Mittwoch, 22. November 2023

Nicht schreiben können

Der 7. Oktober war ein Progrom. Wie immer und immer wieder, seit Jahrhunderten, entschied eine Gruppe Menschen, das Juden eben dies, Menschen, nicht sind, sondern nur unwichtige Kolateralschäden. Und sie hatten auch noch Spaß dabei. Hatten Spaß beim Vergewaltigen, Töten und Demütigen. Welche inhumane Ideologie wurde von verhärteten oder korrupten Führern in sie eingepflanzt?

Das kleine Volk (Wir sind weltweit nur 16 Millionen.) dem ich wohl oder übel angehöre, führt jetzt Krieg gegen dieses andere Volk, dass es seinerseits gerne auslöschen würde. "From the river to the sea" heißt nichts anderes, als die Zerstörung Israels. Auf beiden Seiten sind unerträgliche Opfer zu beklagen. Die politische Führung der Palästinenser will, wie die Charta der Hamas ganz klar formuliert, Israel vernichten. Die politische Führung Israels ist ein Haufen korrupter, rechtslastiger Narzisten. ABER. Aber in Israel wurde, bis zum 7. Oktober, heftig gegen die schlechte Regierung protestiert und niemand wurde verhaftet oder Schlimmeres. In Gaza oder im Iran, der die Hamas mitfinanziert, wurde nicht demonstriert, konnte nicht demonstriert werden, weil es weder erlaubt ist und heftig lebensgefährlich ist.

Ich liebe die Demokratie, in all ihrer verwundbaren Unzuverlässigkeit, weil man alle paar Jahre anders entscheiden kann, wenn man nicht zu faul oder zu dumm ist, sich zu informieren. 

Und wenn ich eines sicher weiß, dann ist es, das ich nicht in einem muslimisch regierten Staat leben möchte, und auch meine Lieblingsnichte soll das nicht erleben. Sie hat schönes Haar und lebendige Augen, die sie nie verstecken sollen muß.

Ich wünschte, wir, die Juden, hätten keine Palästinser vertrieben. Aber ich verstehe auch, warum wir, die Juden, dringend einen sicheren Ort brauchten. "Die Wahrheit liegt zwischendrin." Zwischen den arabischen Staaten, die keine palästinensischen Flüchtlinge aufnehmen wollen oder sie in einer Endlosschleife von Arbeitserlaubnislosigkeit hängen läßt und den jüdischen Siedlern, die von einem Groß-Israel träumen und sich dabei auf einen Text berufen, der durch nichts juristisch bewiesen ist, (Das Alte Testament).

Was ein nicht bewiesener Gott gesagt haben mag, interessiert mich übrigens dabei gar nicht. 

 


Die einen benutzen ihre idealisierte Vergangenheit (Das Alte Testament) als ideologische Waffe, weil sie wissen, das sie nirgendwo sicher sind, als in diesem ihnen heiligem, aber von anderen, eben diesen Palästinensern, lang bewohnten Land. Die anderen können ihre schmerzhafte Vergangenheit nicht vergessen und vergraben sich in ihrem Opferstatus, ignorieren die Korruption ihrer Anführer und versteinern ihre Herzen. Hass gegen Hass. 

Der palästinensische Taxifahrer, der Juden akzeptiert, aber Zionisten und Israel auslöschen will. 

Wo sollen wir denn hin?

Ich trage meinen Davidstern und weiß nicht genau warum.




2 Kommentare:

  1. Ich habe eine Weile gebraucht, bis ich etwas zum 7. Oktober schreiben konnte. Ich habe mich einige Wochen lang dagegen gesträubt, der allgemeinen Aufforderung von Seiten der Politik und der Zivilgesellschaft zur bedingungslosen Solidarität mit Israel Folge zu leisten. Ich lasse mich nicht gerne darin unterweisen, was genau die korrekten Formulierungen sind, in denen die entsprechen Solidaritätsbekundungen erfolgen dürfen; was man sagen darf und was nicht. Ich sage und schreibe gerne, was ich denke und lasse mir das Denken nur ungern von anderen abnehmen.

    Es brauchte eine Weile, bis ich zwischen einer bedingungslosen Solidarität, die auch die aktuelle israelische Regierung mit einbezieht, und dem Existenzrecht des Staates Israel unterscheiden konnte. Einige Menschen, darunter auch jüdische und palästinensche, wenn wir denn diesen Zusatz machen wollen, haben mir dabei geholfen. Ich bin Humanist, wenn auch ein realistischer und nicht besonders optimistischer. Für mich gibt es immer nur Menschen, und jede, jeder ist ein Individuum.

    Ich bin mit keinem Staat der Welt, auch nicht mit dem, dessen Bürger ich bin, bedingungslos solidarisch. Aber alle Menschen haben das Recht, sich staatlich zu organisieren. Das gilt für die Bürger Israels ebenso wie für die Palästinenser.

    Was daraus politisch für Konsequenzen zu ziehen sind, ist wieder etwas anderes und in diesem Fall äußerst kompliziert. Aber die Menschenrechte gelten ungeteilt. Das ist die Grundvoraussetzung, von der sich niemand suspendieren darf.

    Ich weiß nicht, was ich tun soll, wenn die AfD von geistig verwirrten Protestwählern an die Macht gewählt werden. Schon jetzt aber ist es Skandal, daß es in diesem Land gefährlich geworden ist, sich auf der Straße als jüdischer Mensch zu erkennen zu geben. Aber wenn ich mir die Politik der CDU/CSU ansehe, habe ich den Eindruck, sie regiert ohnehin schon mit.

    Ich weiß nicht, was ich konkret tun werde. Ich weiß nur, daß ich weiterhin laut sein werde. Und daß ich mir das Denken nicht verbieten lassen werde. Und wo immer sich mir die Gelegenheit bietet, versuchen werde, mit Menschen solidarisch zu sein.

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  2. Meinen höchsten Respekt für Ihre Selbstdisziplin, sich die Zeit zu nehmen Nachzudenken, bevor Sie sich äußern. Es ist eine so komplizierte Auseinandersetzung, infiziert mit Vorurteilen und aber auch Verletzungen, die Jahrhunderte zurückreichen, vergiftet durch Propaganda und blinden Glauben. Respekt.

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