Dienstag, 9. August 2011

e.e. cummings - grashüpfer - grasshopper


r-e-f-p-ü-h-s-a-g-r


r-p-ü-f-a-s-a-g-r
      der
wäh)rend w(ir  gucke) n
aufjetztfe
        PFEGÜRHAS
                     derndsich (zu
 mDER) : Ƨ
           pri
              !ng:

T                                         an
                       k)
oMnEnD                        .gRrEaPsFhÜ)
                          umzu
neug (wer) e (d) ord (en) net
,grashüpfer;


grashüpfer,der, während wir gucken, jetzt sich auffedernd zum - springt, ankommend, um, neugeordnet, zu werden, grashüpfer.




r-p-o-p-h-e-s-s-a-g-r



r-p-o-p-h-e-s-s-a-g-r
     who
a)s  w(e  loo) k
upnowgath
    PPEGORHASS
                    eringint (o-
aThe) :l
         eA
           !p:
S                                      a
                 (r
rIvInG                 .gRrEaPsPhOs)
                     to
rea (be) rran (com) gi (e) ngly
,grasshopper;





grasshopper, who, as we look, now upgathering into - leaps, arriving to become, rearrangingly, grasshopper.
 

Samson Teil 3 - "and now for something completely different"


Ogden Nash
 
Samson der Kämpfer

Vorm Sitzen wird das Bad gefühlt,
Ich spüre was man Staunen nennt,
Dass, was die Finger nicht mal kühlt
Ist eiskalt für das Fundament. 


Samson Agonistes

I test my bath before I sit, 
And I'm always moved to wonderment 
That what chills the finger not a bit 
Is so frigid upon the fundament.
Du bist nur einmal jung, aber unreif kannst du ewig sein!



Montag, 8. August 2011

Samson Teil 2 - Der erste Selbstmordattentäter

Als Nachtrag zu Teil 1: links sieht man den Kieferknochen eines Esels - mit einem solchen erschlug Samson 1000 Philister.

Die nun folgenden Ereignisse haben sich wahrscheinlich während Simsons zwanzigjährigen "Richtertätigkeit" zugetragen. Wobei die Richter des Tanach nicht nur juristische, sondern auch politisch-militärische Führer waren, einer Stadt oder eines der zwölf Stämme Israels.

