Freitag, 15. April 2011
Theater hat einen Kritiker 3
Haben Sie im Theater schon einmal neben jemandem gesessen, der sich, während der Vorstellung, meist natürlich einer Premiere, mit einem Stift nebst eingebauter Lampe, Notizen machte? Das war ein Kritiker, mit a) sehr schlechtem Kurzzeitgedächtnis, b) Egoproblemen, oder c) einer, der seine Wochenendeinkaufsliste noch nicht geschrieben hatte. Ich kenne Herrn Lawinky nicht, aber kann fast zu gut nachvollziehen, was ihn zu seinem "skandalösen" Verhalten bewegt haben könnte.
http://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/0,1518,402101,00.html
In den ersten Jahren meines Schauspielerdaseins pflegte ich mir, im Publikum sitzend, auch solche Notizen zu machen, nur mental zwar, aber nichtsdestoweniger. Ich wusste, wie es seien muss, was richtig ist und was nicht, warum dann noch Zeit mit dem bloßen Zuschauen verschwenden, wenn ich so meine (innere) Kritik schon während der Vorstellung abfassen konnte. Ist auch sicherer, man kommt nicht in die Verlegenheit, überrascht zu werden. Es hat lange gedauert bis ich wieder Zuschauer wurde, einer mit Erwartungen zwar, aber diese waren nicht mehr unerschütterlich. Was für eine Befreiung, wie viel mehr Vergnügen seitdem.
Judith Anderson als Irina in der "Möwe"
"Zu keinem Zeitpunkt befindet sie sich auf der selben Bühne wie der Rest des Ensembles. Noch ist sie im selben Stück."
"At no single point is she on the same stage as the rest of the company. Nor for that matter is she in Chekov's play."
April - Hilde Domin
April
Die Welt riecht süß
nach Gestern.
Düfte sind dauerhaft.
Du öffnest das Fenster.
Alle Frühlinge
kommen herein mit diesem.
Frühling der mehr ist
als grüne Blätter.
Ein Kuß birgt alle Küsse.
Immer dieser glänzend glatte
Himmel über der Stadt,
in den die Straßen fließen.
Du weißt, der Winter
und der Schmerz
sind nichts, was umbringt.
Die Luft riecht heute süß
nach Gestern –
das süß nach Heute roch.
nach Gestern.
Düfte sind dauerhaft.
Du öffnest das Fenster.
Alle Frühlinge
kommen herein mit diesem.
Frühling der mehr ist
als grüne Blätter.
Ein Kuß birgt alle Küsse.
Immer dieser glänzend glatte
Himmel über der Stadt,
in den die Straßen fließen.
Du weißt, der Winter
und der Schmerz
sind nichts, was umbringt.
Die Luft riecht heute süß
nach Gestern –
das süß nach Heute roch.
