Donnerstag, 5. Mai 2011

e.e. cummings - pity this busy monster, manunkind

bedaure dies geschäftige monster, menschunheit

nicht. fortschritt ist eine gemütliche krankheit:
dein opfer (tod und leben sicher überwunden)

spielt mit der grösse seiner kleinheit
---elektronen vergöttlichen eine rasierklinge
in eine gebirgskette, linsen vergrössern
unwunsch durch krümmung wohinwann bis unwunsch
zu seinem unselbst zurückkehrt
                                               eine welt gemacht
ist keine welt geboren --- bedaure das arme fleisch

und bäume, arme sterne und steine, aber nie dies
exemplar von hypermagischer

allmacht. Wir ärzte wissen

ein hoffnungsloser fall falls --- hör zu, da ist ein höllisch
gutes universum nebenan; lass uns gehn

Masochist, 2004 Emil Alzamora

'pity this busy monster, manunkind'

pity this busy monster, manunkind,

not. Progress is a comfortable disease:
your victim (death and life safely beyond)

plays with the bigness of his littleness
--- electrons deify one razorblade
into a mountainrange; lenses extend
unwish through curving wherewhen till unwish
returns on its unself.
                          A world of made
is not a world of born --- pity poor flesh

and trees, poor stars and stones, but never this
fine specimen of hypermagical

ultraomnipotence. We doctors know

a hopeless case if --- listen: there's a hell
of a good universe next door; let's go

E. E. Cummings

Mittwoch, 4. Mai 2011

Bruce Davidson 2

Gang on the Boardwalk at Coney Island, 1959

???

Brooklyn Gang 1959

???

Girl With The Bird Cage 1966

Brooklyn Gang 1959

???

E 100 Street late 60's

New York City 1962

Brooklyn Gang 1959

Brooklyn Gang 1959

Brooklyn Gang 1959

Girl with Kitten London 1960
E 100 Street late 60's

Dining Out 1973
"Ich sehe mich nicht als Dokumemtar Photographen - Dokumentar Photographie meint, dass du dich raushälst, dass du nicht mit im Bild bist, dass du nur aufzeichnest. Ich bin im Bild, glaub mir. Ich bin im Bild, aber ich bin nicht das Bild."

“I don’t consider myself a documentary photographer – documentary photographer suggests you just stand back, that you’re not in the picture, you’re just recording. I am in the picture, believe me. I am in the picture but I am not the picture” Bruce Davidson

Dienstag, 3. Mai 2011

Bruce Davidson 1

Bruce Davidson 1933 in Illinois geboren ist ein amerikanischer Photograph. Er wurde 1956 Mitglied der Photo-Agentur Magnum.

"Falls ich überhaupt nach einer Geschichte suche, dann ist sie in meiner Beziehung zum Subjekt - die Geschichte, die es mir erzählt, anstatt der die ich erzähle."

"If I am looking for a story at all, it is in my relationship to the subject - the story that it tells me, rather than that I tell."


Dwarf standing outside of tent with flowers and cigarette (1958)
USA. Palisades, New Jersey. The Dwarf. (1958)
Ohne Titel Time Of Change 1965



  
Klu-Klux Clan verteilt Flyer
Subway 


Ludwig Eichrodt - Die Rache


Ludwig Eichrodt (1827-1892) 

Die Rache

Eine schändliche Ballade

Umgebracht in seinem Bette,
Liegt der Ritter Seidelbrecht,
Liegt in seinem bleichen Fette,
Und daneben steht sein Knecht,
Steht sein Weib, das abgefeimte,
Das von jeher Bosheit schäumte.

Und es spricht der Knecht des Hauses,
Wischend die bespritzte Hand
An dem Ärmel seines Flauses,
Zum verruchten Weib gewandt:
Dieser ist des Todes worden,
Soll ich auch den Sohn ermorden?

Und erwidernd spricht die Arge:
Schöner Josef, sei so gut!
Tu mir den Gefallen, karge
Nimmer mit Tyrannenblut!
Willst Du Gift, willst Du ein Dölchlein,
Oder würgen wir das Mölchlein?

