Mittwoch, 19. Juni 2019

2 x Trommeln in der Nacht

Für "nachtkritik" geschrieben und dort erstveröffentlicht.


DIE LETZTE REVOLUTION IST LANGE HER

„Von meinen ersten Stücken ist die Komödie „Trommeln in der Nacht“ das zwieschlächtigste.“
Bertolt Brecht in „Bei der Durchsicht meiner ersten Stücke“ 1953

„Trommeln in der Nacht“, ursprünglich „Spartakus“ - geschrieben 1919,
der Erste Weltkrieg, der noch nicht Erster heißt, ist gerade verloren worden, die Novemberrevolution zwingt Deutschland in die parlamentarische Demokratie, Brecht ist 21 Jahre alt.

Wenn ich heute an Revolution denke, dann eher an ihre malignen Auswüchse, den Terror der Jahre 1793/94, Stalins Massenmorde, als an die Zustände, die den Aufstand nötig machten. Ist solche Not außerhalb meiner Vorstellungskraft?

Ich gehe manchmal auf eine Demo oder unterschreibe eine Petition, das geht übrigens heutzutage auch in dem für das Ende des Stückes so wichtigen Bett. Widerspruch ohne Gefährdung. Perfekt. Banal.

Nach der Niederschlagung des Spartakusaufstandes wurden Liebknecht und Luxemburg erschossen und im Landwehrkanal entsorgt.

Die Uraufführung fand am 29. September 1922 an den Münchner Kammerspielen statt, die Inszenierung wurde drei Monate später für das Deutsche Theater übernommen und nach erfolglosen sechs Vorstellungen abgesetzt. Immerhin hat Brecht bei dieser Arbeit die Weigel kennengelernt. Worüber die wohl gestritten haben?

Ich habe zweimal dasselbe Stück gesehen, nur die letzten zehn Minuten unterschieden sich, zweimal hellwach geschaut, meine Augen und Ohren und mein Hirn hatten viel zu tun, das Herz schlug meist gleichmäßig.

Es beginnt ganz vorsichtig, weniger als Nachgestaltung der Inszenierung von 1922, mehr als Lauschen auf Echos, Überprüfen der alten Worte, Vergleichen der Konstellationen. Das Bühnenbild zitiert das Damalige, die Kostüme sind neutral schwarz, das Sprechen ist tastend.

Wilde Sprache, trunkene Wörter, fiese Pointen, ich verstehe, warum Brecht das Stück Komödie nannte.

Alle Konzentration ist hier auf die Familie und den in sie einbrechenden Kragler gerichtet. Was den Abend aber gerade nicht privatisiert, sondern den Riss zwischen bürgerlicher Idylle in Gefahr und dem irgendwo im Off stattfindendem Aufstand krasser zeichnet.

Wunderbare Momente. Wenn Kragler sich die schwangere Anna über die Schulter wirft und sie, zum Gesang von „Ob sie ihre Lilie noch hat“, dies in eine romantische Hebefigur verwandelt. Wenn die vom Kirschschnaps gelöste Mutter in leicht verkrampften Ausdruckstanz verfällt. Wenn neonröhrenbeladen Türme herunterschweben und die Szenerie ins Futuristische zwingen.

Wiebke Puls, die Mutter, verdient einen eigenen Beitrag. Kein Wort ohne Gedanken, der Körper ein Instrument, klug und schön, ganz im Moment und immer Herrin der Lage. Und sie ist groß, und genießt es. All the Power to her!

Mit dem Vierten Akt verändert sich der Zugriff völlig. Die Revolution ist da, auf der Bühne, aber sie findet nicht statt. Statt dessen ein Sprechgesang, die aufrührerischen Texte gesprochen wie Erinnerungen aus der Zukunft, die Szenerie erinnert an Kubricks „2001“, das chorische Sprechen schwillt an und gipfelt in einem grandiosen Popsong, U2 fordert den Weltfrieden.

Aufforderungen zum Umsturz, revolutionäre Empörung sind peinlich, ironischer Abstand muss genommen werden. Ein lautes Jein ist sicherer, als eine klare Haltung.

Anna, die ihrem Geliebten in die Schlacht gefolgt ist, unterbricht die Show und lenkt die Aufmerksamkeit auf uns, die wir dasitzen und uns als politisch denkende Menschen empfinden.

