Auf die Berge will ich steigen,
Wo die frommen Hütten stehen,
Wo die Brust sich frei erschließet,
Und die freien Lüfte wehen.
Auf die Berge will ich steigen,
Wo die dunkeln Tannen ragen,
Bäche rauschen, Vögel singen,
Und die stolzen Wolken jagen.
Lebet wohl, ihr glatten Säle!
Glatte Herren, glatte Frauen!
Auf die Berge will ich steigen,
Lachend auf euch niederschauen.
Heinrich Heine
Den letzten Abend unserer kurzen Harzreise, die wir wegen miesem Wetter morgen vorzeitig beenden werden, verbringen wir auf dem Gelände des ehemaligen Klosters Drübuck, jetzt ein evangelisches Tagungszentrum, preisgünstig, hocheffizient und angenehm eingerichtet. Im Garten singen alte und nicht so alte Menschen "Jesus is coming, yes I know.", als Kanon, klatschen auf die Eins und ein Schaf blökt den Chorus. Eine mir fremde Welt.
Gestern ein andres Kloster, von einer Stiftung geführt, mit gläsener Rezeption, erstklassig erhaltener romanischer Kirche und Gästezimmern in DDR-Barock - meine Duschtür hing mit letzter Kraft an nur einer Schraube, die Wasserleitung war in schwarzem Gummi auf der Wand verlegt, für das Mobiliar hätte sich Hellerau in Grund und Boden geschämt und dann hat man auch noch versucht uns den doppelten Zimmer-Preis abzunehmen.
Der Harz. Es ist merkwürdig hier. Eine milde, hügelige Landschaft, gesprenkelte Städtchen voller Fachwerkhäuser, farbenfroh in Quedlinburg und Wernigerode, schiefergrau in Goslar.
Die Hochsaison ist in vollem Gange nach monatelanger Einschränkung des Betriebes, aber Sehenswürdigkeiten schließen um 14.00 oder 16.00 Uhr, Läden ebenfalls. Es gibt Unternehmungen, die sich unglaublich anstrengen, interessante und unterhaltsame Erlebnisse zu bieten, und andere benehmen sich, als ob Corona, die vergangenen "Sie werden plaziert"-Zeiten zu ihrer persönlichen Erleichterung zurückgebracht hat. Wie empfindlich ich immer noch bin, nach mehr als dreissig Jahren, diesem dienstunbeflissenen Ton gegenüber.
In der wunderschönen Harzer Schmalspurbahn hinauf zum Brocken, das Ticket kostet 47 Euro , die Toilette heißt noch Abort, ertönt nach jedem Halt ein enthusiastischer Einspieler über die Schönheit des Fichtenwaldes und seine jetzt stattfindende, natürliche Rengeneration zum ursprünglichen Mischwald.
Aber was mein Auge sieht, ist das blanke Gegenteil, tote Bäume, ihre Skelette tragisch aufrecht neben- und hintereinander aufgereiht. Wann werden sie sich niederlegen dürfen? Von fern betrachtet waren es nur vage breite rötliche Schnitte im Leib des Waldes, nun, aus der Nähe, erinnert das Bild an Leichenberge, zu denen sich jeder Vergleich verbietet. Die vor hunderten Jahren gepflanzten Fichten lieferten Bau- und Brennholz für den Bergbau, ein künstliche Monokultur, aber die trockenen Sommer der letzten Zeit öffneten dem schon immer anwesenden Borkenkäfer Tor und Tür und er tut, was er tun muß, er frißt. Vielleicht ist der Regen jetzt ein Segen, vielleicht muß Altes sterben, damit Neues wachsen kann, aber die vielen kahlen, borkenlosen Stämme heute, ihre nadelberaubten Äste und Zweige - ich habe selten so was Trauriges gesehen.