Ach, sie haben kein Gewissen,
Ach, der Kleine muss daran,
Aus dem Bett wird er gerissen,
Und mit Wollust abgetan.
Sieh, das geht geschmiert wie Butter,
Lispelet die Rabenmutter.

Horch, da raspelt's in dem Bette,
Da erhebt sich's aus dem Bett
Und als ob es Leben hätte,
Wandelt es zum Pfeifenbrett;
Stopft sich mit verdrehten Augen
Einen Kopf und tut ihn rauchen.

Grässlich, grässlich, grässlich, grässlich,
Grässlich, das ist ein Gespenst!
Josef, Josef, wird unpässlich,
Eulagunde blickt entmenscht:
Beide wagen nicht zu sprechen -
So tut Seidelbrecht sich rächen.

Eine lange, lange Stunde
Schleicht dahin und Keines weicht,
Übel wird es Eulagunde,
Josef zum Phantom erbleicht:
Seidelbrecht, der Totensteife,
Stopft sich eine zweite Pfeife.

Höret nimmer auf zu rauchen,
Stieret auf das Herz des Weibs
Mit dem linken seiner Augen,
Schauerlichen Zeitvertreibs;
Mit dem rechten schielt erbittert
Er auf Josef, der da zittert.

Und zum andern Male klopfet
Aus die Pfeife Seidelbrecht
Und zum dritten Male stopfet
Er die Pfeife mundgerecht.
Siebenmal und nochmal sieben
Mal wird dieser Spuck betrieben.

Eben schlug die zwölfte Stunde
Dumpfig, wie ein Uhu surrt,
Angeraucht ist Eulagunde,
Josef ärmlich eingeschnurrt;
Schon, mit ganz verdorbnem Teinte,
Stehn sie da wie Postamente.

Dann, unmöglich dass man's glaube,
Unerbittlich, stumm, gerecht,
Bröckelt er zu schnödem Staube
Seine Gattin, seinen Knecht;
Stopft damit, wer will's begreifen?
Siebenmal dreihundert Pfeifen.

Rauchet krampfhaft, rauchet schändlich,
Bis der Hund zur Sonne bellt,
Raucht und rauchet, bis er endlich
Selbst in Staub und Asche fällt.
Wage Keiner, dass er lache -
Das war eines Rauchers Rache!

Montag, 2. Mai 2011

Obama über Osama


Der Präsident der Vereinigten Staaten hat heute eine Ansprache gehalten, die in etwa so begann:
"Heute kann ich dem amerikanischen Volk und der Welt mitteilen, dass die USA eine Operation durchgeführt haben, die Osama bin Laden getötet hat, den Führer der Al-Kaida und einen Terroristen, der für den Mord an Tausenden von unschuldigen Männern, Frauen und Kindern verantwortlich ist.
Und so endete:
"Die Absicherung unseres Landes ist noch nicht komplett. Aber heute Nacht haben wir uns einmal mehr daran erinnert, dass Amerika alles schaffen kann, was es sich vornimmt. Das gehört zu unserer Geschichte, ob es das Streben nach Wohlstand für unser Volk ist oder der Kampf für Gleichheit für alle unsere Mitbürger, ob die Entschlossenheit, uns für unsere Werte im Ausland einzusetzen oder die Opfer, die wir bringen, um die Welt zu einem sichereren Ort zu machen.
Lasst uns daran erinnern, dass wir diese Dinge nicht nur wegen unseres Reichtums und unserer Macht schaffen können, sondern deshalb, weil wir sind, wer wir sind: Eine unteilbare Nation vor Gott, in der Freiheit und Gerechtigkeit für alle herrschen. Danke. Gott segne euch. Und Gott segne die Vereinigten Staaten von Amerika."

Gestern las ich in einer Pressemitteilung, dass Gaddafis jüngster Sohn Saif al-Arab al-Gaddafi bei einem NATO-Angriff auf Gaddafis Wohnhaus möglicherweise getötet wurde. Und noch ein paar andere. 
Heute lese ich, dass ein US-Kommando Bin Laden getötet und die Leiche mitgenommen hat, auch einer seiner Söhne ums Leben gekommen ist. Und noch ein paar andere.

