Montag, 27. April 2020

Das C-Wort XVII - Wirre Gedanken

Gestern benannte eine Unterstützerin der irrwitzig vermischten Demonstrationen vor der Volksbühne unseren augenblicklichen Zustand auf Facebook als "Berufsverbot".
Berufsverbot? Irgendwie sollten Bezeichnungen doch eine Beziehung zum Bezeichneten haben. Wir erleben die Verbreitung einer sehr ansteckenden Krankheit, sie verbreitet sich durch Tröpfcheninfektion, ergo wäre die Ausübung unseres Berufes unter den bisher üblichen Bedingungen eine akute Gefährdung des Lebens der Beteiligten, der Spieler und der Zuschauer.
Berufsverbot? Oder verantwortliches Verhalten unsererseits unter den gegebenen Umständen? Tieftraurig, ja, sozial von noch nicht endgültig einschätzbarer, aber sicher tiefgreifender, Wirkung, aber es ist kein Verbot, sondern ein Gebot der Stunde. Mir werden nicht meine demokratischen Grundrechte verwehrt, sondern ich bin aufgefordert, mich als Bürger verantwortlich zu verhalten.
Berufsverbot? Ich weiß nicht, ob die verordneten Maßnahmen zu weit gehen oder nicht weit genug gehen, ich bin kein Doktor, um den blonden orangegefärbten Präsidenten zu zitieren. Aber ich weiß, dass ich es nicht sicher weiß. Und das ist schon viel heutzutage. Ich möchte nicht durch dieses Virus sterben und niemanden anstecken. Also informiere ich mich vielseitig und kontrolliere meine Informationen so weit es mir möglich ist.
Die Volksbühne, der Platz davor - warum treffen sich die Protestierenden gerade hier? Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Bei diesen Demos mischen sich frohgemut ganz weit Rechte, Irre und irgendwie Linke auf dem Rosa-Luxemburg-Platz und fordern verschiedenste Dinge. Wenn ich mal von den völlig bekloppten Verschwörungstheoretikern absehe, scheinen auch normal intelligente Personen jetzt gerade gehäuft abzudrehen.
Das wir achtsam sein müssen, dass diese oder ähnliche Einschränkungen nicht beibehalten werden nach dem der Virus unter Kontrolle ist, versteht sich von selbst. 

© Foto: Tomas Kittan

Mittwoch, 22. April 2020

Das C-Wort XVI - Es wird zu viel gemeckert.

80 Pegida-Anhänger durften gestern Abend mit staatlicher Genehmigung einen Abendspaziergang durchführen. Sie begannen, zahlenmäßig etwas reduziert, auf dem Platz vor der Semper-Oper, ehemals der "Adolf-Hitler-Platz", und liefen mit Schutz-Masken, gut desinfiziert und unter Einhaltung des 1,50 Meter Mindestabstandes durch Dresden. 80 für 80 Millionen' war der Titel dieser Unternehmung. 80, warum 80? 88 wäre doch stimmiger, oder? Zu offensichtlich?

Pegida - Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes - das Abendland, da wo die Sonne untergeht. Pegida fordert:
  1. ein neues Zuwanderungsgesetz, das „unkontrollierte, quantitative“ Zuwanderung beenden und „qualitative Zuwanderung“ nach dem Vorbild Kanadas und der Schweiz fördern solle,
  2. die Aufnahme eines Rechts und einer „Pflicht zur Integration“ in das Grundgesetz
  3. konsequente Ausweisung bzw. ein Einreise- und Aufenthaltsverbot für „religiöse Fanatiker und Islamisten“, die in heiligen Kriegen kämpfen würden,
  4. direkte Demokratie durch Volksentscheide auf Bundesebene,
  5. ein Ende der „Kriegstreiberei mit Russland und ein friedliches Miteinander der Europäer“ ohne die „Kontrolle aus Brüssel“,
  6. mehr Mittel für die innere Sicherheit Deutschlands, besonders für die Polizei.
Mehr Mittel für die Polizei? 
https://www.spiegel.de/panorama/justiz/rechtsextremismus-in-deutschland-wie-rechts-ist-die-polizei-a-1290326.html