Akt Fünf, die Entscheidung - im Original von Brecht beendet Kragler seine Teilnahme an der Revolution und zieht sich mit seiner Anna ins Bett zurück. In dieser Fassung wird Anna von einem Mitglied des Chores gekillt, erweist sich aber als Mitträgerin des Happyends als untötbar und das Paar liefert uns eine höhnische Absage an jedwede politische Aktivität. „ Mein Fleisch soll im Rinnstein verwesen, dass eure Idee in den Himmel kommt? Seid ihr besoffen?“

Der Variant am zweiten Abend: Kragler tötet die insistierende Liebende mit eigener Hand und entscheidet sich für den Kampf. „Glotzt nicht so romantisch“ bekommt da einen ganz neuen, harten Sinn.

Ich, pubertär-unüberlegte Stalinistin, Anarchistin im Familienkampf und heute, ja was bin ich heute, vorsichtig mit meinen Gewissheiten und atheistische Humanistin, habe keine Antwort, keine Entscheidung parat. Aber immer noch hat das Wort Revolution eine sinnliche Verlockung, wahrscheinlich nur, weil ich weiß, dass ich sie nicht mehr erleben werde. Ich bin ein Feigling. Und was sind Sie?

An beiden Abenden wurde am Ende so getan, als würde das Bühnenbild zerhackt, funktioniert nicht, finde ich, wenn ich gleichzeitig sehe, wie die fest getischlerten Teile von den Bühnenarbeitern in Sicherheit gebracht werden. Hätte ich nicht gebraucht. Es war davor schon zu Ende erzählt.

Vielleicht ist das für Manchen hier von Interesse, Striche, Szenenumstellungen, geschlechtsunabhängige Rollenbesetzungen gehen sowieso, auch früher schon.
Und dann kam eine Anfrage für eine Zweifach-Inszenierung von „Trommeln in der Nacht“, den einen Abend der originale Schluss, am anderen der genau entgegengesetzte, gebaut aus Notizen, die Brecht, unzufrieden mit der eigenen Arbeit, niedergeschrieben hatte. ich fragte mich zwar, wer wohl zweimal ins Theater ginge, nur wegen eines veränderten Endes, aber das ging mich schlussendlich nichts an.
Ein spannender Abend. Das sage ich selten. Zwei spannende Abende.
Und jetzt gehe ich ins Bett.

Montag, 17. Juni 2019

Kulturelle Aneignung - Raub oder ein Versuch der Annäherung

Eine Theaterinszenierung am Schauspiel Leipzig wird kritisiert, weil sie in Kunst geformt, und wie ich lese, sensibel und beeindruckend eine Geschichte über vietnamesische Menschen erzählt, die als "Gastarbeiter" erst in der DDR und dann als Bürger im vereinigten Deutschland lebten, aber sie tut dies ohne die aktive Teilnahme eben jener vietnamesischer Mitbürger, das heißt ohne vietnamesische Darsteller oder Dramaturgen. Die Geschichten des Stücks hatte der Autor allerdings in ausführlichen Gesprächen mit Betroffenen recherchiert. Nicht so sehr das Stück wird angegriffen, aber der Mangel an Inklusion. Der Autor hat, nebenbei, den Mühlheimer Theaterpreis für sein Werk erhalten.

Schwierig.

Cultural appropiation, verdeutscht kulturelle Aneignung, wird momentan intensiv beobachtet. Aber was ist das genau? In den meisten Fällen wird der Begriff als kulturelle Übergriffigkeit verwendet. "Dies ist unser, und ihr verhaltet euch wie Kolonialherren von einst, wie weiße Machthaber und nehmt es uns weg und verwendet es nach eurem Gutdünken." 

Schon die genaue und nichtverletzende Bezeichnung bestimmter Mitmenschen ist vermintes Gelände. Das Neger nicht geht, ist völlig klar, außer das Wort wird in einem spezifischen historischen Zusammenhang verwendet. Es gibt wunderbare Gedichte, die das Wort verwenden, ergreifende Reden, die den zum Schimpfwort verkommenen Begriff, wie einen Edelstein verwenden. 

Schwierig.

Aber PoC? Person of Colour? Das kann doch nicht unser Ernst sein. Wenn wir denn überhaupt eine Betitelung brauchen, dann doch nicht solch einen ungelenken, unschönen Anglizismus. Wir sollten nicht vergessen, dass wir subkutan, unter unserer Haut, alle gleichfarbig sind. Der Rest ist ist bunt. Andersfarbig.