"Jeder hat so viel Recht, wie er Gewalt hat." Baruch de Spinoza

45,7 Millionen oder 15,3 % der rund 300 Millionen Einwohner der USA sind weder privat krankenversichert, noch können sie staatliche Hilfe beanspruchen. In medizinischen Notfällen sind Krankenhäuser gesetzlich verpflichtet, unversicherte oder nicht ausreichend versicherte Patienten auch dann in der Notaufnahme zu behandeln, wenn absehbar ist, dass diese die Rechnung nicht bezahlen können. Bei Gesundheitsproblemen, die (noch) nicht die Stufe eines medizinischen Notfalls erreichen, dürfen solche Patienten aber abgewiesen werden.
Im vergangenen Jahr lebten 2008 rund 47,4 Millionen Amerikaner unter der Armutsgrenze – nach einer neuen Berechnungsformel. Offizielle Zahlen hingegen geben "nur" 39,8 Millionen an.
Damit wäre etwa jeder sechste US-Bürger von Armut betroffen, was einer Quote von 15,8 Prozent entspricht, wie die Nationale Akademie der Wissenschaften (NAS) mitteilte. Laut dem Census Bureau der Regierung sind es nur 13,2 Prozent oder 39,8 Millionen Bürger.

Sonntag, 1. Mai 2011

Heinrich Heine - Über den Mai

Die Freiheit der Meinung setzt voraus, dass man eine hat. H.H.

Im wunderschönen Monat Mai

Im wunderschönen Monat Mai,
Als alle Knospen sprangen,
Da ist in meinem Herzen
Die Liebe aufgegangen
 
Im wunderschönen Monat Mai
Als alle Vögel sangen,
Da hab ich ihr gestanden
Mein Sehnen und Verlangen 
1822/23


Heinrich Heine, Zeichnung von Franz Theodor Kugler (1808-1858)
»So sah ich aus, heute Morgen, den 6ten April 1829. H. Heine«

Im Mai

Die Freunde, die ich geküßt und geliebt,
Die haben das Schlimmste an mir verübt.
Mein Herze bricht; doch droben die Sonne,
Lachend begrüßt sie den Monat der Wonne.


Es blüht der Lenz. Im grünen Wald
Der lustige Vogelgesang erschallt,
Und Mädchen und Blumen, sie lächeln jungfräulich -
O schöne Welt, du bist abscheulich!

Da lob ich mir den Orkus fast;
Dort kränkt uns nirgends ein schnöder Kontrast;
Für leidende Herzen ist es viel besser
Dort unten am stygischen Nachtgewässer.

Sein melancholisches Geräusch,
Der Stymphaliden ödes Gekreisch,
Der Furien Singsang, so schrill und grell,
Dazwischen des Cerberus Gebell -

Das paßt verdrießlich zu Unglück und Qual -
Im Schattenreich, dem traurigen Tal,
In Proserpinens verdammten Domänen,
Ist alles im Einklang mit unseren Tränen.

Hier oben aber, wie grausamlich
Sonne und Rosen stechen sie mich!
Mich höhnt der Himmel, der bläulich und mailich -
O schöne Welt, du bist abscheulich!
1853/54

Heines Totenmaske
 

1. Mai - Wie heisst das denn jetzt?


Tag der Arbeit, Maifeiertag, Kampftag der Arbeiterklasse oder -bewegung?

Wenn die Hexen genug getanzt hatten, gingen sie nach Hause, stellten den Besen in die Ecke, zogen sich bequeme Schuhe und einen Mantel an und gingen zur 1. Mai Demonstration.