 St. Gereons Kirche Köln Samson trägt das Tor der Stadt

Simson ging hin gen Gaza und sah daselbst eine Hure und kam zu ihr. Da sagten die Philister: Harre; morgen, wenn's licht wird, wollen wir ihn erwürgen. Simson aber lag bis Mitternacht. Da stand er auf zu Mitternacht und ergriff beide Türen an der Stadt Tor samt den Pfosten und hob sie aus mit den Riegeln und legte sie auf seine Schultern und trug sie hinauf auf die Höhe des Berges vor Hebron. Heute Sexskandal, damals weiterer Beweis des Auserwähltseins durch den HERREN - haben sich die Zeiten etwa geändert? Die Hure aus Gaza wird die einzige seiner drei Frauen sein, die ihn nicht verrät. Nachdem er das Stadttor abgeladen hat, geht er, vermutlich um sich abzukühlen an einen Bach, und verliebt sich dort in eine Frau namens Delilah. Wiederum eine Philisterin (!) und schon ihr Name hätte ihn warnen sollen, er bedeutet nämlich, je nachdem wo man nachschaut: charakterschwach, arm, vom hebräischen Stamm „dal“: Andere Erklärungsversuche bringen den Namen in Verbindung mit  „dala“ oder „dalal“ was so viel bedeutet wie „Flirt“ bzw. „Verwöhnung“ oder sogar "(eine die) schwächte oder entwurzelte". Über diese Delila erfahren wir nichts als die detaillierten Schritte ihres Verrates und die Summe für die sie zur Verräterin wird: von jedem der fünf Führer der Philister (fünf Städte Gaza, Ashkelon, Ashdod, Ekron und Gath - fünf Führer) erhält sie 1100 Silberlinge, macht 5500 Silberlinge. Keine kleine Summe, wenn man in Richter 17 liest: Micha aber sprach zu ihm: Bleibe bei mir, du sollst mein Vater und mein Priester sein; ich will dir jährlich zehn Silberlinge und deine Kleidung und Nahrung geben. Und der Levit ging hin.
Und von nun an wird die Geschichte immer sonderbarer, Delila soll für die Philister von Samson das Geheimnis seiner Stärke liegt und man kann ihre Vorgehensweise schwerlich unauffällig nennen. Und Delila sprach zu Simson: Sage mir doch, worin deine große Kraft sei und womit man dich binden möge, daß man dich zwinge?
Er lügt, sie bindet ihn nachts, er zerreisst am Morgen womit sie ihn gebunden hat, sie beklagt sich ob seiner Lügen. Dreimal dieser Tanz. Seine Lügen werden zunehmend offensichtlicher, Wenn du mir die sieben Locken meines Hauptes zusammenflöchtest mit einem Gewebe und heftetest sie mit dem Nagel ein. Er muss also wissen, was sie vorhat und spielt trotzdem mit.
Jacob Matham 1613
Und dann: Da sie ihn aber drängte mit ihren Worten alle Tage und ihn zerplagte, ward seine Seele matt bis an den Tod, und er sagte ihr sein ganzes Herz und sprach zu ihr: Es ist nie ein Schermesser auf mein Haupt gekommen; denn ich bin ein Geweihter Gottes von Mutterleibe an. Wenn man mich schöre, so wiche meine Kraft von mir, daß ich schwach würde und wie alle anderen Menschen. Erträgt er den Verrat nicht mehr und gibt auf? Hofft er darauf, dass sie nun, da er sich völlig in ihre Hände begeben hat, das Geld zurückgeben und den Verrat verweigern wird?  
Nichts dergleichen, er schläft in ihrem Schoße ein, das ist, wenn er um das Risiko weiß, ein ungeheurer Akt des wider alle Vernunft hoffenden Vertrauens. Sie kassiert zuerst das Geld und ruft dann jemanden, dass er ihm die sieben Locken seines Hauptes abschöre und fing an ihn zu zwingen; da war seine Kraft von ihm gewichen.
Lovis Corinth 1912 Der geblendete Samson
Jetzt geht es Schlag auf Schlag: ihm werden die Augen ausgestochen, er wird angekettet und muss Zwangsarbeit leisten.
Aber die Haare wachsen nach! Die Kraft kommt wieder! Die Philister feiern ein Dankfest, 3000 sind es wieder, Samson soll spielen (Leier?), ein Knabe führt den Blinden herbei, er spielt, steht dabei zwischen zwei Säulen, spricht ein letztes Gebet und: er faßte die zwei Mittelsäulen, auf welche das Haus gesetzt war und darauf es sich hielt, eine in seine rechte und die andere in seine linke Hand, und sprach: Meine Seele sterbe mit den Philistern! und neigte sich kräftig. Da fiel das Haus auf die Fürsten und auf alles Volk, das darin war, daß der Toten mehr waren, die in seinem Tod starben, denn die bei seinem Leben starben.
Er zertrümmert sich mitsamt den Philistern.
Wir nennen so etwas Selbstmordattentat, andere nennen es den Märtyrertod.
PHILISTER ÜBER DIR, SAMSON! 

Die Samson Option: Der Begriff entstand in den 60er Jahren. Er bezog sich auf die Drohung eines atomaren Gegenschlages von Seiten Israels, sollte die Existenz des Staates in Gefahr sein, und schloß die mögliche Vernichtung des eigenen Landes mit ein.
Die israelische Atom-Bombe gilt im Lande als letzte Option, sollte die vollständige Vernichtung Israels drohen. Allerdings gibt die Regierung nicht offiziell zu, dass Israel Atomwaffen besitzt. Umfassender wird der Begriff auch gebraucht für Israels Atom-Programm.
dazu: The Samson Option: Israel's Nuclear Arsenal and American Foreign Policy von Seymour Hersh

John Milton "Samson Agonistes" ein dramatisches Gedicht 1671
Hier "findet  man eine frühneuzeitliche Aktualisierung im Geiste des Puritanismus... Samson stilisiert sich hier gleichsam zu einem Sprengkörper: Jeder gegnerische Angriff ist für Samson begrüßenswert, denn er wird ihn zur Explosion bringen und den Angreifer mit in die Luft jagen; für den Gegner hingegen ist jeder Angriff auf Samson kontraproduktiv, denn er wird Samson nützen und dem Angreifer schaden....
Der Schluss des Dramas ist in diesem Sinne pure diskursive Beschönigung von
Samsons selbstmörderischem Massenmord. Sie gibt sich im dramatischen Diskurs
als allgemein und ethisch, ist aber in der Textwirklichkeit einseitig und politisch.
Man darf von einer Ironie der Geschichte sprechen: Milton produziert zur glei-
chen Zeit, als Blaise Pascal auf dem Kontinent vor dem Missbrauch der Religion
für barbarische Untaten warnt, ein politisch-philosophisches Drama, das einen
religiös motivierten Selbst- und Massenmörder verherrlicht."
Aus: Arata Takeda Skizze einer ›anderen‹ Kulturgeschichte des Selbstmordattentats

Max Liebermann

Peter Paul Rubens 1609-10

Lucas Cranach der Jüngere 1537

Lucas Cranach der Ältere

Guercino 1654

Gerrit van-Honthorst 1615

Alexandre Cabanel 1878


Sonntag, 7. August 2011

Samson Teil 1 - Eselsbacken, Klaus Nomi und Michelangelo

 
Und die Kinder Israel taten fürder übel vor dem HERRN; und der HERR gab sie in die Hände der Philister vierzig Jahre. Richter Kapitel 13
Manoah aus Zora und sein namenloses Weib waren kinderlos, da erschien eines Tages dem Weib ein Engel des Herren und verkündete ihr: Siehe, du wirst schwanger werden und einen Sohn gebären, fügte aber hinzu: unter zwei Bedingungen: erstens während der Schwangerschaft keinen Alkohol und immer schön koscher essen und dem Kind nie, dass heisst niemals die Haare schneiden! Und das Weib gebar einen Sohn und hieß ihn Simson.
Samson oder Schimschon oder Simson ist hebräisch ‏ שמשון‎ „von der Sonne“; auch „Diener Gottes“, oder  „Kleine Sonne“ bzw. „Sönnchen“.
Lukas Cranach der Ältere 1520-25

Größerer Zeitsprung und Simson verliebt sich ausgerechnet in eine Philisterin, also eine Schickse, natürlich sehr zum Ärger seiner Eltern. Er läßt sich aber von ihren Einwänden (die sind doch alle unbeschnitten etc.) nicht abhalten und schleppt sie zum Antrittsbesuch. Auf dem Weg begegnet er einem wilden Löwen. Und der Geist des HERRN geriet über ihn, und er zerriß ihn, wie man ein Böcklein zerreißt, und hatte doch gar nichts in seiner Hand. Kein Wort davon zu seinen Eltern, die offensichtlich nichts bemerkt hatten. Das Treffen mit Zukünftiger und Schwiegereltern verläuft günstig und beim nächsten Besuch sieht er neben dem Weg den Kadaver des Löwen. Und siehe, da war ein Bienenschwarm in dem Leibe des Löwen und Honig. Und er nahm ihn in seine Hand und aß davon unterwegs. Die Eltern kriegen auch was, aber wieder ohne Angabe der Quelle.
Der Junge war offensichtlich ein Geheimniskrämer und liebte demzufolge auch lustige Rätsel auf deren Lösung keiner kommen kann, denn nun begann Simson mit den Hochzeitsvorbereitungen und sie, also die Philister, sprich seine Schwiegereltern, gaben ihm dreißig Gesellen, die bei ihm sein sollten. Simson aber sprach zu ihnen: Ich will euch ein Rätsel aufgeben. Wenn ihr mir das erratet und trefft diese
Franz von Stuck, „Samson. Der Kampf mit dem Löwen” um 18
sieben Tage der Hochzeit, so will ich euch dreißig Hemden geben und dreißig Feierkleider. Könnt ihrs aber nicht erraten, so sollt ihr mir dreißig Hemden und dreißig Feierkleider geben. Und sie sprachen zu ihm: Gib dein Rätsel auf; laß uns hören! Er sprach zu ihnen: Speise ging von dem Fresser und Süßigkeit von dem Starken. Und sie konnten in drei Tagen das Rätsel nicht erraten. Ist auch kein Wunder, der Sinn ist völlig unverständlich. So ein Spaßvogel. Am siebenten Tage sprachen sie zu Simsons Weibe: Überrede deinen Mann, daß er uns sage das Rätsel, oder wir werden dich und deines Vaters Haus mit Feuer verbrennen. Habt ihr uns hierher geladen, daß ihr uns arm macht? Oder nicht? Ich finde das sind philistinisch mafiöse Umgangsformen.
Die Frau hat Angst, trickst Samson aus, er sagt ihr die Lösung des Rätsels, die dreissig Männer triumphieren, Simson ist sauer. Wenn ihr nicht hättet mit meinem Kalb gepflügt, ihr hättet mein Rätsel nicht getroffen. So weit, so harmlos, aber weil es sich bei Simson um einen Gottgeweihten handelt, kann es nicht dabei bleiben, nein, es muß ausarten und das tut es:
Und der Geist des HERRN geriet über ihn, und er ging hinab gen Askalon und schlug dreißig Mann unter ihnen und nahm ihr Gewand und gab Feierkleider denen, die das Rätsel erraten hatten. Und dann ging er nach Hause zu seinen Eltern. Aber Simsons Weib ward einem seiner Gesellen gegeben, der ihm zugehörte. Das hat sie nun davon.

