Samstag, 24. August 2013

Mondnacht - Als Reiseproviant für S.



MONDNACHT

Es war, als hätt' der Himmel
Die Erde still geküßt,
Daß sie im Blütenschimmer
Von ihm nun träumen müßt'.

Die Luft ging durch die Felder,
Die Ähren wogten sacht,
Es rauschten leis die Wälder,
So sternklar war die Nacht.

Und meine Seele spannte
Weit ihre Flügel aus,
Flog durch die stillen Lande,
Als flöge sie nach Haus.
Joseph Freiherr von Eichendorff 1835

Caspar David Friedrich Greifswald im Mondlicht 1817

Leo Slezak singt "Die Mondnacht" von Robert Schumann

Zu Leo Slezak: Er hat eine wunderbare Autobiographie geschrieben, "Wann geht der nächste Schwan?" Der Titel bezieht sich auf ein Bühnenvorkommnis im  "Lohengrin", als ein Bühnentechniker den berühmten Schwan zu früh in Bewegung setzte, noch bevor Slezak/Lohengrin eingestiegen war, da hat er sich an das Publikum gewandt und gefragt: "Entschuldigen Sie, wann geht der nächste Schwan?" Und es gibt auch die Geschichte, wo eine Kollegin von sich behauptete, sie würde NIEMALS auf der Bühne lachen und Slezak, als Wotan im Rheingold, in der nächsten Vorstellung, seiner Erda zuflüsterte: „Welche Eier sind dir die liebsten?” und sie zur Antwort "Weiche, Wotan! weiche!" gluckste.

Freitag, 23. August 2013

THEATER 89 DROHT DIE SCHLIESSUNG!


Dem THEATER 89 droht die Schließung!


Auszug aus einem Artikel in der Morgenpost von heute, 23.08.2013 Von Stefan Kirschner:

Das ist ein ganz bitteres Geburtstagsgeschenk: Im kommenden Jahr wird das Theater 89 ein Vierteljahrhundert alt – und muss möglicherweise schließen. Denn die von der Senatskulturverwaltung eingesetzte dreiköpfige Jury hat in ihrem Gutachten zur "Evaluation bei der Neuvergabe der Konzeptförderung für die Jahre 2015-2018" empfohlen, die Förderung für das Theater 89 einzustellen. Es geht um 200.000 Euro. Gestrichen werden sollen auch die Zuschüsse für den Theaterdiscounter (150.000 Euro) und an die Gruppe Nico and the Navigators (100.000 Euro). Kulturstaatssekretär André Schmitz (SPD) kündigte bei der Vorstellung des Gutachtens am Donnerstag an, dem Votum zu folgen.

Damit droht einem Theater das Aus, das wie keine zweite Off-Bühne politisches Theater macht und sich mittlerweile auch mit der gesamtdeutschen Geschichte des vergangenen Jahrhunderts auseinandersetzt. Hans Joachim Frank, zu DDR-Zeiten Schauspieler am Berliner Ensemble, hat die Gruppe 1989 im damaligen Ost-Berlin gegründet. Einer der stärksten Inszenierungen der jüngeren Zeit war die Dramatisierung des Romans "Hafthaus", in dem ein Potsdamer Künstler seine Erfahrungen im Stasi-Knast reflektiert. Das Buch basiert auf einem realen Fall. Gespielt wurde im Hof des früheren Gefängnisses, also am historischen Ort in Potsdam, es war einer der ergreifendsten Theaterabende der letzten Jahre; die Produktion war auch für den Friedrich-Luft-Preis der Berliner Morgenpost nominiert......


http://www.morgenpost.de/kultur/berlin-kultur/article119309877/Theater-89-droht-nach-25-Jahren-die-Schliessung.html 

Und ein Artikel aus der Berliner Zeitung von heute:
http://www.berliner-zeitung.de/kultur/berliner-konzeptfoerderung-zwischen-pest-und-cholera,10809150,24088530.html

 Website des Theaters: http://www.theater89.de/uber-uns/

UMBRA VITAE - Assoziationskette durch Google


Eine Ahnung von Schrecken. 
Umbra ist das lateinische Wort für Schatten.

Egon Schiele –  Rufender
1911 © Lenbachhaus

Seid's gewesen, seid's gewesen!
 
Die letzte Erde
der Erde letzter Tag
die letzte Landschaft
die eines letzten Menschen Auge sieht
unerinnert
nicht weitergegeben
an nicht mehr Kommende
dieser Tag
ohne Namen ihn zu rufen
ohne Rufende

nicht grüner
nicht weißer
nicht blauer
als die Tage die wir sehn
oder schwarz
oder feuerfarben
er wird einen Abend haben
oder er wird keinen Abend haben
seine Helle sein Dunkel
unvergleichbar.

Die Sonne die leuchtet falls sie leuchtet
unbegrüßt
nach diesem Tag
wird es sich unter ihr öffnen?
Werden wir
als Staunende
wieder herausgegeben
unter einem währenden Licht?

Zünder der letzten Lunte
Maden der Ewigkeit?

Hilde Domin 
1912 in Köln


Ludwig Meidner - Apokalyptische Landschaft 
Nr. Halensee Bahnhof, 1913

http://de.wikipedia.org/wiki/1910er 
 
UMBRA VITAE

Die Menschen stehen vorwärts in den Straßen
Und sehen auf die großen Himmelszeichen,
Wo die Kometen mit den Feuernasen
Um die gezackten Türme drohend schleichen 


Und alle Dächer sind voll Sternedeuter,
Die in den Himmel stecken große Röhren.
Und Zaubrer, wachsend aus den Bodenlöchern,
In Dunkel schräg, die einen Stern beschwören, 


Krankheit und Mißwachs durch die Tore kriechen
In schwarzen Tüchern. Und die Betten tragen
Das Wälzen und das Jammern vieler Siechen,
Und welche rennen mit den Totenschragen. 


Selbstmörder gehen nachts in großen Horden,
Die suchen vor sich ihr verlornes Wesen,
Gebückt in Süd und West, und Ost und Norden,
Den Staub zerlegend mit den Armen-Besen. 


Sie sind wie Staub, der hält noch eine Weile,
Die Haare fallen schon auf ihren Wegen,
Sie springen, daß sie sterben nun in Eile,
Und sind mit totem Haupt im Feld gelegen. 


Noch manchmal zappelnd. Und der Felder Tiere
Stehn um sie blind, und stoßen mit dem Horne
In ihren Bauch. Sie strecken alle viere
Begraben unter Salbei und dem Dorne. 


Die Meere aber stocken. In den Wogen
Die Schiffe hängen modernd und verdrossen,
Zerstreut, und keine Strömung wird gezogen
Und aller Himmel Höfe sind verschlossen. 


Die Bäume wechseln nicht die Zeiten
Und bleiben ewig tot in ihrem Ende
Und über die verfallnen Wege spreiten
Sie hölzern ihre langen Finger-Hände. 


Wer stirbt, der setzt sich auf, sich zu erheben,
Und eben hat er noch ein Wort gesprochen.
Auf einmal ist er fort. Wo ist sein Leben?
Und seine Augen sind wie Glas zerbrochen. 


Schatten sind viele. Trübe und verborgen.
Und Träume, die an stummen Türen schleifen,
Und der erwacht, bedrückt von andern Morgen,
Muß schweren Schlaf von grauen Lidern streifen. 


Georg Heym
1911 

Ernst Ludwig Kirchner Holzschnitte zu dem Band Umbra Vitae 
1924 erschienen
  

Donnerstag, 22. August 2013

KOPFFÜSSLER - HORST ANTES


KOPFFÜSSLER


Sitzende Figur mit Scheibe und Ei (1971/6), 1971.

 Weißes Profil mit langem gelben Arm
© VG Bild-Kunst


"And now for something completely different..."

Dienstag, 20. August 2013

APRIKOSEN CLAFOUTIS


       
       Aprikosen Clafoutis für 4 Personen oder auch für 2, wenn ihr gerne viel 
       eßt. Man kann den Teig einen Tag vorher zubereiten, die Vorbereitung
       kostet etwa 20 Minuten.