Im Nachhinein wirkt der 1. Mai auf mich, wie eines der absurdesten Elemente, der an Absurditäten nicht armen Geschichte der DDR.
Am Morgen versammelten sich die Berliner Theater am 'Sammelplatz', Fahnen wurden ausgegeben, es wurde viel gequatscht, denn manche Kollegen anderer Theater sah man ja sonst nicht so oft. Dann wurde losgelatscht, anders kann man das nicht bezeichnen. Obwohl sehr genau bemerkt wurde, wenn jemand nicht anwesend war.
Die Militärparade kam zuerst, dann Kinder in Pionierkleidung, dann Bürger und Bürgerinnen nach Betriebszugehörigkeiten sortiert. Am Marx-Engels Platz stand die Tribüne, uralte Männer winkten beseligt oder mechanisch den Vorbeimarschierenden zu. Sie waren der Machtfülle nach sortiert und fast alle in Blass-Beige gekleidet, viele mit Hüten. Einmal standen drei strengblickende Chinesen mit auf der Haupttribüne, da müssen wir gerade mal kurzzeitig nicht verfeindet gewesen sein. Etwas tiefer und links saßen die niederen Chargen, auch Hans-Peter Minetti, Kandidat des ZK der SED und Direktor der Schauspielschule, der manisch grinste und mit den Armen wackelte. Er hatte so eine Überkämmfrisur und einmal hat der Wind seine Mütze weggeweht und die sorgfältig gelegte Haarsträhne wehte, einer Fahne gleich, von seinem halbkahlen Kopf. Dazu kam immer Beschallung aus den Lautsprechern, wer gerade an der Tribüne war, wurde begrüsst, dazwischen Lieder. In einem eine Zeile: "Du brauchst keine Brille, um Deinen Weg zu finden!" Eine Veranstaltung ohne Herz, ohne Leidenschaft, mit dem einzigen Zweck, nach außen Stärke und nach innen Einigkeit zu behaupten. und trotzdem war es oft ein gutgelaunter Tag, denn anschließend war Betriebsfest mit Eisbein und Erbspüree und Kinderbespassung und sehr viel Bier.

1949

1973

Wenn man bedenkt, wie dieser Feiertag entstanden ist! Es lebe der 1. Mai!

August Spies -  „Man kann nicht ewig wie ein Stück Vieh leben!“

Im Oktober 1884 rief die Federation of Organized Trades and Labor Unions of the United States and Canada zu einem landesweiten Streik für den 1. Mai 1886 auf. Ziel war die Arbeitszeitbegrenzung durch Einführung des Achtstundentages.
Am 1. Mai streikten in den USA insgesamt nach verschiedenen Schätzungen zwischen 300.000 und 500.000 Menschen. Der größte Streik fand in Chicago statt und umfasste rund 90.000 Teilnehmer. Die Situation war angespannt, die Miliz wurde in Bereitschaft versetzt. Die mit diesem und den darauf folgenden Tagen verbundenen Ereignisse werden als Haymarket Riot, Haymarket Affair und Haymarket Massacre bezeichnet und begründeten die Tradition den 1. Mai zum Kampftag der Arbeiterklasse zu erklären.

Als am 3. Mai die Polizei einschritt, um eine Versammlung von Streikenden nahe dem Erntemaschinen-Betrieb McCormick aufzulösen, wurden sechs Arbeiter getötet und einige weitere verletzt. In der folgenden Nacht versammelte sich eine Menge von mehreren tausend Streikenden und marschierte zum Haymarket Square. Wiederum versuchte die Polizei, die Versammlung aufzulösen. Der Protestmarsch wurde aber fortgesetzt und verlief friedlich. Auch der Bürgermeister der Stadt, Carter Harrison Sr., ging, nachdem er die Lage überprüft hatte, früh nach Hause.
Die Lage eskalierte am nächsten Tag, dem 4. Mai, als jemand eine Bombe in die Menge warf, die sich wieder am Haymarket-Square versammelt hatte. Zwölf Menschen starben, darunter der Polizist Mathias J. Degan noch am Ort des Geschehens, sowie sechs weitere Polizisten, die später ihren Verletzungen erlagen. Die Polizei eröffnete daraufhin das Feuer und tötete und verletzte eine unbekannte Zahl von Protestierenden. Da einige der Redner dieses Tages Anarchisten gewesen waren, ging man davon aus, dass ein Anarchist die Bombe geworfen hatte. Ein Beweis für eine solche Verbindung konnte allerdings nicht erbracht werden. Bis heute ist unklar, wer die Bombe geworfen hat.
Obgleich niemand überhaupt den Bombenwerfer erkannt hatte, wurden acht Männer, welche den Streik mitorganisiert hatten, angeklagt und für schuldig befunden. Vier von ihnen, darunter August Spies - Chefredakteur und Herausgeber der anarchistischen Arbeiter-Zeitung, wurden durch den Strang hingerichtet, einer beging in seiner Zelle Suizid. Die noch lebenden drei wurden sechs Jahre später begnadigt. Es gab keine Beweise für eine Verbindung der Angeklagten zu dem Bombenanschlag. Vielmehr argumentierte Richter Joseph Gary, dass der Bombenwerfer auf Grund der Ideen der Männer gehandelt hätte und diese damit ebenso schuldig wären, als hätten sie selbst den Anschlag verübt.


