Montag, 18. September 2023

Baustellenabsperrungen und andere provisorische Zäune.

Ich habe eine Verschwörungstheorie, oder vielleicht sogar zwei. Wie peinlich ist das denn.

Irgendwo in einem Berliner Bauamt arbeitet ein unauffälliger Mann. Er ist klein, hager, mit der typischen Halbglatze deutscher Männern über 50. Er kleidet sich uninteressant. Möglicherweise pachtet er einen Kleingarten, den er, allen Regeln des Bundeskleingartengesetzes folgend, liebevoll umhegt. Er raucht nicht, trinkt ein, zu besonderen Anlässen, zwei Bier am Abend. Er ist, was man einen guten deutschen Beamten nennt. Pünktlich, sauber und vergessbar.

Aber er besitzt eine zweite Identität. Seine wahre. Er erfindet Baustellen und verteilt sie in der Stadt Berlin. Sie entstehen plötzlich, ohne jeden erkennbaren Zweck, über das Stadtgebiet verteilt und es darf nur eine Person dort vorgeben zu arbeiten. Manchmal sind andere Menschen anwesend, aber die stehen nur herum und reden und rauchen. Diese Baustellen bestehen lang, sehr lang, unerklärlich lang. Sie stören den den alltäglichen Tagesablauf der Berliner, verärgern sie und bleiben ihnen doch ein Mysterium.

Dieser Mann hat einen Sohn, den er liebt, der Bauzäune verleiht, die aus Gitterdraht und auch die rot-weißen. Bauzäune mit Sicherheits-Verbindungsschellen, Bauzäune mit engem Maschennetz, Bauzäune mit Übersteigschutz, Bauzauntür zum Mieten, Toranlage zum Mieten, Bauzaunschlösser zum Mieten, Aushebesicherungen zum Mieten, Sichtschutzplanen zum Mieten. 

Der Sohn ist reich, sehr reich und will reicher werden. Es kümmert ihn nicht, das ganz Berlin wie eine unfertige, zugemüllte, verwundete Baustelle aussieht. Er verdient daran. 

Es ist ein Komplott. Der liebende Vater und der unheilige Sohn. Der Vater in einer Wohnung im Wedding und der Sohn mit der Villa am Wannsee. Ein zerstörerisches Liebes-Bündnis.

Der Gendarmenmarkt in Berlin-Mitte wird saniert, Kabelkanäle und so allerlei, dauert drei Jahre mindestens. Umzingelt von einem Bauzaun. Häßlicher geht nicht. Ein zweiter Zaun, rot-weiß- gestreift, ohne jeden erkennbaren Zweck, steht davor. Ein Aussichtstürmchen und viel häßlicher Zaun.

Paris. Notre Dame brennt und auf dem Bauzaun der Wiederaufbaubaustelle lese ich die Geschichte der Kirche und die speziellen Kenntnisse der Menschen, die sie wieder jetzt aufbauen. Ich leide mit. und interessiere mich.

Berlin. Jede Baustelle verkündet Unansehlichkeit, Unverläßlichkeit der Fertigstellung und Desinteresse des Bauherren gegenüber seinen Bürgern.

3 Kommentare:

  1. Juhu! Endlich eine, die sie auch sieht, diese Absperrungen. Ich wähnte mich die Einzige, die sich geradezu umzingelt und verfolgt von den rotweissen Monstern fühlte und mindestens eine Verschwörung dahinter witterte, wenn nicht geradezu mafiöse Strukturen. In die durchaus auch der Blumenhandel verstrickt zu sein scheint,, der manch einen Zaun mit Blumenkästen auch noch verschlimmbesserte.
    Danke Johanna! Danke! Ich bin nicht mehr allein!

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  2. Gabriele Bigott-Kleinert schrieb:
    Nix Theorie, die nackte rot-weiße Wahrheit. Und- unter uns - vielleicht ist es ja auch noch schlimmer, der Vater war bei der Stasi und leidet unter Mauerverlust, nu müssen Zäune her!!!

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  3. Winnie Maryla Böwe schrieb:
    Der berühmte Utrechter Dom, Wahrzeichen der Stadt und höchste Kirche der Niederlande, wird gerade saniert. Bei der Führung gestern fragte ich, wann die Bauarbeiten beendet sein werden. Antwort: nächsten August, 4 Monate eher als geplant. Ich lachte laut auf. Ich hoffe, dein ominöser Herr weitet seinen Arbeitsbereich nie auf die Nachbarländer aus.

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