Sonntag, 11. Januar 2015

DER KAISER UND DIE NACHTIGALL





 Brassai
DER KAISER UND DIE NACHTIGALL

In China, weißt du ja wohl, ist der Kaiser ein Chinese, und alle, die er um sich hat, sind Chinesen. Es sind nun viele Jahre her, aber gerade deshalb ist es wert, die Geschichte zu hören, ehe sie vergessen wird. Des Kaisers Schloß war das prächtigste der Welt, ganz und gar von feinem Porzellan, so kostbar, aber so spröde, so mißlich daran zu rühren, daß man sich ordentlich in acht nehmen mußte. Im Garten sah man die wunderbarsten Blumen, und an die allerprächtigsten waren Silberglocken gebunden, die erklangen, damit man nicht vorbeigehen möchte, ohne die Blumen zu bemerken. Ja, alles war in des Kaisers Garten fein ausgedacht, und er erstreckte sich so weit, daß der Gärtner selbst das Ende nicht kannte; ging man immer weiter, so kam man in den herrlichsten Wald mit hohen Bäumen und tiefen Seen. Der Wald ging gerade hinunter bis zum Meere, das blau und tief war. Große Schiffe konnten unter den Zweigen hinsegeln, und in diesen wohnte eine Nachtigall, die so herrlich sang, daß selbst der arme Fischer, der soviel anderes zu tun hatte, stillhielt und horchte, wenn er nachts ausgefahren war, um das Fischnetz aufzuziehen. "Ach Gott, wie ist das schön!" sagte er, aber dann mußte er auf sein Netz achtgeben und vergaß den Vogel; doch wenn dieser in der nächsten Nacht wieder sang und der Fischer dorthin kam, sagte er wieder: "Ach Gott, wie ist das doch schön!"

Von allen Ländern kamen Reisende nach der Stadt des Kaisers und bewunderten sie, das Schloß und den Garten; doch wenn sie die Nachtigall zu hören bekamen, sagten sie alle: "Das ist doch das Beste!"

Die Reisenden erzählten davon, wenn sie nach Hause kamen, und die Gelehrten schrieben viele Bücher über die Stadt, das Schloß und den Garten, aber die Nachtigall vergaßen sie nicht, sie wurde am höchsten gestellt, und die, welche dichten konnten, schrieben die herrlichsten Gedichte über die Nachtigall im Walde bei dem tiefen See.

Die Bücher durchliefen die Welt, und einige kamen dann auch einmal zum Kaiser. Er saß in seinem goldenen Stuhl, las und las, jeden Augenblick nickte er mit dem Kopfe, denn er freute sich über die prächtigen Beschreibungen der Stadt, des Schlosses und des Gartens. "Aber die Nachtigall ist doch das Allerbeste!" stand da geschrieben.

"Was ist das?" fragte der Kaiser. "Die Nachtigall kenne ich ja gar nicht! Ist ein solcher Vogel hier in meinem Kaiserreiche und sogar in meinem Garten? Das habe ich nie gehört; so etwas soll man erst aus Büchern erfahren?"

Da rief er seinen Haushofmeister. Der war so vornehm, daß, wenn jemand, der geringer war als er, mit ihm zu sprechen oder ihn um etwas zu fragen wagte, er weiter nichts erwiderte als: "P!" Und das hat nichts zu bedeuten.

"Hier soll ja ein höchst merkwürdiger Vogel sein, der Nachtigall genannt wird!" sagte der Kaiser. "Man spricht, dies sei das Allerbeste in meinem großen Reiche; weshalb hat man mir nie etwas davon gesagt?"

"Ich habe ihn früher nie nennen hören", sagte der Haushofmeister. "Er ist nie bei Hofe vorgestellt worden!"

"Ich will, daß er heute abend herkomme und vor mir singe!" sagte der Kaiser. "Die ganze Welt weiß, was ich habe, und ich weiß es nicht!"

"Ich habe ihn früher nie nennen hören!" sagte der Haushofmeister. "Ich werde ihn suchen, ich werde ihn finden!"

Aber wo war er zu finden? Der Haushofmeister lief alle Treppen auf und nieder, durch Säle und Gänge, keiner von allen denen, auf die er traf, hatte von der Nachtigall sprechen hören. Und der Haushofmeister lief wieder zum Kaiser und sagte, daß es sicher eine Fabel von denen sei, die da Bücher schreiben. "Dero Kaiserliche Majestät können gar nicht glauben, was da alles geschrieben wird; das sind Erdichtungen und etwas, was man die schwarze Kunst nennt!"

"Aber das Buch, in dem ich dieses gelesen habe", sagte der Kaiser, "ist mir von dem großmächtigen Kaiser von Japan gesandt, also kann es keine Unwahrheit sein. Ich will die Nachtigall hören; sie muß heute abend hier sein! Sie hat meine höchste Gnade! Und kommt sie nicht, so soll dem ganzen Hof auf den Leib getrampelt werden, wenn er Abendbrot gegessen hat!"

"Tsing-pe!" sagte der Haushofmeister und lief wieder alle Treppen auf und nieder, durch alle Säle und Gänge; und der halbe Hof lief mit, denn sie wollten nicht gern auf den Leib getrampelt werden. Da gab es ein Fragen nach der merkwürdigen Nachtigall, die von aller Welt gekannt war, nur von niemand bei Hofe.

Endlich trafen sie ein kleines, armes Mädchen in der Küche. Sie sagte: "O Gott, die Nachtigall, die kenne ich gut, ja, wie kann die singen! Jeden Abend habe ich die Erlaubnis, meiner armen, kranken Mutter einige Überbleibsel vom Tische mit nach Hause zu bringen. Sie wohnt unten am Strande, wenn ich dann zurückgehe, müde bin und im Walde ausruhe, höre ich Nachtigall singen. Es kommt mir dabei das Wasser in die Augen, und es ist gerade, als ob meine Mutter mich küßte!"