Samstag, 30. April 2011

30. April - Walpurgisnacht

Walburga oder Walpurga war eine Äbtissin aus England  und lebte von ca. 710 bis ca. 779.
Wiki sagt: Geboren als eines von vielen Kindern einer wohlhabenden englischen Familie in Devon (Wessex), soll sie, früh verwaist, bereits im Alter von 10 oder 11 Jahren in das Kloster von Wimborne in Dorset aufgenommen worden sein, zu dieser Zeit bekannt für seine Gelehrsamkeit und gute Ausbildung für junge Frauen aus der westsächsischen Oberschicht, für die eine Heirat nicht vorgesehen war. Dort verbrachte sie rund 26 Jahre ihres Lebens und wurde auf eine Aufgabe als Missionsleiterin, in den zu dieser Zeit weitgehend noch nicht christlich geprägten deutschen Landen, vorbereitet.
Nach dem Tod ihres Bruders Wunibald von Heidenheim 761 übernahm Walburga das von ihm etwa zehn Jahre zuvor gegründete Männerkloster Heidenheim, einen wichtigen Missionsstützpunkt; wenig später kam ein Frauenkloster hinzu. Durch die Leitung dieses mächtigen Doppelklosters wurde Walburga zu einer der bedeutendsten Frauen des christlichen Europas.
Der genaue Todestag Walburgas ist nicht eindeutig belegbar. Die Heiligsprechung Walburgas durch Papst Hadrian II. erfolgte am 1. Mai (vermutlich im Jahre 870) anlässlich der Umbettung ihrer Gebeine. Durch zahlreiche Wunder, die ihr zugeschrieben wurden, gilt sie als Schutzpatronin für die Seefahrt und gegen böse Geister.
Im Mittelalter war die Feier ihrer Heiligsprechung und der Umbettung ihrer Gebeine am 1. Mai weit verbreitet. Daher heißt die Nacht zum 1. Mai Walpurgisnacht.
 
St. Walpurga gives the beggar Ex-Lax, woodcut by Heinster Buffó, 1134.
Tatsächlich ist die Nacht vor dem 1. Mai als vorchristliches Frühlingsfest wohl älter als die Heiligsprechung Walpurgas und ihr Name erst später mit den später »verteufelten« Berggipfelriten aus älterer Zeit verknüpft worden. 
Die Walpurgisnacht findet mythologisch in der ersten Vollmondnacht zwischen der Frühjahrestagundnachtgleiche und der Sommersonnenwende statt. Jedoch ist es seit langer Zeit so, dass das Fest immer in der Nacht vom 31. April auf den 1. Mai gefeiert wird. An diesem Tag wurde ein mit diversen Opfern einhergehendes Frühlingsfest gefeiert aus Freude über das Ende des Winters, sowie zu Ehren von Wotans Hochzeit. Im Glauben der Germanen vertrieben Wotan und Freya in dieser Nacht den Winter und zeugten den Frühling. In Folge der Christianisierung wurde im Laufe der Zeit aus der Göttin Freya das Hexenvolk und aus dem Gott Wotan der Teufel. 
1603 im Calendarium Perpetuum: „Den nehesten Tag vor Philippi Jacobi zu Abend pflegen Zeuberer viel Teuffeley zu uben / damit sie die Leute viel beleidigen“ 
Ernst Barlach "Goethes Walpurgisnacht"
Johannes Praetorius schreibt in seiner Blokkes Berges Verrichtung über die Verknüpfung der grossen Hexenfahrt mit Walpurga, die Heilige wäre selbst die Ursache dafür, »Indem sie, wie sie noch am Leben gewesen, durch ihre Heiligkeit dem Teufel sich gewaltig zuwider gesetzet, und für andere Weiber bestürmet hat. Hierdurch mag der Teuf feletwann Anlass genommen haben, ihren Feyertag mit seinen Burschen zu schimpf fieren, und durch alle Jahr dafür Abrechnung zu halten«. »Noch ferner kann die Zeit auch selbsten verdächtig seyn, indem die Weibs Bilder, die grösseste Lust und Geilheit im Majo befinden sollen« 
Johannes Praetorius Blockes-Berges Verrichtung Oder Ausführlicher Geographischer Bericht / von den hohen trefflich alt- und berühmten Blockes-Berge

