Was habe ich da gerade gesehen? Einen gut gemachten Film, den ich letztendlich nicht wirklich mochte. Warum?
Der Titel zuerst: The triangle of sadness, das Dreieck der Traurigkeit, befindet sich in unserem Gesicht waagerecht zwischen den Brauen und dann beidseitig runter zum Beginn des Nasenrückens, ich kannte das bisher als Zornesfalten. Jedenfalls ist diese kleine dreieckige Fläche, die Einbruchstelle des drohenden Alters, das Kainszeichen der gemachten Erfahrungen, der Anfang vom Ende einer Modellkarriere, die der "Held" des Films zu Beginn als gefährdet erlebt.
"The Square" war ein anderer Film dieses Regisseurs, Ruben Östlund, den ich gesehen habe. Eine Satire über den Kunstbetrieb. Soso dachte ich, nicht sehr lustig, aber sehr absichtsvoll.
Nun zum heutigen Abend. Ich habe ein paar Mal sehr gelacht. Sunnyi Melles kotzend und das über lange Zeit und mit sich steigernder Absurdität, ist ein Spaß. Die ideologische Saufszene zwischen Woody Harrelson und Zlatko Buric, der eine als marxistischer Kapitän einer Luxusyacht und der andere als russischer Oligarch mit den Erfahrungen der sozialistischen UdSSR, der mitlerweile erfolgreich mit Düngemitteln handelt, "I deal with shit", ist überaus witzig.
Ich wurde wirklich unterhalten.
Aber. Aber. Ich merkte die Absichten und war dann irgendwie verstimmt. Nahezu jedes zeitgeistige Thema wurde angesprochen und verhandelt und die Pointen, auch die, die funktionierten, jonglierten gekonnt mit meinen, mir nicht angenehmen, aber vorhandenen, zynischen oder fatalistischen Gewissheiten.
Aber. Aber. Wieder einmal darauf gestossen zu werden, dass in unserer gemeinsamen Welt alles, aber auch wirklich alles, unter dem Aspekt seiner Verkäuflichkeit, seines Warenwertes betrachtet und gewertet wird, ist nicht schlecht.
Rutger Bregman, ein holländischer Historiker wurde zum Wirtschaftsgipfel nach Davos eingeladen. Viele sehr reiche Menschen saßen um ihn herum und fragten, wie sie ihre Spenden, Stiftungen nützlicher machen könnten. Er antwortete ihen: „Ich höre Menschen über Teilhabe und Gerechtigkeit und Gleichheit und Transparenz reden, aber dann spricht kaum jemand über Steuerflucht – und über die Reichen, die einfach nicht ihren gerechten Teil beitragen. Es fühlt sich an, als ob ich auf einer Feuerwehrkonferenz wäre und niemand ist berechtigt, über Wasser reden.“
Östlund spielt mit meiner hilflosen Verzweiflung, er teilt sie und darum bin ich erst einmal angetan, aber er meint auch schlauer, wissender, drüberstehender zu sein als ich, und er kann das nicht gut genug verbergen. Er ist "to proud for his pants". Was ich als zu selbstgewiss übersetzen würde.
Klimakatastrophe, Ukrainekrieg, Coronaepidemie, Rechtspopulismus, das Leid der sogenannten "Dritten Welt" - keiner von uns hat irgendeine praktische Idee, wie wir alle diese, oder auch nur eines dieser Probleme lösen können, jeder von uns ist erschöpft und unglücklich, aber irgendwie hätte ich in einem Film, der sich all dies als Thema auflädt, mehr Empathie und weniger Selbstgerechtigkeit erhofft.
Heute Abend gesehen, und für gut befunden. Natürlich wird “gut“ dem Film nicht gerecht, er ist krude, zynisch, enorm unterhaltsam, überspitzt und gleichzeitig deprimierend treffend. Er lässt nicht viel Raum für Hoffnung für die Menschheit (also, für mich jedenfalls nicht). Allerdings fand ich Abigails umständehalber erfolgte Wandlung vom Kloputzer auf der Luxusyacht zur Kapitänin auf der Insel ziemlich erfreulich. Nicht erfreulich fand ich es (SPOILER!), dass Käpt‘n Woody Harrelson es nicht bis auf die Insel geschafft hat. Als DDR-geschultes Mädchen fand ich den Schlagabtausch zwischen dem alkoholisierten Kuschel-Marxisten und dem ex-Sowjet-Kombinatsdirektor-Oligarchen äußerst amüsant. Alles irgendwie rundum zum Kotzen, oder? (Noch ein Spoiler: wer mit Erbrochenem und dergleichen nicht klarkommt, sollte diesem Film besser fernbleiben).
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