Alle Kinder stehen vor dem brennenden Haus, außer Klaus, der
schaut raus.
Ist doch verblüffend, wie brutal und "herzlos" viele
Kinderreime, -lieder sind. Und ich meine nicht die erzieherischen
Gewaltphantasien à la "Struwelpeter", in denen Herr Doktor Hoffmann
seinem Kinderhass freien Lauf lässt, oder seine Kinderängste unreflektiert
blühen und wuchern lässt, sondern sowas wie "Fuchs du hast die Gans
gestohlen" oder "Ein Hund kam in die Küche". Kaputtmachen macht
Spaß, tot sein kommt vor, jemandem weh tun ist Alltag.
Das folgende Lied hat mir meine
Stieftochter mal als "Testlied" vorgesungen, als wir uns gerade
kennenlernten. Ihre Mutter war, Gott sei Dank nicht tot, aber vom Vater
geschieden. Das Kind, sieben, saß auf dem Rücksitz im Auto, ich fuhr und sie
sang ganz leise unendlich viele Strophen scheinbar nur so vor sich hin.
Ein
Kind von viereinhalb Jahr,
Das auch schon ein Waisenkind war;
Ein Kind von viereinhalb Jahr, ja Jahr,
Das auch schon ein Waisenkind war
Ach liebster Vater mein,
Wo ist denn mein Mütterlein;
Ach liebster Vater mein, ja mein
Wo ist den mein Mütterlein
Dein Mütterlein ist tot,
Es liegt im Grabe und ruht;
Dein Mütterlein ist tot, ja tot
Es liegt im Grabe und ruht
Da lief das Kind geschwind
Zum Grabe der Mutter hin;
Da lief das Kind geschwind, ja schwind
Zum Grabe der Mutter hin
Da grub es sich ein Loch,
Ach liebste Mutter so sprich doch;
Da grub es sich ein Loch, ja Loch
Ach liebste Mutter so sprich doch
Das Sprechen fällt mir schwer,
Die Erde, sie drückt mich so sehr;
Das Sprechen fällt mir schwer, ja schwer,
Die Erde, sie drückt mich so sehr
Lauf heim mein Kind, lauf heim,
Eine andere Mutter ist dein;
Lauf heim mein Kind lauf heim, ja heim,
Eine andere Mutter ist dein
Da lief das Kind geschwind
Zum hause der Stiefmutter hin;
Da lief das Kind geschwind, ja schwind
Zum hause der Stiefmutter hin
Die kämmt mir nun das Haar,
Da blutet die Kopfhaut sogar;
Die kämmt mir nun das Haar, ja Haar,
Da blutet die Kopfhaut sogar;
Aber du mein Mütterlein, du
Gabst immer noch Schleifen dazu.
Aber du mein Mütterlein, du ja du
Gabst immer noch Schleifen dazu.
Und wäscht sie mir die Händ,
So rubbelt sie bis es brennt;
Und wäscht sie mir die Händ, ja Händ
So rubbelt sie bis es brennt;
Aber du mein Mütterlein, du
Gabst immer noch Seife dazu.
Aber du mein Mütterlein, du ja du
Gabst immer noch Seife dazu
Und schmiert sie mir das Brot,
So wünscht sie mir den Tod;
Und schmiert sie mir das Brot,
So wünscht sie mir den Tod;
Aber du mein Mütterlein, du
Gabst immer noch Honig dazu.
Und bringt sie mich zur Ruh,
dann schlägt sie die Zimmertür zu;
Und bringt sie mich zur Ruh, ja Ruh
so schlägt sie die Zimmertür zu;
Aber du mein Mütterlein, du
Gabst immer noch Küsse dazu.
Am nächsten Morgenrot
Da war das Kind auch schon tot;
Am nächsten Morgenrot, ja Rot
Da war das Kind auch schon tot;
Am Abend weht der Wind
Übers Grab von Mutter und Kind
Am Abend weht der Wind, ja Wind
Übers Grab von Mutter und Kind.
Da verhalte Dich mal, als frisch gebackene Stiefmutter!
Piep piep piep,
wir haben uns alle lieb,
jeder esse was er kann,
nur nicht seinen Nebenman,
und wir nehmens ganz genau,
auch nicht seine Nebenfrau,
nix verkleckert, nix verschütt,
GUTEN APPETIT!
Der Bauer schickt' den Jockel aus
Der Bauer schickt' den Jockel aus,
Er sollt' den Hafer schneiden.
Der Jockel, der wollt' den Hafer nicht schneiden,
Wollt' lieber zu Hause bleiben.
Der Bauer schickt' den Knecht hinaus,
Er sollt' den Jockel holen.
Der Knecht, der wollt' den Jockel nicht holen,
Der Jockel, der wollt' den Hafer nicht schneiden.
Der Bauer schickt' den Hund hinaus,
Er sollt' den Knechte beißen.
Der Hund, der wollt' den Knecht nicht beißen,
Der Knecht, der wollt' den Jockel nicht holen,
Der Jockel, der wollt' den Hafer nicht schneiden.
Der Bauer schickt' den Knippel 'naus,
Er sollte den Hund schlagen.
Der Knippel, der wollt' den Hund nicht schlagen,
Der Hund, der wollt' den Knecht nicht beißen …
Der Bauer schickt' das Feuer 'naus,
Es sollt' den Knippel brennen.
Das Feuer, das wollt' den Knippel nicht brennen,
Der Knippel, der wollt' den Hund nicht schlagen …
Der Bauer schickt' das Wasser 'naus,
Es sollt' das Feuer löschen.
Das Wasser, das wollt' das Feuer nicht löschen,
Das Feuer, das wollt' den Knippel nicht brennen ...
Der Bauer schickt' den Ochsen 'naus,
Er sollt' das Wasser saufen.
Der Ochs, der wollt' das Wasser nicht saufen,
Das Wasser, das wollt' das Feuer nicht löschen …
Der Bauer schickt' den Fleischer 'naus,
Er sollt' den Ochsen schlachten,
Der Fleischer, der wollt' den Ochsen nicht schlachten,
Der Ochse, der wollt' das Wasser nicht saufen …
Der Bauer schickt' den Geier 'naus,
Er sollt' den Fleischer holen.
Der Geier, der wollt' den Fleischer nicht holen,
Der Fleischer, der wollt' den Ochsen nicht schlachten …
Der Bauer schickt' die Hexe 'naus,
Sie sollt' den Geier bannen.
Die Hexe, die wollt' den Geier nicht bannen,
Der Geier, der wollt' den Fleischer nicht holen ...
Der Bauer schickt' den Henker 'naus,
Er sollt' die Hexe verbrennen.
Der Henker, der wollt' die Hexe nicht verbrennen,
Die Hexe, die wollt' den Geier nicht bannen...
Der Bauer schickt' den Vater 'naus,
Er soll den Henker töten.
Eh' ich mich will töten lassen, will ich die Hexe verbrennen.
Eh' ich mich will verbrennen lassen, will ich den Geier bannen.
Eh' ich mich will bannen lassen, will ich den Fleischer holen.
Eh' ich mich will schlachten lassen, will ich den Ochsen schlachten.
Eh' ich mich will schlachten lassen, will ich das Wasser saufen.
Eh' ich mich will saufen lassen, will ich das Feuer löschen.
Eh' ich mich will löschen lassen, will ich den Knippel brennen.
Eh' ich mich will brennen lassen, will ich den Hund schlagen.
Eh' ich mich will schlagen lassen, will ich den Knecht beißen.
Eh' ich mich will beißen lassen, will ich den Jockel holen.
Eh' ich mich will holen lassen, will ich den Hafer schneiden.
Kleiner Schelm bist du, weißt du, was ich tu,
ich steck dich in den Hafersack und bind´ihn oben zu.