Johannes Praetorius: Blockes-Berges Verrichtung, Leipzig u.a. 1668
Das Hexeneinmaleins

   Du mußt versteh'n!
   Aus Eins mach Zehn,
   Und Zwei laß geh'n,
   Und Drei mach gleich,
   So bist Du reich.
   Verlier die Vier!
   Aus Fünf und Sechs,
   So sagt die Hex',
   Mach Sieben und Acht,
   So ist's vollbracht:
   Und Neun ist Eins,
   Und Zehn ist keins.
   Das ist das Hexen-Einmaleins!
  Johann Wolfgang von Goethe (Faust)
Ernst Barlach "Goethes Walpurgisnacht"
http://www.goethezeitportal.de/index.php?id=4314

Freitag, 29. April 2011

Sonett 66


Ein englisches Sonett (a-b-a-b / c-d-c-d / e-f-e-f / g-g), 1609 erstmals zusammen mit 153 anderen Sonetten und dem Gedicht "A lover's complaint" (Die Klage/Beschwerde des Liebenden) wahrscheinlich als Raubdruck erschienen. Das Buch ist Master W. H. gewidmet, die Sonette 1 bis 126 sind an einen schönen jungen Mann (fair boy) gerichtet, 127 bis 154 an eine dunkle Dame (dark lady).

W.H. Auden schrieb: „Über kein literarisches Werk ist mehr Unsinn geschrieben worden“ und er mag Recht haben, und dann liest man und spürt, dass ein Mann aus der englischen Provinz, im von Hunger und Pest geplagten London um 1600 vorformuliert hat, was beinah ein jeder von uns manchmal denkt und nicht in Worte fassen kann und man meint, er würde einen kennen. Das ist Poesie!

Von Nummer 66 gibt es circa 180 deutsche Übersetzungen und auch eine ins Klingonische für Trekkies. 

Das Original:

Tyr'd with all these for restfull death I cry,
As to behold desert a begger borne,
And needie Nothing trimd in iollitie,
And purest faith vnhappily forsworne,

And gilded honor shamefully misplast,
And maiden vertue rudely strumpeted,
And right perfection wrongfully disgrac'd,
And strength by limping sway disabled,

And arte made tung-tide by authoritie,
And Folly (Doctor-like) controuling skill,
And simple-Truth miscalde Simplicitie,
And captiue-good attending Captaine ill.

Tyr'd with all these, from these would I be gone,
Saue that to dye, I leaue my loue alone.

Die Fassung in modernem Englisch:
Tired with all these, for restful death I cry,
As, to behold desert a beggar born,
And needy nothing trimm'd in jollity,
And purest faith unhappily forsworn,

And guilded honour shamefully misplaced,
And maiden virtue rudely strumpeted,
And right perfection wrongfully disgraced,
And strength by limping sway disabled,

And art made tongue-tied by authority,
And folly doctor-like controlling skill,
And simple truth miscall'd simplicity,
And captive good attending captain ill:

Tired with all these, from these would I be gone,
Save that, to die, I leave my love alone.