Ich bin übrigens blaßrosa. Dadurch durchaus priveligiert und trotzdem noch neidisch auf kleidsamere Pigmentierungen.

Schwierig. 

Arbeitsmöglichkeiten für Spieler in Farbe, PoCs, deren Eltern, Großeltern kürzlich oder irgendwann nach der Völkerwanderung zu uns gekommen sind, haben noch immer schlechtere Chancen auf Engagements. Und wenn sie denn besetzt werden, dann idiotischerweise nicht als Ärzte, Kfz-MechanikerInnen, MinisterInnen oder Hausfrau, nicht als Hamlet oder Julia, sondern bevorzugt in sozial problembezogenen Rollen mit Rassismusbezogenheit. 
Da ist es doppelt schön, dass ein Bekannter mit schöner dunkelbrauner Haut und viel Talent gerade den Götz von Berlichingen spielt!

Schwierig. 

Appropriation (lat. appropriatio, von appropriare, „erwerben, (sich) aneignen, zu eigen machen“) bezeichnet die Aneignung sowohl von Sachen, also den Erwerb eines Eigentums, als auch die Aneignung im philosophisch-geisteswissenschaftlichen Sinne, so definiert es Wiki. 

Vermischte Beispiele: Weiße Studenten in Oxford tragen Sombreros zu einer Tequilaparty. Kinder verkleiden sich zum Fasching als Indianer, Blackface auf deutschen Bühnen, junge nichtjapanische Frauen tragen Nachahmungen traditionelle japanische Kleider, weil sie die schön finden. Kulturelle Aneignung.

Idiotische Beispiele: Marlon Brando als Japaner in "Das Kleine Teehaus" oder Gylenhal einen Perser in einem anderen schlechten Film, Chop Suey ist etwa so chinesisch wie Kartoffelsalat und Neu-Köllner Rapper sind extrem unglaubwürdig als Gangsta.
Kulturelle Aneignung.

Böse Beispiele: Blackfacing in den Minstrelshows, zynische Karikaturen fremder Kullturen. Ungleichberechtigung in jeder Hinsicht. Kultureller Machtmißbrauch.

Schwierig. 

Kulturelle Aneignung. Diebstahl oder interessierte Neugier? Mißbrauch oder Gebrauch? Wo genau liegt der Unterschied? Wo verläuft die Grenze? Was wird wem weggenommen? Wird es dadurch in den gemeinsamen Schatz der Menschheit integriert? Wird es durch die Übernahme entwertet?

Schwierig.

Was ist hart erarbeiteter Erwerb von Wissen um Fremdes, was Freude an Schönheit oder Spiel mit Exotik und was selbstsüchtige Vermarktung?  

Schwierig. 

War es oder ist es dem Menschen überhaupt möglich, ohne kulturelle Aneignung zu überleben?

Die auf Umwegen nach Europa geratene Kartoffel stammt eigentlich aus Südamerika und ist heute ein Spitzname für Deutsche. Herr Jacob Davis und Herr Levi Strauss haben 1873 das Patent auf eine Arbeitshose angemeldet, die in unterschiedlichsten Ausfertigungen heute Körper aller Nationalitäten bekleidet. Ohne afrikanische, karibische Musik, gäbe es den Blues nicht, und ohne ihn keinen Jazz, der aber auch Elemente europäischer Tradition enthält. 

Ich würze mit Harissa, Chilli und Kreuzkümmel und auch Vietnamesen essen Burger. 

Die USA ist ein Gemenge von Leuten, die sich von einander alles angeeignet haben, sich unter den Nagel gerissen haben, was ihnen bei den anderen gefiel oder nützlich erschien.

Wobei natürlich soziale und poltische Macht dabei immer eine Rolle, und oft eine räuberische spielte. 

Schwarze Jazzer waren in vielen Musikklubs nicht zugelassen, aber die weißen, schicken New Yorker wanderten nach Harlem, um dort echte Musik zu hören.

Schwierig. 

