Samstag, 6. August 2011

Andre Breton und Simone Kahn - Nein, nicht die Fußballtussi!


Man Ray Photographie: Simone Kahn mit einer Skulptur aus Vanuatu
 
Die freie Vereinigung

Meine Frau ihre Haare ein Holzfeuer
Mit Gedanken wie Wärmeblitze
Mit der Sanduhrtaille
Meine Frau mit der Taille des Fischotters zwischen den Zähnen des Tigers
Meine Frau mit dem Mund wie eine Kokarde wie ein Strauß aus Sternen letzter Größe
Mit Zähnen wie Spuren einer weißen Maus auf der weißen Erde
Mit der Zunge aus geriebenem Ambra und Glas
Meine Frau mit der Zunge wie eine erdolchte Hostie
Mit der Zunge einer Puppe die ihre Augen öffnet und schließt
Mit der Zunge aus unerhörtem Stein
Meine Frau mit Wimpern wie Striche der Kinderschrift
Mit Brauen wie der Rand des Schwalbennestes
Meine Frau mit Schläfen aus dem Schiefer des Treibhausdachs
Und von Beschlag an den Scheiben
Meine Frau mit Champagnerschultern
Und Schultern wie eisbedeckte Brunnen mit Delphinköpfen
Meine Frau mit Handgelenken wie Streichhölzer
Meine Frau mit Zufalls- und Herz-As-Fingern
Mit Fingern aus gemähtem Heu
Meine Frau mit Achselhöhlen wie Marder und Bucheckern
Der Johannisnacht
Wie Liguster und Nester der Purpurschnecke
Mit Armen wie Schaum vom Meer und von der Schleuse
Wie eine Mischung von Korn und Mühle
Meine Frau mit Beinen wie Uhrspindeln
Mit Bewegungen des Uhrwerks und der Verzweiflung
Meine Frau mit Waden aus Holundermark
Meine Frau mit Füßen wie Initialen
Mit Füßen wie Schlüsselbunde mit Füßen trinkender Kalfaterer
Meine Frau mit dem Hals aus halbgeschälter Gerste
Meine Frau mit der Kehle des Val d'or
Des Rendezvous im Bett des Sturzbachs
Mit Nachtbrüsten
Meine Frau mit Brüsten wie Maulwurfshügel im Meer
Meine Frau mit Brüsten wie Schmelztiegel für Rubine
Mit Brüsten des Rosenspektrums unter dem Tau
Meine Frau mit dem Bauch wie Entfalten des Fächers der Tage
Mit dem Bauch der Riesenkralle
Meine Frau mit dem Rücken wie ein Vogel der senkrecht flieht
Mit dem Quecksilberrücken
Mit dem Lichtrücken
Mit dem Nacken wie gerollter Stein und feuchte Kreide
Und dem Fall eines Glases von dem man gerade getrunken hat
Meine Frau mit Nachenhüften
Mit Hüften aus Leuchtern und Pfeilfedern
Und Federschäften des weißen Pfauen
Der unbeweglichen Waage
Meine Frau mit dem Sandstein- und Asbesthintern
Meine Frau mit dem Hintern wie ein Schwanenrücken
Meine Frau mit dem Frühlingshintern
Mit Gladiolengeschlecht
Meine Frau mit dem Geschlecht wie ein Goldlager und ein Schnabeltier
Meine Frau mit dem Algengeschlecht dem Geschlecht wie altertümliche Bonbons
Meine Frau mit Spiegelgeschlecht
Meine Frau mit Augen voll Tränen
Mit Augen wie eine violette Rüstung mit Magnetnadelaugen
Meine Frau mit Savannenaugen
Meine Frau mit Augen aus dem Trinkwasser in Gefängniszellen
Meine Frau mit Augen wie Holz das immer unter der Axt ist
Mit Augen wie Wasserwaagen Luftwaagen Erd- und Feuerwaagen


Andre Breton mit seiner Frau Simone Kahn
Breton liest das Gedicht: http://www.youtube.com/watch?v=0HTX4_KkhWk

