Sonntag, 8. Mai 2011

Thor - Eine Phantasy Komödie a la S. Freud


Kenneth Branagh unternimmt einen Ausflug ins Phantasy-Action Genre und der Film ist lustig geworden, gute Tricks, ein paar unerwartete Dreher in der Handlung, auf den Punkt besetzt und alles in allem genau was man sich wünscht, wenn man unterhaltsamen Trash mit Popcorn und Limonade sehen will. Hin und wieder liebe ich es mit klaren Erwartungen in einen Film zu gehen und genau das zu bekommen, was man mir versprochen hat. Ein bißchen wie wenn man einem Kind Märchen erzählt, Rotkäppchen muss einen Korb mit Wein und Huhn haben, Hänsel und Gretel müssen Brotkrumen streuen und es muss ein Kürbis sein, der zur Kutsche wird. Abweichungen, wenn auch noch so phantasievoll sind unerwünscht. Die Widerholung macht den Genuss aus.

Theater hat auch eine verrückte Tante im Ensemble 1


Ich weiß nicht, ob sie schon mal länger an ein und demselben Haus engagiert waren, ich war es und heute, nach Jahren, war ich einmal wieder zu Besuch. 
Wie sehr merkwürdig, man hat selbst in der Zwischenzeit viele verschiedene Dinge an vielen verschiedenen Orten getan und erlebt, während hier oder dort, obwohl eigentlich alles ganz anders ist, doch alles scheint wie es war. Man trifft Leute, die man schätzt und gern hat und hört ihnen zu, und hat das Gefühl genau dieses Gespräch schon einmal, mehrmals zu früherer Zeit geführt zu haben. Nicht wie beim Déjà-vu, eher wie in "Und ewig grüßt das Murmeltier", einem der bestürzendst-komischen Filme, die ich kenne.
Und dann schaut man so von draußen auf das, wo man vormals einmal drinnen war und der veränderte Sichtpunkt, verändert das Bild. Sehr. All die Dinge, die man, Teil der Gruppe seiend, unerstaunt und als üblich hingenommen hat, sehen aus der Distanz doch recht verblüffend aus, während Tatsachen, die früher zu hysterischen, zornigen, empörten Reaktionen mit anschließenden Dauerdiskussionen geführt haben, einem nun als nebensächliche Kleinigkeiten erscheinen. 

Edward Hopper. "New York Movie", 1939.
Das Schauspiel-Ensemble: In DDR Zeiten eine Gruppe von Spielern, die manchmal unvorstellbare 40 Jahren gemeinsam verbrachten. Heute gibt es zwar noch ein paar Lebenslängliche, aber viele, die meisten wandern von Stadt zu Stadt, zwei vielleicht drei Jahre, dann auf ins nächste Engagement oder ins Gelobte Land Berlin, die Stadt der Undercover Schauspieler. "Ich sehe nur wie ein Kellner aus, in Wirklichkeit..."
Aber, wie auch immer, da ist eine Gruppe von Individuen für längere Zeit sehr nah aufeinander geworfen und den Erfordernissen der dramatischen Literatur entsprechend, hat sie eine spezifische Zusammenstellung. Rollenfächer sind offiziell abgeschafft, aber auch wenn nicht mehr "jugendliche Naive" draufsteht, besetzt wird doch danach.
Auf der deutschen Bühne gelten als Rollenfach: Held, schwerer Held, jugendlicher Liebhaber, Charakterspieler, Intrigant, Bonvivant, Väterdarsteller, Komiker, Naturbursche; komische Alte, Mütterdarstellerin, Heroine, Intrigantin, Charakterspielerin, Salondame oder Femme fatale, Jugendliche Liebhaberin,  Sentimentale, Naive. Wenn wir noch den jugendlichen Asozialen plus weiblicher Variante und den Psychopathen mittleren Alters dazudenken, fertig ist das durchschnittliche Stadttheaterensemble. Wenn das Ensemble größer ist, kann manchen Fächern noch die Spezifikation "Erster" oder "Erste" zugefügt werden. Überlegt mal, was euer Fach wäre?

"Bei einem Denker sollte man nicht fragen: welchen Standpunkt nimmt er ein, sondern: wie viele Standpunkte nimmt er ein? Mit anderen Worten: hat er einen geräumigen Denkapparat oder leidet er an Platzmangel, das heißt: an einem `System´?" Egon Friedell Steinbruch. Vermischte Meinungen und Sprüche.

