Manchmal muß es einfach wohliger genüsslicher Matsch sein.
Das Rezept ist von Nigella Lawson!
Schalotten und Staudensellerie kleinklein schnipseln und in etwas Butter und Olivenöl anschwitzen, aber nicht bräunen.
300 Gramm Risottoreis reinrühren bis alle Reiskörner von der buttrigen Flüssigkeit bedeckt sind.
Einen Liter Gemüsebrühe, das ist ein Liter Wasser mit etwas Gemüseboullion, vorbereiten.
Eine Kelle zum Reis, rühren bis die Flüssigkeit aufgesogen ist, zweite Kelle, rühren, dritte Kelle, rühren und so weiter. Ein ganz wenig Rosmarin dazu und die geriebene Schale einer halben Zitrone. Und immer wieder Brühe rein und rühren bis der Reis schön cremig und weich ist. (Zur Not auch mehr Flüssigkeit dazu.)
Jetzt komt's! Sahne mit einen Eigelb, dem Saft einer halben Zitrone und schön Parmesan vermischen, Reis vom Herd, und die Sahnemasse unterrühren. Es erfolgt ein Farbwechsel zu wundervollem, sattem Goldgelb.
Manchmal muß es einfach wohliger genüsslicher Matsch sein.
Mittwoch, 15. Juli 2020
Donnerstag, 9. Juli 2020
Meine Harzreise
Auf die Berge will ich steigen,
Wo die frommen Hütten stehen,
Wo die Brust sich frei erschließet,
Und die freien Lüfte wehen.
Auf die Berge will ich steigen,
Wo die dunkeln Tannen ragen,
Bäche rauschen, Vögel singen,
Und die stolzen Wolken jagen.
Lebet wohl, ihr glatten Säle!
Glatte Herren, glatte Frauen!
Auf die Berge will ich steigen,
Lachend auf euch niederschauen.
Wo die frommen Hütten stehen,
Wo die Brust sich frei erschließet,
Und die freien Lüfte wehen.
Auf die Berge will ich steigen,
Wo die dunkeln Tannen ragen,
Bäche rauschen, Vögel singen,
Und die stolzen Wolken jagen.
Lebet wohl, ihr glatten Säle!
Glatte Herren, glatte Frauen!
Auf die Berge will ich steigen,
Lachend auf euch niederschauen.
Heinrich Heine
Den letzten Abend unserer kurzen Harzreise, die wir wegen miesem Wetter morgen vorzeitig beenden werden, verbringen wir auf dem Gelände des ehemaligen Klosters Drübuck, jetzt ein evangelisches Tagungszentrum, preisgünstig, hocheffizient und angenehm eingerichtet. Im Garten singen alte und nicht so alte Menschen "Jesus is coming, yes I know.", als Kanon, klatschen auf die Eins und ein Schaf blökt den Chorus. Eine mir fremde Welt.Gestern ein andres Kloster, von einer Stiftung geführt, mit gläsener Rezeption, erstklassig erhaltener romanischer Kirche und Gästezimmern in DDR-Barock - meine Duschtür hing mit letzter Kraft an nur einer Schraube, die Wasserleitung war in schwarzem Gummi auf der Wand verlegt, für das Mobiliar hätte sich Hellerau in Grund und Boden geschämt und dann hat man auch noch versucht uns den doppelten Zimmer-Preis abzunehmen.
Der Harz. Es ist merkwürdig hier. Eine milde, hügelige Landschaft, gesprenkelte Städtchen voller Fachwerkhäuser, farbenfroh in Quedlinburg und Wernigerode, schiefergrau in Goslar.
Die Hochsaison ist in vollem Gange nach monatelanger Einschränkung des Betriebes, aber Sehenswürdigkeiten schließen um 14.00 oder 16.00 Uhr, Läden ebenfalls. Es gibt Unternehmungen, die sich unglaublich anstrengen, interessante und unterhaltsame Erlebnisse zu bieten, und andere benehmen sich, als ob Corona, die vergangenen "Sie werden plaziert"-Zeiten zu ihrer persönlichen Erleichterung zurückgebracht hat. Wie empfindlich ich immer noch bin, nach mehr als dreissig Jahren, diesem dienstunbeflissenen Ton gegenüber.
In der wunderschönen Harzer Schmalspurbahn hinauf zum Brocken, das Ticket kostet 47 Euro , die Toilette heißt noch Abort, ertönt nach jedem Halt ein enthusiastischer Einspieler über die Schönheit des Fichtenwaldes und seine jetzt stattfindende, natürliche Rengeneration zum ursprünglichen Mischwald.
Aber was mein Auge sieht, ist das blanke Gegenteil, tote Bäume, ihre Skelette tragisch aufrecht neben- und hintereinander aufgereiht. Wann werden sie sich niederlegen dürfen? Von fern betrachtet waren es nur vage breite rötliche Schnitte im Leib des Waldes, nun, aus der Nähe, erinnert das Bild an Leichenberge, zu denen sich jeder Vergleich verbietet. Die vor hunderten Jahren gepflanzten Fichten lieferten Bau- und Brennholz für den Bergbau, ein künstliche Monokultur, aber die trockenen Sommer der letzten Zeit öffneten dem schon immer anwesenden Borkenkäfer Tor und Tür und er tut, was er tun muß, er frißt. Vielleicht ist der Regen jetzt ein Segen, vielleicht muß Altes sterben, damit Neues wachsen kann, aber die vielen kahlen, borkenlosen Stämme heute, ihre nadelberaubten Äste und Zweige - ich habe selten so was Trauriges gesehen.
Mittwoch, 17. Juni 2020
Meine Mama - Barbara Marie- war einst ein Kind
Meine Mama.
