Hamlet, schon bloße Aussprechen des Titels flößt eine gewisse lähmende Ehrfurcht aus,
bei mir allerdings eine von der nörgeligen Art.
Hamlet & Faust, das waren lange Zeit für mich hauptsächlich Selbstdarstellungs-
gelegenheiten für midlife-Krisen geschüttelte deutsche Groß- und Mittelregisseure.
Die Konzepte ähnelten sich trotz unterschiedlichster Ästhetik: Hamlet oder Faust, das
waren sie selbst, verkannt, einsam, unverstanden, weit tiefer/größer/verzweifelter
als es ihre Umwelt begreifen und ertragen konnte. So waren die Abende meist zu lang,
zu gemächlich, Ophelia bzw. Gretchen erotisch dekorative Traummädchen mit nur
unwesentlicher Bedeutung für das Schicksal des Protagonisten, und der Blick auf ihn
von tiefem Einverständnis geprägt. Wenn wir für den Hamlet noch die ganz und gar
deutsche Romantisierung und Entpolitisierung durch August Wilhelm Schlegels
wunderbare Übersetzung addieren...
Also Hamlet, vor einigen Jahren in Rostock noch die Geschichte einer ehrgeizigen, und
doch ziellosen Generation, die ungeduldig und ohnmächtig auf das Abtreten der Alten
wartet, nun auf einer riesigen grauen Treppe, bemoost und uneben, 52 Stufen, die zu
einem Mischmasch-Dom von harscher Schönheit führen. Und, ja, und dies in
viereinhalb Wochen, zerhackt von anderen Verpflichtungen der Darsteller und den
Unwägbarkeiten des mitteleuropäischen Sommers.
Hybris? Ja.
Ein Abenteuer? Ja.
Machbar? Keine Ahnung.
Aber. Aber ich habe eine Fassung, die schlank und hart an der Geschichte bleibt, die
spröde Übersetzung des Vormärzdichters Georg Herwegh und eine Gruppe Spieler von
geradezu unglaublicher Bereitschaft und dem nötigen fröhlichen Übermut, sich auf ein
so waghalsiges Unternehmen einzulassen. Es ist ein Rausch. Acht, zehn oder mehr
Stunden täglich, wer weiß noch, welcher Wochentag es sein mag.
Aber. Aber wir erzählen eine Geschichte über die Nähe von persönlichster Verletzung
und politischer Ambition, darüber, wie sich wundes Gefühl und kalte Berechnung
überlagern und vermischen, so dass sie nahezu ununterscheidbar werden und über die
brutale Gewalt, die solche Hybride hervorbringen können.
Ein Rausch.
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