Samstag, 10. Dezember 2016

Pfusch in der Volksbühne

SPOILERALARM - nicht weiterlesen, wenn sie vorhaben , den Abend naiv und fröhlich nichtsahnend zu genießen!

Wenn es einen Gott gibt, läßt er sich ohnehin nicht ins Handwerk pfuschen.

pfuschen Vb. ‘unfachmännisch, unordentlich, flüchtig arbeiten’, zuvor ‘unberechtigt eine nicht zunftgemäß gelernte Arbeit verrichten’ (16. Jh.), landschaftlich (bes. omd. westd.) auch fuschen. Wahrscheinlich eine Bildung zu futsch (s. d.), landschaftlich auch pfu(t)sch, das lautmalend zur Charakterisierung einer schnellen, hastigen, schwirrenden oder zischenden Bewegung dient. verpfuschen Vb. ‘(durch fehlerhafte Arbeit) verderben’ (18. Jh.). Pfuscher m. ‘wer ein Handwerk unberechtigt betreibt, wer oberflächlich, schlecht arbeitet, Stümper’, bereits gegen Ende des 14. Jhs., also früher als das Verb bezeugt, daher wohl unmittelbar zu pfu(t)sch gebildet. Pfuscherei f. ‘oberflächliche Tätigkeit, schlechte, liederliche Arbeit’ (17. Jh.). DWDS

Und was machen sie so beruflich? Ich gehe abends auf eine (meist) leicht erhöhte Fläche und tue so, als wäre ich jemand anderes, der ein Problem hat, und dies mit Anderen, die auch so tun, als wären sie Andere, bis ins Extrem durchspielt, dabei schauen mir wiederum andere Leute zu, die vorher Geld fürs Zusehen bezahlt haben.
Eintrittskarten für die Aufführungen der Volksbühne sind momentan Mangelware. Ich habe mich bei der letzten Vorstellung, ausverkauft, auf die Warteliste der heutigen setzen lassen. Keine Steuerkarte, nein, eine richtige. Jeder Abend dieser wichtigen Spielzeit scheint ausverkauft zu sein. Nur aus Trotz? 
Heute, an diesem Abend endet die Vorstellung ganz ohne Verbeugungsordnung, der Eiserne Vorhang senkt sich geräuschvoll (Habe ich da Pupsen gehört?), die lächelnden Spieler, die vorher einzeln und individuell "Tschüss" gesagt haben, verschwinden, (Sie stehen sicher aber am Inspizientenpult und schauen sich den wilden Applaus auf dem Monitor an.) der Eiserne setzt auf, ein Dröhnen ertönt, das in das Geräusch eines davonfliegenden Jets übergeht, dann Stille trotz andauernden Klatschens. Volksbühne zu Ende - aus - kaputt.
13 Schauspieler - ein Omen? - spielen. Ein Abend über das Mißlingen, trotz größten Bemühens. Ein hochorganisierter Abend in dem doch jeder einzelne Darstelller ganz frei scheint. Das ist wahrhaft ein seltenes Glück. Einer ist cool, ein anderer überangestrengt, eine verliert nie den Spaß, einer anderen gelingt dies nicht. Sie sind sehr verschieden, aber gemeinsam an einer Sache interessiert: es so großartig wie möglich zu machen und daran zu scheitern, wenn nötig. 
In Verkürzung ist das die Geschichte dieses Theaters, es wurde oft viel gewagt, mit phantastischem, herzerschütterndem Ergebnis und eben auch mit dem erlebten Eintreten des grandiosen Mißerfolgs. Ich nenne es Risiko. Eine Vision haben und möglicherweise haarscharf oder meilenweit danebenzuhauen, das war hier bisher möglich.
Rückblende:
Mit 14 sind wir bei den berühmt-berüchtigten VB-Spektakeln durchs Klofenster gestiegen, meine Freundin hat ihr Deutsch-Abitur über den Volksbühnen "Hamlet" mit Manfred Karge geschrieben, meine frühen Lieben waren allesamt Schauspieler der Volksbühne, bei den "Räubern" von Karge/Langhoff habe ich das erste Mal geahnt, wie nah mir alte Texte kommen können. Dem jetzigen Intendanten Frank Castorf bin ich, als theaterverliebte Jugendliche durch die tiefste Provinz unseres so sehr provinziellen Staates nachgereist.
Hier arbeiteten: Max Reinhardt, Erwin Piscator, Benno Besson, Manfred Karge & Matthias Langhoff, Johann Kresnik, Fritz Marquardt, Edzard Hausmann, Christoph Marthaler, Christoph Schlingensief, Dimiter Gottscheff, Renee Pollesch und unzählige andere Regisseure mit tollen Schauspielern, zum Beispiel: Paul Wegener, Emil Jannings, Ernst Lubitsch, Eduard von Winterstein, Werner Krauss, Henry Hübchen, Ruth Glöss, Dieter Montag, Hans Teuscher, Ralf Dittrich, Sophie Rois, Corinna Harfouch, Birgit Minichmayr, Kathrin Angerer, Bernhard Schütz, Herbert Fritsch, Martin Wuttke, Alexander Scheer, Ursula Karusseit und und und.
Und demnächst? 

http://www.berliner-zeitung.de/kultur/theater/intendantenwechsel-volksbuehne--wieso-wurde-die-reissleine-gezogen--mitten-im-flug----24819528 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen