Der Dialog mit den
Toten darf nicht abreißen, bis sie herausgeben,
was an Zukunft mit ihnen begraben
worden ist. Heiner Müller
Ach.
Wir sind zusammen erwachsen geworden, haben schauspielen erlernt, gespielt, er am BE, ich am DT, haben angefangen Regie zu führen. Er war mir immer einen Schritt voraus. Als er Oberspielleiter am Schauspiel Chemnitz war, sein Intendant Rolf Stiska, habe ich dort inszeniert. Dann wurde er Intendant in Esslingen, ich arbeitete dort. Ich wurde Schauspieldirekorin in Rostock, er inszenierte bei uns Die Räuber. Dann ging er nach Senftenberg und wieder holte er mich zum arbeiten.
Er hatte eine bunte, unübliche Kindheit, ich auch. Er hatte begabte, anstrengende, liebevolle Eltern, ich auch.
Ich denke, dass eine Jahr im Westen als Baby wird nur wenig Folgen gehabt haben. Dann, Berlin-Ost, Kindergarten, Schule, Oberschule. Nach dem Abitur mit Berusausbildung zum Zootechniker / Mechanisator überbrückt er als Bühnenarbeiter an der Volksbühne, dem Theatertempel meiner Jugend, ich gehe als pflegerische Hilfskraft ins Krankenhaus Friedrichshain, in dem ich auch geboren wurde.
Schauspielschule. Ernst Busch. Er als Student, ich als Elevin.
Er ging ans Berliner Ensemble, seine Mutter arbeitete an der Volksbühne, ich ans Deutsche Theater, meine Eltern arbeiteten am Berliner Ensemble.
Die Eltern lieben und doch Abstand halten.
Er begann zu inszenieren. Die Perser waren, glaube ich, seine erste Arbeit.
Er liebte Heiner Müller, seine Frau, seine Kinder, seinen Stiefvater Wolf Biermann. Er liebte das Theater.
Das klingt so bombastisch. vermutlich liebte er Proben, genau wie ich, die Zeit, in der alles und jedes möglich ist, Überraschungen an der Tagesordnung sind, nichts festgelegt ist, nichts ausgeschlossen. Da ist ein Konzept und es muss vergessen werden, damit es wieder verletzliche Offenheit geben kann.
Es kam sein Krebs, ein Merkelzellkarzinom, sehr selten und deshalb nicht sehr gut erforscht. Behandlungen aller Art und "nebenbei" die Intendanz, eine wahrlich harte Zeit für alle Seiten. Und nachdem er von Senftenberg Abschied genommen und einen neuen Arbeitsort gefunden hatte, griff sich Covid seinen geschwächten Körper. Sinnsuche ist gefährlich. weil der Tod keine logischen, moralischen oder anderweitig einordbare Motive hat. Er tut. Man lebt, man stirbt.
Er war schüchtern und erstaunlich offen und ganz verschlossen, wenn es schlimm wurde.
https://taz.de/Die-Toten-brauchen-keine-Jeans-keine-Kiwis-sagt-Heiner-Mueller/!809431/
Man muss sich um die antikapitalistischen Alternativen keine Sorgen
machen, weil der Kapitalismus keine Alternativen mehr hat, keine Feinde
außer sich selbst. Das verspricht eine interessante Entwicklung. Im Zusammenhang mit Armut
und Elend in vielen Teilen der Welt, mit der Bevölkerungsexplosion, mit
den ökologischen Katastrophen. Da braucht man sich um Utopien keine
Sorgen zu machen, höchstens um Apokalypsen. Heiner Müller 1991