L'Union libre

Ma femme á la chevelure de feu de bois
Aux pensées d'éclairs de chaleur
A la taille de sablier
Ma femme á la taille de loutre entre les dents du tigre
Ma femme á la bouche de cocarde et de bouquet d'étoiles de dernière grandeur
Aux dents d'empreintes de souris blanche sur la terre blanche
A la langue d'ambre et de verre frottés
Ma femme á la langue d'hostie poignardée
A la langue de poupée qui ouvre et ferme les yeux
A la langue de pierre incroyable
Ma femme aux cils de bátons d'écriture d'enfant
Aux sourcils de bord de nid d'hirondelle
Ma femme aux tempes d'ardoise de toit de serre
Et de buée aux vitres
Ma femme aux épaules de champagne
Et de fontaine à têtes de dauphins sous la glace
Ma femme aux poignets d'allumettes
Ma femme aux doigts de hasard et d'as de coeur
Aux doigts de foin coupé
Ma femme aux aisselles de martre et de fênes
De nuit de la Saint-Jean
De troène et de nid de scalares
Aux bras d'écume de mer et d'écluse
Et de mélange du blé et du moulin
Ma femme aux jambes de fusée
Aux mouvements d'horlogerie et de désespoir
Ma femme aux mollets de moelle de sureau
Ma femme aux pieds d'initiales
Aux pieds de trousseaux de clés aux pieds de calfats qui boivent
Ma femme au cou d'orge imperlé
Ma femme á la gorge de Val d'or
De rendez-vous dans le lit même du torrent
Aux seins de nuit
Ma femme aux seins de taupinière marine
Ma femme aux seins de creuset du rubis
Aux seins de spectre de la rose sous la rosée
Ma femme au ventre de dépliement d'éventail des jours
Au ventre de griffe géante
Ma femme au dos d'oiseau qui fuit vertical
Au dos de vif-argent
Au dos de lumière
A la nuque de pierre roulée et de craie mouillée
Et de chute d'un verre dans lequel on vient de boire
Ma femme aux hanches de nacelle
Aux hanches de lustre et de pennes de flèche
Et de tiges de plumes de paon blanc
De balance insensible
Ma femme aux fesses de grès et d'amiante
Ma femme aux fesses de dos de cygne
Ma femme aux fesses de printemps
Au sexe de glaïeul
Ma femme au sexe de placer et d'ornithorynque
Ma femme au sexe d'algue et de bonbons anciens
Ma femme au sexe de miroir
Ma femme aux yeux pleins de larmes
Aux yeux de panoplie violette et d'aiguille aimantée
Ma femme aux yeux de savane
Ma femme aux yeux d'eau pour boire en prison
Ma femme aux yeux de bois toujours sous la hache
Aux yeux de niveau d'eau de niveau d'air de terre et de feu 

Andre Breton 1931
"Der auserlesene Leichnam" Gesellschaftsspiel und kreatives Experiment der Surrealisten

Beim "Auserlesenen Leichnam zeichnet jeder Teilnehmer den ihnen zugefallenen Teil des Körpers auf ein Blatt Papier, faltet dann das Papier, um seinen Teil der Zeichnung zu verbergen, und gibt es an den nächsten "Mitspieler" weiter. Am Ende wird das Papier entfaltet und der "Auserlesene Leichnam" sichtbar.
Die Surrealisten nutzten solche Gesellschaftsspiele, um ihre unbewussten künstlerischen Automatismen zu trainieren.
Breton schrieb: " In der Tat, was uns an diesen Arbeiten erregt hat, war die Gewissheit, dass sie, ob gut oder schlecht, das Zeichen trugen von etwas, dass nicht von einem einzelnen Gehirn hätte hervorgebracht werden können und das sie einen größeren Freiraum boten, was, bei Poesie, nicht hoch genug zu schätzen ist."