Irgendwann irgendwo in Skandinavien, zwischen 1935 und 1941, eher nach 1937. Sie sieht sehr jung aus, vielleicht 7 oder 8. Ihre Kniestrümpfe sind runtergerutscht an ihren dünnen Kinderbeinen. Kinderknie. Die Gelenke wie kleine Wurzelballen zwischen den schmalen Gliedern. Zauberhaft. Die Jacke ist wohl nicht ihre, viel zu groß. Was hat sie da an der Leine? eine Puppe, eine Wurzel? Den Blick kenne ich. Von mir. Defensiv, wenn Du mir frech kommst, haue ich Dir eine runter.
Sie ist mit ihren Eltern und ihrem Bruder auf der Flucht vor den Faschisten. Das sieht man nicht, aber ich weiß es. 1933 aus Deutschland von einer mutigen Calvinistin herausgeschmuggelt, mit kurzem Zwischenstop in der abweisenden Schweiz, ging es danach nach Dänemark, Schweden & Finnland. In Dänemark lernte sie die Sprache, hatte Schulfreunde, in Schweden lernte sie auch und hatte aber schon weniger Freunde, Finnland mit seiner so sehr fremden Sprache ließ ihr nur ein Jahr Zeit und nur eine Freundin. Ein kurzer Zwischenstopp im stalingepeinigten Russland und dann ging es, lebensrettend, nach Los Angeles, Santa Monica.
Sie war im Herzen eine Amerikanerin, bis zum Schluß. Auch wenn sie als deutsche Jüdin dort nie willkommen war. Aber die Samstage im Kino, drei Filme für einen Dollar, die Bananasplits und die Sprache, eine, die sie Zeit genug hatte, wirklich zu lernen, haben sie geprägt. Ich, eine ältere Dame, habe dieses Photo heute durch Zufall zum ersten Mal gesehen, meine alte Mutter, als sie ein Kind war. Ein trauriges Kind. Ich könnte heulen, aber ich will nicht.
Tausende traurige, dünne, ungelenke, heimatlose Kinder in Flüchtlingslagern überall auf der Welt.
Sonntag, 7. Juni 2020
Das C-Wort XXI - Disziplin
Es ist knallhart, dieses Probieren in Corona-Zeiten.
Meine Spieler sind Helden, spielgeil und gleichzeitig vernünftig. Ja, das geht.
Nicht anfassen! Nicht küssen! Nicht ohrfeigen! Nicht streicheln!
Wird leise gesprochen, dürfen wir nackt bleiben, gesichtsnackt, mit Mimik und Schweiß.
Aber bei lautem Sprechen oder Singen werden sechs Meter Abstand verlangt und sofort rauf mit den Plastikschilden!
Für viel Geld gibt es entspiegelte Schilde, aber das Geld haben wir nicht!
Also sehe ich im schlimmsten Fall kein Gesicht, sondern nur den Widerschein eines oder mehrerer Scheinwerfer!
Die Stimmen meiner Spieler schallen von ihrem Schild zurück, der Zuhörende hört eine durch den Kunststoff abgedumpfte Version.
Auf der Pro-Seite: wird jemand aggressiv, verwandelt sich die Maskenbewaffnung des Gegenübers in eine starke Theater-Haltung.
Unser Stück verlangt meistens Abstand, GottseiDank!
Wir alle wissen, dass wir ein gefährliches Spiel spielen und die Intimität der Proben tut ihr Eigenes, unseren Regelgehorsam zu gefährden.
Und nun, nach einer corona-unwissenden Probenphase bis zu drei Wochen vor der Premiere und einer zweiwöchigen corona-geprägten jetzt im Mai & Juni, soll unsere Premiere im September sein.
Aber in den Unterbrechungsmonaten verändere ich mich, denke neu, denke anders, meine Weltsicht verändert sich.
Was wird uns im September passieren? Welche Regeln gelten dann? Wie denke ich dann?
Wieviele Zuschauer dürfen wir einlassen? Genug, um unser finanzielles Überleben zu ermöglichen?
Die bremer shakespeare company ist ein teilsubventioniertes privates Theater und verhält sich in dieser Krise ungewöhnlich sozial. Ausgefallene Vorstellungen wurden bezahlt, Mein Honorar zu mehr als der Hälfte ausgezahlt.
In unseren Proben treffen Kompromissbereitschaft und anarchisches Spielbedürfnis aufeinander und wir nutzen jede Möglichkeit der Unterwanderung, was bleibt uns anderes übrig?
I wish.
Ach wäre doch alles anders!
Ach wäre der Mistkerl Trump nicht psychotisch.
Ach wäre Hautfarbe eine Nebensächligkeit.
Ach wäre die Welt einsichtiger.
Ach wäre ich vorsichtiger.
Corona ist eine Spaßbremse!
Und ein Killer!
Meine Spieler sind Helden, spielgeil und gleichzeitig vernünftig. Ja, das geht.
Nicht anfassen! Nicht küssen! Nicht ohrfeigen! Nicht streicheln!
Wird leise gesprochen, dürfen wir nackt bleiben, gesichtsnackt, mit Mimik und Schweiß.
Aber bei lautem Sprechen oder Singen werden sechs Meter Abstand verlangt und sofort rauf mit den Plastikschilden!
Für viel Geld gibt es entspiegelte Schilde, aber das Geld haben wir nicht!
Also sehe ich im schlimmsten Fall kein Gesicht, sondern nur den Widerschein eines oder mehrerer Scheinwerfer!
Die Stimmen meiner Spieler schallen von ihrem Schild zurück, der Zuhörende hört eine durch den Kunststoff abgedumpfte Version.
Auf der Pro-Seite: wird jemand aggressiv, verwandelt sich die Maskenbewaffnung des Gegenübers in eine starke Theater-Haltung.
Unser Stück verlangt meistens Abstand, GottseiDank!
Wir alle wissen, dass wir ein gefährliches Spiel spielen und die Intimität der Proben tut ihr Eigenes, unseren Regelgehorsam zu gefährden.