Dieser Geist des Herren hat ein sehr sensibles Gefühl dafür, wann er "überkommt" und ist auch praktisch als Entschuldigung gegenüber etwaigen Vorwürfen von Seiten der Bewohner des völlig unbeteiligten Askalon.  

Ein paar Tage später hat Simson den Fakt, dass er seine Frau nach dem Wutausbruch sitzengelassen hat, völlig vergessen und will sie mit einem Ziegenböcklein überraschen. Sein Fast-Schwiegervater läßt ihn nicht in ihr Zimmer, weil sie ja schon anderweitig vergeben ist, bietet aber seine jüngere Tochter als Ersatz an. Simson fällt daraufhin plötzlich ein, dass er die Philister überhaupt haßt: Ich habe einmal eine gerechte Sache wider die Philister; ich will euch Schaden tun. Er fängt 300 Füchse und, entweder zündet er ihre Schwänze an und läßt sie dann durch die Felder und Ölbaumpflanzungen der Philister rennen, oder er reißt ihnen die Schwänze aus und legt sie brennend aus. Die Philister erhalten auf ihre berechtigte Frage: warum, die Antwort: darum daß er (der Schwiegervater in spe) ihm sein Weib genommen und seinem Freunde gegeben hat. Scheinbar sind die Philister sehr einsichtige Leute, denn sie gehen nun ihrerseits zu dem Mann mit den Töchtern und verbrennen sie. Das passt Simson aber nun auch nicht und er haut sie hart an Schultern und an Lenden. Geht weg und schmollt.
Guido Reni 16. Jht (Ups! 1610/11). Siegreicher Samson
Jetzt haben die Philister die Schnauze voll und ziehen gegen Juda.
Aber die von Juda sprachen: Warum seid ihr wider uns heraufgezogen? Sie antworteten: Wir sind heraufgekommen, Simson zu binden, daß wir mit ihm tun, wie er uns getan hat. Da also ziehen dann dreitausend Mann von Juda hinab zu Simson: Weißt du nicht, daß die Philister über uns herrschen? Warum hast du denn das an uns getan? Er sprach zu ihnen: Wie sie mir getan haben, so habe ich ihnen wieder getan. Sie sprachen zu ihm: Wir sind herabgekommen, dich zu binden und in der Philister Hände zu geben. Gesagt, getan. Und da er kam bis gen Lehi, jauchzten die Philister ihm entgegen. Aber der Geist Gottes geriet über ihn, und die Stricke an seinen Armen wurden wie Fäden, die das Feuer versengt hat, daß die Bande an seinen Händen zerschmolzen. Und er fand einen frischen Eselskinnbacken; da reckte er seine Hand aus und nahm ihn und schlug damit tausend Mann. Und Simson sprach: Da liegen sie bei Haufen; durch eines Esels Kinnbacken habe ich tausend Mann geschlagen. ... Und er richtete Israel zu der Philister Zeit zwanzig Jahre.
Von Cellini gegossen, nach einem Bozetto Michelangelos Samson und die zwei Philister

Der Mann scheint mir als Richter zwar völlig ungeeignet, aber das bin nur ich.

Victor Mature, der Samson in einem dieser Hollywood Monumentalfilme spielte, weigerte sich die Szene mit dem Löwen zu spielen. Als man ihm gut zuredete und den Löwen als alt, lieb und zahnlos beschrieb, antwortete er:
Ich möcht auch nicht zu Tode gemummelt werden.











