Samstag, 29. September 2012

Brot & Puppen Theater - Bread & Puppet Theater


THE BREAD & PUPPET THEATER

Peter Schumann wurde in Schlesien geboren, lebte einige Zeit in Berlin und wanderte 1961 nach Amerika aus, sein Deutsch ist fein, leicht aus der Zeit, wunderbar bildhaft, genau. 
Ich habe selten einen Übersiebzigjährigen getroffen, der so sexy ist - seine Frau Elka ist es übrigens auch. Wobei ich mir bewußt bin, dass "sexy" ein irgendwie lahmendes, häufig mißbrauchtes Adjektiv ist, aber hier scheint es mir treffend. 

Sie haben beide schöne Gesichter, nicht jünger wirkend, doch ihr Alter in schönster Weise zeigend. Sie sind interessiert und neugierig und sehr lustig. Und wenn sie auch, sich nahezu selbstversorgend, ohne Fernseher, aber mit Radio, noch ohne Computer, aber sie überlegen in Bälde einen anzuschaffen, mit tausenden Büchern und Bildern und Notizen in wohlig überfüllter, geordnet unordentlicher Enge leben, so sind sie doch mitten in der Welt, informiert und positioniert. Dass heißt sie haben Meinungen, über die man mit ihnen streiten kann, Meinungen, keine Ideologien. 
Übrigens singen sie auch viel, Volkslieder aus allen Ländern, in denen sie gelebt haben. Elka hat die Stimme eines jungen Mädchens. Und sie kennen die Liedtexte, nicht nur die erste Strophe. Was für Gedächtnisse!

Die beiden leben jetzt seit 40 Jahren in diesem winzigen Flecken in Vermont, in einem wirklich kleinen Haus auf einem nicht sehr hohen Berg, umgeben von Wald und Weite und einigen, natürlich mit Hilfe, gebauten Scheunen und Gebäuden, die ein Theatermuseum, eine Druckerei, Unterkünfte für Gastspieler und Freiwillige Helfer und sogar ein eigenes Theater beherbergen. (Zwischendrin wurden auch noch 5 Kinder großgezogen.)

Klingt ein bisschen wie Märchenland, ist es aber nicht, in Vermont regnet es viel, die Winter sind kalt und lang, die Lndwirtschaft der Gegend kämpft ums Überleben und auch das Theater hat Besucherprobleme, nicht so sehr bei den Heimspielen, aber die Tourneen sind schwerer zu organisieren, freie Vorstellungen gern, aber wenn bezahlt werden muß...

1963 in New York gegründet und 1970 in Nordöstlich Königreich Vermonts (heißt wirklich so) umgezogen, spielt das Bread & Puppet Theater auf Strassen, vor Schulen, auf Feldern, aus dem Bus heraus und, gelegentlich, in festen Häusern, im nächsten Jahr den ganzen Sommer durch am Heimatort, Samstags in der Theaterscheune, Sonntags auf einem nahen Feld. 
Über hundert freiwillige Mitspieler reisen jeden Juli an, um zu lernen und mitzuspielen, sie kommen aus Korea, aus Lateinamerika, aus Europa, überallher, manche bleiben den ganzen Sommer über. Elka hat erzählt, dass das Essen für einen Gast für eine ganze Woche nur 8 Dollar kostet, vieles ist selbst gepflanzt, geerntet und verarbeitet.
Im Herbst tourt eine kleinere Truppe mit dem Bus.

Sie spielen mit Finger- und Handpuppen, menschengroßen Puppen, mit riesenhaften Stabpuppen, gigantischen Wesen, von auf Stelzen laufenden Spielern geführt und Chorpuppengruppen, die von mehreren Menschen bewegt werden müssen. Manchmal setzen sie auch "nur" Masken auf.

Ich war jetzt zweimal da, aber immer im Oktober, in der Nachsaison, habe also noch kein Stück gesehen, nur viel erzählt bekommen und bin lange im Puppenmuseum herumgewandert. 40 Jahre - tausende Puppen aus unzähligen Stücken.

Das Papier für das Papiermache, aus dem die Puppenköpfe gemacht werden, kommt vom Müll, der Leim ist als 40 Gallonen = 180 Liter Fass vor dreissig Jahren gekauft worden und ist immer noch nicht leer!