Und nun, nach einer corona-unwissenden Probenphase bis zu drei Wochen vor der Premiere und einer zweiwöchigen corona-geprägten jetzt im Mai & Juni, soll unsere Premiere im September sein.
Aber in den Unterbrechungsmonaten verändere ich mich, denke neu, denke anders, meine Weltsicht verändert sich.
Was wird uns im September passieren? Welche Regeln gelten dann? Wie denke ich dann?
Wieviele Zuschauer dürfen wir einlassen? Genug, um unser finanzielles Überleben zu ermöglichen?
Die bremer shakespeare company ist ein teilsubventioniertes privates Theater und verhält sich in dieser Krise ungewöhnlich sozial. Ausgefallene Vorstellungen wurden bezahlt, Mein Honorar zu mehr als der Hälfte ausgezahlt.
In unseren Proben treffen Kompromissbereitschaft und anarchisches Spielbedürfnis aufeinander und wir nutzen jede Möglichkeit der Unterwanderung, was bleibt uns anderes übrig?
I wish.
Ach wäre doch alles anders!
Ach wäre der Mistkerl Trump nicht psychotisch.
Ach wäre Hautfarbe eine Nebensächligkeit.
Ach wäre die Welt einsichtiger.
Ach wäre ich vorsichtiger.
Corona ist eine Spaßbremse!
Und ein Killer!
Samstag, 23. Mai 2020
Das C-Wort XX - Bösewichte
Erinnert ihr euch an die Bösewichte eurer Jugend?
Die Hexe mit ihrem Appetit auf Kinderfleisch und der bedauernswerten Kurzsichtigkeit. Die Stiefmutter, besessen von der eigenen Schönheit, gezwungen auf allerlei lächerliche Verkleidungen zurückzugreifen. Die bösen Stiefschwestern, dümmlich, selbstsüchtig und eitel. Kneif deine Wangen, wenn Du kein Rouge hast! Auric Goldfinger mit der weißen Perserkatze und den Piranhas, der die Weltherrschaft plante. Gute Bösewichte sind was Großartiges. Nicht, wie fast alle Nazis in fast allen Filmen, nicht finster blickende, brüllende Pappmaché Figuren, sondern charmante, verführerische, undurchsichtige Gestalten mit Untiefen und überraschend, verstörend sympathischen Seiten.
ABER JETZT wird ernsthaft behauptet:
Dankbarkeit. Das klingt demütig, und ist vielleicht angebracht.
Die Hexe mit ihrem Appetit auf Kinderfleisch und der bedauernswerten Kurzsichtigkeit. Die Stiefmutter, besessen von der eigenen Schönheit, gezwungen auf allerlei lächerliche Verkleidungen zurückzugreifen. Die bösen Stiefschwestern, dümmlich, selbstsüchtig und eitel. Kneif deine Wangen, wenn Du kein Rouge hast! Auric Goldfinger mit der weißen Perserkatze und den Piranhas, der die Weltherrschaft plante. Gute Bösewichte sind was Großartiges. Nicht, wie fast alle Nazis in fast allen Filmen, nicht finster blickende, brüllende Pappmaché Figuren, sondern charmante, verführerische, undurchsichtige Gestalten mit Untiefen und überraschend, verstörend sympathischen Seiten.
ABER JETZT wird ernsthaft behauptet:
Anne Frank befand sich auch im Lockdown ( Sven Liebich) , der Wissentschaftler Drosten ist wie Mengele, die Gefährdung der Impfgegner gleicht der der Juden im III. Reich und die Corona-Einschränkungen dem Ermächtigungsgesetz von 1933, wir leben in einer faschistischen Diktatur, Bill Gates oder Rothschild oder die Bilderberger oder DIE Juden sind darauf aus uns zu knechten, 5G tötet tausende Vögel und verbreitet nebenbei den Corona Virus, Merkel ist ein Reptiloid - WtF?
Während wir, im Vergleich zu anderen Ländern, unter anderem Brasilien und die USA, relativ unversehrt, ich betone "relativ", durch die nun (hoffentlich) abebbende Coronakrise waten, beschließen einige meiner Mitbürger, sich zu Opfern unerträglicher Unterdrückung zu erklären und dabei unsere gemeinsame schwierige Geschichte zu vergewaltigen. Wo sind die Gaskammern, die Massenerschießungen, die Verhaftungen, die Folter, die Mundtotmachung? Diese trendigen Opfer können die Verweigerung ihrer Meinungsfreiheit in vielerlei Kameras und Mikrophone brüllen und was passiert ihnen? In der DDR wären sie in ein Stasi-Gefängnis verfrachtet worden, unter den Nazis ins KZ. Hier und heute werden ihre Ausweis-Informationen aufgenommen. O weh!
Ich habe gravierende Schwierigkeiten mit der Ungerechtigkeit, die ein grundlegendes Prinzip unserer Gesellschaftsornung ist, aber ich ziehe doch, widerwillig, unsere hinkende, bucklige Demokratie all den anderen real existierenden Formen und Verkrüppelungen vor. Hier noch einmal ein Churchill Zitat: "Demokratie
ist die schlechteste aller Regierungsformen - abgesehen von all den
anderen Formen, die von Zeit zu Zeit ausprobiert worden sind."
Es ist eine beschissene Zeit. Bedrückend. Viele von uns sorgen sich um ihre Zukunft. Kinder vermissen ihre Spielkameraden, Jugendliche die ihnen zustehende Sorglosigkeit, Mütter sind überbelastet, die Gewalt in Familien nimmt zu, Kleinunternehmer bangen zu Recht um ihre Zukunft, Künstler, gute und weniger gute, stehen vor dem Nichts - ABER wir sind nicht völlig verlassen.
Wir leben nicht in Favelas, sind nicht Bewohner eines Landes ohne medizinische Grundversorgung, unsere vielgeschmähte Frau Merkel ist in der Lage wissenschaftliche Daten zu verarbeiten, wir werden versorgt, wenn wir erkranken.