Klaus Nomi singt "Mon coeur s'ouvre à ta voix" from Camille Saint-Saëns' opera Samson & Dalila (schlechte Tonqualität):
http://www.google.de/imgres?imgurl=https://blogger.googleusercontent.com/img/b/R29vZ2xl/AVvXsEgu-F5MMiZ6lHxl0fVwPIf_xpPyd0ZVsXVwr44IE2We6vKTilwQ3QCknUELwQkD3ah0gqNyH9VsbFIsBOGg9AmqsylHNN8m3TtgGK0oKsrxsaj-cSagmQOBDTMxiQ04kxNSqGJ1aSWkd3Y/s1600/Samson-Dalila-r1.jpg&imgrefurl=http://raddestrightnow.blogspot.com/2011/05/klaus-nomis-delilah.html&usg=__kgWjLxxHwiV5Xdwq6rylo3WwYOA=&h=400&w=451&sz=51&hl=de&start=0&sig2=qoziiqvBux0ComM8I6TpsQ&zoom=1&tbnid=lNoQaqdLws3gNM:&tbnh=122&tbnw=135&ei=B3Y-TvWjBtCA-wbr6fCeBg&prev=/search%3Fq%3Dsamson%2Bund%2Bdalila%26um%3D1%26hl%3Dde%26safe%3Doff%26sa%3DN%26biw%3D1045%26bih%3D534%26tbm%3Disch&um=1&itbs=1&iact=hc&vpx=515&vpy=77&dur=2851&hovh=211&hovw=238&tx=122&ty=97&page=1&ndsp=17&ved=1t:429,r:3,s:0
Die Callas singt die gleiche Arie:
http://www.youtube.com/watch?v=U_WALGjOnn8

Samstag, 6. August 2011

Andre Breton und Simone Kahn - Nein, nicht die Fußballtussi!


Man Ray Photographie: Simone Kahn mit einer Skulptur aus Vanuatu
 
Die freie Vereinigung

Meine Frau ihre Haare ein Holzfeuer
Mit Gedanken wie Wärmeblitze
Mit der Sanduhrtaille
Meine Frau mit der Taille des Fischotters zwischen den Zähnen des Tigers
Meine Frau mit dem Mund wie eine Kokarde wie ein Strauß aus Sternen letzter Größe
Mit Zähnen wie Spuren einer weißen Maus auf der weißen Erde
Mit der Zunge aus geriebenem Ambra und Glas
Meine Frau mit der Zunge wie eine erdolchte Hostie
Mit der Zunge einer Puppe die ihre Augen öffnet und schließt
Mit der Zunge aus unerhörtem Stein
Meine Frau mit Wimpern wie Striche der Kinderschrift
Mit Brauen wie der Rand des Schwalbennestes
Meine Frau mit Schläfen aus dem Schiefer des Treibhausdachs
Und von Beschlag an den Scheiben
Meine Frau mit Champagnerschultern
Und Schultern wie eisbedeckte Brunnen mit Delphinköpfen
Meine Frau mit Handgelenken wie Streichhölzer
Meine Frau mit Zufalls- und Herz-As-Fingern
Mit Fingern aus gemähtem Heu
Meine Frau mit Achselhöhlen wie Marder und Bucheckern
Der Johannisnacht
Wie Liguster und Nester der Purpurschnecke
Mit Armen wie Schaum vom Meer und von der Schleuse
Wie eine Mischung von Korn und Mühle
Meine Frau mit Beinen wie Uhrspindeln
Mit Bewegungen des Uhrwerks und der Verzweiflung
Meine Frau mit Waden aus Holundermark
Meine Frau mit Füßen wie Initialen
Mit Füßen wie Schlüsselbunde mit Füßen trinkender Kalfaterer
Meine Frau mit dem Hals aus halbgeschälter Gerste
Meine Frau mit der Kehle des Val d'or
Des Rendezvous im Bett des Sturzbachs
Mit Nachtbrüsten
Meine Frau mit Brüsten wie Maulwurfshügel im Meer
Meine Frau mit Brüsten wie Schmelztiegel für Rubine
Mit Brüsten des Rosenspektrums unter dem Tau
Meine Frau mit dem Bauch wie Entfalten des Fächers der Tage
Mit dem Bauch der Riesenkralle
Meine Frau mit dem Rücken wie ein Vogel der senkrecht flieht
Mit dem Quecksilberrücken
Mit dem Lichtrücken
Mit dem Nacken wie gerollter Stein und feuchte Kreide
Und dem Fall eines Glases von dem man gerade getrunken hat
Meine Frau mit Nachenhüften
Mit Hüften aus Leuchtern und Pfeilfedern
Und Federschäften des weißen Pfauen
Der unbeweglichen Waage
Meine Frau mit dem Sandstein- und Asbesthintern
Meine Frau mit dem Hintern wie ein Schwanenrücken
Meine Frau mit dem Frühlingshintern
Mit Gladiolengeschlecht
Meine Frau mit dem Geschlecht wie ein Goldlager und ein Schnabeltier
Meine Frau mit dem Algengeschlecht dem Geschlecht wie altertümliche Bonbons
Meine Frau mit Spiegelgeschlecht
Meine Frau mit Augen voll Tränen
Mit Augen wie eine violette Rüstung mit Magnetnadelaugen
Meine Frau mit Savannenaugen
Meine Frau mit Augen aus dem Trinkwasser in Gefängniszellen
Meine Frau mit Augen wie Holz das immer unter der Axt ist
Mit Augen wie Wasserwaagen Luftwaagen Erd- und Feuerwaagen