Was ist mit uns los? Bemerken wir überhaupt noch in welch schwieriger und doch letztendlich privilegierten Situation wir uns befinden? Wir durchleben eine weltweite Krise in einem der, für den Fall solch einer Katastrophe, bestausgestattensten Ländern der Welt. Corona-Deluxe. 
Das heißt nicht, hier gäbe es keine existentiellen Einbrüche, keine Menschen in bedrohlicher Not, keine Sorge, keine Angst, aber wenn wir unsere Lage mit der anderer Nationen, anderer Länder vergleichen? Dann geht es uns gut. Relativ. Oder? Unverdientermaßen, durch den Zufall der Geburt, leben wir in einem Land mit einem ziemlich gut funktionierenden Sozial- und Gesundheitssystem. Wir sind Glückskinder! 

Aber wir meckern. 
Merkel ist doof oder Söder oder Laschet oder Drosten. Schutzmaßnahmen - von wegen, Freiheitsberaubung! Alte weiße Männer sollen halt einfach sterben. Alte weiße Frauen übrigens auch. Sollen die Alten doch in Quarantäne gehen, und die Asthmatiker, die Diabetiker, die Raucher, die an Immunschwäche Leidenden. Warum müssen immer die Jungen zahlen.
Bill Gates will uns alle unterjochen, G5, Chemtrails und oder China wollen uns fertig machen. Falls eine impfung gefunden wird, muß man die als guter Impfgegner ablehnen. 80 Quadratmeter sind zu viel, sind zu wenig. Wenn Friseursalons öffnen dürfen, warum nicht auch Tätowierstudios? Überforderte Yuppie Familien vergleichen ihre soziale Distanzierung mit einem Gefängnisaufenthalt. Corona ist wie Grippe. Corona gibt es gar nicht, weil man keinen kennt, der es hat. 
Überhaupt alle sind gegen uns.  
Und mein Liebling: jeder Mensch mit Google-Zugang weiß besser, wie mit der Pandemie umzugehen wäre, als Leute, die Jahre über Viren und Epedemien, Pandemien studiert und gearbeitet haben. Früher war jeder Fußball-Nationaltrainer, heute ist jeder Virologe. 

Was ist mit uns los?

Wir stehen einer Bedohung gegenüber, der wir egal sind, Hasstiraden gegen den Virus mögen erleichtern, werden ihn oder vielmehr die Trillionen hoch 15 Covid-19 Viren aber nicht erreichen. Also suchen wir uns andere Ziele für unsere zur Wut umgeformte Angst, denn irgendjemand muss doch Schuld sein. 

Gerade das, was ich als sehr vertrauenserweckend erlebe, dass Politiker und Fachleute ihre Unsicherheit eingestehen, laut sagen, sie wissen manche Dinge nicht mit Sicherheit, wird durch die Meckerer als verächtliche Schwäche ausgelegt. Jede Gruppe sieht sich als die vernachlässigste, die der es schlimmer geht als allen anderen und meckert sich in haltlose Empörung. 

Ich sehe es so: momentan weiß niemand genau was DAS RICHTIGE ist. Herr Drosten scheint nicht blöd zu sein, Mai Thi Nguyen-Kim auch nicht. Merkel ist wissenschaftlich vorgebildet und, so scheint es mir, durch DDR Erfahrung äußerst achtsam bei der Einschränkung jeglicher Freiheiten. 

Herr Wodarg trat bei Eva Hermann auf, was mich mißtrauisch macht. Herr Püschel aus Hamburg trauert keinem nach, der sowieso demnächst gestorben wäre.

Ja, ich weiß, ich werde sterben. Ja, es ist unvermeidlich. Aber wie lebt eine Gesellschaft weiter, die ihre Schwachen, ihre Hilfsbedürftigen dem Tod überläßt, um wieder auf NORMAL zurückgehen zu können?