Wolf Biermanns Übersetzung:

Müd müd von all dem schrei ich nach dem Schlaf im Tod

Weil ich ja seh: Verdienst geht betteln hier im Staat

Seh Nichtigkeit getrimmt auf Frohsinn in der Not

Und reinster Glaube landet elend im Verrat



Und Ehre ist ein goldnes Wort, das nichts mehr gilt

Und einer Jungfrau Tugend wird verkauft wie’n Schwein

Und weil Vollkommenheit man einen Krüppel schilt

Und weil die Kraft dahinkriecht auf dem Humpelbein



Gelehrte Narrn bestimmen, was als Weisheit gilt

Und Kunst seh ich geknebelt von der Obrigkeit

Und simple Wahrheit, die man simpel Einfalt schilt

Und Güte, die in Ketten unterm Stiefel schreit



Von all dem müde, wär ich lieber tot, ließ ich
In dieser Welt dabei mein Liebchen nicht im Stich

Und die von Gustav Landauer:
Dies alles müd schrei’ ich nach Todesrast
Verdienst zu sehn als Bettelmann geboren,
Und dürftiges Nichts in Herrlichkeit gefasst,
Und reinste Treu’ zum Jammer auserkoren,

Und goldne Ehre, die den Falschen krönt,
Und jungfräuliche Tugend roh geschändet,
Und echte Hoheit ungerecht verpönt,
Und Kraft von lahmer Tyrannei entwendet,

Und Kunst geknebelt von der Obrigkeit,
Und Geist vorm Doktor Narrheit ohne Recht,
Und dumm befunden schlichte Redlichkeit,
Und Sklave Gut im Dienst beim Herren Schlecht:

Dies alles müd möcht’ ich begraben sein,
Ließ ich nicht sterbend, Liebster, dich allein.

Von Dorothea Tieck:

Satt alles dies, ruf’ ich des Todes Nacht –
Als: das Verdienst als Bettler sehn geboren,
Und ärmstes Nichts geschmückt in Glanz und Pracht.
Und reinste Treue unglücklich verschworen.

Vergold’te Ehre schandbar missgestellt,
Und jungfräuliche Tugend rau geschändet,
Und das Vollendete gekränkt, entstellt,
Und Kraft durch hinkenden Befehl entwendet.

Und Kunst verstummt vor Eitelkeit und Neid,
Torheit, die altklug, weist den Witz zurecht,
Einfält’ge Treu, geschimpft Einfältigkeit,
Gut, kriegsgefangen, dienen Kriegsherr’n schlecht.

Satt alles dies, möcht ich von hinnen scheiden,
Nur dass ich, sterbend, muss den Liebsten meiden.

Und Stefan George:

Dies alles müd ruf ich nach Todes Rast:
Seh ich Verdienst als Bettelmann geborn
Und dürftiges Nichts in Herrlichkeit gefasst
Und reinsten Glauben unheilvoll verschworn

Und goldne Ehre schändlich missverwandt
Und jungfräuliche Tugend roh geschwächt
Und das Vollkommne ungerecht verbannt
Und Kraft durch lahme Lenkung abgeflächt

Und Kunst schwer-zungig vor der Obrigkeit
Und Geist vorm Doktor Narrheit ohne Recht
Und Einfachheit missnannt Einfältigkeit
Und Sklave Gut in Dienst beim Herren Schlecht.

Dies alles müd möcht ich gegangen sein,
Ließ ich nicht, sterbend, meine Lieb allein.

Francisco de Goya y Lucientes: Erschießung der Aufständischen am 3. Mai 1808 in Madrid.
1814

 Oscar Wilde hat einen Kurzroman "The Portrait of Mr. W. H." verfasst.

Donnerstag, 28. April 2011

Theater hat auch Effekte

Ein Mann sitzt auf einem Stuhl, die Schminke, die ihn als Neger kennzeichnet, ist nurmehr nur ein schwitziger Rest, er hält den letzten Monolog des Abends.

