Samstag, 29. Oktober 2022

Im Westen nichts Neues - Im Osten jeden Tag was Neues, Schreckliches.

Granaten, Gasschwaden und Tankflottillen – Zerstampfen, Zerfressen, Tod.
Ruhr, Grippe, Typhus – Würgen, Verbrennen, Tod.
Graben, Lazarett, Massengrab – mehr Möglichkeiten gibt es nicht.

Erich Maria Remarque veröffentlichte 1928 seinen Roman, "Im Westen nichts Neues", den er 1918 als zufällig überlebt habender Soldat der deutschen Armee begonnen hatte zu schreiben. 

Die Geschichte des Soldaten Paul Bäumer von seiner Soldatwerdung bis zu seinem frühen Soldatentod. Der Titel könnte auch "Der vermeidbare Tod des Soldaten Bäumer" sein.

Edward Berger hat den Roman neu verfilmt.

Im Osten was Neues lesen wir seit dem 24. Februar jeden Morgen in unseren Nachrichten. Städte, von denen ich vorher noch nie gehört hatte, sind nun täglicher Teil meiner Lektüre. 

Der Krieg Russlands gegen die Ukraine hat laut Zählungen des UN-Hochkommissariats für Menschenrechte  bis zum 23. Oktober 2022 mindestens 6.374 Todesopfer in der ukrainischen Zivilbevölkerung gefordert, darunter mindestens 402 Kinder.

https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1297855/umfrage/anzahl-der-zivilen-opfer-durch-ukraine-krieg/

Die Zahl der getöteten Soldaten auf beiden Seiten ist umstritten, aber hoch. Auf jeden Fall sind es viel zu viele Tote. 

"Was ist ein Soldat ohne Krieg?" 

"Ein Mann wird alleine geboren, er lebt allein und er stirbt allein." 

WAS FÜR EIN TRAURIGER DRECK!


Krieg als industriell organisierter Ablauf. Soldaten sterben, werden entkleidet, die Uniformen werden gewaschen, getrocknet, repariert und für neue Soldaten verwendet, die wiederum sterben werden. Das gibt dem Begriff "Secondhand" eine ungemütliche Bedeutung.

Wer wer ist, Freund oder Feind ist nurmehr an der Form der Helme erkenntlich.

Deutsche, die nach 1945 geboren wurden, haben Krieg am eigenen Leib nicht erlebt, wenn sie nicht an Auslandseinsätzen beteiligt waren. Aber meine Freundin ist im Februar 1945 geboren worden, und als dieser neue Krieg im Osten begann, so nah, nicht an exotischen Orten, wie sonst, hat sie intensiv körperlich darauf reagiert. Die Bomben, die das Baby gefühlt hatte, waren in ihr Körpergedächtnis eingebrannt. Ich bin, wie so oft in letzter Zeit, überfordert, Pandemie, Klimakatastrophe, Krieg, es ist zu viel, zu schlimm, zu überwältigend. 

Dreht unsere Welt durch? Wird Irrsinn unsere neue Normalität? Oder war es schon immer so und nun ist es uns privilegierten Europäern erstmals ganz nah an der Haut?

P.S. Albrecht Schuch ist eine Freude. So genau, so differenziert, so glaubwürdig. Daniel Brühl versucht sich an einem seltsamen Dialekt.

3 Kommentare:

  1. Aus den Kommentaren von Facebook : Gladys Hannemann
    Ja, es ist schrecklich. Doch es stimmt einfach nicht, dass dieser Krieg uns nun so betrifft, weil er so nah ist. Was war 1992 - 1995 in Bosnien
    los? Um die 100.000 Tote hat dieser Krieg gekostet. Die “ ethnischen Säuberungen”, das Massaker von Srebrenica - alles vergessen? Das war der größte Völkermord in Europa nach dem Ende des 2. Weltkrieges. Srebrenica ist übrigens zufällig genauso weit von Berlin entfernt wie Kiew, und ich bin sicher, dass wesentlich mehr Deutsche schon im ehemaligen Jugoslawien Urlaub gemacht haben als in der Ukraine. Direkt danach kam der Kosovo-Krieg, , und auch der spielte sich fast vor unserer Haustür ab. Es kamen ca. 350.000 Zuwanderer aus Ex-jugoslawien hier an. Die 1990-er Jahre waren unglaublich blutig mitten in Europa, aber es gab halt die sozialen Medien nicht, mit denen man sozusagen live dabei sein und sich richtig schön gruseln konnte.
    Johanna Schall
    Johanna Schall Du hast völlig Recht. Natürlich. Aber trotzdem sehe ich einen Unterschied in unserer Reaktion auf diesen jetzigen Krieg. Als ob er näher wäre, auch wenn die anderen auch nah waren.