DER SERVIETTENBAUM



Donnerstag, 16. April 2020

Das C-Wort XV - Prognose

Nein, ich gebe heute hier keine Meinung über die zu erwartenden Entwicklung der Pandemie oder der Weltwirtschaft zum Besten. Keine Sorge. Denn, so viel ich auch lese, bin ich immer noch sicher, dass ich kein Virologe, kein Epidemologe, kein Ökonom bin. Und der oft zitierte "gesunde Menschenverstand" ist wohl auch nicht immer unser bester Berater, läßt er uns doch mit Vorliebe glauben, was uns genehm ist oder uns schlauer als die Menschen ohne eben diesen "gesunden Menschenverstand" erscheinen läßt. Warum eigentlich Menschenverstand, gibt es einen anderen uns bekannten anderen Verstand?
Ich tue im Augenblick, was Menschen, die über diese Dinge mehr gelernt, geforscht und nachgedacht haben, mir raten und fühle mich dabei nicht sonderlich gehorsam, sondern eher selbstverantwortlich. Was, bei meinen Schwierigkeiten mit Autoritäten bedeutet, dass ich glaube, es gibt wirklich eine Gefahr.
Derweil treffe ich in den sozialen Medien erstaunlich viele selbsternannte Fachleute, Paranoiker, Verschwörungstheoretiker und, als eigene Kategorie, "Wie gut diese Krise für uns ist" Prediger.
Meine Fragen:
Warum sollte selbst Mister Trump die Wirtschaft seines Landes stilllegen, wenn es keine wirkliche Bedrohung durch Corona geben würde?
Warum fragen mich Bekannte und Fremde, ob ich denn überhaupt jemanden kenne, der erkrankt ist? Tue ich übrigens.
Warum scheinen manche Leute, es schlecht auszuhalten, dass die Bedrohung jetzt gerade ein unpersönlicher, nur am eigenen Überleben interessierter Virus ist?  In diesem speziellen Fall nicht der Imperialismus, nicht Frau Merkel, nicht die von Qanon beschworene Weltverschwörung, nicht die Chinesen, nicht G5, nicht einmal die Aliens. Die alle sind vielleicht auch Feinde, aber eben nicht verantwortlich für diese Pandemie. Oder?
Nun zum Prognoseteil:
Bis eine Impfung verfügbar sein wird, werde ich andere Menschen auf Abstand halten müssen. Ein Meter und fünfzig Centimeter Abstand, keinen Körperkontakt, Maske, wenn es enger wird, und viel Händewaschen. Ein unerhörter Eingriff in meine Feiheit, in mein Leben. Als Risikofall muss ich vorsichtig sein, als Mensch bin ich anarchisch. Das schmerzt.
Und bis zum 30.8. sind Großveranstaltungen verboten. Was ist groß? Unsere nichtstattgefundende Premiere wollen wir im September nachholen. Wird das möglich sein?  Bitte, bitte, bitte. Und wenn es nötig ist mit Maske und einem Meter und fünfzig Zentimeter Abstand.

Montag, 13. April 2020

Das C-Wort XIV - Eine kleine Ode an Herrn Ottolenghi und seine Mitarbeiter


Ich bin ein Azubi-Koch und Ottolenghi ist ein großartiger Lehrer. Er erklärt genau, aber nicht zu genau, er ist ganz spürbar einer, der es liebt Menschen zu bekochen oder sie zu verführen, es selbst zu tun. Die Gerichte, jedenfalls, die die ich ausprobiert habe, sind ausnahmslos ganz, ganz lecker und zwar auf überraschende Weise. Ich habe durch ihn Gewürze kennengelernt, die ich nicht kannte und meine Zunge mag es, verblüfft zu werden. Cumin, Harissa, Zatar, schwarzer Knoblauch, Berberitzen, Isot Biber - schöne Namen und neue Geschmäcker, viel Fisch, viel Gemüse, viele Kräuter und nur manchmal Fleisch.
Die Namen seiner Kochbücher mag ich auch: Jerusalem, Plenty & Simple.

Nebenbei ist sein Essen auch noch gut für meinen Cholesterinhaushalt und das ganze andere Zeug mit der Gesundheit.

FORELLENTARTAR MIT BRAUNER BUTTER UND PISTAZIEN

1 Schalotte in Ringe schneiden
2 Zitronen - 2Tl abgerieben Schale & den Saft (ca.40cl)
1/2 Tl Zucker
4 Lachsforellenfilets gewürfelt
1 Tl Olivenöl

Zuerst die Schallottenringe mit 2 El Zitronensaft, dem Zucker, Meersalz und schwarzem Pfefer vermischen, dann in einer anderen Schüssel die Forellenwürfel mit dem Öl. der Zitronenschale, 1 1/2 Tl Meersalz und einer Portion Pfeffer vermanschen und für etwa 20 Minuten stehen lassen. Nicht länger!