Ich will dich
Freiheit
ich will dich
aufrauhen mit Schmirgelpapier
du geleckte
(die ich meine
meine
unsere
Freiheit von und zu)
Modefratz
Du wirst geleckt
mit Zungenspitzen
bis du ganz rund bist
Kugel
auf allen Tüchern
Freiheit Wort
das ich aufrauhen will
ich will dich mit Glassplittern spicken
daß man dich schwer auf die Zunge nimmt
und du niemandes Ball bist
Dich
und andere
Worte möchte ich mit Glassplittern spicken
wie Konfuzius befiehlt
der alte Chinese
Die Eckenschale sagt er
muß
Ecken haben
sagt er
Oder der Staat geht zugrunde
Nichts weiter sagt er
ist vonnöten
Nennt
das Runde rund
und das Eckige eckig
ich will dich
aufrauhen mit Schmirgelpapier
du geleckte
(die ich meine
meine
unsere
Freiheit von und zu)
Modefratz
Du wirst geleckt
mit Zungenspitzen
bis du ganz rund bist
Kugel
auf allen Tüchern
Freiheit Wort
das ich aufrauhen will
ich will dich mit Glassplittern spicken
daß man dich schwer auf die Zunge nimmt
und du niemandes Ball bist
Dich
und andere
Worte möchte ich mit Glassplittern spicken
wie Konfuzius befiehlt
der alte Chinese
Die Eckenschale sagt er
muß
Ecken haben
sagt er
Oder der Staat geht zugrunde
Nichts weiter sagt er
ist vonnöten
Nennt
das Runde rund
und das Eckige eckig
Donnerstag, 14. April 2011
Theater hat einen Kritiker 2
Seit vier Wochen lese ich wieder Tageszeitung, in meinem Fall die Berliner Zeitung und den Tagesspiegel. Den Wirtschaftsteil muss ich weglassen, da ich ihn nicht verstehe, Sport interessiert mich nicht, eine Unterkunft und ein Auto hab ich schon, es bleibt: Politik, Regionales und der Kulturteil. Ein gemischtes Vergnügen. Auch wörtlich, da die vermischte oder "bunte" Seite irgendwie immer am Kulturteil dranhängt. Ist ja alles irgendwie Kultur. Königshochzeiten, schielende Opossums (Ob das der Plural seien könnte?), Oscarverleihungen und Nekrophilie in Brandenburg/Land. Ja, heute über Letzteres gelesen; und die Theaterkritiken, hmmm.
Ich bin mir bewusst, im Lande des Regietheaters zu leben, eine Bezeichnung, die unter der Last der unterschiedlichen Theaterformen, für die sie herhalten muss, schier zusammenbrechen müsste und mag sogar einige, der in solcher Art entstandenen Inszenierungen, aber die Abwesenheit von auch nur ansatzweisen Beschreibungen oder Meinungen über die doch beteiligten Schauspieler ist leicht verstörend. Wenn überhaupt erwähnt, dann meist unter Zusatz einer belanglosen Formel, als da wären: "Wie aus einer anderen Welt", kräftig, sensibel, überzeugend, zart, blah, blah, blah. Manchmal, nein oft, aber auch gar nicht vorkommend. Man spielt da so vor sich hin, gut oder nicht, wenn kümmerts?
Ich will nicht sentimental werden, aber es scheint mir, als wäre das mal anders gewesen. Auch "damals" war selten etwas dabei, was einem weitergeholfen oder wirklich geschmeichelt hätte, aber die Bemühung war vorhanden, und die soll man doch bekanntlich loben. Obwohl, wenn ich es mir nochmal überlege, es gab ein paar Kritiken, in denen wäre ich lieber nicht aufgetaucht oder lieber unter Pseudonym.
Laurence Olivier als Shylock:
"Jeder Disney Fan könnte den Fernseher anmachen und sehen, dass er seine Äußeres Scrooge McDuck nachempfunden hat."
"Any fan of Disney comics could turn on the set and see that he had modelled his appearance on Scrooge McDuck."
Sambor Prei Kuk
Erich Fried - Was Es Ist
Was es ist
Es ist Unsinn
sagt die Vernunft
Es ist was es ist
sagt die Liebe
Es ist Unglück
sagt die Berechnung
sagt die Angst
Es ist aussichtslos
sagt die Einsicht
Es ist was es ist
sagt die Liebe
Es ist lächerlich
sagt der Stolz
Es ist leichtsinnig
sagt die Vorsicht
Es ist unmöglich
sagt die Erfahrung
Es ist was es ist
sagt die Liebe
Erich Fried
Mittwoch, 13. April 2011
Theater hat einen Kritiker 1
Stellen wir uns vor: 8.00 Uhr früh, der Bäcker öffnet seinen Laden, ein Mann in unauffälliger Kleidung tritt herein und kauft ein Brötchen, ein Stück Streuselkuchen und ein halbes Vollkornbrot. Am nächsten Tag in der städtischen Zeitung ein Verriss: "Da ging vieles nicht auf".