Ist da gar keine Erleichterung? Wir verzeichnen nur "8261" Tote zum jetzigen Zeitpunkt, nicht mehr, nicht 100 000, nicht 500 000, wie es der mißmutige Herr Castorf benannte. Nicht mehr tote Großväter, Großmütter, Dicke, Zuckerkranke, Raucher, Asthmatiker? Solche die selber schuld sind oder sowieso nicht mehr lang leben?
Freitag, 15. Mai 2020
Das C-Wort XIX - Unnormal Normal oder Normal Unnormal
Tagesablauf:
Der Koffer ist gepackt und enthält (Ein erstes Mal!) Desinfektionsmittel, meinen antiken DDR-Impfausweis und eine kleine Sammlung von Gesichtsmasken.
Um 5 Uhr klingelt der Wecker, dann schnell zum Bahnhof für den Zug um 6.40 Uhr nach Bremen via Hamburg. (Meine erste Zugfahrt in acht Wochen.). Der Zug ist merkwürdig leer, die Maske über drei Stunden erträglich.
(Um 11.00 Uhr bin ich im Theater, zum ersten Mal in acht Wochen). Ein gutaussehender Amtsarzt verkleidet sich in einen langen grünen Kittel und Mundschutz plus Plastikvisier und nimmt uns allen einen Corona-Abstrich ab. 10 cm in die Nase geht bei mir gar nicht, ein zweiter Versuch im Rachen klappt. Die Ergebnisse bekommen wir morgen. Wenn nur einer von uns positiv testet ... 14 Tage Quarantäne?
Dann verpasst mir der hübsche Arzt eine Pneumokokkenimpfung für den Fall des Falles. Nur ein kleiner Pieks, erst am Abend wird der Arm schmerzen.
Um 12.00 Uhr ist dann richtiger Probenbeginn. (Der ersten Probe in acht Wochen.) Die Spieler legen ihre Gesichtsschilde aus Plastik an. (Alice fiel in den Brunnen und durch den Spiegel.) Ihre Visiere spiegeln die Neonröhren des Arbeitslichtes, jede Kopfbewegung erzeugt ein kleines glitzerndes, funkelndes Feuerwerk über ihren Gesichtern.
Um 14.00 Uhr folgt ein gemeinsam vereinzeltes Mittaggessen an von einander entfernten Tischen. Es schmeckt, wie immer, großartig. (Mit so vielen Leuten war seit acht Wochen nicht mehr in einem Raum - Maske auf, Maske ab, Hände desinfizieren.) Essen mit Maske geht nicht.
Um 15.00 Uhr folgt mein Einzug in die Theaterwohnung. Danach noch schnell der Einkauf des Nötigsten - Kaffee, Milch, blabla. (Die letzten acht Wochen habe ich jeden Tag gekocht, das werde ich jetzt in der fremden Küche erstmal nicht mehr können.)
Um 19.00 Uhr Abendprobe - was passiert mit dem Erarbeiteten unter den neuen, irren Bedingungen? Unser Stück spielt in der Hölle, also hätten die Figuren keinen Grund sich vor einem Virus zu fürchten. (Aber die Schauspieler haben einen.)
Hinter ihren Visieren klingen die Stimmen anders, wie aus zu kleinen Tonstudios oder wie aus einer Plastiktonne. Der Stirnreif drückt, die Schilde verändern die Sicht, manchmal sieht man das eigene Spiegelbild. (Gibt es entspiegelte Plastikfolie?) Es ist anstrengend. Kopfschmerzen. Instinktive Reaktionen ohne Sicherheitsgedanken sind erstmal nicht möglich. Jede Stunde lüften wir, um die Aerosolhäufungen wegzublasen.
Die "Metaebene" unseres Stückes ist die neue deutsche Rechte, die sich gerade in die aus Verunsicherung und Denkfaulheit geborene Querfronten einparkt, Corona schützt uns nicht vor faschistoide Gedankenwelten.
Jetzt, um 24 Uhr, bin ich knülle.
Der Koffer ist gepackt und enthält (Ein erstes Mal!) Desinfektionsmittel, meinen antiken DDR-Impfausweis und eine kleine Sammlung von Gesichtsmasken.
Um 5 Uhr klingelt der Wecker, dann schnell zum Bahnhof für den Zug um 6.40 Uhr nach Bremen via Hamburg. (Meine erste Zugfahrt in acht Wochen.). Der Zug ist merkwürdig leer, die Maske über drei Stunden erträglich.
(Um 11.00 Uhr bin ich im Theater, zum ersten Mal in acht Wochen). Ein gutaussehender Amtsarzt verkleidet sich in einen langen grünen Kittel und Mundschutz plus Plastikvisier und nimmt uns allen einen Corona-Abstrich ab. 10 cm in die Nase geht bei mir gar nicht, ein zweiter Versuch im Rachen klappt. Die Ergebnisse bekommen wir morgen. Wenn nur einer von uns positiv testet ... 14 Tage Quarantäne?
Dann verpasst mir der hübsche Arzt eine Pneumokokkenimpfung für den Fall des Falles. Nur ein kleiner Pieks, erst am Abend wird der Arm schmerzen.
Um 12.00 Uhr ist dann richtiger Probenbeginn. (Der ersten Probe in acht Wochen.) Die Spieler legen ihre Gesichtsschilde aus Plastik an. (Alice fiel in den Brunnen und durch den Spiegel.) Ihre Visiere spiegeln die Neonröhren des Arbeitslichtes, jede Kopfbewegung erzeugt ein kleines glitzerndes, funkelndes Feuerwerk über ihren Gesichtern.
Um 14.00 Uhr folgt ein gemeinsam vereinzeltes Mittaggessen an von einander entfernten Tischen. Es schmeckt, wie immer, großartig. (Mit so vielen Leuten war seit acht Wochen nicht mehr in einem Raum - Maske auf, Maske ab, Hände desinfizieren.) Essen mit Maske geht nicht.