Donnerstag, 5. Mai 2011

e.e. cummings - pity this busy monster, manunkind

bedaure dies geschäftige monster, menschunheit

nicht. fortschritt ist eine gemütliche krankheit:
dein opfer (tod und leben sicher überwunden)

spielt mit der grösse seiner kleinheit
---elektronen vergöttlichen eine rasierklinge
in eine gebirgskette, linsen vergrössern
unwunsch durch krümmung wohinwann bis unwunsch
zu seinem unselbst zurückkehrt
                                               eine welt gemacht
ist keine welt geboren --- bedaure das arme fleisch

und bäume, arme sterne und steine, aber nie dies
exemplar von hypermagischer

allmacht. Wir ärzte wissen

ein hoffnungsloser fall falls --- hör zu, da ist ein höllisch
gutes universum nebenan; lass uns gehn

Masochist, 2004 Emil Alzamora

'pity this busy monster, manunkind'

pity this busy monster, manunkind,

not. Progress is a comfortable disease:
your victim (death and life safely beyond)

plays with the bigness of his littleness
--- electrons deify one razorblade
into a mountainrange; lenses extend
unwish through curving wherewhen till unwish
returns on its unself.
                          A world of made
is not a world of born --- pity poor flesh

and trees, poor stars and stones, but never this
fine specimen of hypermagical

ultraomnipotence. We doctors know

a hopeless case if --- listen: there's a hell
of a good universe next door; let's go

E. E. Cummings

Mittwoch, 4. Mai 2011

Bruce Davidson 2

Gang on the Boardwalk at Coney Island, 1959

???

Brooklyn Gang 1959

???

Girl With The Bird Cage 1966

Brooklyn Gang 1959

???

E 100 Street late 60's

New York City 1962

Brooklyn Gang 1959

Brooklyn Gang 1959

Brooklyn Gang 1959

Girl with Kitten London 1960
E 100 Street late 60's

Dining Out 1973
"Ich sehe mich nicht als Dokumemtar Photographen - Dokumentar Photographie meint, dass du dich raushälst, dass du nicht mit im Bild bist, dass du nur aufzeichnest. Ich bin im Bild, glaub mir. Ich bin im Bild, aber ich bin nicht das Bild."

“I don’t consider myself a documentary photographer – documentary photographer suggests you just stand back, that you’re not in the picture, you’re just recording. I am in the picture, believe me. I am in the picture but I am not the picture” Bruce Davidson

Dienstag, 3. Mai 2011

Bruce Davidson 1

Bruce Davidson 1933 in Illinois geboren ist ein amerikanischer Photograph. Er wurde 1956 Mitglied der Photo-Agentur Magnum.

"Falls ich überhaupt nach einer Geschichte suche, dann ist sie in meiner Beziehung zum Subjekt - die Geschichte, die es mir erzählt, anstatt der die ich erzähle."

"If I am looking for a story at all, it is in my relationship to the subject - the story that it tells me, rather than that I tell."


Dwarf standing outside of tent with flowers and cigarette (1958)
USA. Palisades, New Jersey. The Dwarf. (1958)
Ohne Titel Time Of Change 1965



  
Klu-Klux Clan verteilt Flyer
Subway 


Ludwig Eichrodt - Die Rache


Ludwig Eichrodt (1827-1892) 

Die Rache

Eine schändliche Ballade

Umgebracht in seinem Bette,
Liegt der Ritter Seidelbrecht,
Liegt in seinem bleichen Fette,
Und daneben steht sein Knecht,
Steht sein Weib, das abgefeimte,
Das von jeher Bosheit schäumte.

Und es spricht der Knecht des Hauses,
Wischend die bespritzte Hand
An dem Ärmel seines Flauses,
Zum verruchten Weib gewandt:
Dieser ist des Todes worden,
Soll ich auch den Sohn ermorden?

Und erwidernd spricht die Arge:
Schöner Josef, sei so gut!
Tu mir den Gefallen, karge
Nimmer mit Tyrannenblut!
Willst Du Gift, willst Du ein Dölchlein,
Oder würgen wir das Mölchlein?