Theaterkritik ist ein erstaunliches Ding. Und die, die sie schreiben eine ungewöhnlich heterogene Ansammlung von Menschen. Da gibt es den Doktor der Theaterwissenschaft, der alles weiss und wenn man ihm nur zuhören würde, könnte man es besser machen, den gescheiterten Dramaturgen, der alles besser machen könnte, wenn man ihn nur liesse, den Redakteur fürs Regionale, der abgeordert wurde, weil kein anderer Zeit hat und es schon lang kein eigenes Kulturressort mehr gibt.
Und! Und den Theaterschauer und -schreiber aus Passion, rarer als ein Berliner in Berlin. Er wird geliebt und gefürchtet, denn sein Urteil, auch wenn es vernichtend ist, muss Ernst genommen werden, da es in Leidenschaft geschrieben wurde. Leider verwandelt er sich manchmal mit den Jahren, weil er halt gehört wird und weil er, wie es in der Liebe so ist, oft enttäuscht wird, in eine Institution. Die alte Liebe ist nur noch ein Schatten einer Erinnerung und muss bestraft werden, weil sie ihre Versprechen nicht hat halten können. Die Destruktion, die solch ein enttäuschter Liebhaber anrichten kann, ist phänomenal, besonders, wenn er sich den Liebesverlust selbst nicht eingesteht.
Chas Addams
Katherine Hepburn gab eine beeindruckende Vorstellung, die gesamte Skala der Gefühle umfassend, von A bis B.
Katherine Hepburn delivered a striking performance that ran the gamut of emotions, from A to B. Dorothy Parker Vogue 1916
Dienstag, 12. April 2011
Johnny Depp - Eine Schwärmerei
Professor experimentiert an unschuldigem Jungen, transplantiert ihm Scheren anstelle der Finger, der Professor stirbt, der Junge lebt einsam, wird von ebenfalls unschuldigem Mädchen entdeckt und in das Haus ihrer Familie mitgenommen, die ihn, nach anfänglichem Misstrauen, sehr herzlich aufnimmt. Er wird Landschaftsgärtner und Friseur, es kommt zu unverschuldeten Unfällen und zu keinem Happyend.
Eher durch Zufall geriet ich in meinen ersten Tim Burton/Johnny Depp Film und dieser Abend wurde zum Beginn einer Passion.
Ich gestehe hiermit öffentlich, dass ich Johnny Depp anbetungswürdig finde.
Und sicher, er ist ein wirklich erstaunlicher Schauspieler, dazu später, aber er ist auch noch so schön, dass es beinah unwirklich ist.
Es ist heraus. Ich bin ein Fan. Ich reise ihm nicht nach und ich besitze auch keinen Hausaltar, ich will nicht mal sein Autogramm, aber gucken tue ich. Ich glaube, ich kenne alle seine Filme (außer Twenty One Jumpstreet), manche habe ich mehr als einmal gesehen. (Wenn das Geheimnis erst einmal heraus ist, warum dann nicht die ganze Wahrheit sagen!) Ich sehe mir auch alle Interviews, derer ich habhaft werden kann, an und hin und wieder gehe ich auf Klatschseiten im Netz oder in diesen bunten Zeitungen, die ja keiner von uns liest, und lese unwahre Geschichten über ihn, mit Genuss!
"Edward Scissorhands"
"If you catch me saying 'I am a serious actor,' I beg you to slap me."
"Sollten Sie mich dabei erwischen, wie ich mich als ernsthaften Schauspieler bezeichne, bitte ich Sie mich zu schlagen."
