Sonntag, 14. Oktober 2018

Unteilbar?

Fangen wir mit dem blöden Zeug an. 
"Nazis Raus" ist wirklich einer der dämlichsten mir bekannten Sprüche. Wo raus? Wo dann rein? Wenn wir "unteilbar" sein wollen, müssen wir sie drin behalten, denn sie sind ein Teil von uns, ob es uns gefällt oder nicht. "Uns" ist in diesem Fall das Volk, das deutsche. Von dem ich auch ein Teil bin, ob es mir gefällt oder nicht.

Und übrigens ist die AfD unangenehm, peinlich und beunruhigend, aber keine faschistische Partei. Bleiben wir genau, nicht alles ist das Gleiche. Scheinbar übersehen manche von uns schnell und gern, dass Demokratie auch das Aushalten gänzlich entgegengesetzter Meinungen, Haltungen verlangt. Solange jemand das Grundgesetz akzeptiert und nicht kriminell wird, darf er/sie denken, was er/sie will. Und ich muß das aushalten, als Demokrat und kann es trotzdem Scheiße finden. Und dagegen demonstrieren gehen.

Machen wir uns nichts vor, wir sind bereits geteilt. Das ist übel.

Wiki sagt:
Typische Merkmale einer modernen Demokratie sind freie Wahlen, das Mehrheits- oder Konsensprinzip, Minderheitenschutz, die Akzeptanz einer politischen Opposition, Gewaltenteilung, Verfassungsmäßigkeit, Schutz der Grundrechte, Schutz der Bürgerrechte und Achtung der Menschenrechte. Da die Herrschaft durch die Allgemeinheit ausgeübt wird, sind Meinungs- und Pressefreiheit zur politischen Willensbildung unerlässlich.

Die Stimmung war freundlich, das Wetter gut und eigentlich wirkte das Ganze eher wie ein Sonntagsausflug, zu dem halt ungewöhnlich viele Leute gekommen waren. Wir sind zwischen dem Fußballfanblock und der Queertruppe, inclusive einiger hinreißender Drag-Queens, gelaufen, oder besser gestanden, gelatscht, gelegentlich getanzt. 
Die Veranstalter sagen es waren 240 000, die Presse redet von mehr als 100 000 Leuten, nicht übel. Die hätten ja auch alle zum Samstagsbrunch gehen können, oder einkaufen, oder irgendwas anderes tun können, bei dem man nicht zwei Stunden rumsteht bis es losgeht. Nicht übel. Ich bin froh, dass ich trotz all der verständlichen Gegenargumente, mal wieder demonstrieren gegangen bin. 



Noch einmal Wiki:
Eine Demonstration (von lateinisch demonstrare, zeigen, hinweisen, nachweisen, Kurzform: Demo) im politischen Sinne ist eine in der Öffentlichkeit stattfindende Versammlung mehrerer Personen zum Zwecke der Meinungsäußerung.

Der Aufruf zur Demo mit dem Titel "#unteilbar: Für eine offene und freie Gesellschaft – Solidarität statt Ausgrenzung" lautete:

"Wir lassen nicht zu, dass Sozialstaat, Flucht und Migration gegeneinander ausgespielt werden. Wir halten dagegen, wenn Grund- und Freiheitsrechte weiter eingeschränkt werden sollen.
Das Sterben von Menschen auf der Flucht nach Europa darf nicht Teil unserer Normalität werden. Europa ist von einer nationalistischen Stimmung der Entsolidarisierung und Ausgrenzung erfasst. Kritik an diesen unmenschlichen Verhältnissen wird gezielt als realitätsfremd diffamiert.
Während der Staat sogenannte Sicherheitsgesetze verschärft, die Überwachung ausbaut und so Stärke markiert, ist das Sozialsystem von Schwäche gekennzeichnet: Millionen leiden darunter, dass viel zu wenig investiert wird, etwa in Pflege, Gesundheit, Kinderbetreuung und Bildung. Unzählige Menschen werden jährlich aus ihren Wohnungen vertrieben. Die Umverteilung von unten nach oben wurde seit der Agenda 2010 massiv vorangetrieben. Steuerlich begünstigte Milliardengewinne der Wirtschaft stehen einem der größten Niedriglohnsektoren Europas und der Verarmung benachteiligter Menschen gegenüber.
Nicht mit uns – Wir halten dagegen!
Wir treten für eine offene und solidarische Gesellschaft ein, in der Menschenrechte unteilbar, in der vielfältige und selbstbestimmte Lebensentwürfe selbstverständlich sind. Wir stellen uns gegen jegliche Form von Diskriminierung und Hetze. Gemeinsam treten wir antimuslimischem Rassismus, Antisemitismus, Antiziganismus, Antifeminismus und LGBTIQ*- Feindlichkeit entschieden entgegen.
Wir sind jetzt schon viele, die sich einsetzen:
Ob an den Außengrenzen Europas, ob vor Ort in Organisationen von Geflüchteten und in Willkommensinitiativen, ob in queer-feministischen, antirassistischen Bewegungen, in Migrant*innenorganisationen, in Gewerkschaften, in Verbänden, NGOs, Religionsgemeinschaften, Vereinen und Nachbarschaften, ob in dem Engagement gegen Wohnungsnot, Verdrängung, Pflegenotstand, gegen Überwachung und Gesetzesverschärfungen oder gegen die Entrechtung von Geflüchteten – an vielen Orten sind Menschen aktiv, die sich zur Wehr setzen gegen Diskriminierung, Kriminalisierung und Ausgrenzung.
Gemeinsam werden wir die solidarische Gesellschaft sichtbar machen! Am 13. Oktober wird von Berlin ein klares Signal ausgehen." 

