Dienstag, 22. Mai 2018

Facebook ist ein eigen Ding

Facebook, bzw. mein persönliches Facebook. 
Ohne wirkliches Zutun meinerseits habe ich momentan 1600 Facebookfreunde. Die meisten kenne ich nicht im entferntesten persönlich. Ich poste meinen Blog, interessante Artikel, auch mal nur Quatsch, manchmal Fragen, sehr gelegentlich Meinungen, selten Provokationen.

Beginnen wir mit den guten Dingen: Ein Bekannter veröffentlicht interessante Bücher, Bilder, die ihn packen und Auszüge aus gutgeschriebenen SZ-Kritiken. Ein anderer wichtige aktuelle politische Artikel. Ich erfahre wo gerade interessante Inszenierungen laufen, Ausstellungen öffnen. Wenn ich verreise, wissen andere, wo es das beste Eis gibt, die schönste Kirche, das beste Hotel. Wenn ich neu auf ein Thema stoße, kann ich Anstöße bekommen, wo ich am besten beginne, mich zu informieren. bei 1600 Leuten ist fast jeder Beruf, jede Spezialisierung, jedes Hobby vertreten. Und sehr viele Menschen sind hilfsbereit und auskunftsfreudig.

Meine "Blase", die kleine Facebook-Gemeinde, deren Postings ich regelmäßig verfolge, ist dabei keineswegs heterogen. Ich lese Vieles, was mich erstaunt, erschrickt, aufregt. Gut so. Nicht gemütlich werden mit den eigenen Meinungen, zu begreifen, dass Widerspruch, andere, konträre Gedanken und Sichten Berechtigung haben, ist gut für mich.


Andererseits: Unser Umgangston bei Uneinigkeit ist schnell rau, oft hitzig, rasch unverhältnismässig abfällig und manchesmal geradezu verächtlich. Die Fähigkeit zu streiten ohne den Streitgegner, den, der eine von der unseren abweichende Meinung hat, ernst zu nehmen, mit ihm kommunizieren zu wollen, scheint mir auf Erbsengröße verkümmert. Selbst Freunde, die ich in der realen Welt liebe, hacken auf Facebook ohne erkennbaren Eigenzweifel auf Andersmeinende ein, als gälte es, die Welt zu retten, indem man eine harmlose, unsichere Gegenäußerungen auf Facebook in den Boden stampft. Die Wortwahl wird maßlos, die Vergleiche hinken übelst und Unterstellung ist die beliebteste Angriffswaffe. Das Dritte Reich ist dabei ein williger Bereitsteller von Vergleichsbildern oder, dass der andere Ossi ist oder Wessi, oder blind & blöd.

Wer von uns weiß die letzte, unumstößliche Wahrheit über den Konflikt zwischen Israel und den Palästinensern? Wer kennt alle Ambivalenzen der #metoo Debatte? Merkel wird zum ultimaten Monster, Palästinenser zu aggressiven Halbmenschen. Keiner. Aber dennoch wissen wir uns im Besitz der einzigen wahren unbestreitbaren Wahrheit. 

Ich habe sie nicht, leider. Diese Gewißheit. Je älter ich werde und je mehr ich erfahre, desto unsicherer werde ich. Die Weltpolitik droht, mich zu überwältigen. 

Ich weiß, Trump ist ein egomanisches Arschloch, aber mehr als Halb-Amerika wählt ihn? Merkel ist CDU und sitzt alles aus, aber wer sollte es anstatt ihrer sein? Die Hamas ist ein übler Haufen, aber ist Israel deshalb schuldfrei? 

Gib mir die Fähigkeit und die Geduld andere Meinungen auszuhalten und doch zu wissen, wann ich mich ausklinken muß, grob werden sollte oder die Sperrung der Facebook-Seite verlange.

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