Gesamtheit des
gesunden Menschenverstandes
nehmen und sie in deine Hand-
fläche legen und noch genug
Platz haben für deinen Schwanz. 

From red doc>

            ...You could
take the entirety of the
common sense of humans
and put it in the palm of
your hand and still have
room for your dick.



Als ich drei Jahre war, haben meine Eltern geheiratet und ich mußte trotzdem in den Kindergarten. Aber mir wurde versprochen, dass ich beim nächsten Mal bestimmt mitkommen könnte.
Trotzdem, oder deswegen, habe ich, glücklicher Bastard, bis ins reife Alter von dreizehn Jahren bei jedem Mann den ich, aus welchen Gründen auch immer, toll fand, gesagt: "Den will ich mal heiraten!"
Gestern war ich bei der Verleihung des kanadischen Griffin Preises für Poesie, eine der weltweit anerkanntesten Dichterehrungen und nun habe ich entschieden, dass ich, sobald ich groß bin, Anne Carson heiraten werde. Sie selbst weiß allerdings noch nichts davon.

Jeder, der schon einmal an einer Veranstaltung teilgenommen hat, bei der Dichter eigene Werke lesen, kennt die Qual, die monotones Ablesen, unhörbares Gemurmel oder überemotionales Seufzhauchen dem Zuhörer bereiten können. Die wenigsten Dichter sind kongeniale Lautbarmacher ihrer Werke. Ist ja auch nicht ihr Beruf.
Eine Erinnerung: Heiner Müller & Volker Braun in den wilden Monaten des Herbstes 89, der eine trockener, präziser, scharfer Vorleser, der andere zunehmend in den Tücken seines Heimatdialekts versinkend bis zur völligen Unverständlichkeit.
Und gestern Abend sieben Dichter, sieben Varianten. 
Anne Carson, Professorin für Alt-Griechisch, Dichterin, Essayistin, Übersetzerin, Romanautorin etc., schmal, sehr gerade, fast brav aussehend tritt vor das Mikrophon, grinst, liest und ich bin ihr verfallen. Die ist schlau und traurig und kühl, und sie lädt mich ein mit ihr zu denken und zu fühlen. Sie singt in melodischer Strenge.

Die genauen Hochzeitspläne werden noch bekannt gegeben.



Die Versuche von Übertragung sind meine und typographisch, sprachlich und rythmisch nur mickrige Annäherungen.

Aus  
Kurze Vorträge 
1992

Einführung (Auszug):

Eines Tages bemerkte jemand, dass es Sterne gab aber keine Wörter, warum?
Ich habe viele Leute gefragt, Ich denke es ist eine gute Frage. Drei alte Frauen arbeiteten auf dem Feld. Was nützt es uns zu fragen? sagten sie. Tja es wurde schnell deutlich, dass sie alles wußten was es zu wissen gibt über die schneebedeckten Felder und die blaugrünen Sprößlinge und die Pflanze genannt "Verwegenheit", die Dichter mit Veilchen verwechseln. Ich begann alles mitzuschreiben was sie sagten.
...Du kannst nie genug wissen, nie genug arbeiten, nie die Infinitive und Partizipien merkwürdig genug verwenden, nie die Bewegung genug erschweren, nie den Geist schnell genug verlassen.

From  
Short Talks 
1992

Introduction (excerpt):

One day someone noticed there were stars but no words, why?
I’ve asked a lot of people, I think it is a good question. Three old women were bending in the fields. What use is it to question us? they said. Well it shortly became clear that they knew
everything there is to know about the snowy fields and the
bluegreen shoots and the plant called “audacity” that poets
mistake for violets. I began to copy out everything that was said.

...You can never know enough, never work enough, never use
the infinitives and participles oddly enough, never impede the
movement harshly enough, never leave the mind quickly enough.




Kurzer Vortrag über das Gefühl des Abfluges eines Flugzeugs

Tja, du weißt, ich frage mich, es könnte die Liebe sein die meinem Leben entgegenrennt mit hocherhobenen Armen schreiend Laß es uns kaufen Was für ein Schnäppchen!