Zu den Vorstellungen wird den Zuschauern immer selbstgebackenes Brot gereicht, daher Bread & Puppet, das Brot ist wirklich selbstgebacken, es ist Roggen-Sauerteigbrot und schmeckt großartig.






Ein Reiter





Marie und der Tambourmajor








Zwei Wäscherinnen

Domestic Resurrection Circus - Inländischer Auferstehungszirkus ist der Obertitel der sommerlichen Freilicht-Aufführungen.


(Oben und unten) Amerikanische Präsidenten, wahrscheinlich Washington, Jeffeson, Lincoln und Roosevelt.



Bischof Óscar Romero, Erzbischof von San Salvador - er wurde am 23. März 1980 während einer Predigt von bezahlten Scharfschützen erschossen.


Eine Gruppe vietnamesischer Frauen



DIE KLEINEN SCHWEINE





Die Schweine wurden dann vom Wolf gefressen! Siehe unten!













Alles ist voll, selbst an der Decke hängen Puppen aus abgespielten Stücken. Elka erlaubt keine Wiederverwendung. Aber, sagt Peter, manchmal passiert's halt doch.



PAPiERMACHE KATHEDRALE UND SANDBODEN THEATER

 





Für Interessierte: Puppen und Masken. Das Bread and Puppet Theater, Fischer, Frankfurt am Main/Germany, 1973.

Donnerstag, 27. September 2012

Vermont - Altweibersommer - Ahorn


Zuersteinmal will ich mich für meine laxe Anwesenheit in diesem Bolg in den letzten Tagen entschuldigen, aber wenn ich demnächst über die zurückliegende, überstandene Arbeit schreibe, wird dies sicherlich gut verständlich.

Nun also: 6 Wochen durchgearbeitet und schon wieder Urlaub! Von Toronto aus über Upstate New York nach Vermont. Einer der kleineren Bundesstaaten, zu Neu-England gehörig, hügelig, bewaldet und hauptsächlich bewohnt von schwer ums Überleben kämpfenden Kleinbauern. Äpfel, Beeren aller Art, Gemüse, Käse, viel Ahornsirup. Sehr viel Ahornsirup. 
Der wird im März geerntet, indem kleine Wasser-, oder besser Siruphähne in die Bäume gesteckt werden. Wenn die Tage wam sind und die Nächte kalt, geht es am besten, wahrscheinlich wie beim Blutkreislauf: warm = Adern entspannen sich, kalt = sie ziehen sich zusammen. Der Saft wird dann in hochkomplizierter Weise eingekocht und die Dunkelheit und Geschmacksintensität des entstehenden dicklichen Gebräus entscheidet über die Qualitätsbezeichnung - von A bis C mit mehreren Zwischenstufen. C wird nur in Großmengen an Restaurants und Bäckereien verkauft, und B ist mein liebster - dunkelschwarzbraun (nein, nicht wie die Haselnuß) und bittersüß. Über Eierkuchen, Arme Ritter, Vanilleeis, und auch um Saucen zu süßen oder um Braten damit einzureiben, sehr zu empfehlen.
Der Baum, der diesen Saft produziert, heißt Zuckerahorn oder acer saccharum und seine Blätter lieferten die Vorlage für die kanadische Flagge. 
Im Herbst, zwischen der letzten Septemberwoche und Mitte Oktober, gerät dieser Baum in eine Art Farbrausch, oder eigentlich natürlich nur seine Blätter. Wie ein Teenager, der den Verlockungen der Haarfärbeindustrie verfällt, ändert er täglich, scheinbar sogar stündlich, seine Laubfarbe. Und da der Rythmus der vielen Bäume verschieden ist, hat man den Eindruck, als wäre ein hochbegabter ruheloser Maler in großer Eile unterwegs, um die umliegenden Wälder ständig neu anzumalen. Dies ist seine Palette, das Zuckerrot mag ich besonders gern.


© Chris Glass
Die Farben des Zuckerahorns, alle vom selben Baum übrigens!



  


 Kein Ahorn, aber auch schön.


Morgens am Lake Willoghby in Vermont, noch ohne Sonnenschein.


 Hier noch ein paar Bilder von einer überdachten Brücke, manchen vielleicht bekannt aus dem Streep / Eastwood - Film " Brücken am Fluß.







Mittwoch, 26. September 2012

Altweibersommer


Altweibersommer

Septembergold und neuer Wein.
Ich hab gewollt es war aus Stein,
mein Herz aus Gold.