Ach, sie haben kein Gewissen,
Ach, der Kleine muss daran,
Aus dem Bett wird er gerissen,
Und mit Wollust abgetan.
Sieh, das geht geschmiert wie Butter,
Lispelet die Rabenmutter.

Horch, da raspelt's in dem Bette,
Da erhebt sich's aus dem Bett
Und als ob es Leben hätte,
Wandelt es zum Pfeifenbrett;
Stopft sich mit verdrehten Augen
Einen Kopf und tut ihn rauchen.

Grässlich, grässlich, grässlich, grässlich,
Grässlich, das ist ein Gespenst!
Josef, Josef, wird unpässlich,
Eulagunde blickt entmenscht:
Beide wagen nicht zu sprechen -
So tut Seidelbrecht sich rächen.

Eine lange, lange Stunde
Schleicht dahin und Keines weicht,
Übel wird es Eulagunde,
Josef zum Phantom erbleicht:
Seidelbrecht, der Totensteife,
Stopft sich eine zweite Pfeife.

Höret nimmer auf zu rauchen,
Stieret auf das Herz des Weibs
Mit dem linken seiner Augen,
Schauerlichen Zeitvertreibs;
Mit dem rechten schielt erbittert
Er auf Josef, der da zittert.

Und zum andern Male klopfet
Aus die Pfeife Seidelbrecht
Und zum dritten Male stopfet
Er die Pfeife mundgerecht.
Siebenmal und nochmal sieben
Mal wird dieser Spuck betrieben.

Eben schlug die zwölfte Stunde
Dumpfig, wie ein Uhu surrt,
Angeraucht ist Eulagunde,
Josef ärmlich eingeschnurrt;
Schon, mit ganz verdorbnem Teinte,
Stehn sie da wie Postamente.

Dann, unmöglich dass man's glaube,
Unerbittlich, stumm, gerecht,
Bröckelt er zu schnödem Staube
Seine Gattin, seinen Knecht;
Stopft damit, wer will's begreifen?
Siebenmal dreihundert Pfeifen.

Rauchet krampfhaft, rauchet schändlich,
Bis der Hund zur Sonne bellt,
Raucht und rauchet, bis er endlich
Selbst in Staub und Asche fällt.
Wage Keiner, dass er lache -
Das war eines Rauchers Rache!

Montag, 2. Mai 2011

Obama über Osama


Der Präsident der Vereinigten Staaten hat heute eine Ansprache gehalten, die in etwa so begann:
"Heute kann ich dem amerikanischen Volk und der Welt mitteilen, dass die USA eine Operation durchgeführt haben, die Osama bin Laden getötet hat, den Führer der Al-Kaida und einen Terroristen, der für den Mord an Tausenden von unschuldigen Männern, Frauen und Kindern verantwortlich ist.
Und so endete:
"Die Absicherung unseres Landes ist noch nicht komplett. Aber heute Nacht haben wir uns einmal mehr daran erinnert, dass Amerika alles schaffen kann, was es sich vornimmt. Das gehört zu unserer Geschichte, ob es das Streben nach Wohlstand für unser Volk ist oder der Kampf für Gleichheit für alle unsere Mitbürger, ob die Entschlossenheit, uns für unsere Werte im Ausland einzusetzen oder die Opfer, die wir bringen, um die Welt zu einem sichereren Ort zu machen.
Lasst uns daran erinnern, dass wir diese Dinge nicht nur wegen unseres Reichtums und unserer Macht schaffen können, sondern deshalb, weil wir sind, wer wir sind: Eine unteilbare Nation vor Gott, in der Freiheit und Gerechtigkeit für alle herrschen. Danke. Gott segne euch. Und Gott segne die Vereinigten Staaten von Amerika."

Gestern las ich in einer Pressemitteilung, dass Gaddafis jüngster Sohn Saif al-Arab al-Gaddafi bei einem NATO-Angriff auf Gaddafis Wohnhaus möglicherweise getötet wurde. Und noch ein paar andere. 
Heute lese ich, dass ein US-Kommando Bin Laden getötet und die Leiche mitgenommen hat, auch einer seiner Söhne ums Leben gekommen ist. Und noch ein paar andere.