       
       8 reife Aprikosen, entsteint und halbiert
       5 Teelöffel Zucker
       10 Gramm ungesalzene Butter, geschmolzen
       Für den Teig:
       20 Gramm ungesalzene Butter
       2 Eier
       3 Eßlöffel Zucker
       1/2 Teelöffel Vanilleextrakt
       20 Gramm Mehl
       60 Milliliter Vollmilch
       75 Milliliter Sahne

       Die Aprikosen mit dem Zucker in eine Schüssel werfen, schütteln und für 
       zwei Stunden beiseite stellen.
       Den Ofen auf 200 Grad vorheizen, das Innere einer 5 Zentimeter tiefen 
       (20 Zentimeter im Durchmesser) Kuchenform mit geschmolzener Butter
       ausstreichen. Die restlichen zwei Teelöffel Zucker hineistreuen und
       schütteln, gut verteilen. Das gibt dem Clafoutis die krosse Kruste!
       Beurre noisette: In einer kleinen Pfanne die Butter über mittlerer Hitze 
       schmelzen, bis sie schäumt, und sich nußbraun verfärbt, dann abkühlen 
       lassen.
       Für den Teig: die Eier mit 3 Teelöffeln Zucker und dem Vanilleextrakt
       verschlagen, das Mehl dazu einrühren. Wenn der Teig glatt ist, langsam die
       Milch, die Sahne, die Beurre noisette und eine Prise Salz untermischen.
       Allen Saft von den Aprikosen zum Teig dazugeben, ein letztes Mal
       verrühren und in die Form schütten. Die Aprikosen obenauf arrangieren.
       Im vorgeheizten Ofen 30 bis 35 Minuten backen, wenn die Oberfläche leicht
       konvex ist, ist der Pudding fertig, aber wenn er in der Mitte noch eine
       Einbuchtung hat, dann ist er es noch nicht.
       Wenn der Clafoutis fertig ist, aus dem Ofen nehmen, ein wenig Zucker
       darüber streuen, dann für weitere 5 Minuten in den Ofen stellen.
       Warm servieren!


       Ich liebe Aprikosen und ich liebe warmen Mehlspeisen, ein Erbe meiner 

       österreichischen Großmutter - also liebe ich Aprikosen Clafoutis.

       Wiki schreibt: Ein Clafoutis [klafuti] ist eine französische Nachspeise, die 
       eine Art „Mittelding“ zwischen Auflauf und Kuchen darstellt.  

    

Sonntag, 18. August 2013

Das Internet, ein Buddelkasten, eine Schatztruhe, eine Schlangengrube!


Da ich mich augenblicklich durch eine große Menge Shakespeare grabe, durch einen halben Meter bedruckten Papiers in etwa, und auch gerne verstehen will, was ich da lese, fürs Erste nur erstmal die historischen Fakten, dann natürlich auch noch Vieles mehr und Anderes und Tieferes, benötige ich Hilfsmittel, Dokumente, Bilder, anderer Menschen Meinungen - und ich finde sie, zu Hauf, im Internet, wobei ich immer wieder bemerke, dass die Genauigkeit meiner Fragen die Qualität der Antworten bestimmt, die mir besagtes Internet zur Verfügung stellt. 
Wie die meisten digitalfixierten Menschen, höre ich mich gelegentlich auf das Internet schimpfen. Es lenkt ab, saugt Zeit und Aufmerksamkeit, verführt zu einem schnellen, oberflächlichen Gefühl von Bescheidwissen. Stimmt, und ist doch nicht Schuld des Internets, sondern wohl doch die meines, leicht ablenkbaren Hirns und meines Hangs zum Trödeln. 
Aber gerade jetzt, wo ich leidenschaftlich und überpenibel (Ich bin jüdischer Preusse, was soll ich machen?) und äußerst neugierig nach mittelalterlichen Originaldokumenten, obskuren Dramen des 16. Jahrhunderts und Blogs von Menschen, die sich damit amüsieren, alle Shakespeare-Stücke zu lesen und darüber öffentlich nachzudenken, suche, begreife ich wiedereinmal, welch ein Wunderwerk das weltweite Netz ist. Da setzen sich Leute irgendwo, oft an geographisch benachteiligten Orten, hin und schreiben mittelalterliche Stücke ab, Bibliotheken digitalisieren ihre Bestände, das Google Books Library Project scannt unermüdlich Bücher zu unserer Verwendung, Museen gewähren digitale Rundgänge durch ihre Räume, Chatrooms streiten um die Ethymologie seltener Worte. Wenn man lange und gründlich genug sucht, findet man für fast jede noch so seltsame Frage, jemanden, der sich intensiv genau damit beschäftigt und willig und befähigt ist, sie zu beantworten.
Shakespeare mag jetzt etwas speziell sein, aber eben dasselbe gilt auch für Liebhaber von Motorrad-Sondermodellen, Sammler von Nippesfiguren der 60er Jahre, Fans von kurzlebigen Boybands, Migräneopfer, Freunde der Musik des Rokkoko und Menschen mit nicht weitverbreiteten sexuellen Vorlieben (Stell dir vor, du lebst in einer Kleinstadt in Oklahoma oder Franken und stehst darauf, Dich als Kuscheltier zu verkleiden, ja, das gibt es, habe ich bei CSI gesehen, wie einsam mußt du dich fühlen - aber im Netz kannst du Gleichgesinnte finden.) 

