Ich bin in der DDR aufgewachsen, wo es aus gänzlich unfeministischen, ökonomischen Gründen Usus war, dass nahezu alle Frauen arbeiteten. Nahezu ALLE. Meine erste echte Hausfrau habe ich im Westen kennengelernt. Das ist kein Werturteil, nur eine Beobachtung. Die Pille war in der DDR kostenlos, Abtreibung seit 1972 legal und ohne vorherige Gewissensprüfung, Kindergartenplätze standen allen zur Verfügung, auch wenn man über die Qualität der Kinderbehandlung, weiß Gott, streiten könnte. Doch Lohngleichheit gab es nicht. Und auch keine Chancengleichheit. Aber auf eine mir nicht wirklich erklärbare Art war ich nie im Zweifel darüber, dass ich Männern gleichwertig bin. Nicht gleichberechtigt, das halte ich für ein Ding der Unmöglichkeit, denn wir sind biologisch verschieden, und das ist "gut so". Aber Unterschiedlichkeit war mir auch nie ein Gradmesser von Qualität.
Du bist anders als ich, ich kann dies besser, du jenes.
Erst nach 1989 wurde ich mit fundamental anderen Ansichten zum Geschlechterverhältnis konfrontiert. Einiges schien mir esoterisch, einiges verkrampft, einiges spannend. Aber, was mich auch bei den interessanten Positionen irritierte war der Mangel an ökonomischem Denken. Wenn ich genauso viel verdiene, wie ein Mann, der eine der meinen gleichwertige Arbeit leistet, wenn ich meine Kinder für wenig Geld sicher und gut versorgt unterbringen kann, während ich arbeiten gehe, dann sind meine Möglichkeiten gleichgestellt zu leben, unendlich höher. Sicher vernachlässige ich hier viele andere geschlechtsspezifische Probleme, aber als Grundlage einer produktiven Auseinandersetzung scheint mir, dass ökonomische Gerechtigkeit die wichtigste zu erkämpfende Vorraussetzung wäre.
Am 24 Oktober 1975 streikten etwa 90% der isländischen Frauen für das Recht auf gleichen Lohn bei gleicher Arbeit. Und sie gingen noch weiter und verweigerten an diesem Tag jede Art von Arbeit, Küchenarbeit, Hausarbeit, Versorgungsarbeit. Sie überließen auch die Versorgung ihrer Kinder den nichtstreikenden Männern und gingen - aus. Das Wort Streik wurde nicht verwendet, sondern sie nannten es einen "freien Tag".
2.25 Uhr haben wir "schon unsere Gehäter erarbeitet", nach 65, 65% eines gewöhnlichen Arbeitstages.
In Reykjavik trafen sich 25 000 Frauen, bei einer damaligen Einwohnerzahl von 220 000 waren das wirklich viele, tranken Kaffee, rauchten (1975!) und redeten miteinander.
25 000 Frauen auf einem riesigen Haufen, man stelle sich das akustisch vor.
Vigdís Finnbogadóttir wurde 1980 als erste europäische Frau zur Präsidentin ihres Landes gewählt. Sie blieb bis 1996 im Amt.
Trotzdem verdiente 2005 eine Isländerin 64.15% des entsprechenden Lohnes ihres männlichen Kollegen. 2013 lag der Verdienst einer isländischen Frau immer noch 19.9% unter dem eines männlichen Isländers. Aber sie arbeiten weiter dran.
"In the past year 20 major companies in Iceland have been awarded certificates showing they giver their male and female employees equal pay for equal work, and many more companies will follow."
2014
http://www.nordiclabourjournal.org/i-fokus/iceland-back-on-its-feet/article.2014-06-12.6461720786