Dienstag, 4. Juni 2013

Theater hat auch große Emotionen


Das Theater bedarf großer Emotionen. Aber genau die können es auch unerträglich beliebig machen. Dann wird gelitten, geschrien, geweint, geröchelt, gebrüllt, gekreischt, geächzt und gejammert und es bleibt ganz allgemein und geht niemanden etwas an, nichteinmal den, der da leidet, schreit, röchelt etcetera. Allgemeine Aufgeregtheiten, inszeniert von Leuten, die die eigenen Hysterien für wichtig genug halten, um sie uns als existenentiell zu servieren.
Gefühle sind konkret. 
Und in lebensbedrohenden Notsituationen verhalten sich Menschen selten wie in drittklassigen Schundromanen. Sie wollen überleben, suchen nach Lösungen, wollen sterben, verweigern sich der Wahrheit, sie reagieren und versuchen zu agieren, aber immer aus konkreten Gründen und ihre Äußerungsformen sind merkwürdig, individuell, klischeehaft und hilflos, je nach Möglichkeit, aber nie nur typisch.

Vor zwei Tagen in Stuttgart, Volker Lösch, dessen Hamlet mich sehr überrascht hatte ( Ich hatte die Karte kurzfristig geschenkt bekommen, vermeinte in Harald Schmidts Hamlet-Musical zu sitzen, und war dann gänzlich überwältigt von der unverschämten, klaren und zornigen Erzählweise des Abends.) hat zum Abschluss der erfolgreichen Intendanz von Hasko Weber, die Orestie inszeniert.
Wiki schreibt: Die Orestie (᾿Ορέστεια) des Dichters Aischylos ist eine griechische Tragödie. Sie entstand im Jahr 458 v. Chr. Das dreiteilige Stück behandelt das Ende des Fluchs, unter dem das Haus Atreus steht. Geschildert wird die Entwicklung des antiken Rechtsverständnisses vom Prinzip der individuellen Rache hin zu einer geordneten Rechtsprechung durch eine die Gesellschaft repräsentierende Gruppe.
Agamemnon kommt nach zehn Jahren zurück aus dem Krieg mit Troja, um sichere Winde für seine Hinfahrt zu bekommen, hatte er damals seine Tochter Iphigenie geopfert. Seine Frau Klytaimnestra ist mittlerweile mit Aigisthos liiert, und haßt Agamemnon für den Verlust der ältsten Tochter. Sie tötet ihn. Ihre jüngere Tochter Elektra fordert von ihrem Bruder Orest Rache für den Tod des Vaters. Er tötet die Mutter. Die Erynnien fordern wiederum seinen Tod, als Sühne für den Muttermord. 
Auftritt Apollo und Athena - Ein Kompromiss wird gesucht und dann auferlegt.
Löschs Prämisse: Griechenland befindet sich in der Euro-Krise, der Chor lungert im Abfall der Tourismus- und Bauindustrie, Angela Merkel wird später Pallas Athena, die Göttin der Gerechtigkeit sein, Schäuble so etwas ähnliches wie Apollo, der Gott des Kompromisses? Der Chor säuselt, in wahrhaft altbekannter Manier, leider nahezu unverstehbar, Vorwürfe in die Runde. Klytaimnestra ist geil und wütend, Agamemnon geil und bösartig, Aigisthos geil und eitel, Elektra geil und unglücklich, Orest geil und ...

Das gibt sich politisch und ist nicht einmal kabarettistisch.

Und nur Rahel Ohm als Merkel/Athena scheint zu wissen, was sie redet und auch noch den Spaß zu haben damit umzugehen und die Mittel, dass ich sie auch verstehe.

Ich mag die Idee und öde mich bei der Ausführung. Ein Einfall allein ist nicht abendfüllend.

Ach, und die Erynnien, blutdürstende Einforderinnen des Mutterrechts, sollen dann auch noch als Occupy-Bewegte durchgehen. 

Einundeinehalbe Stunde wird vorrangig hochgradig und schrill gefühlt, niemand scheint eines klaren Gedankens fähig zu sein, Blut wabert, Pappsteine rollen, Lakentogas zittern. Aber warum? Wozu das Ganze?


Die Reue des Orest, der von den Erynnien verfolgt wird
1862 - William-Adolphe Bouguereau

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen