Mit Ausnahme von 5 Jahren in Rostock, lebe ich seit 1995 meist in Theaterwohnungen. Das heisst, elf Jahre die Farbe braun, umgangssprachlich kackbraun genannt. Ich vermute, dass die deutsche Theaterlandschaft, unterbewusst, mehr als vorstellbar, von dieser Farbe bestimmt wird.
Ich bin gern allein, nicht gern einsam, aber wirklich gern allein. Aber diese Unterkünfte sind hart, die kosten Kraft, Augen zu, Nase zu, und für "Nester" wie mich ist das anstrengend. Also fokussiert man. 6, 7 oder 8 Wochen: Probe - hoffentlich gibt es ein gutes Cafe - Wohnung - Probe - Kantine/Kneipe - Wohnung. Das Kneipegehen nimmt mit den Jahren ab, also mehr Wohnung. Die Wochenenden sind ein ganz eigenes Thema!
Was mögen das für Leute sein, die diese kastenförmigen Holzersatzmöbel erdenken? Haben die auch mal Mies Van Der Rohe und Corbusier studiert, ich meine, selbst Ikea ist besser! Werden sie aus Erfolglosigkeit dann zu bitteren Sadisten: Sollen sie doch alle leiden, ausgesetzt dieser Augen-und Körperpest!
Ist schon ein Widerspruch, man denkt, brütet, grübelt über Inhalte und Ästhetik während man im Augenwinkel von den monströsen Ausgeburten des Billig-Konsumerismus attackiert wird.
Also organisiert man sich Ablenkung.
Hier in Ingolstadt kann ich viel seltener probieren als ich möchte, da hier alle Spieler 6 bis 7 Mal die Woche Vorstellung haben und ich ein Ensemble-Stück probiere. Ergo viel Freizeit! Was soll ich damit? Glaubt mir, es gibt einen Punkt, an dem man nicht mehr lesen, schreiben oder Musik hören kann! Die hiesigen Theaterproduktionen habe ich nahezu alle gesehen, mit Ausnahme von "Rocky Horror Show" und einer Bühnenfassung von "Harry und Sally" - es gibt Grenzen, nicht wahr?
Einen Großteil meiner mosaikartigen Bildung verdanke ich also deutschen kleinstädtischen Theaterwohnungen und meiner Unfähigkeit regelmäßig fernzusehen. (Man soll doch immer das Gute im Schlechten sehen.)
Genug gejammert, draußen ist Frühling, es gibt ein wirklich gutes Cafe mit Internetzugang, das Ensemble ist erschöpft, aber neugierig und probenlustig, das Stück ist ein dicker, fetter Bissen und bis auf den Intendanten, sind die Leute im Theater prima. Lieber eine miese Wohnung, als ein mieses Theater!
Und doch, manchmal kommt mir der Gedanke, dass es vielleicht Spätschäden geben könnte. Im Alter, das Gedächtnis vergeht langsam und die letzten Bilder: braunes Laminat, orangene Kunststoffgardinen und das unvermeidliche Blumen-Aquarell................
Mal' innen deine Zimmer...
Mal' innen deine Zimmer aus,
Dass sich daran dein Aug' erquicke;
Lass außen ungeschmückt dein Haus,
Dass es nicht reize Feindesblicke.
Dass sich daran dein Aug' erquicke;
Lass außen ungeschmückt dein Haus,
Dass es nicht reize Feindesblicke.
Friedrich Rückert (1788-1866)