"Jeder hat so viel Recht, wie er Gewalt hat." Baruch de Spinoza

45,7 Millionen oder 15,3 % der rund 300 Millionen Einwohner der USA sind weder privat krankenversichert, noch können sie staatliche Hilfe beanspruchen. In medizinischen Notfällen sind Krankenhäuser gesetzlich verpflichtet, unversicherte oder nicht ausreichend versicherte Patienten auch dann in der Notaufnahme zu behandeln, wenn absehbar ist, dass diese die Rechnung nicht bezahlen können. Bei Gesundheitsproblemen, die (noch) nicht die Stufe eines medizinischen Notfalls erreichen, dürfen solche Patienten aber abgewiesen werden.
Im vergangenen Jahr lebten 2008 rund 47,4 Millionen Amerikaner unter der Armutsgrenze – nach einer neuen Berechnungsformel. Offizielle Zahlen hingegen geben "nur" 39,8 Millionen an.
Damit wäre etwa jeder sechste US-Bürger von Armut betroffen, was einer Quote von 15,8 Prozent entspricht, wie die Nationale Akademie der Wissenschaften (NAS) mitteilte. Laut dem Census Bureau der Regierung sind es nur 13,2 Prozent oder 39,8 Millionen Bürger.

Sonntag, 1. Mai 2011

Heinrich Heine - Über den Mai

Die Freiheit der Meinung setzt voraus, dass man eine hat. H.H.

Im wunderschönen Monat Mai

Im wunderschönen Monat Mai,
Als alle Knospen sprangen,
Da ist in meinem Herzen
Die Liebe aufgegangen
 
Im wunderschönen Monat Mai
Als alle Vögel sangen,
Da hab ich ihr gestanden
Mein Sehnen und Verlangen 
1822/23


Heinrich Heine, Zeichnung von Franz Theodor Kugler (1808-1858)
»So sah ich aus, heute Morgen, den 6ten April 1829. H. Heine«

Im Mai

Die Freunde, die ich geküßt und geliebt,
Die haben das Schlimmste an mir verübt.
Mein Herze bricht; doch droben die Sonne,
Lachend begrüßt sie den Monat der Wonne.


Es blüht der Lenz. Im grünen Wald
Der lustige Vogelgesang erschallt,
Und Mädchen und Blumen, sie lächeln jungfräulich -
O schöne Welt, du bist abscheulich!

Da lob ich mir den Orkus fast;
Dort kränkt uns nirgends ein schnöder Kontrast;
Für leidende Herzen ist es viel besser
Dort unten am stygischen Nachtgewässer.

Sein melancholisches Geräusch,
Der Stymphaliden ödes Gekreisch,
Der Furien Singsang, so schrill und grell,
Dazwischen des Cerberus Gebell -

Das paßt verdrießlich zu Unglück und Qual -
Im Schattenreich, dem traurigen Tal,
In Proserpinens verdammten Domänen,
Ist alles im Einklang mit unseren Tränen.

Hier oben aber, wie grausamlich
Sonne und Rosen stechen sie mich!
Mich höhnt der Himmel, der bläulich und mailich -
O schöne Welt, du bist abscheulich!
1853/54

Heines Totenmaske
 

1. Mai - Wie heisst das denn jetzt?


Tag der Arbeit, Maifeiertag, Kampftag der Arbeiterklasse oder -bewegung?

Wenn die Hexen genug getanzt hatten, gingen sie nach Hause, stellten den Besen in die Ecke, zogen sich bequeme Schuhe und einen Mantel an und gingen zur 1. Mai Demonstration.