"Kleine Köchin", sagte der Haushofmeister, "ich werde dir eine feste Anstellung in der Küche und die Erlaubnis, den Kaiser speisen zu sehen, verschaffen, wenn du uns zur Nachtigall führen kannst; denn sie ist zu heute abend angesagt."

So zogen sie allesamt hinaus in den Wald, wo die Nachtigall zu singen pflegte; der halbe Hof war mit. Als sie im besten Zuge waren, fing eine Kuh zu brüllen an.

"Oh!" sagten die Hofjunker, "nun haben wir sie; das ist doch eine merkwürdige Kraft in einem so kleinen Tiere! Die habe ich sicher schon früher gehört!"

"Nein, das sind Kühe, die brüllen!" sagte die kleine Köchin. "Wir sind noch weit von dem Orte entfernt!"

Nun quakten die Frösche im Sumpfe.

"Herrlich!" sagte der chinesische Schloßpropst. "Nun höre ich sie, es klingt gerade wie kleine Tempelglocken."

"Nein, das sind Frösche!" sagte die kleine Köchin. "Aber nun, denke ich werden wir sie bald hören!"

Da begann die Nachtigall zu singen.

"Das ist sie", sagte das kleine Mädchen. "Hört, hört! Und da sitzt sie!" Sie zeigte nach einem kleinen, grauen Vogel oben in den Zweigen.

"Ist es möglich?" sagte der Haushofmeister. "So hätte ich sie mir nimmer gedacht; wie einfach sie aussieht! Sie hat sicher ihre Farbe darüber verloren, daß sie so viele vornehme Menschen um sich erblickt!"

"Kleine Nachtigall", rief die kleine Köchin ganz laut, "unser gnädigste Kaiser will, daß Sie vor ihm singen möchten!"

"Mit dem größten Vergnügen", sagte die Nachtigall und sang dann, daß es eine Lust war.

"Es ist gerade wie Glasglocken!" sagte der Haushofmeister. "Und seht die kleine Kehle, wie sie arbeitet! Es ist merkwürdig, daß wir sie früher nie gesehen haben; sie wird großes Aufsehen bei Hofe machen!"

"Soll ich noch einmal vor dem Kaiser singen?" fragte die Nachtigall, die glaubte, der Kaiser sei auch da.

"Meine vortreffliche, kleine Nachtigall", sagte der Haushofmeister, "ich habe die große Freude, Sie zu einem Hoffeste heute abend einzuladen, wo Sie dero hohe Kaiserliche Gnaden mit Ihrem prächtigen Gesange bezaubern werden!"

"Der nimmt sich am besten im Grünen aus!" sagte die Nachtigall, aber sie kam doch gern mit, als sie hörte, daß der Kaiser es wünschte.

Auf dem Schlosse war alles aufgeputzt. Wände und Fußboden, die von Porzellan waren, glänzten im Strahle vieler tausend goldener Lampen, und die prächtigsten Blumen, die recht klingeln konnten, waren in den Gängen aufgestellt. Da war ein Laufen und ein Zugwind, aber alle Glocken klingelten so, daß man sein eigenes Wort nicht hören konnte.

Mitten in dem großen Saal, wo der Kaiser saß, war ein goldener Stab hingestellt, auf dem sollte die Nachtigall sitzen. Der ganze Hof war da, und die kleine Köchin hatte die Erlaubnis erhalten, hinter der Tür zu stehen, da sie nun den Titel einer wirklichen Hofköchin bekommen hatte. Alle waren in ihrem größten Staate, und alle sahen nach dem kleinen, grauen Vogel, dem der Kaiser zunickte.

Die Nachtigall sang so herrlich, daß dem Kaiser die Tränen in die Augen traten, die Tränen liefen ihm über die Wa:ngen hernieder, und da sang die Nachtigall noch schöner; das ging recht zu Herzen. Der Kaiser war sehr erfreut und sagte, daß die Nachtigall einen goldenen Pantoffel um den Hals tragen solle. Aber die Nachtigall dankte, sie habe schon Belohnung genug erhalten.

"Ich habe Tränen in des Kaisers Augen gesehen, das ist mir der reichste Schatz! Gott weiß es, ich bin genug belohnt!" Und darauf sang sie wieder mit ihrer süßen, herrlichen Stimme.

"Das ist die liebenswürdigste Stimme, die wir kennen!" sagten die Damen ringsherum, und dann nahmen sie Wasser in den Mund, um zu klucken, wenn jemand mit ihnen spräche; sie glaubten, dann auch Nachtigallen zu sein. Ja, die Diener und Kammermädchen ließen melden, daß auch sie zufrieden seien, und das will viel sagen, denn sie sind am schwierigsten zu befriedigen. Ja, die Nachtigall machte wahrlich Glück.

Sie sollte nun bei Hofe bleiben, ihren eigenen Käfig haben, samt der Freiheit, zweimal des Tages und einmal des Nachts herauszuspazieren. Sie bekam zwölf Diener mit, die ihr ein Seidenband um das Bein geschlungen hatten, woran sie sie festhielten. Es war durchaus kein Vergnügen bei solchem Ausflug.

Die ganze Stadt sprach von dem merkwürdigen Vogel, und begegneten sich zwei, dann seufzten sie und verstanden einander: Ja, elf Hökerkinder wurden nach ihr benannt, aber nicht eins von ihnen hatte einen Ton in der Kehle.