Als ich beschlossen hatte für ein Jahr nach Kanada zu gehen, um dort zu unterrichten, wollte ich mein Englisch verbessern, indem ich Geschichten schrieb, in Englisch, und eine zauberhafte Frau aus Pensacola, Florida hat sie für mich korrigiert, einfach so, aus Freundlichkeit.
Und deshalb hier, von mir, ein kleines JUCHUH, dass es das www gibt.



Anthrocon 2010 Pittsburg

Die Anthrocon ist die weltweit größte Convention der Furry-Bewegung und findet jährlich im Juni oder Juli in Pittsburgh, Pennsylvania statt.
Wiki sagt: Furry (engl. pelzartig, mit Pelz besetzt oder mit Pelz bekleidet) ist der Sammelbegriff für eine internationale Interessen-Gruppierung, die an anthropomorphen Tieren in Schrift, Bild und Ton interessiert ist. Dies reicht vom typischen Werwolf bis hin zu tierischen Cartoon- und Comicfiguren.

Glück - Raymond Carver


Happiness                                                                 Glück

So early it's still almost dark out.                 So früh, dass es fast noch dunkel ist draussen.
I'm near the window with coffee,                    Ich bin in der Nähe des Fensters mit Kaffee,
and the usual early morning stuff                       und dem üblichen frühmorgendliche Kram
that passes for thought.                                                            der als Denken durchgeht.
When I see the boy and his friend                     Als ich den Jungen sehe und seinen Freund
walking up the road                                                                      die Straße hochlaufend,
to deliver the newspaper.                                                      um die Zeitung auszuliefern.
They wear caps and sweaters,                                           Sie tragen Mützen und Pullover.

and one boy has a bag over his shoulder.  
und ein Junge hat eine Tasche über der Schulter.

They are so happy                                                                              Sie sind so glücklich
they aren't saying anything, these boys.                          sie sagen gar nichts, diese Jungs.


I think if they could, they would take                 Ich denke, wenn sie könnten, würden sie 
each other's arm.                                                                                einander umarmen.
It's early in the morning,                                                                 Es ist früh am Morgen,
and they are doing this thing together.                       und sie tun diese Sache gemeinsam.
They come on, slowly.                                                                Sie nähern, sich langsam.
The sky is taking on light,                                                               Der Himmel wird licht,
               though the moon still hangs pale over the water.        
                                  obwohl der Mond noch blass über dem Wasser hängt.

Such beauty that for a minute                                 Solche Schönheit, dass für eine Minute
death and ambition, even love,                                             Tod und Ehrgeiz, sogar Liebe
doesn't enter into this.                                                                     nicht Teil davon sind.
Happiness. It comes on                                                                            Glück. es kommt
unexpectedly. And goes beyond, really,                    unerwartet. Und übersteigt, wirklich,
any early morning talk about it.                                jedes morgendliche Gerede darüber.