Andre Breton mit seiner Frau Simone Kahn
Breton liest das Gedicht: http://www.youtube.com/watch?v=0HTX4_KkhWk

L'Union libre

Ma femme á la chevelure de feu de bois
Aux pensées d'éclairs de chaleur
A la taille de sablier
Ma femme á la taille de loutre entre les dents du tigre
Ma femme á la bouche de cocarde et de bouquet d'étoiles de dernière grandeur
Aux dents d'empreintes de souris blanche sur la terre blanche
A la langue d'ambre et de verre frottés
Ma femme á la langue d'hostie poignardée
A la langue de poupée qui ouvre et ferme les yeux
A la langue de pierre incroyable
Ma femme aux cils de bátons d'écriture d'enfant
Aux sourcils de bord de nid d'hirondelle
Ma femme aux tempes d'ardoise de toit de serre
Et de buée aux vitres
Ma femme aux épaules de champagne
Et de fontaine à têtes de dauphins sous la glace
Ma femme aux poignets d'allumettes
Ma femme aux doigts de hasard et d'as de coeur
Aux doigts de foin coupé
Ma femme aux aisselles de martre et de fênes
De nuit de la Saint-Jean
De troène et de nid de scalares
Aux bras d'écume de mer et d'écluse
Et de mélange du blé et du moulin
Ma femme aux jambes de fusée
Aux mouvements d'horlogerie et de désespoir
Ma femme aux mollets de moelle de sureau
Ma femme aux pieds d'initiales
Aux pieds de trousseaux de clés aux pieds de calfats qui boivent
Ma femme au cou d'orge imperlé
Ma femme á la gorge de Val d'or
De rendez-vous dans le lit même du torrent
Aux seins de nuit
Ma femme aux seins de taupinière marine
Ma femme aux seins de creuset du rubis
Aux seins de spectre de la rose sous la rosée
Ma femme au ventre de dépliement d'éventail des jours
Au ventre de griffe géante
Ma femme au dos d'oiseau qui fuit vertical
Au dos de vif-argent
Au dos de lumière
A la nuque de pierre roulée et de craie mouillée
Et de chute d'un verre dans lequel on vient de boire
Ma femme aux hanches de nacelle
Aux hanches de lustre et de pennes de flèche
Et de tiges de plumes de paon blanc
De balance insensible
Ma femme aux fesses de grès et d'amiante
Ma femme aux fesses de dos de cygne
Ma femme aux fesses de printemps
Au sexe de glaïeul
Ma femme au sexe de placer et d'ornithorynque
Ma femme au sexe d'algue et de bonbons anciens
Ma femme au sexe de miroir
Ma femme aux yeux pleins de larmes
Aux yeux de panoplie violette et d'aiguille aimantée
Ma femme aux yeux de savane
Ma femme aux yeux d'eau pour boire en prison
Ma femme aux yeux de bois toujours sous la hache
Aux yeux de niveau d'eau de niveau d'air de terre et de feu 

Andre Breton 1931
"Der auserlesene Leichnam" Gesellschaftsspiel und kreatives Experiment der Surrealisten

Beim "Auserlesenen Leichnam zeichnet jeder Teilnehmer den ihnen zugefallenen Teil des Körpers auf ein Blatt Papier, faltet dann das Papier, um seinen Teil der Zeichnung zu verbergen, und gibt es an den nächsten "Mitspieler" weiter. Am Ende wird das Papier entfaltet und der "Auserlesene Leichnam" sichtbar.
Die Surrealisten nutzten solche Gesellschaftsspiele, um ihre unbewussten künstlerischen Automatismen zu trainieren.
Breton schrieb: " In der Tat, was uns an diesen Arbeiten erregt hat, war die Gewissheit, dass sie, ob gut oder schlecht, das Zeichen trugen von etwas, dass nicht von einem einzelnen Gehirn hätte hervorgebracht werden können und das sie einen größeren Freiraum boten, was, bei Poesie, nicht hoch genug zu schätzen ist."