Eines Tages erhielt der Kaiser eine Kiste, auf der geschrieben stand: "Die Nachtigall."

"Da haben wir nun ein neues Buch über unseren berühmten Vogel!" sagte der Kaiser; aber es war kein Buch, es war ein Kunststück, das in einer Schachtel lag, eine künstliche Nachtigall, die der lebenden gleichen sollte, aber überall mit Diamanten, Rubinen und Saphiren besetzt war. Sobald man den künstlichen Vogel aufzog, konnte er eins der Stücke, die der wirkliche sang, singen, und dann bewegte sich der Schweif auf und nieder und glänzte von Silber und Gold. Um den Hals hing ein kleines Band, und darauf stand geschrieben: "Des Kaisers von Japan Nachtigall ist arm gegen die des Kaisers von China."

"Das ist herrlich!" sagten alle, und der Mann, der den künstlichen Vogel gebracht hatte, erhielt sogleich den Titel: Kaiserlicher Oberhofnachtigallbringer.

"Nun müssen sie zusammen singen! Was wird das für ein Genuß werden!"

Sie mußten zusammen singen, aber es wollte nicht recht gehen, denn die wirkliche Nachtigall sang auf ihre Weise, und der Kunstvogel ging auf Walzen. "Der hat keine Schuld", sagte der Spielmeister; "der ist besonders taktfest und ganz nach meiner Schule!" Nun sollte der Kunstvogel allein singen. Er machte ebenso viel Glück wie der wirkliche, und dann war er viel niedlicher anzusehen; er glänzte wie Armbänder und Brustnadeln.

Dreiunddreißigmal sang er ein und dasselbe Stück und war doch nicht müde; die Leute hätten ihn gern wieder von vorn gehört, aber der Kaiser meinte, daß nun auch die lebendige Nachtigall etwas singen solle. Aber wo war die? Niemand hatte bemerkt, daß sie aus dem offenen Fenster fort zu ihren grünen Wäldern geflogen war.

"Aber was ist denn das?" fragte der Kaiser; und alle Hofleute schalten und meinten, daß die Nachtigall ein höchst undankbares Tier sei. "Den besten Vogel haben wir doch!" sagten sie, und so mußte der Kunstvogel wieder singen, und das war das vierunddreißigste Mal, daß sie dasselbe Stück zu hören bekamen, aber sie konnten es noch nicht ganz auswendig, denn es war sehr schwer. Der Spielmeister lobte den Vogel außerordentlich, ja, er versicherte, daß er besser als die wirkliche Nachtigall sei, nicht nur was die Kleider und die vielen herrlichen Diamanten betreffe, sondern auch innerlich.

"Denn sehen Sie, meine Herrschaften, der Kaiser vor allen! Bei der wirklichen Nachtigall kann man nie berechnen, was da kommen wird, aber bei dem Kunstvogel ist alles bestimmt; man kann es erklären, man kann ihn aufmachen und das menschliche Denken zeigen, wie die Walzen liegen, wie sie gehen und wie das eine aus dem andern folgt!"

"Das sind ganz unsere Gedanken!" sagten sie alle, und der Spielmeister erhielt die Erlaubnis, am nächsten Sonntag den Vogel dem Volke vorzuzeigen. Es sollte ihn auch singen hören, befahl der Kaiser, und es hörte ihn, und es wurde so vergnügt, als ob es sich im Tee berauscht hätte, denn das ist ganz chinesisch; und da sagten alle: "Oh!" und hielten den Zeigefinger in die Höhe und nickten dazu. Aber die armen Fischer, welche die wirkliche Nachtigall gehört hatten, sagten: "Es klingt hübsch, die Melodien gleichen sich auch, aber es fehlt etwas, wir wissen nicht was!"

Die wirkliche Nachtigall ward aus dem Lande und Reiche verwiesen.

Der Kunstvogel hatte seinen Platz auf einem seidenen Kissen dicht bei des Kaisers Bett; alle Geschenke, die er erhalten, Gold und Edelsteine, lagen rings um ihn her, und im Titel war er zu einem 'Hochkaiserlichen Nachttischsänger' gestiegen, im Range Numero eins zur linken Seite, denn der Kaiser rechnete die Seite für die vornehmste, auf der das Herz saß, und das Herz sitzt auch bei einem Kaiser links. Und der Spielmeister schrieb ein Werk von fünfundzwanzig Bänden über den Kunstvogel; das war so gelehrt und lang, voll von den allerschwersten chinesischen Wörtern, daß alle Leute sagten, sie haben es gelesen und verstanden, denn sonst wären sie ja dumm gewesen und auf den Leib getrampelt worden.

So ging es ein ganzes Jahr; der Kaiser, der Hof und alle die übrigen Chinesen konnten jeden kleinen Kluck in des Kunstvogels Gesang auswendig, aber gerade deshalb gefiel er ihnen jetzt am allerbesten; sie konnten selbst mitsingen, und das taten sie. Die Straßenbuben sangen "Ziziiz! Kluckkluckkluck!" und der Kaiser sang es. Ja, das war gewiß prächtig!

Aber eines Abends, als der Kunstvogel am besten sang und der Kaiser im Bette lag und darauf hörte, sagte es "Schwupp" inwendig im Vogel; da sprang etwas. "Schnurrrr!" Alle Räder liefen herum, und dann stand die Musik still.