Butter in der Pfanne mit Kreuzkümmel (1/2 Tl) braun werden lassen, schön schwenken immer mal.

Anrichten. Zerhackte Pistazien drüber und Estragon.
Ich hatte keinen frischen Estragon, da habe ich getrockneten gegen Ende in die braune Butter gestreut.

Benötigt keinerlei Zugabe, finde ich.



CHRAIMEH-SAUCE

6 zerdrückte Knoblauchzehen
2 Tl Paprika scharf
1 El Kümmel (für mich zu viel)
1 Tl Kreuzkümmel
1/2 Tl Zimt
3 El Sonnenblumenöl
3 El Tomatenmark
2 Tl Zucker
den Saft einer Limette
Koriander zum drüberstreuen

Knofi, Öl und Gewürze vermischen, eine Minute anbraten, Tomatenmark, Zucker, Limette und 3/4 Tl Salz dazu, 250 ml reingießen, die Sauce eindicken und viel rühren.

Ein sehr eigener, widersprüchlicher Geschmack, der gut zu grünen Bohnen, zu Fisch, zu Hühnchen passt und aufs Brot kann man die dicke Sauce auch streichen.


Samstag, 11. April 2020

Das C-Wort XIII - Nix passiert.

Ich schreibe meiner Lieblingsnichte jetzt öfter eine Mail, sie lebt im Brandenburgischen, ich in Berlin - das sind unüberwindbare Entfernungen in diesen Zeiten. Aber was schreibe ich ihr,  jetzt, wo mein Lebenskreis so viel kleiner geworden ist?  Keine neuen Restaurants, keine neuen Läden, Theaterereignisse, Museumsbesuche, Caféentdeckungen. Keine Proben, keine gemeinsamen Erfindungsschübe, keine Kreativkrisen, keine übermüdeten Abende und vorfreudige Morgen.

Mein Beruf ist nicht im geringsten systemrelevant, er ist wunderbar, gelegentlich idiotisch, aber systemisch wertlos, weil das, was ich schaffe, nicht börsenwirksam verwertbar ist, nur einem einzigen Zweck dienend, zu unterhalten.

Vorgestern haben wir, mein Bremer Truppe der Nibelungen, zwölf an der Zahl, drei Stunden über Zoom kommuniziert, "geprobt", sehr seltsam, erschöpfend, aber doch beglückend. Leider kann man nicht durcheinander reden, was blöd ist, denn das braucht's notwendig zum Probieren.

Wie wird unsere Zukunft aussehen? Homeoffice ist nicht möglich, Schweiß, Spucke und Anfassen, eigentlich alle jetzt so sehr gefährlichen Dinge, sind notwendige Bestandteile unserer Arbeit. Ob sich ein gänzlich neuer Spielstil entwickeln wird, gerade nach vorn und ohne Körperkontakt? Frau Kennedy, Sie wären eine Vorreiterin, mit Ihrer Vorliebe für Latex-Vollmasken und, wenn keiner spricht, werden auch weniger Tröpfchen in der Luft verteilt. Posthuman. What the Fuck! Eigentlich müssten wir jetzt doch noch menschlicher, haptischer, riskanter arbeiten.

Erstaunlich, wie ich mich über Winzigkeiten freue, den Kaffee von meiner kleinen, um ihr Überleben kämpfenden, Konditorei. Über die Sonne, die scheint, den sehr persönlichen Strauch, der blüht, die unglaublich netten Verkäufer und Verkäuferinnen bei "Butter Lindner". Ich bin gut dran mental noch aufnahmebereit und höchst privilegiert, weil ohne existentielle soziale Sorge, nur der um mein Leben, als 61-jährige schwere Raucherin. Also nur mit der Angst aller belastet, die alt, oder vorerkrankt oder sonstwie beschädigt sind. Ja, ich weiß, ich bin, im Gegensatz zu vielen Bedrohten, selber schuld.