Cadavre exquis 1927

"Die 1897 geborene Simone Kahn wuchs als Tochter einer wohlhabenden Industriellenfamilie in Paris auf. Nach der Schule widmete sie sich einem Literaturstudium, um auf diesem Weg im Quartier Latin, dem Pariser Studenten- und Künstlerviertel,  „das wahre Leben“ kennenzulernen. In der Buchhandlung „La maison des amis des livres“, begegnete Simone Kahn 1919 erstmals André Breton, der mit Louis Aragon und Philippe Soupault die Zeitschrift „Littérature“ herausgab.
Auf einer Dada-Lesung Bretons funkte es. Die aus bürgerlichem Hause stammende Kahn träumte von einem aufregenderen Leben fernab von „Handarbeit und Hausmusik“ und war fasziniert vom Aufbruchswillen Bretons. Durch die Liason mit Breton gehörte Simone Kahn schlagartig zum Kreis der Künstler und Intellektuellen, die sie zuvor bewundert hatte.
Die Hochzeit folgte im September 1921. Das Zuhause der Bretons am Montmartre wurde fortan zum Zentrum der Zusammenkünfte mit Künstlerfreunden. Doch die Rolle als „Frau des Papstes“ konnte Simone Breton kaum genießen. Obwohl sie mitten im Geschehen war, gehörte sie nicht dazu und für ihren Mann, den leidenschaftlichen Künstler, stand seine Arbeit immer an erster Stelle. Der junge Literat Max Morise umgarnte die vernachlässigte Künstlergattin, begann eine heimliche Affäre mit ihr. Doch Simone fühlte sich auch in der Rolle der Geliebten nicht wohl und hatte bald genug von Max. Das Büro für surrealistische Forschungen öffnete im Oktober 1924 in der Pariser Rue Grenelle, wo Simone die einzige Mitarbeiterin im Kreis der Surrealisten war. Doch Simone wurde für André immer mehr zur „Arbeitskollegin“, die seine zahlreichen Seitensprünge dulden musste.
André Bretons Vorstellung von der leidenschaftlichen und kompromisslosen Liebe war für ihn wichtiger als die Person, mit der er diese teilte. Die surreale Begegnung auf dem Pariser Boulevard mit einer jungen Frau namens Nadja inspirierte ihn zum gleichnamigen Roman, mit Suzanne brannte er für Monate durch und erbat sich in Telegrammen an seine Frau „die Gnade einiger Ausnahmen“ für das gemeinsame Eheleben. 1929 erfolgte schließlich auf Wunsch Andrés die Scheidung.



Simone Breton musste wegen ihrer jüdischen Wurzeln untertauchen, als die Nazis in Paris einmarschierten. 1938 heiratete sie den politisch engagierten Intellektuellen Michel Collinet, den sie tatkräftig unterstützte und kehrte nach Kriegsende nach Paris zurück. 1948 kaufte sie eine Galerie und widmete sich Ausstellungen, mit der Unterstützung früherer Kontakte aus der Künstlerszene wie den inzwischen etablierten Malern Max Ernst und Salvador Dalì. Simone Breton schloss sich der Frauenbewegung „Féministes Révolutionnaires“ um Simone de Beauvoir an und unterzeichnete 1971 die berühmte Streitschrift für das Recht auf Abtreibung. 1980 starb sie im Alter von 83 Jahren." Amelie Persson




Unda Hörner „Die realen Frauen der Surrealisten“, Suhrkamp, 1998, 202 Seiten, ISBN: 978-3-518-39316-1



 

Freitag, 5. August 2011

Gerechtigkeit wie geht das? - Magnus Gäfken lächelt

Ich begebe mich heute auf dünnes Eis, aber ich muss meine Gedanken ordnen und aufschreiben hilft.

Herr Magnus Gäfken hat ein Kind getötet. Der Satz selbst ist schon unerträglich. Er hat ein ein elf Jahre altes Kind getötet. Er hat, um eine Millionen Euro zu erpressen, Jakob von Metzler entführt und dann getötet. Er hat ihn erstickt und in einen Weiher geworfen.

Im Anschluß an den Erhalt des Lösegeldes hat Herr Magnus Gäfken einen Urlaub gebucht. 
Nach seiner Festnahme hat er über den Verbleib seines Opfers gelogen, die Polizei glaubte zu diesem Zeitpunkt immer noch, dass der Junge am Leben sei. Daraufhin ordnete der damalige Polizeivizepräsident an, durch Gewaltandrohungen, die aus seiner Sicht lebensrettende Aussage, zu erzwingen. Die Aussage erfolgte. Die Polizei fand die Leiche des Entführungsopfers am benannten Ort. Herr Magnus Gäfken hat ein Kind getötet.

Jetzt wurde dem wegen Mordes zu lebenslänglicher Haft ohne Bewährung Verurteilten eine Entschädigung in Höhe von 3000 Euro auf Grund der "Verletzung der Menschenwürde durch Folterandrohungen" zugesprochen. Er hatte im Verfahren mit seiner Traumatisierung durch die Folterandrohung argumentiert. Schmerzensgeld erhält er nicht.

Ich grüble seitdem. 

Die Diskussionen überschlagen sich. 
Die Bandbreite ist enorm, von moralischer Empörung über die Unsittlichkeit von Gäfkens Forderungen, bis zum wütenden Aufschrei, dass 3000 Euro zu wenig und überhaupt nicht vom Staat, sondern von den Beamten selbst zu bezahlen seien. Auch Rufe nach Gesetzesänderungen, nach Gesetzesübertretungen werden laut und es gibt viel hilflose Bestürzung.
Das letztere verstehe ich gut. Mein Bauch-Herz sagt: Rache für Kindermord. Es ist das schlimmste Verbrechen, weil es Hoffnungen tötet, weil es sicher vor gleichstarker Gegenwehr geschieht, weil Kinder töten heisst, die Welt zu töten.