Um 15.00 Uhr folgt mein Einzug in die Theaterwohnung. Danach noch schnell der Einkauf des Nötigsten - Kaffee, Milch, blabla. (Die letzten acht Wochen habe ich jeden Tag gekocht, das werde ich jetzt in der fremden Küche erstmal nicht mehr können.)
Um 19.00 Uhr Abendprobe - was passiert mit dem Erarbeiteten unter den neuen, irren Bedingungen? Unser Stück spielt in der Hölle, also hätten die Figuren keinen Grund sich vor einem Virus zu fürchten. (Aber die Schauspieler haben einen.)
Hinter ihren Visieren klingen die Stimmen anders, wie aus zu kleinen Tonstudios oder wie aus einer Plastiktonne. Der Stirnreif drückt, die Schilde verändern die Sicht, manchmal sieht man das eigene Spiegelbild. (Gibt es entspiegelte Plastikfolie?) Es ist anstrengend. Kopfschmerzen. Instinktive Reaktionen ohne Sicherheitsgedanken sind erstmal nicht möglich. Jede Stunde lüften wir, um die Aerosolhäufungen wegzublasen.
Die "Metaebene" unseres Stückes ist die neue deutsche Rechte, die sich gerade in die aus Verunsicherung und Denkfaulheit geborene Querfronten einparkt, Corona schützt uns nicht vor faschistoide Gedankenwelten.
Jetzt, um 24 Uhr, bin ich knülle.
© Bild: cover-covid
Sonntag, 10. Mai 2020
Das C-Wort XVIII - Demonstrationen
Wir demonstrieren
- ein merkwürdiger Vorgang. Mehr oder weniger Menschen treffen sich und laufen
langsam, stockend eine lange Weile auf vorgeplantem Weg, um ihre Zustimmung,
Ablehnung, Empörung, Überzeugung durch eben dieses Bewegen zum Ausdruck zu
bringen.
Eine Demonstration (von lateinisch demonstrare, zeigen, hinweisen, nachweisen) im politischen Sinne ist eine in der Öffentlichkeit stattfindende Versammlung mehrerer Personen zum Zwecke der Meinungsäußerung.
Meine ersten Demonstrations-Erfahrungen in den Tiefen der DDR waren geprägt vom jährlichen Aufmarsch der Berliner Bühnen zum 1. Mai, da bin ich als Baby im Kinderwagen mitgefahren worden, als ungeduldiges Kind, als unwillige Jugendliche und schließlich als pflichtbewußtes Mitglied des Deutschen Theaters. Mit Politik, so verdrängte ich lange, hätte das wenig zu tun, es schien mir mehr wie ein jährliches Rendezvous mit den Leuten von den anderen Berliner Theatern, ein Mini-Ferienlager.
Treffpunkt
irgendwo ums Rathaus rum, dann Latschen unter Beschallung. "Du brauchst
keine Brille, um Deinen Weg zu finden" sang, wahrscheinlich, der
Oktoberclub und ich, schwer kurzsichtig, hatte meine Zweifel. Zum offiziellen
Höhepunkt an der Tribüne auf dem Marx-Engels-Platz vorbei, vorbei an hölzern
winkenden, greisen Politikern, mysteriösen, chinesischen Delegierten und
"unser" Hans-Peter Minetti, Mitglied des ZK der SED, der ekstatisch
grinsend mit beiden Händen wild wackelte, während der Wind seine dreifach über
den Kopf gelegte Haarsträhne in ein halbmeterlanges Fähnchen verwehte. Erst
danach begann das Eigentliche, Eisbein und Erbspüree im BE. Kollegen treffen,
quatschen, ein heiterer, geselliger Tag, vorstellungsfrei.
Und es
gab auch die Luxemburg/Liebknecht Demo am 15. Januar, dem Gedenktag ihrer
Ermordung, ein, im Rückblick, surrealer Vorgang, um die zu ehren, die beim
Anblick der Realitäten der DDR, in Tränen der Wut ausgebrochen wären.
Uralter
DDR Witz. Karl Marx wird durch DNA-Cloning wieder zum Leben erweckt. Er bekommt
eine Stunde Redezeit im DDR-Fernsehen, die wird aber durch Sondermeldungen des
ZK der SED immer weiter verkürzt. Am Ende bleiben ihm fünf Minuten. Er schweigt
lange, sehr lange und sagt dann: " Proletarier aller Länder,
Entschuldigung."
1989. Im Oktober sah ich, wie friedlich Demonstrierende von der Volkspolizei brutal zusammengetrieben wurden und im November, wie ein Volk die Strasse mit Würde für sich zurückeroberte. Aber "Wir sind das Volk" verschob sich schnell zu "Wir sind ein Volk" und eine gänzlich neue, andere Zeit begann.
Zwischendurch bin ich nur einmal marschiert, was für ein grässliches Wort, für den Bau des neuen Gebäudes der Schauspielschule "Ernst Busch".
Ein neues Kapitel, so dachte ich, begann mit der "Glänzenden Demonstration" gegen die AfD-Kundgebung in Berlin, Tausende in goldener Kostümierung, meist strahlend leuchtenden Feuerschutzplanen, liefen bei der im Mai 2019 durch Berlin, später dann noch einmal. Friedliche, heitere, herrlich bunte Spaziergänge gegen Rechts.
Und
jetzt. Jetzt.
Hygienedemos.
Querfront, Unruhe, nervöse Aggression und unterschwellige Propaganda. Manche
halten das Grundgesetz in der Hand, andere tragen die silberne Querdenkerbommel
um den Hals, manche meditieren für den Frieden, manche schwafeln von jüdischen,
imperialistischen, reptiloiden Verschwörungen. Der frishgegründete
"Widerstand 2020" will viel und weiß nur nicht genau was. Alt-Nazis,
AfDler, Antifa-Anhänger, Öko-Hippies, Psychotiker, Q-Anon-Gläubige, Impfhasser,
durchschnittliche Dumpfbacken, wohlstandsverwahrloste Yuppies und verängstigte
Menschen aller Schichten, deren Sorge und Verunsicherung, sie verzweifelt nach
Erklärungen und Schuldigen suchen läßt.
