Freitag, 25. Januar 2019

Spielen macht Spaß

Ja!
Spielen macht Spaß.
Und wie. Noch immer, auch nach 25 Jahren auf der "anderen", der dunklen Seite.
Acht Wochen Proben von 12 bis circa 20.00 Uhr. Die Regisseurin ist hochmusikalisch, scheint das Stück als eine durchkomponierte Partitur im Kopf zu haben. Eine für mich neue, aber durchaus mögliche Arbeitsweise. Fragen, Einwände, Eigenwilligkeiten mag sie eher nicht.

12 Spieler, darunter drei Regisseure, liefern sich aus. 
Wir alle wollen spielen.
Szenenübergreifende Zusammenhänge sind diesmal nicht meine Verantwortung. Bühne, Kostüme (außer mein eigenes), Licht, Ton, Requisiten gehen mich nichts an. Ich bin nur zuständig für Frau Dupperi, die siebzigjährige Nachbarin, die erst nach der Pause auftritt, flehentlich nach Familienanschluss sucht und dann völlig unerwartet Kraft zum Widerstand findet. 

Meist gelingt mir diese Konzentration in den Proben gut. Die völlige Fixation auf die Geschichte meiner Figur hält mich wach und gebündelt.
Wie spielt man eine Einsamkeit, die sich jemand selbst nicht eingestehen kann?

Die Regisseurin gibt die Form, den Ton, die Melodie vor, diese Artifizialität zu unterfüttern ist mein Job, den ich gerne tue. Sie ist präzise und kurzangebunden, energiegeladen und ungeduldig. Ihr Text ist gut, sozial auf den Punkt, wenn auch schwankend zwischen der Entstehungszeit des Stücks in den 80ern und den Aktualisierungen zu unserer Zeit. Handys werden erwähnt, aber nicht genutzt und Mamas Familiengeschichte aus einem Land nach dem Zweiten Weltkrieg ist sehr stark, aber verschiebt die Zeitlinie. 
Erwischt, hier spricht die Regisseurin.
Spielen in innerer Freiheit, alle Verabredungen einhaltend, das ist Glück!
Und dieses Glück ist nur selten zu haben, man muß es sich erkämpfen, erarbeiten. 
Aber.
Immer dieses Aber. Warum feiern im deutschen Theater hierarchische Strukturen ihr Überleben, die wir an anderen Orten verächtlich niedermachen würden? Ich meine nicht, die notwendige Aufgabenverteilung zwischen Spieler und Hutaufhaber, die für mich in der Notwendigkeit des distanzierten Blickes
begründet ist. Aber sozialer und psychologischer Druck sind subtil oder gleißend grell immer ein Mittel der Machtausübung oder des Mißbrauchs derselben. Ich habe also Einiges gelernt, was meinen eigentlichen Beruf betrifft. Will ich brave Spieler? Wieviel Widerspruch halte ich aus, wieviel ist sogar unbedingt nötig, um meine Arbeit voranzutreiben, besser zu machen? Ich will Kooperation, zu deutsch Zusammenarbeit, bei klarer Aufgabenverteilung, Respekt und Strenge, Höflichkeit ist angebracht, auch wenn es eine geradezu vom Aussterben bedrohte Umgangsform scheint. Der Regisseur sollte sich genauso ausliefern wie die Spieler. Wir sollten das Risiko gemeinsam tragen, oder? 


Foto: Franziska Strauss
Das schönste Kompliment hat mir zur Premiere ein Kollege gemacht, den ich sehr verehre. "Du bist gut, weil Du nicht weißt, was Du tust." Ich: "Hä?" Er: "Du spielst einfach. Wenn einer Schauspieler ist, nehme ich an, dass er einen Handstand kann, er muß ihn nicht zeigen, muß auch nicht andeuten, dass er ihn jederzeit könnte, er muß nur spielen."
Der unsichtbare Handstand, das ist Spiel im Glück.

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