Donnerstag, 22. Juni 2017

Auserwählt und ausgegrenzt

Auserwählt und Ausgegrenzt

Momentan wogt in den digitalen Medien eine heftige Debatte über eine von arte und dem WDR in Auftrag gegebene Dokumentation zum Thema Antisemitismus. Sophie Hafner und Joachim Schroeder sind die Autoren. Die auftraggebenden Sender verweigerten zunächst die Ausstrahlung.

Zitat aus einem Artikel in Der Zeit vom 20.Juni 2017:
 

Die Doku war von Arte in Auftrag gegeben und vom WDR produziert worden. Arte hatte sich allerdings gegen eine Ausstrahlung entschieden, weil der Film grundlegend vom ursprünglichen Sendekonzept abgewichen sei. So habe der Fokus entgegen des Auftrages nicht auf europäischen Ländern gelegen, sondern auf dem Nahen Osten. Aufgrund von Artes besonderem Blickwinkel auf Europa sei das "nicht akzeptabel" gewesen. Auch der WDR sendete den Film unter Verweis auf handwerkliche Mängel nicht. Die Berichterstattung sei nicht ausgewogen gewesen, hieß es.

Ich habe mir den Film angesehen. Er lügt nicht. Er spitzt zu, was jeder wissen kann. Mohammed Amin al-Husseini war ein tollwütiger Antisemit, seine Verbrüderung mit dem Nationalsozialismus ekelhaft und seine propagandistische Ausstrahlung von übelster Wirkung bis heute.

"Der Mufti ist soviel Wert wie eine ganze Nation. Der Mufti ist Palästina, und Palästina ist der Mufti. O Amin! Was bist Du doch für ein großer, unbeugsamer, großartiger Mann! Hitlers und Mussolinis Niederlage hat Dich nicht geschreckt. Was für ein Held, was für ein Wunder von Mann. Wir wollen wissen, was die arabische Jugend, Kabinettminister, reiche Leute und die Fürsten von Palästina, Syrien, Irak, Tunesien, Marokko und Tripolis tun werden, um dieses Helden würdig zu sein, ja dieses Helden, der mit der Hilfe Hitlers und Deutschlands ein Empire herausforderte und gegen den Zionismus kämpfte. Deutschland und Hitler sind nicht mehr, aber Amin el-Husseini wird den Kampf fortsetzen."
Jeffrey Herf (Hrsg.): Hitlers Dschihad. Nationalsozialistische Rundfunkpropaganda für Nordafrika und den Nahen Osten. In: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte. Oldenbourg, München April 2010, H. 2. ISSN 0042-5702 S. 259–286.
  
Imperialismus, Zionismus, altehrwürdger Judenhass und tiefe Unwissenheit werden zu einem allgemeinen Brei vermanscht und als politische Argumente verkauft. Das ist erschreckend. Und viele Neuköllner Muslims würden leider nicht widersprechen.

Aber der Film läßt auch aus, er hetzt selbst, vermeidet notwendige Zuordnungen und offensichtliche Widersprüche. Die verflixte jüdische Mischung von Religion und Volk wird übergangen. Der absolute Überlebenswillen einer verfolgten Menschengruppe, zutiefst verständlich, und für die Opfer ihres Existenzkampfes doch unerträglich, fällt unter den Tisch, an dem wir nie gemeinsam saßen. 

Es scheint, wir vergessen in unserer gerechtfertigten Suche nach dem Hass auf uns, den Hass in uns. Wenn Antisemitismus, real und unleugbar, Rechtfertigung für unsere eigenen Missetaten wird, haben wir ein Problem, dass uns zerstören könnte.

Mein Lieblingsrabbiner Yeshayahu Leibowitz beantwortete die Frage seines, ihn verehrenden Interviewers, "Was die Juden durch den Holocaust gelernt hätten" nach einer ziemlich langen Pause zweisilbig mit "Na nichts."

5. Mose 6, 10 -11
Dann wird er dir geben, große, schöne Städte, die du nicht gebaut hast, und Häuser alles Guten voll, die du nicht gefüllt hast, und gemeißelte Brunnen, die du nicht gehauen hast, und Weinberge und Ölbäume, die du nicht gepflanzt hast; und du wirst essen und satt werden.
 

1 Kommentar:

  1. Antisemitismus ist ein Verbrechen. Wannimmer Menschen abgelehnt und angegriffen werden wegen einer Religion, einer Abstammung, einer Hautfarbe, einer sexuellen Orietierung, eines Geschlechtes geschieht ein Verbrechen. Ein Verbrechen, das hasst, was diese Menschen sind.
    Die Ablehnung richtet sich nur danach und begründet sich nicht an Taten.
    Aber Menschen kann man nur anhand ihrer Taten beurteilen, denn allein Taten belegen, was sie sind.

    Und da beginnt für mich ein Problem mit der Bekämpfung von Antisemitismus. Denn sie differenziert genauso wenig wie der Antisemitismus selbst. So wenig ich einen Menschen ablehnen darf wegen dem, was er ist, so wenig darf ich ihn unkritisierbar behandeln, wegen dem, was er ist.
    Taten.
    Wenn Juden angegriffen werden, weil sie Juden sind, wenn ihre Geschichte und ihr Leid geleugnet wird, dann will ich tun, was geht, damit das aufhört. Nicht, weil ich deutsch bin oder politisch korrekt, sondern, weil es mir widerlich ist.
    Aber wenn Israel neue Siedlungen im Westjordanland baut oder militärische Vergeltungsschläge ausübt, die nicht zu rechtfertigen sind... dann will ich genauso, dass das aufhört. Obwohl ich deutsch bin und obwohl das vielleicht politisch unkorrekt ist.
    Denn poltische Korrektheit ist ein Problem, wenn es um Differenzierung geht. Weil sie polarisiert - in gut und schlecht. Sie übergeht die Grauzone aus denen die meisten Sachverhalte bestehen. Das macht sie zum Hemmschuh einer differenzierten Auseinandersetzung... egal ob bei Flüchtlingen, Moslems oder eben Juden.
    Wenn Menschen das Gefühl haben nur zwischen zwei Polen wählen zu können, dann fördert das extremistisches Denken. Wir müssen die Positionen dazwischen öffnen. Die sind schwieriger, eben weil differenzierter, man muss viel mehr Gedanken, Zweifel und Betrachtung investieren. Aber diese Positionen sind genauer - man darf sie nicht verschenken.
    Taten müssen zur Diskussionsgrundlage werden, zur Basis der Auseinandersetzung. Kein Problem hat nur eine Lösung oder erlaubt nur eine Betrachtung... es ist entsetzlich viel komplizierter.
    Das ist anstrengend, politisch viel schwerer zu vermitteln und widerspricht dem Bedürfnis nach einfachen Sichtweisen... aber es ist nötig.

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