Einer
vergleicht die Eindämmungsversuche der Regierung mit dem Ermächtigungsgesetz
von 1933. Eine Frau, die Impfungen ablehnt, trägt den gelben Judenstern des
Dritten Reiches, mit der Inschrift "Nicht geimpft". Schwitzige und
nervende Stoffmasken werden zu Körperverstümmelungen hochstilisiert, das Verbot
von Parties zu unmenschlicher Isolation. Und wir durften wochenlang nicht einkaufen
gehen!
Ist es
Bill Gates, der uns durch subkutane Chipeinpflanzung gleichschalten will? Ist
es die Mafia? Ist es MacDonald? Oder die Nazis, die unterirdisch am Südpol oder
auf den Mond weiterb agieren?Wird die Zwangsimpfung kommen, wenn es einst ein
Impfserum geben wird? Wird das Bargeld abgeschafft werden, um uns alle in den
Würgegriff der Banken zu zwingen? Wer will die Welt regieren?
Nur zum
Atemholen: die da über die brutalen Eingriffe in ihre Freiheit schimpfen, tuen
es, während sie nicht verhaftet, erschossen oder sonstwie verletzt werden. Es
wurden keine Parteien verboten, keine Wahlen abgesagt, keine Zeitungen
verboten.
Was ist
mit uns los? Wir haben Glück, nicht so viele Tote wie New York oder Bergamo
oder wer weiß wo. Wir haben Glück im Unglück. Ein wohlhabendes Land mit
medizinischer Versorgung für jeden, auch wenn es Privatversicherte unverdient
besser haben. Wir hatten einen bequemen Lockdown, mit Spaziergängen und der
Möglichkeit jederzeit Lebensmittel u.ä. einzukaufen. Hier wird niemand verhungern.
Das ist anderswo anders. In Indien, im Iran, in New York.
Vielleicht geht es einfach vorbei, vielleicht kommt die gefürchtete Zweite Welle. Wer weiß es.
Und das
ist der Punkt. Ich weiß es nicht. Und scheinbar weiß es niemand mit Sicherheit.
Also wasche ich brav meine Hände und stülpe eine blöde Maske über mein
Gesicht.
Und
abschließend ohne direkten Zusammenhang, zum Muttertag, ein Photo, das ich
liebe:
Montag, 27. April 2020
Das C-Wort XVII - Wirre Gedanken
Gestern benannte eine
Unterstützerin der irrwitzig vermischten Demonstrationen vor der Volksbühne
unseren augenblicklichen Zustand auf Facebook als "Berufsverbot".
Berufsverbot? Irgendwie sollten Bezeichnungen doch eine Beziehung zum Bezeichneten haben. Wir erleben die Verbreitung einer sehr ansteckenden Krankheit, sie verbreitet sich durch Tröpfcheninfektion, ergo wäre die Ausübung unseres Berufes unter den bisher üblichen Bedingungen eine akute Gefährdung des Lebens der Beteiligten, der Spieler und der Zuschauer.
Berufsverbot? Oder verantwortliches Verhalten unsererseits unter den gegebenen Umständen? Tieftraurig, ja, sozial von noch nicht endgültig einschätzbarer, aber sicher tiefgreifender, Wirkung, aber es ist kein Verbot, sondern ein Gebot der Stunde. Mir werden nicht meine demokratischen Grundrechte verwehrt, sondern ich bin aufgefordert, mich als Bürger verantwortlich zu verhalten.
Berufsverbot? Ich weiß nicht, ob die verordneten Maßnahmen zu weit gehen oder nicht weit genug gehen, ich bin kein Doktor, um den blonden orangegefärbten Präsidenten zu zitieren. Aber ich weiß, dass ich es nicht sicher weiß. Und das ist schon viel heutzutage. Ich möchte nicht durch dieses Virus sterben und niemanden anstecken. Also informiere ich mich vielseitig und kontrolliere meine Informationen so weit es mir möglich ist.
Die Volksbühne, der Platz davor - warum treffen sich die Protestierenden gerade hier? Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Bei diesen Demos mischen sich frohgemut ganz weit Rechte, Irre und irgendwie Linke auf dem Rosa-Luxemburg-Platz und fordern verschiedenste Dinge. Wenn ich mal von den völlig bekloppten Verschwörungstheoretikern absehe, scheinen auch normal intelligente Personen jetzt gerade gehäuft abzudrehen.
Das wir achtsam sein müssen, dass diese oder ähnliche Einschränkungen nicht beibehalten werden nach dem der Virus unter Kontrolle ist, versteht sich von selbst.
Berufsverbot? Irgendwie sollten Bezeichnungen doch eine Beziehung zum Bezeichneten haben. Wir erleben die Verbreitung einer sehr ansteckenden Krankheit, sie verbreitet sich durch Tröpfcheninfektion, ergo wäre die Ausübung unseres Berufes unter den bisher üblichen Bedingungen eine akute Gefährdung des Lebens der Beteiligten, der Spieler und der Zuschauer.
Berufsverbot? Oder verantwortliches Verhalten unsererseits unter den gegebenen Umständen? Tieftraurig, ja, sozial von noch nicht endgültig einschätzbarer, aber sicher tiefgreifender, Wirkung, aber es ist kein Verbot, sondern ein Gebot der Stunde. Mir werden nicht meine demokratischen Grundrechte verwehrt, sondern ich bin aufgefordert, mich als Bürger verantwortlich zu verhalten.