Liste der Erstunterzeichnenden:
https://www.unteilbar.org/wir/erstunterzeichnende/ 

Die Muslimbrüderschaft ist, entgegen anderslauternder Behauptungen, nicht darunter. Sondern der Zentralrat der Muslime Deutschlands.

13.10.2018 Rede auf der Kundgebung #unteilbar am 13.10.2018 Auftakt AlexanderPlatz – Es gilt das gesprochene Wort. Aiman Mazyek (ZMD-Vorsitzender)
http://www.zentralrat.de/30412.php

8 Kommentare:

  1. Sehr geehrte Frau Schall, bei aller Liebe, schwindeln Sie doch bitte nicht. Ein Gründungsmitglied des Zentralrats der Muslime ist die Islamische Gemeinschaft in Deutschland und diese gilt als Ableger der Muslimbrüderschaft. Außerdem handelt es sich bei Aiman Mazyek um keinen redlichen Mann.
    Mit freundlichen Grüßen
    Judith Nikolova

    Wenn Sie hier weiterlesen möchten:
    https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2018/10/unteilbar-demonstration-kritik-muslime-islamisten.html
    https://jungle.world/artikel/2018/40/keine-ausgrenzung-von-fundamentalisten

    Und wer sonst noch da war:
    https://twitter.com/JFDA_eV/status/1051202655110991872

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    1. Das war doch nicht anonym, nur habe ich kein Google Konto. Lassen Sie mich gestehen, daß das da oben mein allererster internetkommentar war. Nämlich bin ich ein computerblödi. Nikolova ist mein Name und ich wünsche Ihnen noch einen schönen Sonntag

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    2. Danke. Ich hab nicht geschwindelt. Aber auch nicht genau recherchiert, das stimmt.
      Doch denke ich, dass wenn der Bund der Muslime diesen Aufruf unterschrieben hat, das mir lieber ist, als wenn er es nicht getan hätte. Handlungsfähig zu werden, heißt wohl, schwierige Widersprüche in Kauf zu nehmen? Ich bin nicht sicher, aber das ist die Tendenz meines Denkens.

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  2. Eine Kritik liberaler Muslime: https://www.rbb24.de/politik/beitrag/2018/10/unteilbar-demonstration-kritik-muslime-islamisten.html

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  3. Teil 1
    Oliver Jaksch schrieb:
    Liebe Johanna Schall,

    Ich lese gerne und oft Deinen Blog, mag Dein Zweifelndes, Hinterfragendes - weil es mich meine eigenen „Gewißheiten“ befragen läßt usw...
    Aber.
    Dein heutiger Post zu „#unteilbar“ regt meinen heftigsten Widerspruch. Drum muss ich Dir so länger schreiben...
    Vielleicht liegt es an meinem schlechten Gewissen, weil ich an der Demo nicht aktiv teilnehmen konnte - hätte ich den weiten Weg auf mich genommen, hätte ich nicht die gute Entschuldigung einer Vorstellung gehabt? Zumindest hab ich an die Aktion gespendet, weil ich froh war, daß es so eine breit aufgestellte Initiative gibt, die - endlich! - ein Zeichen gegen die Zustände setzt; nicht zuletzt moniert sie ja mE mehr als „nur“ den rechtskonservativen Drall...

    Da Du - zum Glück! - auch daran teilgenommen hast, war ich auf Deinen Bericht gespannt.
    Doch nun frage ich mich:
    Hättest Du Deinen Demonstrationseinsatz etwa gewichtiger geschätzt, wäre es NICHT eine offenbar bunte, friedliche Demo gewesen? Wäre es gar zu Ausschreitungen wie in Chemnitz o.ä. gekommen? Zumindest klang mir Deine Schilderung nach einem belustigten War-ganz-nett-tut-aber-auch-keinem-weh...
    Ist es kein Hoffnungsschimmer, daß es einer heterogenen Masse (von „Mehrheiten“ ist ja müßig zu sprechen) doch langsam nach politischen Ausdruck verlangt, sich wahrnehmbar zu artikulieren, nachdem die Gleichgültigkeit/Untätigkeit der „schweigenden Mitte“ solange beschworen wurde?
    Und ja, wir sind „uneins“. Soweit dies grundlegende Auffassungen von (Menscheits-)Rechten angeht, teile ich Dein Betrübnis darüber, hätte ich das bis vor einigen Jahren nicht für möglich gehalten. Andererseits kann einen das bei einer größeren Gruppe, respektive einer ganzen Gesellschaft aber auch nicht überraschen. „Übel“ ist was anderes.