Der Kaiser sprang gleich aus dem Bette und ließ seinen Leibarzt rufen. Aber was konnte der helfen? Dann ließen sie den Uhrmacher holen, und nach vielem Sprechen und Nachsehen brachte er den Vogel etwas in Ordnung, aber er sagte, daß er sehr geschont werden müsse, denn die Zapfen seien abgenutzt, und es sei unmöglich, neue so einzusetzen, daß die Musik sicher gehe. Das war nun eine große Trauer! Nur einmal des Jahres durfte man den Kunstvogel singen lassen, und das war fast schon zuviel, aber dann hielt der Spielmeister eine kleine Rede mit schweren Worten und sagte, daß es ebensogut wie früher sei, und dann war es ebensogut wie früher.

Nun waren fünf Jahre vergangen, und das ganze Land bekam eine wirkliche, große Trauer. Die Chinesen hielten im Grunde allesamt große Stücke auf ihren Kaiser, und jetzt war er krank und konnte nicht länger leben. Schon war ein neuer Kaiser gewählt, und das Volk stand draußen auf der Straße und fragte den Haushofmeister, wie es seinem alten Kaiser gehe.

"P!" sagte er und schüttelte mit dem Kopfe.

Kalt und bleich lag der Kaiser in seinem großen, prächtigen Bett. Der ganze Hof glaubte ihn tot, und ein jeder lief, den neuen Kaiser zu begrüßen, die Kammerdiener liefen hinaus, um darüber zu sprechen, und die Kammermädchen hatten große Kaffeegesellschaft. Ringsumher in allen Sälen und Gängen war Tuch gelegt, damit man niemand gehen höre, und deshalb war es sehr still. Aber der Kaiser war noch nicht tot; steif und bleich lag er in dem prächtigen Bette mit den langen Samtvorhängen und den schweren Goldquasten, hoch oben stand ein Fenster auf, und der Mond schien herein auf den Kaiser und den Kunstvogel.

Der arme Kaiser konnte kaum atmen, es war gerade, als ob etwas auf seiner Brust säße. Er schlug die Augen auf, und da sah er, daß es der Tod war. Er hatte sich eine goldene Krone aufgesetzt und hielt in der einen Hand des Kaisers goldenen Säbel, in der andern seine prächtige Fahne. Ringsumher aus den Falten der großen Samtbettvorhänge sahen allerlei wunderliche Köpfe hervor, einige ganz häßlich, andere lieblich und mild; das waren des Kaisers gute und böse Taten, die ihn anblickten, jetzt, da der Tod ihm auf dem Herzen saß.

"Entsinnst du dich dessen?" Und dann erzählten sie ihm so viel, daß ihm der Schweiß von der Stirne rann.

"Das habe ich nie gewußt!" sagte der Kaiser. "Musik, Musik, die große chinesische Trommel", rief er, "damit ich nicht alles zu hören brauche, was sie sagen!"

Aber sie fuhren fort, und der Tod nickte wie ein Chinese zu allem, was gesagt wurde. "Musik, Musik!" schrie der Kaiser. "Du kleiner herrlicher Goldvogel, singe doch, singe! Ich habe dir Gold und Kostbarkeiten gegeben, ich habe dir selbst meinen goldenen Pantoffel um den Hals gehängt, singe doch, singe!"

Aber der Vogel stand still, es war niemand da, um ihn aufzuziehen, sonst sang er nicht, und der Tod fuhr fort, den Kaiser mit seinen großen, leeren Augenhöhlen anzustarren, und es war still, erschrecklich still.

Da klang auf einmal vom Fenster her der herrlichste Gesang. Es war die kleine, lebendige Nachtigall, die auf einem Zweige draußen saß. Sie hatte von der Not ihres Kaisers gehört und war deshalb gekommen, ihm Trost und Hoffnung zu singen; und so wie sie sang, wurden die Gespenster bleicher und bleicher, das Blut kam immer rascher und rascher in des Kaisers schwachen Gliedern in Bewegung, und selbst der Tod horchte und sagte: "Fahre fort, kleine Nachtigall! Fahre fort!"

"Ja, willst du mir den prächtigen, goldenen Säbel geben? Willst du mir die reiche Fahne geben? Willst du mir des Kaisers Krone geben?"

Der Tod gab jedes Kleinod für einen Gesang, und die Nachtigall fuhr fort zu singen. Sie sang von dem stillen Gottesacker, wo die weißen Rosen wachsen, wo der Flieder duftet und wo das frische Gras von den Tränen der Überlebenden befeuchtet wird. Da bekam der Tod Sehnsucht nach seinem Garten und schwebte wie ein kalter, weißer Nebel aus dem Fenster.

"Dank, Dank!" sagte der Kaiser, "du himmlischer, kleiner Vogel, ich kenne dich wohl! Dich habe ich aus meinem Lande und Reich gejagt, und doch hast du die bösen Geister von meinem Bette weggesungen, den Tod von meinem Herzen weggeschafft! Wie kann ich dir lohnen?"

"Du hast mich belohnt!" sagte die Nachtigall. "Ich habe deinen Augen Tränen entlockt, als ich das erstemal sang, das vergesse ich nie; das sind die Juwelen, die ein Sängerherz erfreuen. Aber schlafe nun und werde stark, ich werde dir vorsingen!"

Sie sang, und der Kaiser fiel in süßen Schlummer; mild und wohltuend war der Schlaf!

Die Sonne schien durch das Fenster herein, als er gestärkt und gesund erwachte. Keiner von seinen Dienern war noch zurückgekehrt; denn sie glaubten, er sei tot; aber die Nachtigall saß noch und sang.

"Immer mußt du bei mir bleiben!" sagte der Kaiser. "Du sollst nur singen, wenn du selbst willst, und den Kunstvogel schlage ich in tausend Stücke."

