Freitag, 17. Februar 2017

In Zeiten des abnehmenden Lichts - Väter und Söhne und sehr viel Einsamkeit

"Ich persönlich", hätte Wolfgang Ruge am Ende gesagt, „habe insgesamt, ein ersprießliches Dasein gehabt. Aber die Welt ist nicht zu retten.", sagt sein Sohn.


"Das Leben der Anderen" hat mir mißfallen, trotz Oscarehren und trotz Ulrich Mühe. Die übermäßig melodramatische Erzählweise, die Verheiligung des Leidens und die sich daraus ergebende Verwandlung der DDR in eine emotionsüberladene Soap-Opera in dunkelbunt, fand ich weder hilfreich noch erhellend. 
Das mittelmäßige Begehren, der kleinbürgerliche Traum, das "Wir wursteln uns so durch" wurde ausgespart, aber auch die entsetzliche Unfähigkeit den großen Plan aufzugeben, weil der Preis der bereits gezahlt wurde, zu hoch war.
Die Liebe besiegt alles, mag hoffnungsspendend klingen, ist aber zu kurz gedacht, wenn ein gigantischer Traum sich in sein Gegenteil verkehrt und ganze Völker nachlässig verrecken läßt, weil es zu schmerzhaft wäre, die Utopie auf ihre Realittstauglichkeit zu überprüfen. 

Vorlage ist der Roman gleichen Titels von Eugen Ruge, über dessen Vater lese ich in Wikipedia Folgendes:
Ruge wuchs in einem kommunistischen Elternhaus auf, er war junger Pionier und Mitglied des kommunistischen Jugendverbandes. Nach der NS-Machtübernahme flüchteten er und seine Familie 1933 in die Sowjetunion. Dort wurde sein älterer Bruder Walter Ruge verhaftet und der Vater Erwin Ruge im Frühjahr 1938 in das nationalsozialistische Deutschland abgeschoben. Ruge studierte nach seinem Abitur Geschichte in Moskau. Fassungslos erlebte er dort mit, wie sich unter dem Terror Mitte der 1930er Jahre die Reihen der Altkommunisten und Emigranten lichteten. Nach dem Überfall des Deutschen Reiches auf die Sowjetunion wurde er zusammen mit seiner zweiten Ehefrau wegen seiner deutschen Herkunft nach Kasachstan deportiert, ein Jahr später von ihr getrennt und als Zwangsarbeiter in ein Straflager des Gulags in den Nordural verschickt. Dort wurde er unter Bedingungen der völligen Willkür und Essenzuteilung nach Normerfüllung zu Schwerstarbeit, wie Holzfällen, eingesetzt. Drei Jahre nach Ende des Krieges zerschlugen sich Ruges Hoffnungen, das Lager als freier Bürger verlassen und zu seiner Frau in die Steppe zurückkehren zu können. Seine Strafe wurde in „Ewige Verbannung“ umgewandelt. Er durfte den Lagerort per Dekret zeitlebens nicht mehr verlassen. Ruge konnte jedoch 1948 unter Umgehung des Verbannungsregimes ein Fernstudium der Geschichte in Swerdlowsk absolvieren. Im Nordural-Straflager Soswa fristete Ruge ein karges Leben zusammen mit seiner dritten Frau. Erst 1956 gelang Ruge zusammen mit seiner Frau und zweijährigem Sohn Eugen die Ausreise in die DDR. Ihm wurde eine Stelle am Institut für Geschichte an der Akademie der Wissenschaften in Berlin angeboten.
 
Das Drehbuch hat der große Wolfgang Kohlhaase geschrieben.
Wolfgang Kohlhaase ist ein Sohn des Maschinenschlossers Karl Kohlhaase und seiner Frau Charlotte. Er wuchs in Berlin-Adlershof auf und besuchte die Volks- und Mittelschule. Schon während der Schulzeit begann er zu schreiben und wurde 1947 Volontär und Redakteur bei der Jugendzeitschrift Start. Ein Exemplar von Start mit einem Artikel von Kohlhaase erreichte auch das sowjetische Kriegsgefangenenlager, in dem sich 1947 Kohlhaase senior, sein Vater, befand. Sein Vater stieg damit im Ansehen bei der Gefängnisleitung, er erhielt mehr Essen als auch leichtere Arbeit und konnte so das Lager überleben. 

Matti Geschonneck führte Regie. Über seinen Vater Erwin schreibt Wiki:
Geschonneck war Sohn eines Flickschusters und Nachtwächters. 1908 übersiedelte die Familie nach Berlin in die Rosenthaler Vorstadt. Geschonneck verdiente nach dem Schulabschluss seinen Lebensunterhalt als Gelegenheitsarbeiter, Bürobote und Hausdiener. 1929 trat er der KPD bei und spielte in kommunistischen Laienspiel-, Agitprop- und Kabarettgruppen; 1931 hatte er in Kuhle Wampe oder: Wem gehört die Welt? seine erste kleine Filmrolle. Nach der Machtergreifung durch die Nationalsozialisten emigrierte er 1933 über Polen in die Sowjetunion. 1938 wurde er vom NKWD zum Verlassen der Sowjetunion gezwungen. In Prag wurde er am 31. März 1939 verhaftet und an die Gestapo ausgeliefert. Er war Gefangener in den KZ Sachsenhausen, Dachau und Neuengamme. Am 3. Mai 1945 überlebte er den Untergang des in der Lübecker Bucht von britischen Flugzeugen versenkten KZ-Schiffes Cap Arcona.... Was für eine Biographie. 
In den "Zeiten des abnehmenden Lichts" bröselt der sogenannte Sozialismus  langsam in Richtung seines Untergangs, aber es wird auch von den unglaublichen Opfern berichtet, die die zu Recht Untergehenden einst gebracht haben.

EIN RUNDER GEBURTSTAG IN DER DDR 1989
Der Urgroßvater wird 90, Bruno Ganz in würdiger Vertretung für Erwin Geschonneck, ein Stalinist ohne wirklich große Karriere, weil er in der "falschen" Emigration, der im Westen, war. Die Urgroßmutter, es hätte Inge Keller sein sollen, auch wenn Hildegard Schmahl großartig ist, ihre großbürgerlichen, weltoffenen Träume ersticken in realsozialistischer Spießigkeit, ein Eiertanz zwischen Grandezza und Überheblichkeit. Der Großvater und Sohn, Professor des ddrischen Rechts mit Jahren im sibirischen Lager und einem erschlagenen Bruder auf der Seele, sehnt sich verzweifelt nach Ausgleich, Verbindung, Sylvester Groth. Dessen Sohn, Enkel des Alten, haut ab, macht rüber. Sein Sohn wiederum, der Urenkel bekommt vom Urgroßvater anstatt des ersehnten Dinosauriers, einen getrockneten Iguana, den der aus dem mexikanischen Exil mitgebracht hat. 
Die Buddenbrocks des kommunistischen Verfalls. Und um sie herum die Geburtstagsgäste, ich kenne sie alle, alle - was für ein herrlich gräßlicher Haufen Realsozialismus. Die, ohne Traum, die, denen die Hoffnung ausgetrieben wurde. Aber eben auch die Haushälterin, die ihre indignierte Herrin wunderbar penetrant Lotti nennt und die Gemüsehändlerin, die nicht auf dem Fest bleiben kann, weil heute noch Kohlrabi geliefert wird. 
https://www.welt.de/kultur/history/article13813554/Als-in-Stalins-Lagerhoelle-die-Utopie-starb.html  Der Film kommt im Juni in die Kinos und es würde sich lohnen, hinzugehen und zu schauen.

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