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  4. Teil 2

    Übel finde ich, daß wir uns - immer noch und wieder - mit dem „Nazizeugs“ beschäftigen müssen, daß wir dabei aber in Begriffsdebatten und -diskussionen kommen, die mE unnötige Energie bindet. Ja, mag sein, daß da manches durcheinander gerät. Aber ist soviel „Differenzierung“ wirklich notwendig, wenn es eine Partei wie die AfD rapide nach oben trägt? Ist die korrekte begriffliche Einordnung wirklich das Thema bei all den Volten die Gauland, Höcke & Co. medienwirksam schlagen, wenn deren Zielrichtung doch unleugbar scheint?
    https://www.heise.de/tp/features/Bjoern-Hoecke-droht-mit-Dunkeldeutschland-4186178.html?seite=all

    Wikipedia says:
    „Faschismus kann definiert werden als eine Form des politischen Verhaltens, das gekennzeichnet ist durch eine obsessive Beschäftigung mit Niedergang, Demütigung oder Opferrolle einer Gemeinschaft und durch kompensatorische Kulte der Einheit, Stärke und Reinheit, wobei eine massenbasierte Partei von entschlossenen nationalistischen Aktivisten in unbequemer, aber effektiver Zusammenarbeit mit traditionellen Eliten demokratische Freiheiten aufgibt und mittels einer als erlösend verklärten Gewalt und ohne ethische oder gesetzliche Beschränkungen Ziele der inneren Säuberung und äußeren Expansion verfolgt.“
    Und weiter:
    „Als „faschistoid“ werden Eigenschaften bzw. Haltungen bezeichnet, die faschistische Züge tragen oder dem Faschismus ähnlich sind, meist jedoch in abgeschwächter oder differenzierter Form auftreten.“

    Tatsächlich können wir „unsere Nazis“ nicht exportieren. Aber raushalten aus dem demokratischen Anstrich, den sie sich zu geben versuchen. Und es ist deren polemische Argumentation, das „demokratische Volk“ müsse sie gefälligst aushalten und an die staatlichen Futtertröge lassen, wenn es #unteilbar für sich requirieren möchte.

    Ich mag den Begriff „Volk“ übrigens nicht. Nicht erst, seit mich Wiki lehrt, es könnte urgermanisch auf die ursprüngliche Bedeutung „Kriegsschar“, „Kriegerhaufen“ weisen. (Unbewußtes trifft Faktum!) Der Begriff wird immer nur für ungute Absichten mißbraucht.
    Es gibt für mich Bevölkerung, meinetwegen auch Ethnien.
    Zweifellos fühlen sich „Gruppen von Menschen aufgrund bestimmter kultureller Gemeinsamkeiten und enger Beziehungen sowie zahlreicher Verwandtschaftsgruppen miteinander verbunden“. (Als Österreicher definiere ich mich idR nur außerhalb meines Herkunftslandes, wenn ich über meine meist unbewußten Prägungen zB in meinem deutschen Zuhause stolpere oder darauf gestoßen werde. Auf meine übrigen genetischen Ursprünge rekurriere ich ebenfalls nur nach Opportunität �� )

    Vielleicht habe ich Dich nur mißgelesen in Deinen Äußerungen?
    Vielleicht liegt es auch an der Beschäftigung mit der Novemberrevolution 1918/19 - Sebastian Haffners Buch dazu gärt immer noch in mir, erhellend & wuterzeugend - und ich sitze meiner eigenen Überempfindlichkeit darob auf...
    Gestatte mir dennoch soviel Widerspruch
    mit besten Grüßen,
    Oliver Jaksch

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    1. Lieber Oliver!

      Die atmosphärische Beschreibung der Demo sollte keine Verurteilung sein, ist aber eine Nacherzählung meines Eindruckes. Einerseits war es toll, dass so viele Menschen beschwingt und unagressiv miteinander etwas tun, aber erstaunlich schien mir, wie allgemein-menschelnd, viele Plakate und Reden formuliert waren.
      Vielleicht weiß ich auch nicht, was ich genau will. Etwas mehr präzise politische Haltung?

      Ja, wir müssen uns mit dm "Nazizeugs" weiter rumschlagen. Was wollen wir denn mit all den AfD Wählern machen? Ihnen das Wahlrecht entziehen? Sie einsperren? Was wir jetzt tun, sie für dumm, reaktionär und verblendet zu erklären, ist keine Lösung.
      Sie sind Bürger dieses Staates mit den von ihm garantierten Rechten. Schützen wir sie nicht, gefährden wir uns. Die und wir, schon wieder so ein Spalt. Die Freiheit des Andersdenkenden, ist leider auch ihre. Schrecklich aber wahr.

      Keine Antworten, nur Gedanken. Danke Dir für Deinen Widerspruch.
      Ebenfalls mit besten Grüßen, Johanna

      Das Volk, das deutsche war ironisch gemeint, deshalb das nachgestellte Adjektiv.

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