"Tue das nicht", sagte die Nachtigall, "der hat ja das Gute getan, solange er konnte, behalte ihn wie bisher. Ich kann nicht nisten und wohnen im Schlosse, aber laß mich kommen, wenn ich selbst Lust habe, da will ich des Abends dort beim Fenster sitzen und dir vorsingen, damit du froh werden kannst und gedankenvoll zugleich. Ich werde von den Glücklichen singen und von denen, die da leiden; ich werde vom Bösen und Guten singen, was rings um dich her dir verborgen bleibt. Der kleine Singvogel fliegt weit herum zu dem armen Fischer, zu des Landmanns Dach, zu jedem, der weit von dir und deinem Hofe entfernt ist. Ich liebe dein Herz mehr als deine Krone, und doch hat die Krone einen Duft von etwas Heiligem um sich. Ich komme und singe dir vor! Aber eins mußt du mir versprechen!"

"Alles!" sagte der Kaiser und stand da in seiner kaiserlichen Tracht, die er angelegt hatte, und drückte den Säbel, der schwer von Gold war, an sein Herz. "Um eins bitte ich dich; erzähle niemand, daß du einen kleinen Vogel hast, der dir alles sagt, dann wird es noch besser gehen!"

So flog die Nachtigall fort.

Die Diener kamen herein, um nach ihrem toten Kaiser zu sehen; ja, da standen sie, und der Kaiser sagte: "Guten Morgen!"

Hans Christian Andersen





Horst Janssen
Vogelkäfig, Holzschnitt 1958

Ein Vogel singt nicht, weil er eine Antwort hat, er singt, weil er ein Lied hat. M. Angelou

Ich weiss, warum der im Käfig gefangene Vogel singt

Der freie Vogel springt 
auf den Rücken des Winds
und schwimmt abwärts
bis die Strömung endet -
und tunkt seine Schwingen 
in die orangeglühenden Sonnenstrahlen
und nennt den Himmel sein eigen.

Aber ein Vogel der 
seinen engen Käfig abmisst,
kann selten durch 
das Gitter seiner Wut blicken.
Seine Flügel sind geknickt, 
seine Füsse gebunden -
so öffnet er seine Kehle und singt.

Der gefangene Vogel 
singt in furchtsamem Ton
von unbekannten Dingen, 
nach denen er sich sehnt.
Und seine Weise wird gehört 
auf fernem Hügel;
denn der gefangene Vogel 
singt von der Freiheit.

Der freie Vogel lebt in einer anderen Brise
und der Wind weht sanft durch die seufzenden Bäume.
Auf dem grünen Rasen die fetten Würmer warten
und sein ist die Weite des Himmels.

Aber der gefangene Vogel steht auf seiner Träume Grab -
sein Schatten schreit im Albtraum.
Seine Schwingen sind gebrochen, seine Füsse gebunden,
so öffnet er seine Kehle und singt.

Der gefangene Vogel singt 
in furchtsamem Ton
von unbekannten Dingen, 
nach denen er sich sehnt.
Und seine Weise wird gehört 
auf fernem Hügel;
denn der gefangene Vogel 
singt von der Freiheit.

Maya Angelou
Übersetzung Siraganda

The Caged Bird

A free bird leaps
on the back of the wind   
and floats downstream   
till the current ends
and dips his wing
in the orange sun rays
and dares to claim the sky.

But a bird that stalks
down his narrow cage
can seldom see through
his bars of rage
his wings are clipped and   
his feet are tied
so he opens his throat to sing.

The caged bird sings   
with a fearful trill   
of things unknown   
but longed for still   
and his tune is heard   
on the distant hill   
for the caged bird   
sings of freedom.

The free bird thinks of another breeze
and the trade winds soft through the sighing trees
and the fat worms waiting on a dawn bright lawn
and he names the sky his own

But a caged bird stands on the grave of dreams   
his shadow shouts on a nightmare scream   
his wings are clipped and his feet are tied   
so he opens his throat to sing.

The caged bird sings   
with a fearful trill   
of things unknown   
but longed for still   
and his tune is heard   
on the distant hill   
for the caged bird   
sings of freedom.
 
 

Donnerstag, 8. Januar 2015

7/1 - Charlie Hebdo



DIES IST KEINE RELIGION.

 Zwölf tote Menschen. Zwölf tote Menschen.
Weil Witze gemacht wurden.
Böse Witze. Gute Witze. Schlechte Witze.
Witze.
"Wenn ich nicht lachen kann, wenn du lachst, töte ich dich."
Wie können/wollen wir miteinander leben?
Wir haben nur eine Welt. 
Wir "kommunizieren" schnell, vollständig, unablässig.
Wir verstehen uns nicht.
Was tun? Wie leben? 
In Angst. In Feindschaft. In Hass.

ICH BIN CHARLIE

Montag, 5. Januar 2015

Antisemitische Hetze heute


Über eine Freundin bin ich auf den folgenden Text gestossen und er hat mir Tränen in die Augen getrieben, Tränen der Wut, Tränen der Trauer. Wie ist es möglich, dass Menschen, Deutsche, Mitbewohner des Jahres 2015 solch bösen, grässlichen, hasserfüllten Dreck denken und aufschreiben und auch noch mit der Zustimmung anderer rechnen können? Wie ist das möglich? Die Sätze sind erfüllt von der Lust am Hass, dem Vergnügen an der Verachtung, der Selbstgerechtigkeit der Ignoranz. Und die "Scherzhaftigkeit" mit der über das Töten von Menschen gewitzelt wird, läßt mich frieren.

Dieser Link führt zum Posting auf der Altermediaseite, einem Treffpunkt rechtsextremer Hasser


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DAS FOLGENDE IST EINE KOPIE DES ORIGINALEN POSTINGS UND WIDERSPRICHT MEINER HALTUNG GÄNZLICH!!!!!


Einbruch bei Wolf Biermann

Beim jüdischen Liedermacher Wolf Biermann wurde eingebrochen und jetzt weint er um Erinnerungsstücke und appelliert an die Einbrecher. Da hat er wohl etwas von seiner eigenen Medizin kosten müssen

Wie schrecklich! Das ist ja, als ob man den kleinen roten Wollschal ein zweites mal vergast...

Oder ist das eher eine verschlüsselte Botschaft?
"Köfferchen" = Da is' mein Zahngold drinne! Für'n Fall nur, dann brauchen se mir das Zeug nicht mit der Zange ausse Fresse reißen.
"Portemonnaie" = 'N Stück Seife, hamse aus meinem Paps gemacht!
"Roter Wollschal" = Lampenschirm - auch aus meinem Paps...

Der Typist JUDE! Er kann nicht anders. Und alles was sie sonst predigen, ob Rassenschande , Marxismus oder Askese, ist immer nur für ANDERE gedacht! Der Jude bleibt unter sich , fickt unter sich und verprasst den Wohlstand anderer. Das ist seine Religion.  Und das Tätervolk-Gen .

Vielleicht sollten wir armen deutschen Steuerzahler die vom Juden taeglich bestohlen werden auch mal ein paar Briefe versenden nach Israhell,Bruessel und die WallStreet und sehen was wir kriegen...;-)))  Oder an die Judensau Biermann die von westdeutscher Steuerkohle aus der DDR freigekauft wurde

Reb Biermann scheint ja recht vermögend zu sein.
Sonst nehmen es Juden und Kommunisten mit Mein und Dein nicht so genau.
Die Kommunisten betrachten Eigentum als Diebstahl. Und die Juden meinen, daß das Eigentum der Gojim ihnen von Jahwe "geschenkt" wurde.

Wolf Biermann's Sohn ist ein synagogaler Jude in Jerusalem. Dort gibt es eine Klagemauer, vielleicht tröstet das diesen ätzenden unintelligenten Berufsverleumder Russlands - Wolf Biermann, den wir explizit aus den slawischen und germanischen Ländern mit Nachdruck ausladen.

Vielleicht kann der Mitglied der zionistischen Hunte (welche derzeit die ehem. "Ukraine" okkupiert hat) Vitali Klitschko, der sich noch als "Bürgermeister von Kiew" bezeichnet, in seiner Synagoge zur Spendensammlung für Biermann aufrufen

Arschloch Bierman du bist doch gut versichert! Hänge dein irdisches Glück nicht an materielle Dinge! Das sollte auch ein armer Wichtel Poet wie du, im laufe seines Lebens erkannt haben! Alles was du wirklich besitzt, ist deine lächerliche Larve! Mit der bist du auf die Welt geschissen worden, und mit dieser wirst du verscharrt.

Leider hatte die ach-so-"böse Gestapo" damals keine Nägel mit Köpfen gemacht, sonst wäre der Welt dieses unerträglich unmusikalische Gejaule erspart geblieben.

Unter "Bolschewistischem Untermenschentum" verstehen Deutsche kommunistische Saujuden wie auch diesen Groenemeyer dessen Judenfresse einfach nur entartet ist.Entartet in Nicht Deutsch..Der Typ sieht schon behindert aus.Seine Mutter hat sicher einen Juden gefickt weil sie so haesslich war und damals es noch echte Deutsche Frauen gab die sich niemals von Juden haetten ficken lassen.Oder wie in Berlin 1945 als bolschewistische Untermenschen Alles Deutsche zwischen 8 und 80 fickten...@griesgram;9 oder 10 mm?Ich Selbst bevorzuge 38 spezial.Das macht zwar kleinere Loecher aber man trifft wenigstens...;-))) 
Frohe Weihnachten!

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Ihr aber lernet wie man sieht statt stiert,
Und handelt statt zu reden noch und noch.
So etwas hätt' einmal fast die Welt regiert,
Die Völker wurden seiner Herr, jedoch,
Der Schoß ist fruchtbar noch aus dem das kroch.

b.b. Der aufhaltsame Aufstieg des Arturo Ui




Samstag, 3. Januar 2015

Warum ich Popmusik liebe. Der Piano Mann.


Ein Lied von 1973, ein, nach den Regeln der Jetztzeit, altes Lied. Ich kann immer noch den gesamten Text mitsingen, obwohl ich den Song sicher 20 Jahre nicht mehr angehört habe.
Meine Übersetzung ist ungelenk, aber im Original hat der Text Poesie und der Dreher am Ende, wenn der Pianist auch ein Träumer ist, genau wie all die anderen, das erwischt mich jedesmal

Billy Joel und Freunde mit Kevin Spacey an der Mundharmonika:
http://www.rollingstone.com/music/videos/watch-kevin-spacey-perform-piano-man-with-billy-joel-20150103

Billy Joel - Viele Jahre früher

PIANO MAN

It's nine o'clock on a Saturday
The regular crowd shuffles in
There's an old man sitting next to me
Makin' love to his tonic and gin.

He says, "Son, can you play me a memory?
I'm not really sure how it goes
But it's sad and it's sweet 

and I knew it complete
When I wore a younger man's clothes".

La la la, de de da
La la, de de da da da

 
Sing us a song, you're the piano man
Sing us a song tonight
Well, we're all in the mood for a melody
And you've got us feelin' alright.


Now John at the bar is a friend of mine
He gets me my drinks for free
And he's quick with a joke
Or to light up your smoke
But there's someplace that he'd rather be.
He says, "Bill, I believe this is killing me."
As the smile ran away from his face
"Well I'm sure that I could be a movie star
If I could get out of this place."

