Freitag, 25. Mai 2012

Paul Cézanne und R.M. Rilke 1


Entweder Matisse oder Picasso hat gesagt: "Er ist unser aller Vater". Gemeint war Paul Cézanne, Matisse lieferte auch noch: " Eine Art lieber Gott der Malerei".

Der Knabe mit der roten Weste 1888/90

Max Liebermann soll einem Betrachter, der die ungewöhnliche Länge des rechten Oberarmes des Knaben bemängelte, geantwortet haben: "Der Arm ist so schön, der kann gar nicht lang genug sein!"

Das Bild wurde 2008 aus dem Museum der Sammlung Bührle in der Schweiz gestohlen und 2012 in Serbien wieder "aufgefunden".


Rainer Maria Rilke an seine Frau Clara
22. Oktober 1907

.... Ich wollte aber eigentlich noch von Cezanne sagen:
daß es niemals noch so aufgezeigt worden ist, wie sehr das Malen unter den Farben vor sich geht, wie man sie ganz allein lassen muß, damit sie sich gegenseitig auseinandersetzen.
Ihr Verkehr untereinander: das ist die ganze Malerei.
Wer dazwischenspricht, wer anordnet, wer seine menschliche Überlegung, seinen Witz, seine Anwaltschaft, seine geistige Gelenkigkeit irgend mit agieren läßt, der stört und trübt schon ihre Handlung.
...
ohne den Umweg durch seine (des Malers) Reflexion zu nehmen, müssen seine Fortschritte, ihm selber rätselhaft, so rasch in die Arbeit eintreten, daß er sie in dem Moment ihres Übertritts nicht zu erkennen vermag. Ach, wer sie dort belauert, beobachtet, aufhält, dem verwandeln sie sich wie das schöne Gold im Märchen, das nicht Gold bleiben kann, weil irgendeine Kleinigkeit nicht in Ordnung war.

Daß man Van Goghs Briefe so gut lesen kann, daß sie so viel enthalten, spricht im Grunde gegen ihn, wie es ja auch gegen den Maler spricht (Cezanne danebengehalten), daß er das und das wollte, wußte, erfuhr; daß das Blau Orange aufrief und das Grün Rot: daß er solches, heimlich an dem Innern seines Auges horchend, hatte drinnen sagen hören, der Neugierige.

So malte er Bilder auf einen einzigen Widerspruch hin, dabei auch noch an die japanische Vereinfachung der Farbe denkend, die eine Fläche auf den nächsthöheren oder nächsttieferen Ton setzt, unter einen Gesamtwert summiert; welches wieder zu dem gezogenen und ausgesprochenen (d.h. erfundenen) Kontur der Japaner führt als Einfassung der gleichgesetzten Flächen: zu lauter Absicht, zu lauter Eigenmächtigkeit, mit einem Wort zur Dekoration.

Ein schreibender Maler, einer also, der keiner war, hat auch Cezanne durch seine Briefe veranlaßt, malerische Angelegenheiten antwortend auszusprechen, aber wie sehr ist es, wenn man die paar Briefe des Alten sieht, bei einem unbeholfenen, ihm selber äußerst widerwärtigen Ansatz zur Aussprache geblieben.

Fast nichts konnte er sagen. Die Sätze, in denen er es versuchte, werden lang, verwickeln sich, sträuben sich, bekommen Knoten, und er läßt sie schließlich liegen, außer sich vor Wut.
Hingegen gelingt es ihm ganz klar zu schreiben:

"Ich glaube, das Beste ist die Arbeit.' Oder: >Ich mache täglich Fortschritte, wenn auch sehr langsam.' Oder: >Ich bin fast siebzig Jahre alt." Oder: "Ich werde Ihnen durch Bilder antworten." 
...
die Unterschrift, unverkürzt: Pictor Paul Cezanne.

21. Sept. 1905
Je continue donc mes etudes. [Also habe ich weiterhin mein Studium.]
Und der Wunsch, der ihm wörtlich in Erfüllung gegangen ist:
Je me suis jure de mourir en peignant. [Ich schwöre auf die Malerei zu sterben.]
...
Alles Gerede ist Mißverständnis. Einsicht ist nur innerhalb der Arbeit.
Sicher. Es regnet, regnet,....
und morgen schließen sie den Salon, der die letzte Zeit fast meine Wohnung war.
Leb wohl für heute ....

Paris Vle, 29, rue Cassette. Am 21. Okt. 1907

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