CHICAGO
Chicago ist ein Musical des Komponisten John Kander, mit Liedtexten von Fred Ebb und
einem Buch von Ebb and Bob Fosse, nach einem 1926 geschriebenen Theaterstück von
Maurine Dallas Watkins, in dem sie ihre Zeit als Gerichtsreporterin im Chicago der
Zwanziger Jahre verarbeitete.
Am Broadway lief Chicago ziemlich lang nach seiner Uraufführung und noch viel länger
und erfolgreicher läuft die Revivalproduktion seit jetzt über 18 Jahren.
Die Geschichte spielt in Chicago in den 20ern: Die Nachtclubsängerin Roxie Hart
ermordet ihren Liebhaber. Im Gefängnis lernt sie die Aufseherin Mama Morton und
Velma Kelly kennen. Velma, ebenfalls Tänzerin und dank der Hilfe von Morton ein
Medienstar, plant die Fortsetzung ihrer Karriere nach ihrer Freilassung. Hierfür soll
sie der Staranwalt Billy Flynn aus dem Gefängnis boxen, der allerdings gleiches auch
für Roxie plant. Es beginnt ein undurchsichtiges Dreiecksspiel, bei dem die beiden
Tänzerinnen um die Gunst Flynns buhlen. Als dann die Boulevardjournalistin Mary
Sunshine dafür sorgt, dass Roxie als „Jazz-Mörderin“ zum Medienstar wird, beginnt
ein Verwirrspiel aus Tricks, Lügen und Eifersucht. Werden die Tänzerinnen ihre
Freiheit zurückgewinnen und Ruhm und Reichtum erlangen?
Wer mehr Schlagzeilen hat, überlebt, mit steigender Berühmtheit, wachsen deine
Chancen zum Sieg, nur leider währt ein Skandal nicht lang, also müssen ständig neue
produziert werden.
Es gibt in ganz Chicago keine Moral, oder wenn, dann als offen und erfrischend
schamlos eingesetztes Mittel zum gänzlich eigensüchtigen Zweck. Liebe, Leid, Lust,
die harte Kindheit, das Glück der Mutterschaft, Tränen und Glück, all die sicheren
emotionalen Stützpfeiler der geliebten alten Musicals, hier werden sie benutzt,
ausgenutzt, abgenutzt und wir, die Zuschauer geraten in die Rolle der Komplizen, weil
die Musik so herrlich ist und die Choreographien noch viel herrlicher.
Ann Reinking hat die Choreographien im Stil von Bob Fosse entwickelt und sie sind für
mich, die besten Tänze, die ich je in einem Musical gesehen habe. Immer die Szenen
bedienend oder sie unter der Hand (oder besser den Füssen) brechend, sehr sexy und
von unglaublicher Kunstfertigkeit. So schnell, cool und leicht und überraschend.
Die Songs sind unterschiedlichsten Vaudevillenummern nachempfunden, offensiv, wild,
rotzfrech. Und wenn die Musik mal ins Sentimentale kippt, kontern die Texte mit
harschem, realen Geschäftsdenken. All that Jazz, The Cell block Tango und When
you're good to Mama haken sich in Ohr und Gehirn und verbleiben dort, auf immer.
Tolle Nummern!
Aber noch viel interessanter ist der Inszenierungsstil. Es mag abgedroschen klingen,
aber stimmt trotzdem, das ist klassisches episches Theater. Titel für die Szenen, die
Figuren steigen ein und aus wie gerade nötig, manche Szenen werden "erzählt", andere
ganz normal gespielt. Wer nicht dran ist, sitzt am Bühnenrand, das Orchester nimmt
die ganze Bühnenmitte ein und auch der Dirigent wird manchmal als Mitspieler
verwickelt. Und so hat man drei Spielebenen auf der fast leeren und ziemlich kleinen
Bühne. Die behauptete kitschige mediengerecht zubereitete Geschichte, die sich
überschneidenden und bekämpfenden aggressiven Interessenkämpfe der Figuren und
die Spieler/Sänger/Tänzer mit ihrem Ehrgeiz und ihrer Spiellust. Wunderbar. Ein
großartiges Musical.
Ich habe Chicago in Stuttgart gesehen, im Palladium, einem der zwei Stage
Entertainment Theater im Stuttgart International, das ist übrigens so etwas wie ein
nicht gelungener Las Vegas Supereinkaufszentrumabklatsch mit Spielbank,
Wellnessbereich, häßlichen Hotels, Riesenkino und eben zwei Musicaltheatern. Im
anderen Haus läuft Tarzan.
Die Tänzer und die meisten der Sänger sind klasse, die Inszenierung auch, aber dass
eine der Hauptdarstellerinnen Deutsch mehr phonetisch als inhaltlich spricht, ist ein
Problem und die andere ist leider auch kein echter Clown.
Violetter Text auf rotem Fond liest sich leider sehr schwer.
AntwortenLöschenIrgendein Googlegeheimnis erlaubt mir nicht die Schrift in Schwarz zu setzen. Wellche andere Farbe wäre denn genehmer? Tut mir wirklich leid!
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