Oh, la la la, de de da
La la, de de da da da


Now Paul is a real estate novelist
Who never had time for a wife
And he's talkin' with Davy 

who's still in the navy
And probably will be for life.

And the waitress is practicing politics
As the businessmen slowly get stoned
Yes, they're sharing a drink they call loneliness
But it's better than drinkin' alone.

Sing us a song, you're the piano man
Sing us a song tonight
Well, we're all in the mood for a melody
And you've got us feelin' alright.


It's a pretty good crowd for a Saturday
And the manager gives me a smile
'Cause he knows that it's me 

they've been comin' to see
To forget about life for a while.


And the piano, it sounds like a carnival
And the microphone smells like a beer
And they sit at the bar 

and put bread in my jar
And say, "Man, what are you doin' here?"

Oh, la la la, de de da
La la, de de da da da

Sing us a song, you're the piano man
Sing us a song tonight
Well, we're all in the mood for a melody
And you've got us feelin' alright


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Es ist neun Uhr an einem Sonnabend
Der übliche Haufen latscht rein

Ein alter Mann sitzt neben mir
Macht Liebe mit seinem Tonic und Gin.


Er sagt: "Sohn, kannst du mir 'ne Erinnerung spielen?
Ich bin nicht ganz sicher wie's geht
Doch es ist traurig und süß 
Und ich konnt's auswendig
Als ich noch die Schuhe eines jüngeren Mannes trug."

La la la, de de da
La la, de de da da da


Sing uns ein Lied, du bist der Piano-Mann
Sing uns ein Lied heute Nacht
Wir sind alle in der Stimmung für eine Melodie
Und du machst, das wir uns gut fühlen.

Nun, John an der Bar ist ein Freund von mir

Er gibt mir meine Drinks ohne Geld
Und er ist schnell mit 'nem Witz
Oder Feuer für deine Zigarette
Aber er wäre lieber woanders.
Er sagt: "Bill, Ich glaub das bringt mich noch um,"
Während das Lächeln aus seinem Gesicht wegrennt
"Ich bin sicher, ich wäre ein Filmstar,
Wenn ich hier nur wegkäme."

La la la, de de da
La la, de de da da da


Paul ist ein Immobilien-Romanautor
Hatte nie die Zeit für 'ne Frau
Und er spricht mit Davy
Noch immmer in der Navy
Und wird es wohl lebenslang sein.

Und die Kellnerin übt sich in Politik
Der Geschäftsmann wird langsam high
Ja, sie teilen 'nen Drink, der heißt Einsamkeit
Aber das ist besser als alleine zu trinken.

Sing uns ein Lied, du bist der Piano-Mann
Sing uns ein Lied heute Nacht
Wir sind alle in der Stimmung für eine Melodie
Und du machst, das wir uns gut fühlen.

Eine ziemlich gute Truppe für 'nen Sonnabend

Und der Manager lächelt mich an
Denn er weiß, sie sind hier,
nur um mich zu sehen,
Und für eine Weile das Leben zu vergessen.

Und das Piano klingt wie Jahrmarkt
Und das Mikrophon riecht nach Bier
Und sie sitzen an der Bar
Und legen Geld in mein Glas
Und sagen:" Junge, was machst Du bloß hier?" 

Sing uns ein Lied, du bist der Piano-Mann
Sing uns ein Lied heute Nacht
Wir sind alle in der Stimmung für eine Melodie
Und du machst, das wir uns gut fühlen.

Donnerstag, 1. Januar 2015

SILVESTER - Nach der Feier


Gelegentlich, sehr gelegentlich, mag ich Parties. Reden ohne wirkliches Thema, essen ohne Hunger, trinken ohne spürbare Wirkung. All das kann hin und wieder sehr vergnüglich sein. 

Aber schon als Kind, sehr genau erinnere ich mich an eine Silvesterparty als ich gerade 10 Jahre alt war, hatte ich das Nach-der-Party-Aufräumen noch lieber. Die Gäste sind gegangen oder davongetorkelt und das Haus ist ruhig und chaotisch. Man findet Gläser an den überraschendsten Orten, Reste von noch im vergangenen Jahr angerührten Dips, bzw. Saucen rümpeln in riesigen Schüsseln, vereinzelte vergessene Kleidungsstücke finden sich unter Tischen und Stühlen und lassen vermuten, dass jetzt jemand auf dem Heimweg frieren wird. Lustiger Kopfschmuck liegt halbversteckt in Ecken und ohne den Feieranlaß wirkt er nun fast ein wenig peinlich.

Aufräumen, Abwaschen, Gläser polieren, zwischendurch rauchen, noch einen Schluck trinken, vielleicht einen halbvertrockeneten Pfannkuchen aufbacken, und dann mit ihm und einem starken Kaffee im Magen schlafen gehen. Ein schöner erster Morgen in einem Jahr, das jungfräulich vor uns liegt und dem wir, die wir nicht mehr unschuldig sind, jetzt begegnen werden.



Mittwoch, 31. Dezember 2014

2014 - hätte besser sein können, aber auch viel schlimmer


       2014 - so und so und so

       Shakespeares Königsdramen, König Lear, Hamlet, Antigone - 

       ich habe viel gemordet in diesem Jahr. Tief innen bin ich
       leichtfertig und heiter, aber auf der Bühne geht die Blutrünstigkeit mit 
       mir durch. Eigenartig. The killer in me, is the killer in you? 