Gemach! – Nur noch zwei Worte, eh' Ihr geht!
Ich tat Venedig manchen Dienst, man weiß es:
Nichts mehr davon! – In Euren Briefen, bitt' ich,
Wenn Ihr von diesem Unheil Kunde gebt,
Sprecht von mir, wie ich bin – verkleinert nichts,
Noch setzt in Bosheit zu: Dann müßt Ihr melden
Von einem, der nicht klug, doch zu sehr liebte;
Nicht leicht argwöhnte, doch, einmal erregt,
Unendlich raste: von einem, dessen Hand,
Dem niedern Juden gleich, die Perle wegwarf,
Mehr wert als all sein Volk; des überwundnes Auge,
Sonst nicht gewöhnt zu schmelzen, sich ergeußt
In Tränen, wie Arabiens Bäume taun
Von heilungskräft'gem Balsam – schreibt das alles;
Und fügt hinzu: daß in Aleppo, wo
Ein gift'ger Türk' in hohem Turban einst
'nen Venetianer schlug und schalt den Staat, –
Ich den beschnittnen Hund am Hals ergriff
Und traf ihn – so!  
Hier macht der Spieler mit leichter, fast nachlässiger Geste eine Querbewegung über die Kehle und  stirbt indem sein Kopf weich nach unten fällt. Er hatte sich, Penthesilea gleich, zu Tode geredet, das übliche "er ersticht sich" ist nicht mehr nötig, die Geste Gewalt genug, man hätte ein Nadel fallen hören können. Black. Ein Effekt. (Othello in Wien mit Gert Voss.)

Eine Bühne: Videosequenzen aus Eisenstein Filmen und historischen Dokumentationen, ein Geräuschteppich von elektronischen Musikschnipseln und digitalisierten Alltagslauten, eine  riesige Bühnenmaschinerie bewegt sich von motorbetriebener Hand, irgendwo im Nebel Spieler, die möglicherweise wichtige Dinge verhandeln. Das Stück ist "Die Flucht" von Michail Bulgakow, der Ort Stuttgart. 500 Schwaben sitzen im Saal, die russische Revolution ist ihnen nicht nahe, der Abend schlägt auf sie ein mit eisener Hand. Effekte.

Das ist ein schwieriges Abwägen mit Effekten. Wo beginnt das hoffnungslose Hinterherhetzen, immer auf den Fersen der sich irrsinnig schnell entwickelnden technischen Möglichkeiten? Wo trifft moderne Techik auf archaisches Theater und es entsteht etwas Neues, etwas unerwartetes, erleuchtendes Neues?
Ein Beispiel: Robert Lepage inszeniert einen Teil seiner "Blue Dragon" Trilogie, eine der Figuren, eine junge Chinesin in Honkong, verdient sich ihren Lebensunterhalt mit dem Kopieren von europäischen Meistern der Moderne. Ein Raum, viele Bilderrahmen, die sich erst im Lauf der Szene alle mit ein und demselben van Gogh Portrait füllen werden. Das ist intelligent und es erzählt und die technische Perfektion ist verblüffend. Es hat Witz. Es ist theatralisch.

Maschinenzüge, Handzüge, Versenkungen, Auftritte von der Oberbühne, Pyrotechnik (Die man allerdings fast nicht mehr einsetzen kann, weil das katastrophenbeschwörende Sicherheitsdenken in Mitteleuropa zu solch blödsinnigen Auflagen geführt hat, dass man es besser gleich seien lässt.) Auch wenn ich also die alten hölzernen Windmaschinen, zerdepperten Donnerbleche, erbsengefüllten Regensiebe, mit Sand gefüllten Bambusrohre für Wellenrauschen inniglich liebe, Theatermittel, die in dieser oder ähnlicher Form, schon in Ephesos eingesetzt wurden und auch anderem gut eingesetztem Theaterzauber mit geradezu infantiler Freude begene, finde ich gar nicht, dass Elektronik, Video oder zum Beispiel die tollen neuen Scheinwerfer, mit Zoom und Farbwechslern und computergesteuerter Beweglichkeit nicht eine enorme Bereicherung unserer Möglichkeiten seien können. 
Aber merkwürdigerweise, macht die Menge der Effekte, die Hohlheit des Zentrums sichtbarer. Wenn da also nichts oder wenig gedacht, gewollt, beabsichtigt wird, scheint es, als schrien alle technischen Hilfsmittel ganz laut: "Der Kaiser ist nackt!" Wenn es halt Tünche bleibt, Ornament, Ausweichen vor den Schwierigkeiten der szenischen Kommunikation, Ersatz für Haltungen, wenn keine Reibung entsteht, dann sehne ich mich nach einer leeren, staubigen, halbwegs hellen Bühne mit Spielern, die sich das Herz aus dem Leibe spielen.

Eadweard Muybridge: Animal Locomotion Plate 99 1887