Eines der Dinge, die ich an meinem Beruf liebe, ist, dass ich mich ständig mit mir neuen, bisher fremden Themen beschäftigen darf. 
Erst bei 45 Grad Celsius und hoher Luftfeuchtigkeit irgendwo in Georgia habe ich Tennessee Williams körperlich begriffen. Ein Schauspieler aus Malawi unterernährt und fleissig und voll Erstaunens ob unseres Winters hat mich erkennen lassen, wie eurozentrisch und narzistisch meine Vorstellung von Welt ist. 
Wie könnte es anders sein? Ich bin Europäerin, deutsche Europäerin mit jüdischen Wurzeln. Manche sprechen mir mein Judentum ab, weil ich Atheistin bin, andere irritiert meine Gottlosigkeit, weil sie selbst in Religion verankert sind. Ich hänge so dazwischen, zutiefst jüdisch in kultureller Tradition und Atheist aus Überzeugung.

Spielt mich doch. Versucht mich zu verstehen, mch euch anzueignen.


https://www.deutschlandfunk.de/debatte-ueber-theaterstueck-atlas-respektloses-verhalten.691.de.html?dram%3Aarticle_id=450986&fbclid=IwAR01Qn9XoxoKaoyb-sAPz_wGPXOx1vZJkLS7GDZQLrjXWjquopI8VLeaMI4

Sonntag, 9. Juni 2019

Gustave Caillebotte - Regen - Stadt - Menschen

In der Alten Nationalgalerie hängen jetzt in einem Saal im ersten Stock Bilder aus der Sammlung eines wohlhabenden französischen Mäzens, Förderers der Impressionisten und ihrer Ausstellungen. Gemälde von Monet, Manet, Renoir, Bonnard und anderen hat er gekauft und einige der Maler auch sonst finanziell unterstützt. Und Segelboote hat er konstruiert. 

Und er hat selbst gemalt. Manchmal hat er mitausgestellt, manchmal nicht. Wenige kennen seinen Namen.
  
Und er hat selbst gemalt. Und wie! Ja, wie eigentlich? Sicher impressionistisch geprägt, aber doch anders. Strenger, härter konturiert, sachlicher, photographischer, sehr sparsam im Gebrauch von Farben. Als wollte er versuchen nur das Wesentliche seines Gegenstandes erfassen, sein Eigentliches. Alles andere läßt er weg. 

Eins seiner Bilder beherrscht den Raum, Straße in Paris – Regenwetter, Rue de Paris, temps de pluie, gemalt 1877.

Georges-Eugène Haussmann hatte in einem gigantischen Gewaltakt, Paris den Wünschen Napoleon III. und seiner Vorstellung von einer modernen Stadt angepaßt, ganze Viertel, meist Wohngebiete der ärmeren Bevölkerung wurden niedergerissen, 150 Kilometer Strassen neugebaut, Haussmannisierung nannte man diesen Gentrifikationsschlag. Zentren möglichen Aufruhrs wurden nebenbei aufgelöst, die Armen zogen in die Randgebiete, die waren dann 1871 auch Ausgangspunkte der kurzen, gloriosen, blutig niedergeschlagenen  Revolution von 1871. 
Paris-Zentral wurde geometrisiert und den Anforderungen des neuzeitlichen Verkehrs angepasst. Klare Winkel, gerade Linien, klassizistische Wohnhäuser für den oberen Mittelstand. Ein Stadtzentrum für den Bürger der modernen Zeit. Weg mit der Enge, weg mit dem Dreck, weg mit dem Gewachsenen, Verwachsenen. 
Egon Friedell beschrieb das neue Paris in seiner wunderbaren Kulturgeschichte der Neuzeit so: Ein getreues Abbild des Zweiten Kaiserreichs: fassadenhaft, niederschreiend, künstlich und parvenühaft.

 
Straße in Paris – Regenwetter. Hier sitzen die Zylinder noch sicher auf den Köpfen.

Ein Platz von dem mehrere Strassen abgehen, sehr sauber gelegtes Kopfsteinpflaster, eines der Eckhäuser ragt wie ein Ozeandampfer von hinten ins Bild. Die Rue de Turin und die nach links abzweigende Rue de Moscou, auch ist die Rue Capeyron zu sehen.Die Laterne halbiert das Bild, rechts vorn staut es sich, ein Paar mit Regenschirm, beide schauen in dieselbe Richtung und ein Mann, der ihnen ungesehen entgegenkommt und seinen Regenschirm zur Seite schiebt, um einen Zusammenstoß zu vermeiden, der dennoch unvermeidlich scheint. Der Ohrring der Dame, Perle oder Diamant, strahlt heller als irgendetwas anders im Bild.
Alle Regenschirme sind identisch. Die Menschen auch, bis auf den Ohrschmuck der Dame vorn rechts. 
Hinten regnet es, vorn sind Strasse und Schirme zwar nass, aber der Regen fehlt, weil er als gegeben angenommen werden kann, im hinteren Teil des Bildes erschafft die Unschärfe den Eindruck von fallendem Regen. Ganz hinten links läuft ein einzelner Mann ohne Regenschirm, geduckt ob der Nässe. Ein Mann mit Zigarillo, eine halbe Kutsche, mittelgroße und ganz kleine Schirme. Man läuft. Wohin?