Short Talk on the Sensation of Airplane Takeoff

Well you know I wonder, it could be love running toward my life with its arms up yelling let’s buy it what a bargain!



Kurzer Vortrag über das Rückwärts-Laufen

Meine Mutter verbot mir rückwärts zu laufen. So laufen die Toten, sagte sie. Woher hatte sie nur diese Idee? Die Toten, laufen doch nicht rückwärts aber sie laufen hinter uns. Sie haben keine Lungen und können nicht rufen wären aber glücklich wenn wir uns umdrehen würden. Sie sind die Opfer der Liebe, viele von ihnen.

Short Talk On Walking Backwards

My mother forbad us to walk backwards. That is how the dead walk, she would say. Where did she get this idea? Perhaps from a bad translation. The dead, after all, do not walk backwards but they do walk behind us. They have no lungs and cannot call out but would love for us to turn around. They are victims of love, many of them.


Short Talk on Walking Backwards
My mother  forbade us to walk backwards. That is how the dead walk, she would say. Where did she get this idea? Perhaps from a bad translation. The dead after all, do not walk backwards but they do walk behind us. They have no lungs and cannot call out but would love for us to turn around. They are victims of love, many of them.
Short Talk on the Sensation of Airplane Takeoff
Well you know I wonder, it could be love running toward my life with its arms up yelling let’s buy it what a bargain!
- See more at: http://www.soyoufound.me/?p=237#sthash.8Wagcla9.dpuf
Short Talk on Walking Backwards
My mother  forbade us to walk backwards. That is how the dead walk, she would say. Where did she get this idea? Perhaps from a bad translation. The dead after all, do not walk backwards but they do walk behind us. They have no lungs and cannot call out but would love for us to turn around. They are victims of love, many of them.
Short Talk on the Sensation of Airplane Takeoff
Well you know I wonder, it could be love running toward my life with its arms up yelling let’s buy it what a bargain!
- See more at: http://www.soyoufound.me/?p=237#sthash.8Wagcla9.dpuf

Mittwoch, 4. Juni 2014

Sprache kaputt machen


    RADEBRECHEN

      ich radebreche
      du radebrechst
      er, sie, es radebrecht
      wir radebrechen
      ihr radebrecht
      sie radebrechen
      Partizip 2: geradebrecht


      Der Begriff Radebrechen wird von der mittelalterlichen Folter- und Tötungsmethode 
      des Räderns hergeleitet. Im übertragenen Sinne steht radebrechen für quälen, 
      misshandeln. Seit dem 17. Jahrhundert steht radebrechen für das Quälen einer 
      Sprache.
        Wiki

      Obwohl mit dem unregelmäßig gebeugten Verb "brechen" verwandt, hat radebrechen 

      als feste Fügung einen anderen Konjugationsweg eingeschlagen. 
        Bastian Sick - Zwiebelfisch

        -----------------------------------------------------------------------

DER BÖSE REIM

Da sitzt er, der braune Dichterheld,
und tut sich den Kopf zerbrechen:
man hat ihm ein Gedicht bestellt,
er sucht nach Reimen auf „Tschechen“.
Doch wie er auch sucht und schiebt und zieht,
es bleibt beim Radebrechen.
Man will ein Sieges- und Friedenslied –
doch er findet nur immer „Verbrechen“!
Er findet „erfrechen“ und „sprechen“ dann,
doch wen kann er damit „bestechen“?
Was fängt er gar mit „Versprechen“ an,
wenn die Herren die Versprechen – brechen!
Das gibt keinen Sieges- und Friedenssang,
zu groß sind die eigenen Gebrechen!
Es langt nur zu einem Landsknechtssang,
mit „zechen“, „stechen“ und – „blechen“!
Mit „ä“ versucht ers – doch wieder umsonst,
Was macht er mit „Tränenbächen“?
Hier scheitert des Reimeschmieds ganze Konst,
Es klingt nach „Schwächen“ und „schwächen“.
Es hilft nichts! Die Reime verheißen den Tag,
an dem die Tschechen, die „frechen“,
zu Paaren treiben das braune Pack,
und seis auch mit Sensen und Rechen!
Die deutsche Sprache kündet es an:
Das tapfere Volk der Tschechen
wird die Schmach, die jetzt ihm angetan,
rächen, rächen, rächen!

      Alfred Kurella
      geboren 1895, Kommunist, Mitglied des ZK, Vizepräsident der Akademie der Künste 
      der DDR, veröffentlichte dieses Gedicht am 2. April 1939 in der „Deutschen 
      Volkszeitung Paris.
        Die Zeit
 

      http://de.wikipedia.org/wiki/R%C3%A4dern
      
      Oder wie wäre es mit:

    KAUDERWELSCHEN

      ich kauderwelsche
      du kauderwelschst
      er, sie, es kauderwelscht
      wir kauderwelschen
      ihr kauderwelscht
      sie kauderwelschen
      Partizip 2: gekauderwelscht

      Seit dem 15. Jahrhundert ist das Wort bekannt, seine Etymologie ist allerdings 
      unklar.

      Welsch
      ist eine alte deutsche Bezeichnung für die romanischen Sprachen und ihre Sprecher, 
      die sich in geographischen Bezeichnungen wie Welschschweiz, Wallonien, Walachei
      oder Wales findet.
       Wiki

      Kauder
      stammt eventuell von kaudern „Zwischenhandel treiben, makeln“, so dass 
      ursprünglich das „Welsch“ italienischer Händler und Geldwechsler oder allgemeiner 
      die Geheimsprache (Rotwelsch) fahrender Händler und Hausierer gemeint wäre.
       Kluge

      Es könnte aber auch vom lautmalerischen kaudern (dazu: die Kodderschnauze) mit 
      den Bedeutungen „wie ein Truthahn kollern“ und „plappern, unverständlich 
      sprechen“ stammen.
       Grimms Wörterbuch

      Luther bezog das Wort auf die Rätoromanen (der Chauderwelschen oder Churwallen 

      kahle Glossen), so dass es ursprünglich die „welsche Sprache der Einwohner von Chur 
      in Graubünden, Churwelsch, Churer-Welsch“ bedeutet und dann die allgemeine 
      Bedeutung „unverständliche Sprache“ angenommen hätte. 

      Es besteht der Zusammenhang zu Chur darin, dass der Ortsname im Tirolerischem 
      Kauer heisst und demzufolge das Wort eigentlich Churromanisch bedeuten würde.
      Der erste Teil des Wortes gehe zurück auf Frühneuhochdeutsch kūder ‚Werg‘. 
      Zunächst soll der Kauderwelsch dann die abwertende Bezeichnung für den 
      italienischen Flachs- und Werghändler gewesen sein.
       Duden Herkunftswörterbuch

      Und dann wäre da noch:
 
    Verballhornen 

      ich verballhorne
      du verballhornst
      er, sie, es verballhornt
      wir verballhornen
      ihr verballhornt
      sie verballhornen
      Partizip 2: verballhornt

      Im Gegensatz zur üblichen Verwendung der beiden obigen Wörtern, muß derjenige
      der eine Sprache verballhornt,  ihrer außerordentlich gut mächtig sein. Aber in
      seinem Ursprung stammt es auch von fehlerhaftem Gebrauch, von hier allerdings
      gedruckter Sprache, her.

      Nach älteren Ausdrücken wie balhornisieren entstand im 19. Jh. verballhornen
      Die Wörter sind vom Namen des Lübecker Buchdruckers Johann Balhorn dem 
      Jüngeren (†1603) abgeleitet, bei dem eine hochdeutsche Übersetzung des Lübecker 
      Stadtrechts erschien, die sinnentstellende Fehler enthielt. 
       Wiktionary

      Siehe auch:

    Verhohnepiepeln

      Das Wort geht allem Anschein nach auf älteres hohlhippeln, hohnippeln zurück, das  
      ungefähr "lästern" bedeutet. Hohlhippen sind "Hohlwaffeln, zusammengerollte 
      Waffeln". Man vermutet, daß die Hohlhippler oder Hohlhipper Verkäufer von  
      Hohlhippen waren, zwischen denen und ihren Kunden ein Verhältnis des Schmähens 
      bestand. Das Wort bedeutet aber in den Belegen nur "Lästerer", so daß weitere 
      Aufklärung not täte.
        Etymologisches Wörterbuch der Deutschen Sprache 