© Theater Heilbronn
Ein durchwachsenes Jahr. Zu viel Krankheiten bei Menschen, die ich liebe,  zu viel Hochmut bei jungen Spielern, 
und ich meine Hochmut, nicht Streitlust  
& gewaltig zu viel Hass in aller Welt. 
Welch irrwitzige Gründe Menschen 
finden, einander zu hassen, zu  
demütigen, zu verfolgen, zu töten. 
ISIS, ein Name, oder ISIL oder Da'ish 
oder noch ganz anders.
Viele, zum Teil ganz junge Leute, die 
einem blutigen Traum folgen. Ist es der Traum einer vergangenen Zeit, einer Zeit, in der die Verhältnisse einfacher schienen? Mann oben, Frau unten? Dies ist
       recht, dies ist falsch? Demütigung wird in rachsüchtige Selbstgerechtigkeit  
       umgeformt, ein imaginiertes, retouschiertes Mittelalter als Vision von Ordnung 
       heraufbeschworen. Und alles, was in uns dunkel und grausam ist, zur notwendigen
       Überlebensstrategie erklärt. Das macht mir Angst.
       Wenn ihnen kein Weg möglich erscheint, als der hasserfüllter mordender Verachtung,
       was muß ihnen angetan worden sein, was ihnen verweigert worden sein?
       Und die fühllose Verachtung vieler deutscher PEGIDA-Demonstranten für Fliehende, 
       die nicht wirklich aus eigener tiefer Not geboren ist, sondern in Vorsorge für 
       die eigene vermeintlich gefährdete Zukunft, aggressiv und laut behauptet wird.
       Die macht mich auch traurig.  
       Warum wird, von meinen Mitbürgern so nachlässig, so harsch und banal über
       die Furcht, Sehnsucht, Hoffnung anderer, unbekannter, fremder Menschen geurteilt?

Foto: Pres­se­ser­vice Rathenow
       Wir sind das Volk.
       Wir sind ein Volk.
       Was ist ein Volk?
       Was ist Volk?
       Was für ein Volk sind  
       wir?

       Transparent einer
       Demonstration
       für eine 
       angemessene 
       Asylpolitik
       in Oranienburg/Havel   
       im Dezember 2014 
       Ich habe wundervolle 
       Menschen getroffen und 
       liebgewonnen, andere sind
       schon lang das liebevoll-strenge
       Rückgrat, das mich aufrecht hält. Ein Hoch auf die Freundschaft! Die große, tiefe, 
       verläßliche, aber auch auf die kleinere, partielle.

       Es ist ein weit verbreiteter Unfug, dass die Liebe über die Freundschaft gestellt wird 
       und außerdem als etwas völlig anderes betrachtet. Die Liebe ist aber nur soviel wert, 
       als sie Freundschaft enthält, aus der allein sie sich immer wieder herstellen kann. 
       Mit der Liebe der üblichen Art wird man nur abgespeist, wenn es zur Freundschaft 
       nicht reicht.Bertolt Brecht
       
       Ich bin Freundlichkeit begegnet, wo ich sie nicht erwartet habe,
       und habe Feigheit, Verrat, Kleingeist erlebt. Das Übliche also?

       Ich glaube nicht, dass die Welt heute schlechter ist als früher, sie bleibt sich gleich.
       Nur haben wir halt nur dieses eine Leben und nehmen es wichtiger, als das derer,
       die vor uns waren. Der mittlere Wert der Gemeinheit bleibt konstant, denke ich.
       Das ist nicht optimistsch, nur realistisch. Die Mittel mögen sich entwickeln, die
       Absichten tun es nicht.

       Als Kind habe ich Achterbahnfahrten geliebt. Dieses Jahr hätten es ein paar Fahrten 
       weniger sein können. Man ist ja nicht mehr die Jüngste. 
       Mannomann. Durchatmen. Nachdenken. Ausatmen.
       Laßt uns 2015 ausprobieren!     
       Ich wünsche ... ich wünsche... ich wünsche...
     


Diese Achterbahn, mit dem schönen Namen "Die Lächelnde" mußte für einige Monate geschlossen werden, weil sie dazu neigte Plastikteile während der Fahrt, zu verlieren. 
Staffordshire Theme Park
  

Sonntag, 28. Dezember 2014

Ein Baby wird gefüttert - 28. Dezember 1895


Kino, Film, Dokumentation, gewohnter Teil meiner, unserer heutigen Welt. Bewegte, bewegliche, im besten Fall bewegende Bilder, die ich, sooft ich mag, ansehen kann. Etwas, das einmal war, lebte, handelte, wird belegbar, beweisbar, wiederholbar und zwar nicht "nur" in der erstarrten Version der Photographie, sondern als Ablauf, Dynamik, in seiner Lebendigkeit. Der Beweis, dass die Welt ohne mich, vor mir und also auch nach mir existiert, ist erbracht.

Am 28. Dezember 1895 wurden im Pariser Salon Indien du Grand Café zehn Kurzfilme der Brüder Lumière vor geladenem Publikum gezeigt. Das Kino wurde geboren.
Einer davon ist Le repas de bébé verdeutscht Babys Frühstück. Dieses Baby, zum Zeitpunkt der Aufnahme vielleicht ein halbes Jahr alt, wäre, wenn es noch lebte, heute 116 Jahre alt. Man bemerke: die Mama trinkt Kaffee, der Papa füttert sehr gekonnt.

https://www.youtube.com/watch?v=Wqy-EU2D8M0 

Noch mehr dieser ersten öffentlich gezeigten Filme!
https://www.youtube.com/watch?v=4nj0vEO4Q6s 



Auguste Marie Louis Nicolas Lumière geboren am 19. Oktober 1862 in Besançon, am 10. April 1954 in Lyon gestorben und Louis Jean Lumière, der am 5. Oktober 1864 in Besançon geboren wurde und am 6. Juni 1948 in Bandol, Var verstarb.