Aber. Dieses schreckliche Wort. Aber.

Der Artikel 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention schreibt vor: Niemand darf der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Strafe oder Behandlung unterworfen werden.

Niemand, auch nicht der, der Menschenrecht verletzt hat. Herr Magnus Gäfken ist ein Mensch, der ein Kind getötet hat.

Nach den Ereignissen des 11. Septembers 2001 hat man in den USA den USA PATRIOT Act (Uniting and Strengthening America by Providing Appropriate Tools Required to Intercept and Obstruct Terrorism Act, auf deutsch etwa: „Gesetz zur Stärkung und Einigung Amerikas durch Bereitstellung geeigneter Instrumente, um Terrorismus aufzuhalten und zu blockieren“) verabschiedet. Er schränkt die allgemeinen Bürgerrechte stark ein, er erschwert das Einreisen und er ermöglicht es, des Terrorismus verdächtige Menschen, die nicht Bürger der USA sind, ohne Begründung auf unbestimmte Zeit zu inhaftieren. Irrsinn! Aber. 

Aber, die Argumentation, die dann direkt zu den Fürchterlichkeiten von Abu Grahib führte, ist verführerisch. Diese "Terroristen" halten sich an keine rechtlichen Verabredungen, also müssen wir, um ihrer Herr zu werden, diese auch unsererseits aufgeben. Rechtlosigkeit, um das Recht zu schützen.

Wenn wir also Herrn Magnus Gäfken anders behandeln als den Schuldlosesten unter uns, machen wir uns schuldig.

Ich habe keine Ahnung, ob mir in einer wirklichen Notsituation diese Einsicht helfen würde, die richtige, rechte Entscheidung zu treffen. Ich weiss nicht einmal, ob sie mich dann noch interessieren würde.




Donnerstag, 4. August 2011

Anne Sexton - Wenn Mann in Frau eindringt



Wenn Mann
In Frau eindringt
wie die Brandung die Küste beißt,
wieder und wieder,
und die Frau öffnet ihren Mund vor Lust
und ihre Zähne schimmern
wie das Alphabet,
erscheint Logos einen Stern melkend,
und der Mann
in der Frau
knüpft einen Knoten
auf dass sie nie wieder
getrennt seien werden
und die Frau
klettert in eine Blume
und schluckt ihren Stängel
und Logos erscheint
und entfesselt ihre Flüsse.
Dieser Mann,
diese Frau
mit ihrem doppelten Hunger
haben versucht, den Vorhang
Gottes zu durchdringen
und kurz gelang es,
obwohl Gott in Seiner Perversion,
den Knoten aufknüpft.

Egon Schiele Liebende Mann & Frau I
When man,
enters woman,

like the surf biting the shore,

again and again,

and the woman opens her mouth with pleasure

and her teeth gleam

like the alphabet,

Logos appears milking a star,

and the man

inside of woman

ties a knot

so that they will

never again be separate

and the woman

climbs into a flower

and swallows its stem

and Logos appears

and unleashes their rivers. 

This man,

this woman

with their double hunger,

have tried to reach through

the curtain of God

and briefly they have,

though God in His perversity

unties the knot.

Egon Schiele Doppel-Selbstporträt

Super 8 - Spielberg liebt Kinder

Ich schicke voraus: ja, ich erkenne die Muster wieder, ja, die Grundstruktur des Films ist weiss Gott nicht neu, ja, es gibt unlogische Elemente in der Geschichte. Ok. Das ist hiermit eingeräumt worden.
Aber. 
Aber es ist ein Vergnügen, im Kino zu sitzen, und von E.T., über Alien und die Gremlins bis zu King Kong an die großen Phantasien der Filmgeschichte liebevoll erinnert zu werden. Es ist wie ein Eintauchen in den Teil des menschlichen Gedächtnisses, der gefüllt ist mit Zeichen aus vielen Filmen. Und es ist eine Freude, Kinder so gut spielen zu sehen. Unhölzern, differenziert und kindlich.
E.T.
Spielberg hat J.J. Abrams, den Produzenten/Regisseur von Lost und Alias und Cloverfield, als Regisseur engagiert und es ist doch durch und durch ein Spielberg-Film. Die Kinder sind die gewitzten und warmherzigen "Helden", Eltern verstehen grundsätzlich nicht, was wirklich los ist und treffen irrationale Entscheidungen und der Staat ist bösartig und gewalttätig. Das sind die oben genannten Muster. Und sie funktionieren. Zum wiederholten Male. 
Spielberg hat als Kind in New Jersey Super 8 Filme gedreht, er weiss wovon er erzählt, auch wenn der Film in den 70ern spielt. Erstaunlich übrigens, wie außergewöhnlich altmodisch einem Kassettenrekorder und Walkmens erscheinen, keine Handys, aber dafür klobige Walkie-Talkies,und das ist erst 40 Jahre her, kaum zu glauben, eine andere Welt.