( Da dräut im Hintergrund ein unangenehm darwinistisches Denken, retten wir die Wirtschaft, lasst die Alten sterben, die paar Jahre mehr oder weniger, machen den Kohl auch nicht fett und der Rentenkasse täte es auch gut. Mal gucken, was da noch kommt, wenn noch mehr Zeit vergeht mit uns und diesem Virus. )

ABER auch: 
Das Spazierengehen, dass ich gar nicht mag in normalen Zeiten, aber jetzt liebe, weil ich mich da mit lieben Leuten verabreden kann, um zu quatschen, anzugucken, zu lachen. Den Tiergarten kenne ich mitlerweile besser als meine Hosentasche und meine Freundinnen nennen mir geduldig zum zehnten Mal die Namen von Blumen und Bäumen, an denen ich, die sonnige demente Tante mich erfreue und sofort wieder vergesse.

Das Kochen, das ich genieße, weil ich mich dabei konzentrieren und Geduld haben muß. Herrn Ottolhengi und Frau Nigella Lawson verleihe ich den Corona-Preis in der Sparte Genüsse, welche in Zeiten ohne Körperkontaktmöglichkeiten, nicht zu verachten sind.

Das Lesen in der Badewanne. Noch sind es Krimis, Literatur wird's erst wieder, wenn ich das Nibelungen-Ungetüm aus dem Kopf habe. Ein Meter Bücher zum Thema, Irrsinn, wer sich alles mit welch speziellen Unterthemen mit dieser wüsten Geschichte beschäftigt hat!

Das Auf-, bzw. Ausräumen. So ordentlich waren meine Kisten, Schränke und Schubladen noch nie.

Der Frühling!!!

MEIN SELFIE:


Samstag, 4. April 2020

Das C-Wort XII - Ein Landei in der Stadt

Mein kleiner Wochenmarkt ist auf drei Stände zusammengeschrumpft und da dachte ich mir: "Geh doch mal zum Kollwitzplatz gucken."


Aus meinem dörflichen Berliner Mitte, wo man jetzt oft minutenlang kein Auto sieht, laufe ich also in den Prenzlauer Berg und erleide einen Schock, Gedränge!
Menschen über Menschen, lauter ökologisch bedachte, auf Nachhaltigkeit achtende, irgendwo links von der Mitte wählende Leute, bei denen das Ding mit der sozialen (physischen) Distanz scheinbar noch nicht angekommen ist. Habt ihr sie noch alle?
Ich habe rasch einen Strauß rote Ranunkeln erworben und bin bin weg, schnell wie der leicht geriatrische Blitz, der ich bin, ab ins Kaufhaus am Alex, wo die Lebensmittlabteilung geöffnet ist, was aber scheinbar keiner weiter weiß und darum können ich und noch zwei Kunden entspannt durch den Riesenladen schlendern. (Geheimtipp!)

Was sonst noch passierte:
Die Türkei behält Beatmunggeräte ein, für die Spanien schon bezahlt hat. Die USA verbietet einer großen Firma den Export von Respiratoren und medizinischem Bedarf nach Kanada und Lateinamerika.

Und dann auch noch:
Alan Posener findet in der Welt, dass "Unorthodox" antisemitische Vorurteile bedient.
https://www.welt.de/kultur/article206965399/Netflix-Serie-Warum-Unorthodox-antisemitische-Klischees-bedient.html?fbclid=IwAR39fVg_LzRKR4nhcc9f1MEcQCDINDqIjuwNlR2IPbrIzb_tqxf2bemVHw4

Finde ich nicht. Die Gemeinschaft der Orthodoxie, von der man einen kleinen Ausschnitt sieht, wirkt sicher exotisch und auch nicht unbedingt einladend, aber so geht es uns doch mit den meisten wirklich anderen Lebenswelten, oder? Und dann sieht man eine Geschichte sehr unterschiedlicher Leute, jüdischer und nichtjüdischer, der ich gern folge. Und es ist eben eine Geschichte und kein ideologisiertes Fallbeispiel.

Mittwoch, 1. April 2020

Das C-Wort XI - Wie es so ist.