Und wenn du dann noch schreist” Ach, mach doch bitte auf!” (Ach, lass mich doch
heraus!)
Dann bind ich ihn noch fester zu und setz mich oben drauf
Tralalalala, tralalalala,
Zehn kleine Negerlein,
Die fuhren übern Rhein;
Das eine ist in’s Wasser gefall’n,
Da waren’s nur noch neun.
Ein klein, zwei klein, drei klein,
Vier klein, fünf klein Negerlein,
Sechs klein, sieb’n klein, acht klein,
Neun klein, zehn klein Negerlein.
Neun kleine Negerlein,
Die gingen auf die Jagd,
Das eine wurde totgeschossen,
Da waren’s nur noch acht
Ein klein zwei klein..
Acht kleine Negerlein,
Die gingen in die Rüb’n,
Das eine hat sich totgegessen,
Da waren’s nur noch sieb’n.
Ein klein…
Sieben kleine Negerlein,
Die gingen zu ‘ner Hex’,
Das eine hat sie totgehext,
Da waren’s nur noch sechs.
Ein klein…
Sechs kleine Negerlein,
Gerieten in die Sümf,
Das eine ist d’rin stecken geblieb’n,
Da waren’s nur noch fünf.
Ein klein…
Fünf kleine Negerlein,
Die gingen mal zum Bier,
Das eine hat sich totgetrunken,
Da waren’s nur noch vier.
Ein klein…
Vier kleine Negerlein,
Die aßen heißen Brei,
Das eine hat zuviel gegessen,
Da waren’s nur noch drei.
Ein klein……
Drei kleine Negerlein,
Die fuhr’n in die Türkei,
Den einen traf der Sonnenstich,
Da waren’s nur noch zwei.
Ein klein….
Zwei kleine Negerlein,
Die fingen an zu weinen,
Der eine hat sich totgeweint,
Da gab es nur noch einen.
Ein klein….
Ein kleines Negerlein,
Das fuhr mal in der Kutsch,
Da ist es unten durchgerutscht,
Da war’n sie alle
FUTSCH!!
Ick sitze hier und esse Klops,
Uff eenmal kloppt's.
Ick kieke, staune, wundre mir,
Uff eenmal jeht se uff, die Tür.
Nanu, denk ick, ick denk: nanu,
Jetzt isse uff, erst war se zu.
Ick jehe raus und blicke,
Und wer steht draußen? - Icke!
Ernest Bornemann: Unsere Kinder im Spiegel ihrer Lieder,
Reime, Verse und Rätsel. Freiburg 1973 (Studien zur Befreiung des Kindes,
Bd. 1)
Der deutsche Schriftsteller, Anthropologe, Psychoanalytiker
und Sexualforscher Ernst Wilhelm Julius Bornemann wurde 1915 in Berlin geboren,
er starb 1995. Er hatte in den frühen 1930er Jahren Kontakt zu Wilhelm Reich.
Nachdem er 1933 nach England emigriert war, anglisierte er seinen Namen zu
Ernest Borneman (Art. „Ernst Wilhelm Julius Bornemann“, in: Wikipedia).
Borneman sammelte seit den sechziger Jahren in 36 deutschen Städten ca. 5000
Kinderlieder und -reime. Seine Aufmerksamkeit richtete sich auf oral tradierte
Kinderverse und -lieder.
Allerleirauh. Viele schöne Kinderreime. Versammelt von Hans
Magnus Enzensberger. Frankfurt am Main: Suhrkamp 1961. 384 Seiten.
Das große Buch der Kinderreime: Die schönsten Kinderreime
aus alter und uralter Zeit aufgesammelt sowie etliche ganz neu dazuerfunden und
bunt illustriert von Janosch. Verlag Beltz.
Peter Rühmkorf: Über das Volksvermögen. Exkurse in der
literarischen Untergrund. Reinbek 1967
Alle Kinder machen Sex im Bett, nur nicht Daniel, der machts
mitm Spaniel.