Nicht den Nachspann verpassen, bitte!


Ich vermute, die ersten Aliens, die Kontakt mit uns aufnehmen, werden all diese Filme zu Studienzwecken auch gesehen haben und auf Menschen treffen, die durch diese Filme unerschrockener auf die Begegnung reagieren. (Ja, ich bin sicher, dass es außer dem Menschen im Universum noch andere intelligente Rassen gibt und dass wir, wenn es nicht schon passiert ist, auch irgendwann aufeinander treffen werden. Eine Zwangsjacke ist nicht nötig, ich hege keinerlei Verschwörungstheorien und bin auch nicht die Einzige, die das glaubt.)


"Es erreicht niemals E.T. - wie könnte es? - aber im Gedöns des Sommers, ist Super 8 etwas, dass man wertschätzen sollte: eine wunderbar gemachte Huldigung besserer Zeiten und besserer Filme."
"It's nowhere close to E.T. - what is? - but amongst the hullabaloo of summer, Super 8 is something to cherish: a beautifully made homage to better times, and better movies." 
Empire Magazine

Mittwoch, 3. August 2011

Hoffnung - ein Hüpfen

Ich kann es kaum erwarten und hüpfe vor Ungeduld in der Hoffnung auf ...
... Es kann jeder nach Bedürfnis einsetzen, worauf er hüpfend hofft.

Hoffnung stammt von hopen „hüpfen“, "vor Erwartung unruhig springen“, „zappeln“, man denke an hopsen und Hopse spielen. Im Englischen ist es "to hope". 

Es ist die zuversichtliche Erwartung, dass eintritt, was man sich wünscht, ohne dass eine Gewissheit darüber besteht. Hoffnung ist nicht begründbar. Wir machen uns Hoffnungen, ja die machen wir uns selber, oder ein anderer macht sie uns; Hoffentlich Allianz versichert! Schwangere sind guter Hoffnung, Kinder berechtigen zu den größten Hoffnungen, die Angehörigen Sterbender hoffen zuversichtlich auf ein Wunder, die Sterbenden vielleicht auf das Paradies, wir setzen manchmal große Hoffnungen auf jemanden. Wir bauen erhoffte Luftschlösser auf Sand, sehen blindlings den Silberstreifen am Horizont, selbst ein Schimmer, ein Funken von Hoffnung kann uns befähigen, Berge zu versetzen. Sie stirbt, sagt man, zuletzt, nachdem sich alle Hoffnungen zerschlagen haben. Hoffentlich finden wir uns nie hoffnungslos vor. Ein hoffnungsloser Fall wäre das. Aber wir geben die Hoffnung nicht auf!
Hoffnung ist das Ding mit Federn
Das in der Seele sitzt,
Und singt das Lied--ohne den Text,
Und hört damit nie auf.
Emily Dickinson

Der amerikanische Photograph Philip Halsman hat zum Hüpfen eine ganz eigene Theorie entwickelt: Die Jumpology oder Hüpfologie. Er bat unterschiedlichste Leute für ihn einmal hochzuspringen, einen Sprung in die Luft zu wagen, und die meisten hüpften. Er sagte: "Wenn du eine Person bittest zu springen, ist ihre Aufmerksamkeit hauptsächlich auf den Akt des Springens gerichtet und die Maske fällt, so dass sie wahre Person erscheint."
"When you ask a person to jump, his attention is mostly directed toward the act of jumping and the mask falls so that the real person appears."
1959 veröffentlichte er sein "Jump Book" mit 178 Photographien hüpfender Menschen. Wie Heiner Müller sagte: "Der Sprung macht die Erfahrung, nicht der Schritt."

Aldous Huxley

Benny Goodman

Phil Silvers

Ed Sullivan

Audrey Hepburn

Marc Chagall

The Duke and the Duchess of Windsor

Walter Gropius

Adam Clayton Powell

Edward Steichen

Salvador Dali

Hattie Jacques

Richard Nixon

Der Photgraph und Marilyn Monroe
Hope
     

Hope is the thing with feathers
That perches in the soul,
And sings the tune--without the words,
And never stops at all,


And sweetest in the gale is heard;
And sore must be the storm
That could abash the little bird
That kept so many warm.

