Das Schloß ist jetzt ein feines Hotel, die große Terrasse, ein Aushängeschild des Luxusetablissements, wird allerdings, jetzt mitten im Sommer, in der Hochsaison, saniert, man muß halt drinnen essen. "Wir danken für Ihr Verständnis", dass als gegeben vorausgesetzt wird. Ich verstehe es nicht.
Am Abend am Nebentisch Männer in martialischer Kleidung, die Vertreter der siebzehn Beretta-Hersteller auf ihrer Jahrestagung, morgens um halb Fünf werden sie mit ihren Berettas im Wald auf die Jagd gehen. Die Firma gibt es übrigens seit 1526!
Im zum Hotel gehörigen Seehaus tagen die Mitarbeiter einer Optikerkette, nachmittags bauen sie, gekleidet in orange Schwimmwesten, in vier Gruppen Flöße aus Reifen und Brettern, um den Team- und Konkurrenzgeist zu schulen. Optiker auf Flößen. Exotisch.
Ausflug in Preussenmuseum in Wustrau. Sorgsam zusammengestellt, intelligent kommentiert, liebevoll arrangiert. Lohnt sich.
Das einzige Cafe im Ort hat nur übers Wochenende geöffnet.
In allen Dörfern, durch die wir fahren, und es sind viele, sind die Lebensmittelläden endgültig geschlossen, die Hälfte der Gaststätten auch.
Der sehr angepriesene Hofladen in Hesterberg steht, im Hochsommer, wegen Umbau nicht zur Verfügung.
Wir baden in herrlichen Seen, laufen durch lebendige Wälder.
Ist es das Klima oder nur das Wetter! Der Mais ist knapp 50 Zentimeter hoch, die Bäume spielen schon Herbst, es dörrt und dürrt allerorten. Der Wasserstand der Seen, Flüsse, Tümpel, Bäche ist kläglich niedrig.
In Neuruppin landen wir auf der Suche nach einem Mittagessen. Im ersten Restaurant hat sich die einzige Kellnerin, die fröhlich mit ein paar Leuten schwatzt, nach zehn Minuten immer noch nicht zu uns umgedreht, wir gehen weiter, finden ein zauberhaftes Lokal in einem Innenhof, alle schon anwesenden Gäste sitzen im Schatten eines Sonnenschirms. Ich bitte den Kellner für uns einen weiteren Schirm zu öffnen, denn es ist heiß und grell in der Mittagssonne. Und jetzt kommt der Zaubermoment: Wie der Kasper aus der Kiste, springt dem vielleicht dreissigjährigen Mann, die Lust an der Macht über uns, seine Gäste, ins Gesicht. Er strahlt und sagt lustvoll "NEIN." 'Es würde in einer halben Stunde regnen und dies seien Sonnenschirme und keine Regenschirme und so oder so sei der Wind zu stark.' Währendessen steht der eine aufgespannte Schirm ungerührt und still hinter ihm unter wolkenfreiem blauem Himmel.
In der DDR hieß das "Sie werden plaziert." und das böse Spiel war, den wartenden Gast so lang wie irgendwie möglich zu ignorieren. Wird diese Art von Gastmißbrauch, Verweigerung von Freude am Kundendienst auf geheimnisvolle Weise im Osten von Generation zu Generation weitergegeben? 'Wir wollen Touristen anlocken, an ihnen verdienen, aber deshalb müssen wir sie doch nicht auch noch freundlich behandeln!' Fühlt dieser Mann sich als einer der Abgehängten? Wen wird er dieses Wochenende wählen? Es hat nicht geregnet und außer einer leichten Brise ging den ganzen Tag kein Wind.
Gegenbeispiel. In Liebenwalde an der Schleuse gibt es ein kleines Restaurant mit angeschlossenem Kiosk, Frau Holzendorf, die Besitzerin, schmiert mir nach meinen Wünschen ein saftiges Lachsbrötchen, ihre Karte ist klein und fein, sie lacht, sie freut sich, wenn es mir schmeckt. Die hätte ich gern bei mir um die Ecke und drücke ihr die Daumen, dass sie viele Gäste hat und dabei gut verdient.
Der Hof mit Kirche von Schloß Liebenberg |
Vorige Woche am Hackeschen Markt in der Mitte von Berlin.
Ein Mann auf einer Bank an der Strassenbahnhaltestelle hinter dem S-Bahnhof, in sich zusammengesunken. Müde, betrunken, krank? Ich habe einen jungen Mann gebeten, ihn anzustupsen, weil ich ein ängstliches Bündel bin, er war wirklich nur sehr erschöpft. Gut.
Zehn Meter weiter lag ein Mann auf dem Bürgersteig, Rucksack auf dem Rücken, einen kleinen Wachhund neben sich. Vielleicht war er tot, wahrscheinlich nur sturzbetrunken.
Ein Kellner des naheliegenden restaurants brachte dem Hund eine Schüssel Wasser, die dieser verweigerte, weil er sein Herrchen beschützen mußte. Nachdem ich 110 angerufen hatte, saß ich da, wartete auf den Krankenwagen und beobachtete die Passanten. Ich habe nicht viel getan, ihn anzufassen habe ich ich mich wieder nicht getraut, nur mein Handy benutzt.
Vielleicht 50 Menschen liefen vorbei. Manche gänzlich auf sich konzentriert, bemerkten ihn nicht. Andere schauten irritiert, bestürzt auf den regungslosen Körper, erwägten kurz, ob sie etwas tuen sollten und entschieden sich dagegen. Ein paar stiegen über ihn weg.
Es kam kein Krankenwagen, sondern zwei grüne Minnas, vier Polizisten haben den komatösen Mann unter dem aufgeregten Gebell seines treuen Hundes, aus der prallen Sonne in den Schatten geschleppt. O-Ton Polizist: "Es ist sein freier Wille."
Was ist los mit uns? Ich habe Angst vor besoffenen Männern, ja, Menschen geraten in die Fänge des Alkohols, in die Macht der Drogen, werden sie dadurch unsichtbar, überflüssig, Abfall?