Berufsverbot? Ich weiß nicht, ob die verordneten Maßnahmen zu weit gehen oder nicht weit genug gehen, ich bin kein Doktor, um den blonden orangegefärbten Präsidenten zu zitieren. Aber ich weiß, dass ich es nicht sicher weiß. Und das ist schon viel heutzutage. Ich möchte nicht durch dieses Virus sterben und niemanden anstecken. Also informiere ich mich vielseitig und kontrolliere meine Informationen so weit es mir möglich ist.
Die Volksbühne, der Platz davor - warum treffen sich die Protestierenden gerade hier? Ein Schelm, wer Böses dabei denkt. Bei diesen Demos mischen sich frohgemut ganz weit Rechte, Irre und irgendwie Linke auf dem Rosa-Luxemburg-Platz und fordern verschiedenste Dinge. Wenn ich mal von den völlig bekloppten Verschwörungstheoretikern absehe, scheinen auch normal intelligente Personen jetzt gerade gehäuft abzudrehen.
Das wir achtsam sein müssen, dass diese oder ähnliche Einschränkungen nicht beibehalten werden nach dem der Virus unter Kontrolle ist, versteht sich von selbst.
© Foto: Tomas Kittan
Mittwoch, 22. April 2020
Das C-Wort XVI - Es wird zu viel gemeckert.
80 Pegida-Anhänger durften gestern Abend mit staatlicher Genehmigung einen Abendspaziergang durchführen. Sie begannen, zahlenmäßig etwas reduziert, auf dem Platz vor der Semper-Oper, ehemals der "Adolf-Hitler-Platz", und liefen mit Schutz-Masken, gut desinfiziert und unter Einhaltung des 1,50 Meter Mindestabstandes durch Dresden. 80 für 80 Millionen' war der Titel dieser Unternehmung. 80, warum 80? 88 wäre doch stimmiger, oder? Zu offensichtlich?
Pegida - Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes - das Abendland, da wo die Sonne untergeht. Pegida fordert:
- ein neues Zuwanderungsgesetz, das „unkontrollierte, quantitative“ Zuwanderung beenden und „qualitative Zuwanderung“ nach dem Vorbild Kanadas und der Schweiz fördern solle,
- die Aufnahme eines Rechts und einer „Pflicht zur Integration“ in das Grundgesetz
- konsequente Ausweisung bzw. ein Einreise- und Aufenthaltsverbot für „religiöse Fanatiker und Islamisten“, die in heiligen Kriegen kämpfen würden,
- direkte Demokratie durch Volksentscheide auf Bundesebene,
- ein Ende der „Kriegstreiberei mit Russland und ein friedliches Miteinander der Europäer“ ohne die „Kontrolle aus Brüssel“,
- mehr Mittel für die innere Sicherheit Deutschlands, besonders für die Polizei.
https://www.spiegel.de/panorama/justiz/rechtsextremismus-in-deutschland-wie-rechts-ist-die-polizei-a-1290326.html
Was ist mit uns los? Bemerken wir überhaupt noch in welch schwieriger und doch letztendlich privilegierten Situation wir uns befinden? Wir durchleben eine weltweite Krise in einem der, für den Fall solch einer Katastrophe, bestausgestattensten Ländern der Welt. Corona-Deluxe.
Das heißt nicht, hier gäbe es keine existentiellen Einbrüche, keine Menschen in bedrohlicher Not, keine Sorge, keine Angst, aber wenn wir unsere Lage mit der anderer Nationen, anderer Länder vergleichen? Dann geht es uns gut. Relativ. Oder? Unverdientermaßen, durch den Zufall der Geburt, leben wir in einem Land mit einem ziemlich gut funktionierenden Sozial- und Gesundheitssystem. Wir sind Glückskinder!
Aber wir meckern.
Merkel ist doof oder Söder oder Laschet oder Drosten. Schutzmaßnahmen - von wegen, Freiheitsberaubung! Alte weiße Männer sollen halt einfach sterben. Alte weiße Frauen übrigens auch. Sollen die Alten doch in Quarantäne gehen, und die Asthmatiker, die Diabetiker, die Raucher, die an Immunschwäche Leidenden. Warum müssen immer die Jungen zahlen.
Bill Gates will uns alle unterjochen, G5, Chemtrails und oder China wollen uns fertig machen. Falls eine impfung gefunden wird, muß man die als guter Impfgegner ablehnen. 80 Quadratmeter sind zu viel, sind zu wenig. Wenn Friseursalons öffnen dürfen, warum nicht auch Tätowierstudios? Überforderte Yuppie Familien vergleichen ihre soziale Distanzierung mit einem Gefängnisaufenthalt. Corona ist wie Grippe. Corona gibt es gar nicht, weil man keinen kennt, der es hat.
Überhaupt alle sind gegen uns.
Und mein Liebling: jeder Mensch mit Google-Zugang weiß besser, wie mit der Pandemie umzugehen wäre, als Leute, die Jahre über Viren und Epedemien, Pandemien studiert und gearbeitet haben. Früher war jeder Fußball-Nationaltrainer, heute ist jeder Virologe.
Was ist mit uns los?
Wir stehen einer Bedohung gegenüber, der wir egal sind, Hasstiraden gegen den Virus mögen erleichtern, werden ihn oder vielmehr die Trillionen hoch 15 Covid-19 Viren aber nicht erreichen. Also suchen wir uns andere Ziele für unsere zur Wut umgeformte Angst, denn irgendjemand muss doch Schuld sein.
Gerade das, was ich als sehr vertrauenserweckend erlebe, dass Politiker und Fachleute ihre Unsicherheit eingestehen, laut sagen, sie wissen manche Dinge nicht mit Sicherheit, wird durch die Meckerer als verächtliche Schwäche ausgelegt. Jede Gruppe sieht sich als die vernachlässigste, die der es schlimmer geht als allen anderen und meckert sich in haltlose Empörung.