I've heard it in the chillest land,
And on the strangest sea;
Yet, never, in extremity,
It asked a crumb of me.

Emily Dickinson

wörtliche Übertragung:

Hoffnung ist das Ding mit Federn
Das in der Seele sitzt,
Und singt das Lied--ohne den Text,
Und hört damit nie auf.

Und am süßesten zu hörn im wilden Wind;
Und grausam ist der Sturm
der das Vögelchen beschämte
das so viele wärmte.

Ich hörte es im kühlsten Land
und auf dem seltsamsten Meer;
Doch, nie, auch in äußerster Not,
Bat es mich je um einen Brosamen.
 



Dienstag, 2. August 2011

Nichts zu verzollen

"Nichts zu verzollen" von und mit Danny Boon, von dem auch "Willkommen bei den Schtis" stammt, der vorhergehende Film, den ich leider nicht gesehen habe, aber umso mehr Jubilierendes über ihn gehört. Mir ist nach diesem Film nicht so recht jubilant. Ganz nett? Klingt bös, ist aber nicht einmal so gemeint. Eine etwas schwerfällige Parabel auf Rassismus und Ignoranz, manchmal ziemlich witzig und Boon und sein Antagonist Benoît Poelvoorde sind ein unpassend passendes Clownspaar. Aber sonst? Das Herz bleibt kühl und das Zwerchfell unterfordert.
Morgen gehe ich in "Super 8", den neuen Spielberg-Film, ich fürchte, ich werde dort mehr Spass haben.

Wieso heißt Zwerchfell eigentlich Zwerchfell? Wiki hilft: "Der Name „Zwerchfell“ leitet sich vom veralteten deutschen Wort zwerch („quer“) ab. Der Bestandteil „Fell“ stammt von germanisch *fel für „Haut“." In der Beschreibung steht auch, dass der lateinische Name für Einatmen - Inspiration ist, von inspiratio „Beseelung“, „Einhauchen von Leben“, „Ausstatten mit Geist“. Wie schön das passt.

Atmen, du unsichtbares Gedicht !
Immerfort um das eigne
Sein rein eingetauschter Weltraum. Gegengewicht,
in dem ich mich rhythmisch ereigne.
Einzige Welle, deren
allmähliches Meer ich bin ;
sparsamstes du von allen möglichen Meeren, -
Raumgewinn.
Wieviele von diesen Stellen der Räume waren schon
innen in mir. Manche Winde
sind wie mein Sohn.
Erkennst du mich, Luft, du, voll noch einst meiniger Orte ?
Du, einmal glatte Rinde,
Rundung und Blatt meiner Worte.

Rainer Maria Rilke
Aus: Die Sonette an Orpheus, Zweiter Teil

Paula Modersohn-Becker Portrait R.M. Rilke

Montag, 1. August 2011

Hermaphrodit - zweimal schön

Hermaphroditus, Sohn der Aphrodite und des Hermes, wurde von den Naiaden in den Höhlen des Berges Ida aufgezogen, er war schon früh außergewöhnlich hübsch. Mit 15, auf der Suche nach Abenteuern, zog er in die Welt. In der Nähe von Halicarnassus (heute in der Türkei), in einem Wald bei der Stadt Caria begegnete er einer Nymphe, Salmacis, die versuchte, ihn zu verführen, aber ohne Erfolg. Als sie fortgegangen war, ging er in einem nahen Teich baden, aber die verliebte Nymphe, hatte sich nur versteckt! Sie sprang hinter einem Baum hervor, in den Teich, umschlang den überraschten Hermaphroditus, küsste ihn und (!) berührte seine Brust, er wehrte sich, sie rief die Götter um Hilfe an und bekam sie - die beiden verschmolzen zu einem Wesen, auf immer untrennbar. Auf Wunsch des neuen Wesens hin, wurde dann der Teich verzaubert, so dass jeder, der darin badete, ebenfalls umverwandelt würde.

Ovid erzählt die Geschichte ganz wunderschön in den "Metamorphosen".