Raymond Carver 

Bild: Buddhas Manifestation der Freude - Zhang Daqian - 1946

Samstag, 17. August 2013

GEORGE HERBERT - LIEBE III



Liebe. Das Mysterium. 
Ein merkwürdiges Gedicht.
Geschrieben von einem Priester der Church of England,
veröffentlicht in dem Gedichtband "Temple", 1633, kurz nach seinem Tod.

Ich, der ich Atheist bin, habe das Gefühl, hier wird etwas Wahres gesagt 
über die Liebe. 

Love

Love bade me welcome; yet my soul drew back,
Guilty of dust and sin.
But quick-eyed Love, observing me grow slack
From my first entrance in,
Drew nearer to me, sweetly questioning
If I lack'd anything.

'A guest,' I answer'd, 'worthy to be here:'
Love said, 'You shall be he.'
'I, the unkind, ungrateful? Ah, my dear,
I cannot look on Thee.'
Love took my hand and smiling did reply,
'Who made the eyes but I?'

'Truth, Lord; but I have marr'd them: let my shame
Go where it doth deserve.'
'And know you not,' says Love, 'Who bore the blame?'
'My dear, then I will serve.'
'You must sit down,' says Love, 'and taste my meat.'

So I did sit and eat.


LIEBE
Versuch einer wörtlichen Übersetzung
Reimschema: ABABCC

Liebe bot mir Willkommen; doch meine Seele schreckte zurück,
Schuldig an Staub und Sünde.
Doch die aufmerksame Liebe, sah wie ich zusammensackte
Bei meinem ersten Einreten,
Trat näher und fragte zart,
Ob ich etwas bräuchte. (Ob mir etwas fehlte.)

 'Ein Gast', antwortete ich, 'wert hier zu sein:'
Die Liebe sagte, 'Der wirst du sein.' ('Du wirst er sein.')
'Ich, der Unfreundliche, Undankbare? Ah, mein Lieb,
Ich kann Dich nicht ansehen.'
Die Liebe nahm meine Hand und entgegnete lächelnd,
'Wer hat die Augen gemacht, wenn nicht ich?'

 Richtig, Herr, aber ich habe sie ruiniert: laß meine Schande
Gehen wohin sie gehört.'
'Und weisst du nicht', sagt die Liebe,'Wer die Schuld auf sich genommen hat?'
'Mein Lieb, dann will ich dienen.'
'Du mußt dich setzen', sagt die Liebe, 'und mein Fleisch kosten.'

Da habe ich mich hingesetzt und gegessen. 


Abendmahl 
Jacopo Bassano 1542

Liebe

Die Liebe empfing mich; doch meine Seele hielt sich zurück,
Schuldig des Staubes und der Sünde.
Doch die geistesgegenwärtige Liebe sah mich zögern.
Als sie mich erblickte,
Trat sie auf mich zu und fragte mich,
Ob mir etwas fehle.

„Ein Gast“, antwortete ich, „ würdig hier zu sein.“
Die Liebe sagte, „ Du sollst dieser Gast sein.“
„ Ich, der Unfreundliche, der Undankbare? Ah, meine Teure,
ich kann Ihnen nicht in die Augen schauen.“
Die Liebe nahm meine Hand und antwortete lächelnd,
„ Wer hat diese Augen denn gemacht, wenn nicht ich?“

„ Das ist wahr, meine Herrin; doch ich habe sie sie befleckt:
lass meine Schande zuschanden gehen.“
„ Und weißt du nicht,“ sagt die Liebe, „wer die Schuld auf sich nimmt?“
„Meine Teure, dann will ich von nun an dienen.“
„ Setz Dich,“ sagt die Liebe,“ und koste von meinem Fleisch.“

Da setzte ich mich und begann zu essen.
Aus dem Englischen  übertragen von Stefanie Golisch

