Freitag, 28. November 2014

Frankenstein oder der moderne Prometheus


Caliban. 
Ihr lehrtet mich reden, und der ganze Vortheil den ich davon habe, ist dass ich fluchen kann; dass ihr die Pest dafür hättet, dass ihr mich reden gelehrt habt!

William Shakespeare "Der Sturm" 

Im Jahr 1818 verbrachte Mary Shelley nee Godwin eine stürmisch-regnerische, drogengetränkte Nacht in der Villa Diodati am Genfer See im wilden Gespräch über Gott und die Welt und die Versuche von Erasmus Darwin (Großvater von Charles!) tote Materie durch Elektrizität zum Leben zu erwecken. Die anderen Anwesenden waren Percy Bysshe Shelley, Lord Byron, dessen schwangere Exgeliebte Claire Clairmont (Marys Halbschwester) und der Arzt und Schriftsteller John Polidori. 
Aus dieser Zusammenkunft entsprang die Idee für ihren Monster-Roman, den ersten seiner Art: Frankenstein oder der moderne Prometheus.
Irritierenderweise benennt der Titel den Monsterbauer, nicht das Monster. Der Schöpfer, sich von Gott emanzipierend, gottlos und gottgleich, erschafft aus Staub und Dreck Leben, und verstößt es im Schrecken vor dessen Anblick. Das Geschöpf überlebt, allein und ausgestoßen, es lernt, es wächst, es leidet und wird ein "er" und konfrontiert schließlich seinen Erschaffer.


Thou art my father
Thou my author
Thou my being gav'st me;
Whom should I obey but thee,
Whom follow?

Du bist mein Vater
Du bist mein Autor
Du gabst mir mein Sein;
Wem sollte ich gehorchen außer Dir,
Wem folgen? 

Milton Das Verlorene Paradies
Fast ein halbes Hundert Filme wurden nach diesem Roman gedreht und in fast allen schweigt das Geschöpf. Mit Kastenkopf, schlechtvernähten Bruchstellen, hölzernem Gang, Grunzen und Gewalttätigkeit schleppt und schlachtet es sich durch ein Jahrhundert Filmgeschichte.
Nick Dears Adaptation für das National Theatre in London, die von Danny Boyle, unter anderem Regisseur von Trainspotting, Slumdog Millionaire und der Eröffnung der Olympischen Spiele, inszeniert wurde, gibt dem "Monster" Sprache, Gedanken und Gefühle. Es trägt den Hauptteil des Abends. 
Wo liegt den Unterschied von Monster und Mensch?  Und es ist die alte, immer wieder bestürzende Geschichte: wir begegnen einem Anderen mit Angst und Verachtung, und empören uns, wen er uns mit Haß und Drohung antwortet.

Did I request thee, Maker, from my Clay
To mould me Man, did I solicit thee
From darkness to promote me?
 Habe ich Dich, Schöpfer, gebeten aus meinem Lehm
Mich zu formen den Menschen, habe ich Dich aufgefordert
Mich aus der Dunkelheit zu befreien?

Milton Das Verlorene Paradies

Johnny Lee Miller und Benedict Cumberbatch, ja ich bin ein Fan, ja, ja, spielen, allabendlich wechselnd, Meister und Monster. Ich habe Cumberbatch als Professor Frankenstein gesehen. Manisch ehrgeizig, egozentrisch, verklemmt, verstört und rastlos begenet er seinem Geschöpf, dass die nicht einkalkulierte Unverschämtheit besitzt, die Zuneigung seines Erschaffers, seines Vaters zu fordern. 
Miller ist erstaunlich, er schafft es, die komplizierten, philosophischen Texte scheinbar im Moment zu denken, hervorzustoßen. Er ist gefährlich wütend, verlassen und unschuldig.
immer wenn die Zwei aufeinander treffen, war ich gebannt. 
Das Bühnenbild ist toll und die technisch perfekte, fließende Art der Verwandlungen macht mich neidisch. Und was die tausenden Gühbirnen, die den Bühnenhimmel bilden und je nach Szene, Blitz, strahlendes Tageslicht oder artifizielle Kunstbeleuchtung herstellen, gekostet haben müssen! Neid! Diese Installation hat mich sehr an eine Photographie von Jeff Wall "Der unsichtbare Mann erinnert. Großartig.


Aber, immer dieses Aber, wenn die anderen Figuren auftreten, bricht plötzlich das britische Equivalent zum deutschen schlechten Stadttheater aus. Die Kostüme sind neckisch historisch, die Situationen ungelenk, simpel und undynamisch. Und wenn dann auch noch Frauen mal den Mund öffnen dürfen, wird es endgültig provinziell und albern. So dämliche Frauenfiguren habe ich schon lange nicht mehr gesehen. Hübsch wäre noch das lobendste, was mir dazu einfällt.
 

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