Götter alsbald willfuhren dem Wunsch. Die Körper der beiden
Werden vermengt und zu einer Gestalt miteinander verbunden.
Wie oft einer gewahrt, der Zweige vereint mit der Rinde,
Dass sie verwachsen in eins und dann aufschießen gemeinsam:
Also, wie sich verschränkt die Glieder in enger Verschlingung,
Sind's nicht zwei und doch ein Doppelgeschöpf, das zu heißen
Knabe so wenig wie Weib; sie scheinen so keines wie beides.


http://www.gottwein.de/Lat/ov/met04de.php#Salmacis

"Der Borghese Hermaphrodit", der heute im Louvre steht oder besser liegt, ist wahrscheinlich eine in der frühen römischen Kaiserzeit geschaffene Kopie einer griechischen Bronze Polycles des Älteren.
Im 17. Jahrhundert wurde die erste Statue bei den Grabungen zum Bau einer Kirche gefunden. (Später wurden noch andere Kopien gefunden und auch noch neu geschaffen.) Sie wurde Kardinal Scipione Borghese geschenkt, der dafür seinerseits seinen Architekten für den Kirchenbau zur Verfügung stellte und die Fassade bezahlte.
Er beauftragte Bernini, den berühmten italienischen Bildhauer und Architekt, eine Matratze für den Liegenden/die Liegende aus Marmor zu hauen, die ganz erstaunlich weich aussieht.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Hermaphrodit

I

Die Lippen heb, schau drehend zurück auf Liebe,

    Die blind ist, nachts dir raubt die Ruhestund;
    Von Allem scheint am müdesten dein Mund,
Bewahr dein Lächeln lang, des du so müde.
So süß hat Liebe nie genügend Süße,
    Wähl unter beiden, schließ den Bund der Lust,
    Zwei Lieben an den Knospen deiner Brust
Bekämpfen beide sich zum einen Siege.
Dein Atem Feuer ist im Fluss der Triebe,
    Im Brand der Augen, wo dein Mund geseufzt:
Wer dich auch immer sah, dich schön gefügten,
    Zwei Dinge setzen Blut und Sein in Feu'r;
Begehren, das Verzweiflung zeugend fügte,
    Verzweiflung, von Begehren weggescheucht.

II

Wo zwischen Schlaf und Sein kaum Abstand ist,

    Wo Liebe golden um das Haupt sich wand,
    Geschlecht geschlechtlich Glied und Lippen band,
Die Fehde fruchtbar um was seins, was ihrs
Zur öden Ehe ward, steril geküsst;
    Blieb Feuriges für beide unbekannt,
    Das erst gestillt ist, wenn der Tod verschwand,
Was Leben nicht, noch Schlaf erkennt und misst.
Die Liebe schuf aus Fleisch ihm, das vergeht,
    Ein Freudenhaus für Lieben seines Stamms;
Zur einen Seit ein Weib, das Sünden lebt,
    Zur andern sitzt, dem Tode gleich, ein Mann.
Umflorten Augs, wo Atem seufzend geht,
    Verdreht ihn Liebe, die zu ihm nie kam.

III

Ist's Lieb, ist's Schlaf, ist's Schatten oder Licht,

    Was zwischen Lidern und den Augen liegt?
    Wie Blume sich an eine Blume schmiegt,
Wie Nachttau, der sich auf die Nacht leis schlich.
Zu dir stellt beiderseits die Liebe sich,
    Kein Sonnenuntergang, kein Mondaufgang genügt,
    Das Mann du wärst, der eine Frau beglückt,
Noch eine Frau, die Mannes Glück entspricht.
Warum hat falsch ein Gott so schön geschaffen
    Die Doppelknospe fruchtlos zweier Blüten?
Warum barg Liebe sich in deinen Haaren,
    Nährte dich sommers, netzte dich mit Güssen,
Und gab das Gold, das Jahreszeiten tragen
    Nur dir, dem Ding, das alle Frucht muss missen?

IV

Ja, Lieb, ich seh's, 's ist Liebe nicht, nur Furcht.

    Nein, Süßer, Liebe ist's, nicht Angst, ich weiß;
    Und wozu sollt dein Körper blühn so leis,
So süß, wo doch dein Augenlid so pur
Dein Auge schützt, das niemals Tränen trug –
    Wo für die Liebe blutge Tränen heiß
    Solln falln; wo Liebe, Leben, Tod zumeist
So grausam nahn und gehn im trauten Zug?
Ja, Süßer, sah dich, weiß es, wie du leicht
    Im Kuss der Frau hinab ins Wasser glittst,
    Dein feuchter Leib verschmolz mit Salmacis,
Und's große Licht dein Auge zärtlich speist,
Und deinen Knabenatem aufgeweicht;
    Da Liebe blind ist, woher wüsst sie dies?