 
Mathias Gruenewald
Abendmahl, um 1500

LIEBE

Die Liebe grüßt’mich, doch mein Herz wich weg
voll Schuld und Sünd und Schmutz.
Doch flinke Liebe, die mein Zögern sah,
als ich am Eingang stand,
trat näher, stellte zart die Frage,
ob irgend etwas fehlt. 
Ein Gast, erwidert’ ich, der wert ist, hierzu sein.
Sie sprach: Du sollst es sein.
Bin ich nicht lieblos, undankbar? Geliebter, ach, 
wie könnt’ ich dich anschaun!
Die Hand nahm Liebe, lächelnd wand sie ein:
Wer schuf das Aug’ als ich? 
Wahr, Herr! Doch ich verdarb es; meine Schmach
sei, wo sie hingehört.
Weißt du denn nicht, sprach Liebe, wer die Schande trug?
Lass dienen, Liebster, dir.
Du setz’ dich hin, sprach Liebe, kost’ mein Mahl!
So setzt’ ich mich und aß.
Übertragung aus G. Stachel,
Simone Weil - Christus - die katholische Kirche, in:
Religionspädagogische Beiträge 37/ 1996, S. 78 f


Abendmahl
Unbekannter Maler, um 1500

LIEBE

Liebe bot mir Willkomm; doch meine Seele schrak zurück,
In Schuld des Staubes, Schuld der Sünde.
Sie aber, Liebe, flinken Auges merksam, wie ich träg
Den Fuß kaum von der Schwelle setzte,
Drang näher an mich, zärtlich fragend,
Ob etwas mir zu mangeln schien.

Ein Gast, gab ich zur Antwort, würdig dieses Orts.
Und Liebe sprach: Du sollst es sein.
Ich, der des Undanks, der Ungüte voll? ach, lieber Freund,
Der nicht dich anzuschauen vermag.
Liebe ergriff mich bei der Hand und sagte lächelnd:
Wer schuf die Augen, wenn nicht ich?

Zu wahr, Herr, aber ich verdarb sie nur; lass meine Schande
Dort hingehn, wo sie es verdient.
Und weisst du nicht, spricht Liebe, wer den Tadel auf sich nahm?
Dann will ich, lieber Freund, dir dienen.
Du musst, spricht Liebe, niedersitzen und mein Mahl genießen.

So setzte ich mich denn und aß.
Ins Deutsch nachgebildet von Wolfgang Kaussen


Simone Weill über die Erfahrung dieses Gedichts:

There was a young English Catholic there from whom I gained my first 

idea of the supernatural power of the sacraments because of the 
truly angelic radiance with which he seemed to be clothed after 
going to communion. Chance -- for I always prefer saying chance 
rather than Providence -- made of him a messenger to me. For he 
told me of the existence of those English poets of the seventeenth 
 century who are named metaphysical. In reading them later on, 
I discovered the poem of which I read you what is unfortunately
 a very inadequate translation. It is called "Love". I learned it by heart. 
 Often, at the culminating point of a violent headache, I make myself 
say it over, concentrating all my attention upon it and clinging with 
all my soul to the tenderness it enshrines. I used to think I was merely 
reciting it as a beautiful poem, but without my knowing it the recitation 
had the virtue of a prayer. It was during one of these recitations that, 
as I told you, Christ himself came down and took possession of me...
Moreover, in this sudden possession of me by Christ, neither my senses 
nor my imagination had any part; I only felt in the midst of my suffering 
the presence of a love, like that which one can read in the smile 
on a beloved face.

Excerpts from a letter written by Simone Weill in Marseilles, France about May 15, 1942 to her close friend Father Perrin

Während dieses Aufenthaltes in Solesmes lernte Simone Weill ein Gedicht 

von George Herbert auswendig: „Liebe“. Eines Tages nahm die Rezitation 
die Gestalt eines Gebetes an, Christus ist herabgekommen und hat mich ergriffen...In diesem Augenblick intensiver physischer Schmerzen, als ich 
mich bemühte zu lieben, da habe ich eine Präsenz gespürt, die persönlicher, sicherer, wirklicher war als die eines menschlichen Wesens, unerreichbar für 
die Sinne und die Einbildungskraft, analog der Liebe die unter dem 
zärtlichsten Lächeln eines geliebten Wesens hervor scheint. 

Wiki schreibt: Simone Weil (* 3. Februar 1909 in Paris; † 24. August 1943 in Ashford, England) 
war eine französische Philosophin jüdischer Abstammung.