Ich sehe es so: momentan weiß niemand genau was DAS RICHTIGE ist. Herr Drosten scheint nicht blöd zu sein, Mai Thi Nguyen-Kim auch nicht. Merkel ist wissenschaftlich vorgebildet und, so scheint es mir, durch DDR Erfahrung äußerst achtsam bei der Einschränkung jeglicher Freiheiten.
Herr Wodarg trat bei Eva Hermann auf, was mich mißtrauisch macht. Herr Püschel aus Hamburg trauert keinem nach, der sowieso demnächst gestorben wäre.
Ja, ich weiß, ich werde sterben. Ja, es ist unvermeidlich. Aber wie lebt eine Gesellschaft weiter, die ihre Schwachen, ihre Hilfsbedürftigen dem Tod überläßt, um wieder auf NORMAL zurückgehen zu können?
DER SERVIETTENBAUM
Donnerstag, 16. April 2020
Das C-Wort XV - Prognose
Nein, ich gebe heute hier keine Meinung über die zu erwartenden Entwicklung der Pandemie oder der Weltwirtschaft zum Besten. Keine Sorge. Denn, so viel ich auch lese, bin ich immer noch sicher, dass ich kein Virologe, kein Epidemologe, kein Ökonom bin. Und der oft zitierte "gesunde Menschenverstand" ist wohl auch nicht immer unser bester Berater, läßt er uns doch mit Vorliebe glauben, was uns genehm ist oder uns schlauer als die Menschen ohne eben diesen "gesunden Menschenverstand" erscheinen läßt. Warum eigentlich Menschenverstand, gibt es einen anderen uns bekannten anderen Verstand?
Ich tue im Augenblick, was Menschen, die über diese Dinge mehr gelernt, geforscht und nachgedacht haben, mir raten und fühle mich dabei nicht sonderlich gehorsam, sondern eher selbstverantwortlich. Was, bei meinen Schwierigkeiten mit Autoritäten bedeutet, dass ich glaube, es gibt wirklich eine Gefahr.
Derweil treffe ich in den sozialen Medien erstaunlich viele selbsternannte Fachleute, Paranoiker, Verschwörungstheoretiker und, als eigene Kategorie, "Wie gut diese Krise für uns ist" Prediger.
Meine Fragen:
Warum sollte selbst Mister Trump die Wirtschaft seines Landes stilllegen, wenn es keine wirkliche Bedrohung durch Corona geben würde?
Warum fragen mich Bekannte und Fremde, ob ich denn überhaupt jemanden kenne, der erkrankt ist? Tue ich übrigens.
Warum scheinen manche Leute, es schlecht auszuhalten, dass die Bedrohung jetzt gerade ein unpersönlicher, nur am eigenen Überleben interessierter Virus ist? In diesem speziellen Fall nicht der Imperialismus, nicht Frau Merkel, nicht die von Qanon beschworene Weltverschwörung, nicht die Chinesen, nicht G5, nicht einmal die Aliens. Die alle sind vielleicht auch Feinde, aber eben nicht verantwortlich für diese Pandemie. Oder?
Nun zum Prognoseteil:
Bis eine Impfung verfügbar sein wird, werde ich andere Menschen auf Abstand halten müssen. Ein Meter und fünfzig Centimeter Abstand, keinen Körperkontakt, Maske, wenn es enger wird, und viel Händewaschen. Ein unerhörter Eingriff in meine Feiheit, in mein Leben. Als Risikofall muss ich vorsichtig sein, als Mensch bin ich anarchisch. Das schmerzt.
Und bis zum 30.8. sind Großveranstaltungen verboten. Was ist groß? Unsere nichtstattgefundende Premiere wollen wir im September nachholen. Wird das möglich sein? Bitte, bitte, bitte. Und wenn es nötig ist mit Maske und einem Meter und fünfzig Zentimeter Abstand.
Ich tue im Augenblick, was Menschen, die über diese Dinge mehr gelernt, geforscht und nachgedacht haben, mir raten und fühle mich dabei nicht sonderlich gehorsam, sondern eher selbstverantwortlich. Was, bei meinen Schwierigkeiten mit Autoritäten bedeutet, dass ich glaube, es gibt wirklich eine Gefahr.
Derweil treffe ich in den sozialen Medien erstaunlich viele selbsternannte Fachleute, Paranoiker, Verschwörungstheoretiker und, als eigene Kategorie, "Wie gut diese Krise für uns ist" Prediger.
Meine Fragen:
Warum sollte selbst Mister Trump die Wirtschaft seines Landes stilllegen, wenn es keine wirkliche Bedrohung durch Corona geben würde?
Warum fragen mich Bekannte und Fremde, ob ich denn überhaupt jemanden kenne, der erkrankt ist? Tue ich übrigens.
Warum scheinen manche Leute, es schlecht auszuhalten, dass die Bedrohung jetzt gerade ein unpersönlicher, nur am eigenen Überleben interessierter Virus ist? In diesem speziellen Fall nicht der Imperialismus, nicht Frau Merkel, nicht die von Qanon beschworene Weltverschwörung, nicht die Chinesen, nicht G5, nicht einmal die Aliens. Die alle sind vielleicht auch Feinde, aber eben nicht verantwortlich für diese Pandemie. Oder?
Nun zum Prognoseteil:
Bis eine Impfung verfügbar sein wird, werde ich andere Menschen auf Abstand halten müssen. Ein Meter und fünfzig Centimeter Abstand, keinen Körperkontakt, Maske, wenn es enger wird, und viel Händewaschen. Ein unerhörter Eingriff in meine Feiheit, in mein Leben. Als Risikofall muss ich vorsichtig sein, als Mensch bin ich anarchisch. Das schmerzt.
Und bis zum 30.8. sind Großveranstaltungen verboten. Was ist groß? Unsere nichtstattgefundende Premiere wollen wir im September nachholen. Wird das möglich sein? Bitte, bitte, bitte. Und wenn es nötig ist mit Maske und einem Meter und fünfzig Zentimeter Abstand.
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