Cadavre exquis 1927

"Die 1897 geborene Simone Kahn wuchs als Tochter einer wohlhabenden Industriellenfamilie in Paris auf. Nach der Schule widmete sie sich einem Literaturstudium, um auf diesem Weg im Quartier Latin, dem Pariser Studenten- und Künstlerviertel,  „das wahre Leben“ kennenzulernen. In der Buchhandlung „La maison des amis des livres“, begegnete Simone Kahn 1919 erstmals André Breton, der mit Louis Aragon und Philippe Soupault die Zeitschrift „Littérature“ herausgab.
Auf einer Dada-Lesung Bretons funkte es. Die aus bürgerlichem Hause stammende Kahn träumte von einem aufregenderen Leben fernab von „Handarbeit und Hausmusik“ und war fasziniert vom Aufbruchswillen Bretons. Durch die Liason mit Breton gehörte Simone Kahn schlagartig zum Kreis der Künstler und Intellektuellen, die sie zuvor bewundert hatte.
Die Hochzeit folgte im September 1921. Das Zuhause der Bretons am Montmartre wurde fortan zum Zentrum der Zusammenkünfte mit Künstlerfreunden. Doch die Rolle als „Frau des Papstes“ konnte Simone Breton kaum genießen. Obwohl sie mitten im Geschehen war, gehörte sie nicht dazu und für ihren Mann, den leidenschaftlichen Künstler, stand seine Arbeit immer an erster Stelle. Der junge Literat Max Morise umgarnte die vernachlässigte Künstlergattin, begann eine heimliche Affäre mit ihr. Doch Simone fühlte sich auch in der Rolle der Geliebten nicht wohl und hatte bald genug von Max. Das Büro für surrealistische Forschungen öffnete im Oktober 1924 in der Pariser Rue Grenelle, wo Simone die einzige Mitarbeiterin im Kreis der Surrealisten war. Doch Simone wurde für André immer mehr zur „Arbeitskollegin“, die seine zahlreichen Seitensprünge dulden musste.
André Bretons Vorstellung von der leidenschaftlichen und kompromisslosen Liebe war für ihn wichtiger als die Person, mit der er diese teilte. Die surreale Begegnung auf dem Pariser Boulevard mit einer jungen Frau namens Nadja inspirierte ihn zum gleichnamigen Roman, mit Suzanne brannte er für Monate durch und erbat sich in Telegrammen an seine Frau „die Gnade einiger Ausnahmen“ für das gemeinsame Eheleben. 1929 erfolgte schließlich auf Wunsch Andrés die Scheidung.



Simone Breton musste wegen ihrer jüdischen Wurzeln untertauchen, als die Nazis in Paris einmarschierten. 1938 heiratete sie den politisch engagierten Intellektuellen Michel Collinet, den sie tatkräftig unterstützte und kehrte nach Kriegsende nach Paris zurück. 1948 kaufte sie eine Galerie und widmete sich Ausstellungen, mit der Unterstützung früherer Kontakte aus der Künstlerszene wie den inzwischen etablierten Malern Max Ernst und Salvador Dalì. Simone Breton schloss sich der Frauenbewegung „Féministes Révolutionnaires“ um Simone de Beauvoir an und unterzeichnete 1971 die berühmte Streitschrift für das Recht auf Abtreibung. 1980 starb sie im Alter von 83 Jahren." Amelie Persson




Unda Hörner „Die realen Frauen der Surrealisten“, Suhrkamp, 1998, 202 Seiten, ISBN: 978-3-518-39316-1



 

Freitag, 5. August 2011

Gerechtigkeit wie geht das? - Magnus Gäfken lächelt

Ich begebe mich heute auf dünnes Eis, aber ich muss meine Gedanken ordnen und aufschreiben hilft.

Herr Magnus Gäfken hat ein Kind getötet. Der Satz selbst ist schon unerträglich. Er hat ein ein elf Jahre altes Kind getötet. Er hat, um eine Millionen Euro zu erpressen, Jakob von Metzler entführt und dann getötet. Er hat ihn erstickt und in einen Weiher geworfen.

Im Anschluß an den Erhalt des Lösegeldes hat Herr Magnus Gäfken einen Urlaub gebucht. 
Nach seiner Festnahme hat er über den Verbleib seines Opfers gelogen, die Polizei glaubte zu diesem Zeitpunkt immer noch, dass der Junge am Leben sei. Daraufhin ordnete der damalige Polizeivizepräsident an, durch Gewaltandrohungen, die aus seiner Sicht lebensrettende Aussage, zu erzwingen. Die Aussage erfolgte. Die Polizei fand die Leiche des Entführungsopfers am benannten Ort. Herr Magnus Gäfken hat ein Kind getötet.

Jetzt wurde dem wegen Mordes zu lebenslänglicher Haft ohne Bewährung Verurteilten eine Entschädigung in Höhe von 3000 Euro auf Grund der "Verletzung der Menschenwürde durch Folterandrohungen" zugesprochen. Er hatte im Verfahren mit seiner Traumatisierung durch die Folterandrohung argumentiert. Schmerzensgeld erhält er nicht.

Ich grüble seitdem. 

Die Diskussionen überschlagen sich. 
Die Bandbreite ist enorm, von moralischer Empörung über die Unsittlichkeit von Gäfkens Forderungen, bis zum wütenden Aufschrei, dass 3000 Euro zu wenig und überhaupt nicht vom Staat, sondern von den Beamten selbst zu bezahlen seien. Auch Rufe nach Gesetzesänderungen, nach Gesetzesübertretungen werden laut und es gibt viel hilflose Bestürzung.
Das letztere verstehe ich gut. Mein Bauch-Herz sagt: Rache für Kindermord. Es ist das schlimmste Verbrechen, weil es Hoffnungen tötet, weil es sicher vor gleichstarker Gegenwehr geschieht, weil Kinder töten heisst, die Welt zu töten.

Aber. Dieses schreckliche Wort. Aber.

Der Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention schreibt vor: Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

Niemand, auch nicht der, der Menschenrecht verletzt hat. Herr Magnus Gäfken ist ein Mensch, der ein Kind getötet hat.

Nach den Ereignissen des 11. Septembers 2001 hat man in den USA den USA PATRIOT Act (Uniting and Strengthening America by Providing Appropriate Tools Required to Intercept and Obstruct Terrorism Act, auf deutsch etwa: „Gesetz zur Stärkung und Einigung Amerikas durch Bereitstellung geeigneter Instrumente, um Terrorismus aufzuhalten und zu blockieren“) verabschiedet. Er schränkt die allgemeinen Bürgerrechte stark ein, er erschwert das Einreisen und er ermöglicht es, des Terrorismus verdächtige Menschen, die nicht Bürger der USA sind, ohne Begründung auf unbestimmte Zeit zu inhaftieren. Irrsinn! Aber. 

Aber, die Argumentation, die dann direkt zu den Fürchterlichkeiten von Abu Grahib führte, ist verführerisch. Diese "Terroristen" halten sich an keine rechtlichen Verabredungen, also müssen wir, um ihrer Herr zu werden, diese auch unsererseits aufgeben. Rechtlosigkeit, um das Recht zu schützen.

Wenn wir also Herrn Magnus Gäfken anders behandeln als den Schuldlosesten unter uns, machen wir uns schuldig.

Ich habe keine Ahnung, ob mir in einer wirklichen Notsituation diese Einsicht helfen würde, die richtige, rechte Entscheidung zu treffen. Ich weiss nicht einmal, ob sie mich dann noch interessieren würde.




Donnerstag, 4. August 2011

Anne Sexton - Wenn Mann in Frau eindringt



Wenn Mann
In Frau eindringt
wie die Brandung die Küste beißt,
wieder und wieder,
und die Frau öffnet ihren Mund vor Lust
und ihre Zähne schimmern
wie das Alphabet,
erscheint Logos einen Stern melkend,
und der Mann
in der Frau
knüpft einen Knoten
auf dass sie nie wieder
getrennt seien werden
und die Frau
klettert in eine Blume
und schluckt ihren Stängel
und Logos erscheint
und entfesselt ihre Flüsse.
Dieser Mann,
diese Frau
mit ihrem doppelten Hunger
haben versucht, den Vorhang
Gottes zu durchdringen
und kurz gelang es,
obwohl Gott in Seiner Perversion,
den Knoten aufknüpft.

Egon Schiele Liebende Mann & Frau I
When man,
enters woman,

like the surf biting the shore,

again and again,

and the woman opens her mouth with pleasure

and her teeth gleam

like the alphabet,

Logos appears milking a star,

and the man

inside of woman

ties a knot

so that they will

never again be separate

and the woman

climbs into a flower

and swallows its stem

and Logos appears

and unleashes their rivers. 

This man,

this woman

with their double hunger,

have tried to reach through

the curtain of God

and briefly they have,

though God in His perversity

unties the knot.

Egon Schiele Doppel-Selbstporträt