Er hat jahrelang merkwürdige Filme gedreht, die manchmal nur relativ wenige Leute sehen wollten und dann bietet man ihm die Rolle eines Piraten an, jeder weiss doch, dass Piraten schön und romantisch sind und er geht und nimmt sich den guten alten Keith Richards zum Model, behängt sich mit circa 50 Pfund Schmuck, verkleidet sogar seine Zähne, erfindet einen Gang, irgendwo zwischen Seemann, schwerem Trinker und ungeschickter Dragqueen, das alles unter dem zunehmend panischen Widerstand der Produzenten, und trägt dann den Film ganz alleine weg. Und all die anderen, die Blooms und Kneightlys verblassen in Fadheit (vielleicht mit Ausnahme von Geoffrey Rush). Es wird erzählt, er wollte auch noch eine falsche Nase haben, die echte war Sparrow in einem Kampf abgebissen worden und die sollte, wann immer er niessen musste, und das wäre sicher oft gewesen, abfallen. Er hat das als "zu viel" dann weggelassen. Man glaubt ihm, dass er Spass hat.
In "Don Juan de Marco" spricht er den schönsten nichtexistenten spanischen Akzent, in "Benny und Joon" verneigt er sich auf zärtlichste vor Chaplin und schon der Wutausbruch im rosa Mohairjäckchen in "Ed Wood" würde genügen, um ihm im Pantheon der wahren Spieler einen Platz zu sichern
"Ed Wood"
http://www.youtube.com/watch?v=mayfxYTOs3k&feature=related
Ein Clip aus "Cry Baby" von John Waters
Ich bin nicht oft Fan, aber bei ihm ist es mir eine Ehre.
Montag, 11. April 2011
e.e. cummings - niemand ist immer ein verlierer
niemand ist immer der verlierer
ich hatte einen Onkel namens
Sol der ein geborener misserfolg war und
fast jeder sagte er hätte zum zirkus
gehen sollen vielleicht weil mein Onkel Sol wie der
teufel McCann Der War Ein Taucher zu Weihnachten singen konnte was
möglicherweise oder auch erklären könnte das mein Onkel
Sol dem wahrscheinlich unentschuldbarsten
aller um ein hochgestochenes wort zu benutzen
genüsse frönte die es gibt näm-
lich einen hof zu bewirtschaften und es
sei unnötigerweise
erwähnt
meines onkels Sol hof scheiterte
weil die hühner
das gemüse aßen da
hatte mein onkel Sol einen
hühnerhof bis
die stinktiere die hühner aßen dann
hatte mein onkel Sol
eine stinktierfarm aber
die stinktiere erkälteten sich und
starben und da
imitierte mein onkel Sol die
stinktiere auf subtile art
oder indem er sich im wassertank ertränkte
aber jemand der meinem Onkel Sol einen Victrola
Phonographen und platten gegeben hatte als er noch lebte schenkte
ihm zum günstigen anlass seines dahinscheidens ein
fabelhaftes um nicht zu sagen extraordinäres begräbnis mit
großgewachsenen jungs mit schwarzen handschuhen und blumen und allem und
ich erinnere mich wir haben alle geweint wie der Missouri
als der sarg meines Onkels Sol schlingerte weil
jemand einen knopf drückte
(und hinab ging
mein Onkel
Sol
und gründete eine wurmfarm)
http://econtent.unm.edu/cdm4/item_viewer.php?CISOROOT=/RobbFieldRe&CISOPTR=2982&CISOBOX=1&REC=1
Das ist eine Aufnahme des Liedes "McCann He Was A Diver"
nobody loses all the time
i had an uncle named
Sol who was a born failure and
nearly everybody said he should have gone
into vaudeville perhaps because my Uncle Sol could
sing McCann He Was A Diver on Xmas Eve like Hell Itself which
may or may not account for the fact that my Uncle
Sol indulged in that possibly most inexcusable
of all to use a highfalootin phrase
luxuries that is or to
wit farming and be
it needlessly
added
my Uncle Sol's farm failed
because the chickens
ate the vegetables so
my Uncle Sol had a
chicken farm till
the skunks ate the chickens when
my Uncle Sol
had a skunk farm but
the skunks caught cold and
died and so
my Uncle Sol imitated the
skunks in a subtle manner
or by drowning himself in the watertank
but somebody who'd given my Uncle Sol a Victor
