Wenig ist über die antike griechische Dichterin Sappho bekannt. Vieles was wir wissen entspringt eher Legenden und Geschichten späterer Zeit, was eine Biografie schwierig macht. Ebenso ist es mit ihren Werken. Bislang waren lediglich drei ihrer Gedichte und einige Fragmente bekannt.
Jetzt ist ein viertes aufgetaucht. Es handelt vom Altern und der verlorenen Jugend. Die insgesamt 101 Worte wurden auf den Bandagen einer ägyptischen Mumie aus dem dritten Jahrhundert gefunden. Nichts ungewöhnliches, wurde Papyrus zur damaligen Zeit oft mehrfach verwendet. Auch der einzige komplette - und bislang unübersetzbare - Text in etruskischer Sprache wurde durch Zufall in den Resten einer Mumie gefunden.
Entdeckt wurde das Papyros von Dr. Robert Daniel und Dr. Michael Gronewald vom Institut für Altertumskunde der Universität zu Köln in den Universitätsarchiven. Es konnte Sappho zugeordnet werden, weil ein teil des Werkes bereits 1922 als Fragment aufgefunden wurde
“[You for] the fragrant-blossomed Muses’ lovely gifts
[be zealous,] girls, [and the] clear melodious lyre:
[but my once tender] body old age now
[has seized;] my hair’s turned [white] instead of dark;
my heart’s grown heavy, my knees will not support me,
that once on a time were fleet for the dance as fawns.
This state I oft bemoan; but what’s to do?
Not to grow old, being human, there’s no way.
Tithonus once, the tale was, rose-armed Dawn,
love-smitten, carried off to the world’s end,
handsome and young then, yet in time grey age
o’ertook him, husband of immortal wife.”
Die Übersetzung stammt von Martin West, Wissenschaftler am All Souls College der Oxford University.
"(Ich bringe hier) der purpurgegürteten Muse schöne Gaben, Mädchen / (wieder ergreifend) die den Gesang liebende, helltönende Leier / (runzlig gemacht hat) die einst zarte Haut mir das Alter schon / (Furchen sind darin) Weiß geworden sind die Haare aus schwarzen / Das Herz ist mir schwer gemacht worden, die Kniee tragen nicht / die doch einst leicht waren zum Tanzen, jungen Rehen gleich / Ich seufze oft. Aber was kann ich machen? / Alterslos menschseiend kann ich nicht sein.
Denn einst sagte man auch über Thitonos aus Liebesverlangen / dass die rosenarmige Eos den Sonnenbecher bestiegen habe / ihn um die Erde tragend, schönseiend und jung /aber dennoch ergriff ihn mit der Zeit das graue Alter, habend die unsterbliche Gattin."
Michael Gronewald, Altphilologe an der Universität Köln
Zusammen mit Eos, der Göttin der Morgenröte, hatte er den Sohn Memnon. Tithonos wurde von Eos so geliebt, dass sie für ihn von dem widerstrebenden Zeus das ewige Leben erbat. Dies wurde ihr gewährt. Da sie – anders als der verärgerte Zeus – jedoch übersehen hatte, zugleich ewige Jugend für Tithonos zu erbitten, wurde er älter und älter und schrumpfte (nach Ovid) zuletzt so zusammen, dass am Ende nur noch seine keifende schrille Stimme übrig blieb und er zur Zikade ward.
Sappho, 1877. Manchester Art Gallery, UK
Ötti schrieb: was für gute Wörter ( ich mag rohe Übersetzungen) und was für ein klarer Gedanke:
AntwortenLöschenAlterslos menschseiend kann ich nicht sein.
Da ist es schon wieder, das weise "Lächeln aus der Vergangenheit", das mir gerade bei den Göttern von Tell Halaf begegnet ist. Unsere Wurzeln reichen sehr, sehr tief nach unten. Manchmal weiß man das ganz physisch.
Öttidank