Au Musée du Louvre, Mars 1863
Algernon Charles Swinburne übersetzt von Eric Boerner


Barry Ball X, ein moderner amerikanischer Bildhauer hat seine Variante des Hermaphroditen in schwarzem und weißem Marmor und Stahl geschaffen.

Barry X Ball
Sleeping Hermaphrodite
2008 - 2010

Barry X Ball
Sleeping Hermaphrodite
Hermaphroditus


I. 
Lift up thy lips, turn round, look back for love, 
Blind love that comes by night and casts out rest; 
Of all things tired thy lips look weariest, 
Save the long smile that they are wearied of. 
Ah sweet, albeit no love be sweet enough, 
Choose of two loves and cleave unto the best; 
Two loves at either blossom of thy breast 
Strive until one be under and one above. 
Their breath is fire upon the amorous air, 
Fire in thine eyes and where thy lips suspire: 
And whosoever hath seen thee, being so fair, 
Two things turn all his life and blood to fire; 
A strong desire begot on great despair, 
A great despair cast out by strong desire.

II. 
Where between sleep and life some brief space is, 
With love like gold bound round about the head, 
Sex to sweet sex with lips and limbs is wed, 
Turning the fruitful feud of hers and his 
To the waste wedlock of a sterile kiss; 
Yet from them something like as fire is shed 
That shall not be assuaged till death be dead, 
Though neither life nor sleep can find out this. 
Love made himself of flesh that perisheth 
A pleasure-house for all the loves his kin; 
But on the one side sat a man like death, 
And on the other a woman sat like sin. 
So with veiled eyes and sobs between his breath 
Love turned himself and would not enter in.

III. 
Love, is it love or sleep or shadow or light 
That lies between thine eyelids and thine eyes? 
Like a flower laid upon a flower it lies, 
Or like the night's dew laid upon the night. 
Love stands upon thy left hand and thy right, 
Yet by no sunset and by no moonrise 
Shall make thee man and ease a woman's sighs, 
Or make thee woman for a man's delight. 
To what strange end hath some strange god made fair 
The double blossom of two fruitless flowers? 
Hid love in all the folds of all thy hair, 
Fed thee on summers, watered thee with showers, 
Given all the gold that all the seasons wear 
To thee that art a thing of barren hours?

IV. 
Yea, love, I see; it is not love but fear. 
Nay, sweet, it is not fear but love, I know; 
Or wherefore should thy body's blossom blow 
So sweetly, or thine eyelids leave so clear 
Thy gracious eyes that never made a tear-- 
Though for their love our tears like blood should flow, 
Though love and life and death should come and go, 
So dreadful, so desirable, so dear? 
Yea, sweet, I know; I saw in what swift wise 
Beneath the woman's and the water's kiss 
Thy moist limbs melted into Salmacis, 
And the large light turned tender in thine eyes, 
And all thy boy's breath softened into sighs; 
But Love being blind, how should he know of this?

Au Musée du Louvre, Mars 1863.

Statuette of an androgynous figure. Bone, Seleucid artwork, Mesopotamia, 1st century BC/CE.
Eine Rundum Ansicht des Borghese Hermaphroditen:
http://www.youtube.com/watch?v=ZA8CrLnZpFE

Bukowski - Das lachende Herz - The laughing heart


Das Lachende Herz

dein Leben ist dein Leben
lass es nicht in klamme Unterwerfung prügeln.
sei wachsam.
da sind Auswege.
da ist ein Licht irgendwo.
es ist vielleicht nicht viel Licht aber
es ist besser als die Dunkelheit.
sei wachsam.
die Götter werden dir Angebote machen.
kenne sie.
nimm sie.
du kannst den Tod nicht besiegen aber
du kannst den Tod im Leben besiegen, manchmal
und je öfter du lernst das zu tun,
desto mehr Licht wird da sein.
dein Leben ist dein Leben.
kenne es solang du es hast.
du bist wunderbar
die Götter warten darauf sich an dir
zu erfreuen.

Wandgemälde aus Stabiae vor 79 n.Chr.

The Laughing Heart

your life is your life
don’t let it be clubbed into dank submission.
be on the watch.
there are ways out.
there is a light somewhere.
it may not be much light but
it beats the darkness.
be on the watch.
the gods will offer you chances.
know them.
take them.
you can’t beat death but
you can beat death in life, sometimes.
and the more often you learn to do it,
the more light there will be.
your life is your life.
know it while you have it.
you are marvelous
the gods wait to delight
in you.

Tom Waits liest das Gedicht.