Dem Bürger fliegt vom spitzen Kopf der Hut,
In allen Lüften hallt es wie Geschrei,
Dachdecker stürzen ab und gehn entzwei
Und an den Küsten – liest man – steigt die Flut.

Der Sturm ist da, die wilden Meere hupfen
An Land, um dicke Dämme zu zerdrücken.
Die meisten Menschen haben einen Schnupfen.
Die Eisenbahnen fallen von den Brücken.

Jakob van Hoddis 1911

Alle Männer tragen im Bild einen Zylinder: Wiki schreibt: Populär wurde der Zylinderhut erst in den 1820ern, als er zum Hut des Bürgers avancierte, sogar zum Symbol des Bürgertums schlechthin: So weigerte sich Adolph Menzel bei der Verleihung des preußischen Adlerordens – umgeben vom uniformierten Hochadel – aus Bürgerstolz, seinen Zylinder abzunehmen. 
Was sehen die beiden großen Figuren im Vordergrund? 
Man ist wohl sehr einsam in einer großen Stadt, wenn es regnet. 
Ein Regenschirm hat eine Rundung, die eigentlich gegen harte Linien steht und doch selbst, in der Wiederholung diese verstärkt. 
Der Maler war zum Zeitpunkt der Entstehung 29 und ist mit nur 45 Jahren am Schlaganfall gestorben. Da hatte er fünfhundert Bilder gemalt, und unzählige Vorstudien präzis gezeichnet. 

Place Saint-André-des-Arts. c. 1865. 
© Charles Marville Marville/Musée Carnavalet/Roger-Viollet/The Image Works.
Ende der 1850er Jahre beauftragte die Stadt von Paris Marville, die alten Viertel der Stadt zu dokumentieren. Er fotografierte Neu- und Umbauten, aber auch viele alte Straßen und Gebäude vor ihrer Zerstörung.

Dienstag, 4. Juni 2019

Arrival - ein feiner Science Fiction Film




Denis Villeneuve hat Filme gedreht. Leider auch Bladerunner 2049, aber da hat ihn vielleicht das gigantische Vorbild gelähmt.

https://www.blogger.com/blogger.g?blogID=1551496017578596917#editor/target=post;postID=2214644956330262577;onPublishedMenu=template;onClosedMenu=template;postNum=2;src=postname 

Aber vorher eben, Sicario und Arrival, zwei Filme, die, was selten ist, um eine zentrale Frauenfigur zirkeln. Emily Blunt in Sicario und Amy Adams in Arrival. Beide haben unübliche, wunderschöne Gesichter, hochsensible, durchscheinende und beide strahlen scharfe Intelligenz aus. Ich kann ihnen beim Denken zugucken, der Regisseur läßt mir Zeit mit ihnen. Er schafft Ruhe inmitten von hoher Spannung, er zeigt die Situationen vor oder nach der "action", vor oder nach den Gemetzeln. Ich sehe, wie sie Probleme angehen, sie zu lösen versuchen und nur, wenn es wirklich notwendig wird, sehe ich ihre Erschöpfung, ihre Angst, ihre Trauer. 

Frauenfiguren in Theater/Film/Fernsehen wird oft die Darstellung von Emotionalität zugeteilt. Männer lassen mal, unter größtem Druck, was gucken, Frauen müssen ihre Gefühle wie schlecht verkäufliche Ware vor sich hertragen. 

Mutter, Hure, Jean D'Arc, Maria. Vater, Don Juan, Held, Verlierer. 

Wir leiden schweigend, er leidet kämpfend. Gewiss eine Vereinfachung, aber solche Arbeitsaufteilung gibt es, so scheint es mir in unseren Medien.

In Sicario und Arrival werden die männlichen Partner emotional überfordert und die Weiber stampfen stoisch voran, erschüttert, aber unaufhaltbar.

