Sonntag, 2. Juni 2019

Ötigheim - Eine andere Welt

Meine Spieler, hier bei den Volksschauspielen in Ötigheim, sind IT-Experten, Referatsleiter, Hotelfachkräfte, Köche, Krankenschwestern, Hausfrauen, Ingeneure im Kernkraftwerk, Rentner und Zollbeamte, sie arbeiten hart und kommen dann zur Probe. 
Jeder, der mitmachen will, darf das auch, so ist hier die Regel. Finde ich gut, bedeutet aber auch, dass der Chor mal aus 40 und ein anderes Mal aus 90 Sängern besteht, weil die andern keine Zeit haben, Rollenträger, so werden hier die Darsteller genannt, wegen runden Geburtstagen oder anderweitigen Verpflichtungen mal nicht anwesend sind und die Pferde samt Reitern in manchen Proben nur imaginiert vorbeireiten, weil ihre realen Vertreter an einem Springreitturnier teilnehmen. Andererseits habe ich fast immer zwischen fünf und fünfzehn superlustige Kinder zur spielerischen Verfügung.
Auch ist das tägliche Leben hier, in diesem Dorf in Baden-Württemberg ganz anders organisiert, als ich es kenne. Man ist Mitglied im Fussballverein, dem ÖFC, der gerade vier Tage lang sein 100-jähriges Bestehen feiert oder in einer der örtlichen Tanzgruppen, man mischt mit im Karnevalsverein, oder in einer der Chorgruppe, manche sind sogar Mitglied in mehreren dieser Vereine. Sie sprechen den Etjer Dialekt, nahezu unverständlich für eine Person aus Berlin, Zugereiste, solche aus Dörfern der näheren Umgebung sprechen anders und es braucht Zeit, bis sie sich als dazugehörig empfinden können. Man kennt sich, man ist sich freundschaftlich verbundenen in kleineren Gruppen, man ist fest verankert, aufgehoben, im Guten wie im Schlechten.
Heute Nacht auf dem Dorffest um 2 Uhr, nach der Beleuchtungsprobe, unter schwer ertragbarer Beschallung mit Mallorca-Pop, war klar, wer nach Hause gebracht werden mußte und wer es allein schaffen würde. 
Ich lerne zauberhafte Menschen kennen. Freundlich, lustig und sozial. Sie leben anders als ich. Ich bin Großstädter, für mich ist das hier Exotik, aber wer bin ich, über irgendetwas zu urteilen?
Ich habe mich trotz grauenhafter Musik sehr gut amüsiert, habe gelacht, getanzt und Blutwurz getrunken.

Die Pflanzenart Blutwurz (Potentilla erecta), auch Dilledapp, Durmentill, Natter(n)wurz, Rotwurz, Ruhrwurz, Siebenfinger oder Tormentill genannt, gehört zur Familie der Rosengewächse (Rosaceae) ... im Bayerischen Wald, wird aus Blutwurz ein Likör oder Schnaps hergestellt, der als Digestif gereicht wird, schreibt Wiki

Der FV Ötigheim
Heute Abend gehen wir wieder in die Disco
Wochenende voll normal
Wenn keine Kohle ab ins Dispo
Doch das ist uns scheissegal
Denn wenn der DJ wieder gar nicht geht
Ohoheyo
Und wieder mal die Mukke leise dreht
Ohoheyo
Dann hab ich für ihn eine Frage parat
Ohoheyo
Und hoff das er sie auch beantworten mag
Wie heißt die Mutter von Niki Lauda?
Mama Laudaaa, Mama Laudaaa
Wie heißt die Mutter von Niki Lauda?
Mama Laudaaa, Mama Laudaaa


Mach mal lauter!

1 Kommentar:

  1. Ein ehrlicher und zugleich rührender Bericht eines liebgewonnenen Menschen, einer Frau aus einer Großstadt, die wir MENSCHEN aus ÖTIGHEIM liebgewonnenen haben, eben deshalb weil sie unser Leben kennenlernen möchte und das mitten unter uns.
    Unsere Regisseurin Johanna.
    Vielen Dank und liebe Grüße Andy Kern

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