Im Nachhinein wirkt der 1. Mai auf mich, wie eines der absurdesten Elemente, der an Absurditäten nicht armen Geschichte der DDR.
Am Morgen versammelten sich die Berliner Theater am 'Sammelplatz', Fahnen wurden ausgegeben, es wurde viel gequatscht, denn manche Kollegen anderer Theater sah man ja sonst nicht so oft. Dann wurde losgelatscht, anders kann man das nicht bezeichnen. Obwohl sehr genau bemerkt wurde, wenn jemand nicht anwesend war.
Die Militärparade kam zuerst, dann Kinder in Pionierkleidung, dann Bürger und Bürgerinnen nach Betriebszugehörigkeiten sortiert. Am Marx-Engels Platz stand die Tribüne, uralte Männer winkten beseligt oder mechanisch den Vorbeimarschierenden zu. Sie waren der Machtfülle nach sortiert und fast alle in Blass-Beige gekleidet, viele mit Hüten. Einmal standen drei strengblickende Chinesen mit auf der Haupttribüne, da müssen wir gerade mal kurzzeitig nicht verfeindet gewesen sein. Etwas tiefer und links saßen die niederen Chargen, auch Hans-Peter Minetti, Kandidat des ZK der SED und Direktor der Schauspielschule, der manisch grinste und mit den Armen wackelte. Er hatte so eine Überkämmfrisur und einmal hat der Wind seine Mütze weggeweht und die sorgfältig gelegte Haarsträhne wehte, einer Fahne gleich, von seinem halbkahlen Kopf. Dazu kam immer Beschallung aus den Lautsprechern, wer gerade an der Tribüne war, wurde begrüsst, dazwischen Lieder. In einem eine Zeile: "Du brauchst keine Brille, um Deinen Weg zu finden!" Eine Veranstaltung ohne Herz, ohne Leidenschaft, mit dem einzigen Zweck, nach außen Stärke und nach innen Einigkeit zu behaupten. und trotzdem war es oft ein gutgelaunter Tag, denn anschließend war Betriebsfest mit Eisbein und Erbspüree und Kinderbespassung und sehr viel Bier.

1949

1973

Wenn man bedenkt, wie dieser Feiertag entstanden ist! Es lebe der 1. Mai!

August Spies -  „Man kann nicht ewig wie ein Stück Vieh leben!“

Im Oktober 1884 rief die Federation of Organized Trades and Labor Unions of the United States and Canada zu einem landesweiten Streik für den 1. Mai 1886 auf. Ziel war die Arbeitszeitbegrenzung durch Einführung des Achtstundentages.
Am 1. Mai streikten in den USA insgesamt nach verschiedenen Schätzungen zwischen 300.000 und 500.000 Menschen. Der größte Streik fand in Chicago statt und umfasste rund 90.000 Teilnehmer. Die Situation war angespannt, die Miliz wurde in Bereitschaft versetzt. Die mit diesem und den darauf folgenden Tagen verbundenen Ereignisse werden als Haymarket Riot, Haymarket Affair und Haymarket Massacre bezeichnet und begründeten die Tradition den 1. Mai zum Kampftag der Arbeiterklasse zu erklären.

Als am 3. Mai die Polizei einschritt, um eine Versammlung von Streikenden nahe dem Erntemaschinen-Betrieb McCormick aufzulösen, wurden sechs Arbeiter getötet und einige weitere verletzt. In der folgenden Nacht versammelte sich eine Menge von mehreren tausend Streikenden und marschierte zum Haymarket Square. Wiederum versuchte die Polizei, die Versammlung aufzulösen. Der Protestmarsch wurde aber fortgesetzt und verlief friedlich. Auch der Bürgermeister der Stadt, Carter Harrison Sr., ging, nachdem er die Lage überprüft hatte, früh nach Hause.
Die Lage eskalierte am nächsten Tag, dem 4. Mai, als jemand eine Bombe in die Menge warf, die sich wieder am Haymarket-Square versammelt hatte. Zwölf Menschen starben, darunter der Polizist Mathias J. Degan noch am Ort des Geschehens, sowie sechs weitere Polizisten, die später ihren Verletzungen erlagen. Die Polizei eröffnete daraufhin das Feuer und tötete und verletzte eine unbekannte Zahl von Protestierenden. Da einige der Redner dieses Tages Anarchisten gewesen waren, ging man davon aus, dass ein Anarchist die Bombe geworfen hatte. Ein Beweis für eine solche Verbindung konnte allerdings nicht erbracht werden. Bis heute ist unklar, wer die Bombe geworfen hat.
Obgleich niemand überhaupt den Bombenwerfer erkannt hatte, wurden acht Männer, welche den Streik mitorganisiert hatten, angeklagt und für schuldig befunden. Vier von ihnen, darunter August Spies - Chefredakteur und Herausgeber der anarchistischen Arbeiter-Zeitung, wurden durch den Strang hingerichtet, einer beging in seiner Zelle Suizid. Die noch lebenden drei wurden sechs Jahre später begnadigt. Es gab keine Beweise für eine Verbindung der Angeklagten zu dem Bombenanschlag. Vielmehr argumentierte Richter Joseph Gary, dass der Bombenwerfer auf Grund der Ideen der Männer gehandelt hätte und diese damit ebenso schuldig wären, als hätten sie selbst den Anschlag verübt.