Gedreht 1976 mit Donald Sutherland in der Titelrolle ist es einer der wenigen Filme, die ich mindestens 10 Mal gesehen habe.
Wo anfangen? Das Szenenbild, theatralisch, gewaltig, eine barocke Sinnesorgie, die Menge der Details, Farben, Überraschungen nahezu überwältigend, nie naturalistisch, oft wie das Bühnenbild einer überdimensionalen Theaterinszenierung. Das Meer ist faktisch aus blauer Seide, der Kaiser bewegt sich auf einem meterhohen rollenden Stuhl, übergroße geschlossene Himmelbetten rumpeln durch Sex angetrieben durchs Haus, alles ist größer als es seien sollte, bunter, verlängert, verbreitert - kurz überhöht. Dazu Kostüme aus der Imagination eines lustbesessenen Barockbruders von Dolce und Gabbana oder einer -schwester von Vivienne Westwood, Danielo Donation wurde hierfür 1977 mit dem Oscar für das beste Kostümdesign ausgezeichnet. Eine zarte , sehr kleine, eingehüllte Nonne, erweist sich von hinten als offen für alles. Casanova selbst, eine schrille Überspitzung von Häßlichkeit und männlicher Sexualität.
Fellini soll lang nach einem Produzenten für das Projekt, die Verfilmung von Casanovas Autobiographie "Geschichte meines Lebens" gesucht haben, er fand ihn endlich in Alberto Grimaldi. Allerdings wird berichtet, dass Fellini zu diesem Zeitpunkt schon die Lust an der Unternehmung verloren hatte, er soll gesagt haben: "Ich hasse Casanova."
Aber er hat den Film gemacht, Gott sei Dank, und Donald Sutherland als Casanova besetzt und entstanden ist vielleicht der unsentimentalste, garstigste und, für mich, wahrhaftigste Film Fellinis.
Wie fast immer der MANN im Mittelpunkt, nur diesmal nicht Mastroianni, sondern dieser hagere kantige Kanadier mit der fabelhaften Stimme voller Erotik und einer offensichtlichen Lust an der Zersetzung eines, wenn nicht DES italienischen Nationalheiligtums.
Casanova als Philosoph und Schreiber sucht nach Anstellung und Anerkennung und niemand interessiert sich dafür, alle wollen ihn vögeln sehen, die einzige Profession in der er Erfolg hat. Es wird viel gevögelt in diesem Film, laut gestöhnt, wild gerammelt, präzise durchgefickt und kalt gerammelt, und nirgends eine Spur von Nähe. In der letzten Szene sehen wir Casanova, nun alt und angestellt als Bibliothekar eines Böhmischen Grafen, in der einzigen Liebesszene des Filmes, tanzend in großer Zärtlichkeit mit einer Puppe. Herzzerreißend.
Der Film war übrigens ein kolossaler Kassenflop.
Fellini sagte später: "Was habe ich mit diesem Film machen wollen? Ein gutes Stück weiter zum letzten Grund des Kinos gelangen, zu dem, was meiner Meinung nach der totale Film ist. Also dahin, dass es einem gelingt, aus einem Film ein Gemälde zu machen. ... Das Ideale wäre ein Bild aus einem einzigen Bild zu machen, das ewig feststeht und voller Bewegung ist." (zitiert nach "Casanova", Diogenes 1977) und Sutherland: "“in his relations with actors, Federico was dreadful, a martinet, a tyrant.” aber auch “Fellini is constantly threatened by his own superficiality, and is constantly running away from it...".