 

Dienstag, 3. Juni 2014

Die große Schönheit - La Grande Bellezza


Für achteinhalb Stunden über dem Atlantik in einem dicht gefüllten, schlecht belüfteteten Großraumflugzeug der Lufthansa auf dem Weg von Frankfurt nach Toronto, regelmäßig mit nahezu uneßbaren Lebensmitteln bombardiert, an das geplante Lesen ist nicht zu denken, also werden Filme geguckt. 
12 Jahre als Sklave ein Film mit Oscars für den Besten Film, die Beste Nebendarstellerin & das Beste adaptierte Drehbuch ist erwartungsgemäß hochemotional, empört und rechtschaffen, aber nur in wenigen Momenten läßt er so etwas wie Schrecken zu, über große Strecken fühlen, leiden und weinen die Figuren schon so heftig und ungefiltert, dass für mich, als Zuschauer, wenig zu tun bleibt. Es gibt keine Entscheidungen zu treffen, ich werde geleitet mit strenger Hand. Allerdings ist Michael Fassbender schon ziemlich großartig.

Dann Her von Spike Jonze, ein Ein-Mann & eine-Frauenstimme-Film, eine Liebesgeschichte zwischen Joaquín Phoenix, einem einsamen Mann, der professionell Briefe für andere einsame Menschen schreibt, und der Stimme von Scarlett Johansson. Ja. ja, die digitale Welt und ihre Verführungen. Ja, ja Einsamkeit.

Aber dann: La Grande Bellezza von Paolo Sorrentino!!! Ein Augenschmauß, eine Herzensfreude und das Gehirn durfte sich auch vergnügen. Ein römischer Lebemann feiert seinen 65. Geburtstag und stellt fest, dass er altert. Bemerkt es, betrauert es und akzeptiert es. Das Tempo ist langsam, aber nicht gemächlich, die Dialoge mitfühlend erbarmungslos, immer wieder rutschen surreale Begleitbilder in die stringente Handlung und man hört geradezu, wie
Fellini leise im Hintergrund kichert. Der Rücken mag schon etwas steif sein, die Knie nicht mehr schmerzfrei, aber eine tiefe Verneigung vor 8 1/2, Marcello und der labilen, morbiden Schönheit der ewigen Stadt Rom ist immer noch drin!


Toni Sevillo in der Hauptrolle gestattet sich nur das Minimum an Selbstmitleid und erlaubt mir so, für ihn zu weinen und gleichzeitig über die Unabwendbarkeit des Zerfalls zu grinsen. "Man zerkrümelt", wie mein Onkel zu sagen pflegte. Oder, wie es Jep Gambardella, die Hauptfigur eleganter formuliert: "Das Wichtigste, was ich einige Tage nachdem ich 65 wurde, entdeckt habe, ist, dass ich keine Zeit mehr an Dinge verschwenden kann, dich ich nicht tun möchte."

Toni Sevillo hat in der Regie Matteo Garrone auch in der Romanverfilmung Gomorrha – Reise in das Reich der Camorra mitgewirkt, ebenfalls sehr zu empfehlen.



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Sonntag, 1. Juni 2014

Ein bitteres Herz - Stephen Crane



In der Wüste

In der Wüste
Sah ich eine Kreatur, nackt, brutal,
Die, auf dem Boden hockend,
Ihr Herz in den Händen hielt,
Und davon aß.
Ich sagte: "Ist es gut, Freund?"
"Es ist bitter - bitter," antwortete sie;

"Aber ich mag es
"Weil es bitter ist
"Und, weil, es ist mein Herz."


In the Desert

In the desert
I saw a creature, naked, bestial,
Who, squatting upon the ground,
Held his heart in his hands,
And ate of it.
I said, “Is it good, friend?”
“It is bitter - bitter,” he answered;

“But I like it
"Because it is bitter,
"And because it is my heart.”

Stephen Crane
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