Wir alle sind am Lernen. Wir üben, nicht durchzudrehen, und doch vorsichtig genug zu sein. Maske in Läden, Maske im Nahverkehr, Handschuhe immer. Ich rede mit Freunden, es sind gute Gespräche, sehr verschiedene Sichten, ähnliche Sorgen. Wie lange wird diese Krise dauern? Was wird danach geschehen? Wird die Welt, die wir kennen, DANACH eine andere sein? Oder vergessen wir dies alles so schnell wie möglich?

Eduard Fuchs hat einst eine llustrierte Sittengeschichte in sechs Bänden veröffentlicht. Damals bevor die Pest kam, waren die Regeln streng, dann starb ein Drittel der Bevölkerung, die Regeln wurden gelockert, die Einwohnerzahl wuchs auf die Vorpestzahl und flugs wurde die Moral angepasst, die katholischen Umgangsformen griffen wieder.  



FACTFULLNESS 

Hans Rosling, Anna Rosling Rönnlund, Ola Rosling

Hat sich der Anteil der Weltbevölkerung, der in extremer Armut lebt, in den zurückliegenden 20 Jahren verdoppelt, deutlich mehr als halbiert, oder ist er gleich geblieben? Insgesamt ein Dutzend solcher Fragen hat der 2017 verstorbene Hans Rosling mehreren tausend Menschen in verschiedenen Ländern gestellt. Der Professor für Internationale Gesundheit am schwedischen Karolinska-Institut arbeitete als Berater für die Weltgesundheitsorganisa­tion und das Kinderhilfswerk UNICEF und gründete gemeinsam mit seinem Sohn Ola Rosling sowie seiner Schwiegertochter Anna Rosling Rönnlund die Gapminder-Stiftung zur verständlichen Aufbereitung von Statistiken.


Anhand statistischer Daten zeigt der Forscher in diesem Buch, dass es den Menschen insgesamt besser geht. Der Anteil der in extremer Armut Lebenden hat sich weltweit mehr als halbiert, und 80 Prozent der einjährigen Kinder sind geimpft. In Ländern mit niedrigem Einkommen besuchen inzwischen 60 Prozent der Mädchen die Grundschule. Auch zu diesen Themen hatte der Autor zahlreiche Probanden von verschiedenen Kontinenten um ihre Einschätzung gebeten.
Rosling überraschte, dass die Menschen die Lage oft viel düsterer sehen, als mithilfe der Daten belegbar ist. Zum Beispiel beantworteten in Schweden und Norwegen nur 25 Prozent der Teilnehmer die Frage nach dem in Armut lebenden Anteil der Weltbevölkerung richtig, in Großbritannien nur neun und in Deutschland sogar nur sechs Prozent. Selbst Fachleute wie Universitätsprofessoren, Investmentbanker oder Journalisten lagen daneben.
Rosling fragte sich, worauf diese Fehleinschätzungen zurückzuführen seien. Dazu identifizierte er zehn verschiedene menschliche "Instinkte": etwa den der "Kluft", der "Negativität", der "Angst", des "Schicksals" und der "Schuldzuweisung". Sie alle seien in einem Millionen Jahre währenden Evolutionsprozess entstanden und hätten dazu beigetragen, dass sich der Mensch in einer feindlichen Umwelt zurechtfinden, Gefahren rechtzeitig erkennen und sich gegen sie behaupten könne. Zwar seien diese Instinkte heute noch wichtig, sie führten aber immer wieder zu einer verzerrten Weltsicht.
Jeden neuen Buchabschnitt widmet der schwedische Mediziner einer andereninstinktiven Denkweise, deren wichtigsten Eigenschaften er am Kapitelende zusammenfasst. Zugleich gibt er Tipps, wie man mögliche Denkfallen umgehen kann. So verleite der "Instinkt der Kluft" dazu, die Welt in Extreme zu unterteilen, etwa in Arm und Reich, Entwicklungs- und entwickelte Länder. Die Situation aus einer Vogelperspektive zu betrachten, helfe dagegen, die vielen dazwischenliegenden Schattierungen zu erkennen und die eigene Sichtweise zu relativieren.

https://www.spektrum.de/rezension/buchkritik-zu-factfulness/1570136