Da entwickelt sich gerade eine neue Erzählweise, "Killing Eve", "The Americans", "Captain Marvel", "Wonder Woman". Zornige Weiber. Böse Frauen. Schlaue Mädchen. Das gefällt mir. Pippi Langstrumpf wird erwachsen und wird unangenehm fordernd.

P.P.S. Nebenbei läuft im Fernsehen eine deutsche Liebeskomödie, SMS Für Dich, alle reden schnell, als ob man dann nicht merken würde, das die Dialoge toal unlustig sind. Manchmal spiele ich vor dem Fernseher bei solchen Filmen mit, und meine Trefferquote für die "richtige" Reaktion, Grimasse - Klischee 1 bis 17 - ist wirklich bedrückend hoch.  

Sonntag, 2. Juni 2019

Ötigheim - Eine andere Welt

Meine Spieler, hier bei den Volksschauspielen in Ötigheim, sind IT-Experten, Referatsleiter, Hotelfachkräfte, Köche, Krankenschwestern, Hausfrauen, Ingeneure im Kernkraftwerk, Rentner und Zollbeamte, sie arbeiten hart und kommen dann zur Probe. 
Jeder, der mitmachen will, darf das auch, so ist hier die Regel. Finde ich gut, bedeutet aber auch, dass der Chor mal aus 40 und ein anderes Mal aus 90 Sängern besteht, weil die andern keine Zeit haben, Rollenträger, so werden hier die Darsteller genannt, wegen runden Geburtstagen oder anderweitigen Verpflichtungen mal nicht anwesend sind und die Pferde samt Reitern in manchen Proben nur imaginiert vorbeireiten, weil ihre realen Vertreter an einem Springreitturnier teilnehmen. Andererseits habe ich fast immer zwischen fünf und fünfzehn superlustige Kinder zur spielerischen Verfügung.
Auch ist das tägliche Leben hier, in diesem Dorf in Baden-Württemberg ganz anders organisiert, als ich es kenne. Man ist Mitglied im Fussballverein, dem ÖFC, der gerade vier Tage lang sein 100-jähriges Bestehen feiert oder in einer der örtlichen Tanzgruppen, man mischt mit im Karnevalsverein, oder in einer der Chorgruppe, manche sind sogar Mitglied in mehreren dieser Vereine. Sie sprechen den Etjer Dialekt, nahezu unverständlich für eine Person aus Berlin, Zugereiste, solche aus Dörfern der näheren Umgebung sprechen anders und es braucht Zeit, bis sie sich als dazugehörig empfinden können. Man kennt sich, man ist sich freundschaftlich verbundenen in kleineren Gruppen, man ist fest verankert, aufgehoben, im Guten wie im Schlechten.
Heute Nacht auf dem Dorffest um 2 Uhr, nach der Beleuchtungsprobe, unter schwer ertragbarer Beschallung mit Mallorca-Pop, war klar, wer nach Hause gebracht werden mußte und wer es allein schaffen würde. 
Ich lerne zauberhafte Menschen kennen. Freundlich, lustig und sozial. Sie leben anders als ich. Ich bin Großstädter, für mich ist das hier Exotik, aber wer bin ich, über irgendetwas zu urteilen?
Ich habe mich trotz grauenhafter Musik sehr gut amüsiert, habe gelacht, getanzt und Blutwurz getrunken.

Die Pflanzenart Blutwurz (Potentilla erecta), auch Dilledapp, Durmentill, Natter(n)wurz, Rotwurz, Ruhrwurz, Siebenfinger oder Tormentill genannt, gehört zur Familie der Rosengewächse (Rosaceae) ... im Bayerischen Wald, wird aus Blutwurz ein Likör oder Schnaps hergestellt, der als Digestif gereicht wird, schreibt Wiki

Der FV Ötigheim
Heute Abend gehen wir wieder in die Disco
Wochenende voll normal
Wenn keine Kohle ab ins Dispo
Doch das ist uns scheissegal
Denn wenn der DJ wieder gar nicht geht
Ohoheyo
Und wieder mal die Mukke leise dreht
Ohoheyo
Dann hab ich für ihn eine Frage parat
Ohoheyo
Und hoff das er sie auch beantworten mag
Wie heißt die Mutter von Niki Lauda?
Mama Laudaaa, Mama Laudaaa
Wie heißt die Mutter von Niki Lauda?
Mama Laudaaa, Mama Laudaaa


Mach mal lauter!