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  2. Gladys Hannemann
    Ja, weil die Medien im Unterschied zu damals völlig entfesselt sind und eine große Lust an apokalyptischen Szenarien entwickelt haben. Gefühlt gibt es jeden Tag eine Talkshow zum Thema. So schlimm es alles ist - es wird immer noch schlimmer gemacht. Weil der ukrainische Präsident, der für jeden Social-Media-Kanal ein eigenes Beraterteam hat, um auch garantiert den richtigen Ton zu treffen, uns vom ersten Tag an einhämmert, es sei auch “unser“ Krieg, und wir seien die nächsten. Mittlerweile reden ja auch deutsche Politiker davon, dass wir im Krieg wären. Es ist ein unverantwortlicher Irrsinn, der medial stattfindet, und der dient garantiert nicht dazu, die Widerstandskraft des einzelnen zu stärken. Ich betreue ehrenamtlich zwei ukrainische Familien, und wenn ich diesen medialen Dauerbeschuss innerlich an mich heranließe, hätte ich nicht mehr die Kraft dafür. Übrigens: falls einer der vielen hier Mitlesenden gute Kontakte zu Hausverwaltungen hat: Es wird dringendst für eine der Familien eine barrierefreie Wohnung gesucht. Der kleine Sohn sitzt im Rollstuhl, der Vater wartet auf ein Spenderherz.
    Michael Morgenstern an
    Gladys Hannemann damals steckte uns der Schrecken in den Gliedern und wenn die Akteure etwas sagten, dann hatten sie zwar schon einen Gedanken und einen Hintergedanken- aber heute sieht man bei allen Beteiligten auch den Gedanken ans Drehbuch. Alles wird halt auch mit dem Gedanken an die Medien und die Öffentlichkeit gesagt und gedacht. Und das lässt es immer inszenierter wirken. Beim Appell, beim Hilferuf, die Trauer, das hat immer etwas inszeniertes. Und das wirkt dadurch nicht mehr echt. Auch wenn die Realität brutal und echt ist. Die Wahrnehmung dessen wird pervertiert. Und das läuft Gefahr, dass die Öffentlichkeit nach besserem „Programm“ und vielleicht nach Abwechslung lechzt. Wie es in den USA bereits der Fall zu sein scheint. Der Wille zur Unterstützung für die Ukraine in der Bevölkerung und bei den Republikanern nimmt ab.

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  3. Michael Morgenstern an
    Gladys Hannemann damals steckte uns der Schrecken in den Gliedern und wenn die Akteure etwas sagten, dann hatten sie zwar schon einen Gedanken und einen Hintergedanken- aber heute sieht man bei allen Beteiligten auch den Gedanken ans Drehbuch. Alles wird halt auch mit dem Gedanken an die Medien und die Öffentlichkeit gesagt und gedacht. Und das lässt es immer inszenierter wirken. Beim Appell, beim Hilferuf, die Trauer, das hat immer etwas inszeniertes. Und das wirkt dadurch nicht mehr echt. Auch wenn die Realität brutal und echt ist. Die Wahrnehmung dessen wird pervertiert. Und das läuft Gefahr, dass die Öffentlichkeit nach besserem „Programm“ und vielleicht nach Abwechslung lechzt. Wie es in den USA bereits der Fall zu sein scheint. Der Wille zur Unterstützung für die Ukraine in der Bevölkerung und bei den Republikanern nimmt ab.

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