Victrola and records while he lived presented to
him upon the auspicious occasion of his decease a
scruptious not to mention splendiferous funeral with
tall boys in black gloves and flowers and everything and
i remember we all cried like the Missouri
when my Uncle Sol's coffin lurched because
somebody pressed a button
(and down went
my Uncle
Sol
and started a worm farm)
e.e. cummings - nach träumen springen
weil es
frühling ist
machen
dingE leute
(& nicht
anders
rum) weil es
A
pril ist
leben leben ihre
personen(an
statt
die alleranderen) aber
was ganz wunderbar ist mein
Liebling
ist dass du &
ich mehr sind als du
& ich (we
i
l es ist wir)
Karl Schmidt-Rottluff Taunusfrühling
because it's
Spring
thingS
dare to do people
(& not
the other way
round)because it
's A
pril
Lives lead their own
persons(in
stead
of everybodyelse's)but
what's wholly
marvellous my
Darling
is that you &
i are more than you
& i(be
ca
us
e It's we)
springe nach träumen
sonst kann ein spruch dich umhaun
(bäume sind ihre wurzeln
und wind ist wind)
vertraue deinem herzen
wenn die see feuer fängt
(und lebe mit liebe
auch wenn die sterne rückwärts gehn)
ehre die vergangenheit
doch begrüsse die zukunft
(und tanze deinen tod
fort bei der hochzeit)
kümmere dich nicht um die welt
mit ihren verbrechern und helden
denn gott liebt mädchen
und morgen und die erde.
dive for dreams
or a slogan may topple you.
(trees are their roots
and wind is wind)
or a slogan may topple you.
(trees are their roots
and wind is wind)
trust your heart
if the seas catch fire
(and live by love
though the stars walk backward)
honour the past,
but welcome the future
(and dance your death
away at the wedding)
never mind a world
with its villains or heroes,
(for god likes girls
and tomorrow and the earth)
with its villains or heroes,
(for god likes girls
and tomorrow and the earth)
Sonntag, 10. April 2011
Theater hat einen Vorhang
Erinnerung: Kurz vor Vorstellungsbeginn, aus dem Saal klingt es wie Meeresrauschen, hinterm Vorhang zehn Schauspieler in einer Mischung aus Auf- und Erregung, sie umarmen sich sehr innig, sie brauchen das, um sich nahe zu kommen, zu fühlen, zu riechen. Sie spielen das Stück schon acht Jahre, vielleicht zweimal im Monat, da ist es jedesmal ein wenig wie Premiere. Dann jeder auf seinen Platz, der Vorhang geht auf, er ist rot, die Bühne ist es auch, das Stück heisst "Dantons Tod".
Diese kurze Zeit 'bevor' ist von eigenartiger Erotik. Fast jeder Spieler hat dafür eigene Rituale, manchmal verschiedene für verschiedene Stücke; Textstellenrepetion, monotone Wandergänge durchs Theater, gnadenlos idiotische Witze, Kotzen, spezielle Unterwäsche, Atemübungen, die, wenn man sie auf Video aufnähme, einen weiteren Beweis für Darwins Theorie unserer Abstammung liefern könnten, und eben auch Anfassen, Küssen, Umarmen.
Der Vorhang trennt, versteckt, schützt. Für den Zuschauenden er ist wie Geschenkpapier, gleich, gleich wird ausgepackt.
Das Allerheiligste im Jerusalemer Tempel war hinter einem Vorhang verborgen. Als Jesus starb, „riss der Vorhang des Tempels entzwei“ (Matthäus 27,51), „von oben bis unten“, präzisiert Markus (15,38) und Lukas fügt hinzu: „...mitten durch…“ (23,45). Die Trennung zwischen Heiligem und dem Profanen war gefallen. Alles war nun sichtbar. Jedenfalls scheinbar.
Denn das ist so ein Ding mit dem Vorhang, er geht auf, aber das Publikum sieht trotzdem (meist) nicht die ganze Bühne. Da ist noch das Geheime hinter dem Öffentlichen. Der Zuschauer sieht immer nur einen Ausschnitt der (Theater-) Welt, sowohl im Sinne des Stückes, das nur eine Geschichte von vielen möglichen erzählt, als auch im Sinne dessen was er von der Vorstellung zu sehen bekommt. Mit dem Vorhangöffnen nehmen wir eine Maske ab, um andere zu zeigen.