Oktoberrot und Hasenjagd.
Die Liebe tot.
Die Leiche fragt nach Lippenrot.

Novembergrau, die Toten ruhn.
Mein Haar wird grau, ich färb es nun:
Altweiberblau.

Ingrid Noll

George Inness Altweibersommer 1894

Die Irokesen erzählen sich die Legende von der Jagd auf den großen Bären. Jeden Herbst verfolgen zwei Jäger den großen Bären, dessen magische Kraft ihn hoch in den Himmel trägt. Doch die unermüdlichen Jäger und ihr Hund folgen ihm auch dorthin und erlegen ihn nach langer Hatz. Das Blut des Bären tropft auf die Erde und färbt die Blätter des Ahornbaumes rot. Wenn man zum Himmel sieht, kann man den Großen Bären (das aus vier Sternen gebildete Trapez im Sternbild des Großen Wagens) und dicht dahinter die beiden Jäger und ihren Hund (die drei Deichselsterne) erkennen. (Wiki)

Freitag, 21. September 2012

Toronto


Toronto. Keine Stadt für den touristischen Erlebnisurlaub. Aber gut zum drin leben. Und mit wunderbarem Licht und überraschenden Himmeln. Viel Wind vom großen See an dem es liegt, unzählige Parks, große und winzige. Häßliches und hinreißend Schönes.
Eine sehr große Kleinstadt, oder kleinstädtische Großstadt.
Ich bin gern hier.

© Messier Photography Vielleicht Toronto, vielleicht auch nicht, aber schön.

Mittwoch, 19. September 2012

Alter ist auch keine Leistung


Jeder kann alt werden, man muß nur lange genug leben.
Anyone can get old. All you have to do is live long enough.
Groucho Marx 

Im Augenblick bin ich als Deutsche in Kanada irgendwie in zwei Zeitzonen, zwischen einem Lebensjahr und dem nächsten. Hier noch jünger, dort schon älter. Gleichzeitig so und so alt, oder wie man's neckisch umschmeicheln könnte: so jung. Von wegen.

Ja, älter werden ist lästig. Weiß jeder. 
Gebrechen, was für ein Wort, irgendwo zwischen zerbrochen und zum Brechen, Wehwehchen, wie niedlich, nur ein kleines Humpeln, ein bischen Kreuzschmerz. Wie süß.
Nennen wir es beim Namen - Abbau, Abnutzung, langsamer Verfall, Ruin. 
Manches kommt schleichend, anderes sprunghaft, überfallartig. Gestern war mein Kinn doch noch weiter oben? Was ist passiert? Die Dame Gravitation, und sie muß eine Dame sein, anhänglich, ausdauernd, fies, hat hintertückische Tricks drauf. Was oben war, wird weiter unten sein, darauf ist Verlaß.
Kann nicht sagen, dass ich mich darüber freue, aber (noch) es ist nicht allzu lästig. 
Und kürzlich habe ich jemanden getroffen, den ich in seiner ersten Jugendblüte kennengelernt hatte, und jetzt, nur wenige Jahre später...
Ob eine gewisse Gemeinheit auch eine Alterserscheinung ist?

Die Jugend ist etwas Wundervolles. Es ist eine Schande, daß man sie an Kinder vergeudet.
G. B. Shaw

Ja, aber mit dem Alter wird man klüger. Wirklich? 
Ich sehe eher, dass man älter werdend, immer mehr das wird, was man schon immer war. Und das kann auch heißen, man war dumm und wird noch dümmer, oder andersrum.

Und es gibt die unentrinnbare ich-werde-wie-meinVater/meine Mutter Mutation. Nichts zu machen, irgendwann steht man irgendwo und tut, denkt, sagt irgendwas - man erstarrt kurz und bemerkt bestürzt, genau wie Vater/Mutter und meist ist es etwas, das man am jeweiligen Elternteil besonders wenig gemocht hat, um nicht zu sagen, man hat es noch vor wenigen Jahrzehnten gehasst!

Ja, aber zumindest ist Alter demokratisch - es trifft alle. 

Und Jugend ist übrigens auch keine Leistung.

Ja.
Ja, ist wohl das einzig Sinnvolle was man zum Alter sagen kann, komm schon, ich nehme dich, ich lebe dich, solange wie möglich, mit so viel Spaß wie möglich, mit Humor, mit etwas Zynismus. 
Und ich war früher schlau, und werde immer schlauer!