Heute im tiefen Winter, am Abend des 30. Januars stieg aus dem Wagen neben meinem ein nahezu nackter Mann aus der S-Bahn. Die Füße schuhlos in dicken Verbänden, den halbsichtbaren Hintern in einer Hose, die drohte ihren zugewiesenen Platz zu verlassen, die gänzlich zerrissenen Reste eines Kapuzenshirts überm nackten Oberkörper. Er humpelte langsam und mühselig die Treppen hinunter, ich dick eingepackt hinterher, im Portemonaie noch 5 Euro. Scheiße. Geldautomat, Karte, Euros kommen raus. Diesen gefälligen Vorgang kennt er wahrscheinlich gar nicht, oder nicht mehr. Ich laufe hinter ihm her, bitte ihn Geld für Schuhe und einen Pulli anzunehmen. Er dreht sich um und antwortet im höflichsten Österreichisch: "Das passt schon. Nein danke. Ich geh grad zur Bahnhofsmission." Dann hat er dezent in eine Strassenecke gepisst.
Was habe ich für ein Glück, zufällig. Was für Würde hat dieser entblößte Mann.
VON DER FREUNDLICHKEIT DER WELT
Auf die Erde voller kaltem Wind
Kamt ihr alle als ein nacktes Kind.
Frierend lagt ihr alle ohne Hab
Als ein Weib euch eine Windel gab.
Keiner schrie euch, ihr wart nicht begehrt
Und man holte euch nicht im Gefährt.
Hier auf Erden wart ihr unbekannt
Als ein Mann euch einst nahm an der Hand.
Von der Erde voller kaltem Wind
Geht ihr all bedeckt mit Schorf und Grind.
Fast ein jeder hat die Welt geliebt
Wenn man ihm zwei Hände Erde gibt.
b.b.
Hier singt es Ernst Busch! Und auch das Gegenlied!
https://www.youtube.com/watch?v=pKAJM4dFkRo
Gegenlied zu VON DER FREUNDLICHKEIT DER WELT
Soll das heißen, daß wir uns bescheiden
Und „so ist es und so bleibt es“ sagen sollen?
Und die Becher sehend, lieber Dürste leiden
Nach den leeren greifen sollen, nicht den vollen?
Soll das heißen, daß wir draußen bleiben
Ungeladen in der Kälte sitzen müssen
Weil da große Herrn geruhn, uns vorzuschreiben
Was da zukommt uns an Leiden und Genüssen?
Besser scheint ’s uns doch, aufzubegehren
Und auf keine kleinste Freude zu verzichten
Und die Leidenstifter kräftig abzuwehren
Und die Welt uns endlich häuslich einzurichten!
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