Shakespeares Truppe hat lang im "Curtain Theater" gespielt, das hiess allerdings nur so, weil es in Curtain Close, Shoreditch in London stand. Das Elizabethanische Theater hatte nur ganz hinten einen kleinen durch einen Vorhang abgetrennten Raum, die Proszeniumsbühne mit Hauptvorhang kam erst nach der Restaurationsperiode in Mode.
Schön ist auch durch den Vorhang in den Zuschauerraum zu lugen. Heimlich. Ich liebe das. Außer bei einem Gastspiel in Frankreich, wo ich eine Minute vor Vorstellungsbeginn dabei feststellte, dass der Saal vollkommen leer war. Ich wusste noch nicht, dass Franzosen erst eine gute Viertelstunde später kommen.
In einer alten englischen Kritik stand: "Der Vorhang öffnete sich um 19 Uhr, das hätte er nicht tun sollen." Das war die gesamte Kritik. Mehr nicht.
---------------------------------------------------------------------------------------------------------------------------
Aulaeum Das griechische Wort ἡ αὐλαία, von dem das lateinische aulaeum abzuleiten ist, bezeichnet den Vorhang oder Teppich, der einen Innenraum gegen das Freie zu abschliesst, indem er die Stelle einer festen Wand oder einer Thür vertritt.
Als sich in den Theatern die Notwendigkeit einstellte, die Bühne zeitweise den Augen der Zuschauer zu entziehen, schienen derartige Vorhänge geeignet, den Schauspielraum gegen den Zuschauerraum abzuschliessen. So bekommt alaeum in Rom die Bedeutung Theatervorhang.
(Paulys Realencyclopädie der classischen Altertumswissenschaft)
http://de.wikisource.org/wiki/RE:Aulaeum
Das Theater von Saepinum: im Bodenschlitz vor wurde vermutlich der Vorhang versenkt.
Es gibt ganz verschiedene Theatervorhänge. Wikipedia nennt, den nach oben aufgezogenen "deutschen" Vorhang, den zu den Seiten aufziehbaren "griechischen" Vorhang, den"italienischen" Vorhang, der oben zusammenbleibt und der durch unten an den Kanten befestigte Seile diagonal geöffnet wird, den "französischen" Vorhang, der mit zwei kombinierten Zügen sowohl nach oben als auch diagonal aufgezogen wird, eine Variante davon ist der "Wagnervorhang". Der Wolkenvorhang, den Rollvorhang (Rolle oben), Wickelvorhang (Rolle unten) und die "Brechtgardine".
Wagnervorhang im Schauspielhaus Graz
Früher waren Theatervorhänge meist in königlichem Rot und aus Samt. Die Brechtgardine natürlich aus naturbelassenem Nessel!
Brechtgardine, vermutlich "Dreigroschenoper"
Und es gibt natürlich den EISERNEN Vorhang, aber erst seit einem verheerenden Theaterbrand im Wiener Ringtheater 188, bei dem fast 400 Zuschauer ums Leben kamen! Wahnsinns Geschichte, ein echtes Drama im Theater, bei dem das Publikum wahrhaftig Feuer fing und es danach kein Theater mehr gab.
http://www.suite101.de/content/der-brand-im-wiener-ringtheater-1881-a63073
Noch in meinen Anfängerjahren gab es am Deutschen Theater den "Vorhangzieher", einen Spezialisten, der nur den Vorhang zog, der an Hanfseilen wie auf einer Laute spielen konnte.
Und dann nennt man auch noch die Menge der durchapplaudierten Verbeugungen Vorhang, weil früher dafür immer der Vorhang geöffnet und wieder geschlossen wurde.
Abonnieren
Posts (Atom)