Sonntag, 29. August 2021

EIN THEATERABEND

Ein Theaterabend.

Er ist lang. Ich darf nicht in Gemütlichkeit verfallen.

Die Ästhetik ist karg & makellos, der für das Licht notwendige Theaternebel pufft allerdings immer noch deutlich sichtbar von dem Ort, an dem die ihn produzierende Maschine steht, bevor er sich elegant verteilt. Das Licht ist präzise, die Übergänge weich, unmerklich, das zusätzliche Neon des Bühnenbildes sichert ab, dass es nicht schön aussehen darf und ist immer leicht zu grell.

Die Musik erklingt ohne Unterlaß und begleitet oder führt die emotionalen Bögen der Inszenierung, Bassteppiche, wechselnde Rhythmen, langsam anwachsende Intensität auf ein Crescendo hin, langer Nachklang. Emotionale, dramaturgische Wendungen, Spannungsmomente, auch das, was man gemeinhin Ausbrüche nennt, selbst die wortlosen Phasen sind durchkomponiert. Ich werde akustisch beim Ohr genommen und geleitet. Dabei ist es wichtig, dass die Lautstärke über weite Strecken leicht über dem mir angenehmen Level liegt. Das trifft auch für die Mikroports der Schauspieler zu.

Die Schauspieler. Tolle Leute dabei.

Sprechduktus, Bewegungstempo, Blickrichtung sind mit leichten Abweichungen, für alle Darsteller gleichermaßen festgelegt. Ein Wort, zwei Worte, drei sind die Ausnahme, Pause, ein Wort, zwei Worte, die Ausnahme. Die körperliche und geatmete Anspannung ist konstant hoch, Momente der Entspannung, Unterspannung, Abwesenheit werden vermieden. Stille und Stillstehen kommen nicht vor. Brüche sind unerwünscht. 

Kann mich ein Schauspieler aus sich heraus ohne akustische Beihilfe beim Kragen nehmen und hinreißen?

Hier sind Strenge gegen die Spieler und Strenge gegenüber dem Publikum angestrebt.

Nicht mein Interesse, mein Vergnügen, mein Zorn sollen angesprochen werden, ich werde zum Teil einer Gemeinde bestimmt, zum Teilnehmer eines Gottesdienstes, eines vermuteten antiken Rituals.

Vielleicht ist es Teil meines Erbes als Bewohner der DDR, dass ich konstanter Erregung gegenüber, sei es Begeisterung oder, wie an diesem Theaterabend, Ergriffenheit, eine mißtrauische, widerborstige Ablehnung zeige.

Der Wettkampf des Intensiven mit dem Noch-Intensiveren ermöglicht keinen Gewinner.

Ungebrochenes Leiden, unbefragte, weil nur ertragene Tragödien, ohne den notwendigen Zweifel, der lebensrettenden Irritation: warum ist es geschehen und wie hätte es vermieden werden können, entlassen mich ärgerlich, hilflos und erschöpft.





Montag, 16. August 2021

Bestürzte Beobachtung.

Ich poste auf Facebook meine Irritationen, mal schlau, mal unbedacht und junge, bzw. jüngere Menschen antworten mit Gegenmeinungen, Erklärungen die ich nicht unbedingt teile, aber nachvollziehen, verstehen kann. Gleichaltrige und Ältere antworten häufig aus ihrer biographischen Verzweiflung heraus, andere vertreten die vermuteten Interessen der Jungen mit geradezu emphatischer Wut. 

Alter ist keine eineindeutige Wertungs-Kategorie, manche alte Meinungen haben sich als überlebt und verwerfbar erwiesen, andere sind aus konkreten Erfahrungen gewonnen und haben Bestand. Das gleiche gilt für die Meinungen der Jungen. Sie können Dinge denken, die neu und aufregend sind, alte Bequemlichkeiten in mir in Frage stellen und fragwürdige Gewissheiten entblößen. Und manchmal geraten sie in alte Fallen und werden moralisierend, monolithisch, selbstgerecht und, so denke ich, reaktionär. 

Alte, weiße Männer - eine Un-Kategorie - weiß, rosa, beige, verschiedenste Schattierungen von Hautfarbe.

Nur scheint momentan selten ein offenes, interessiertes Gespräch über solche Widersprüche möglich zu sein. Entweder / Oder. "Wer nicht für mich ist, ist gegen mich." Unterstellungen nehmen ihren Lauf und, was ich besonders hasse, mir wird erklärt, was ich eigentlich wirklich denke. 

Ich denke alles Mögliche. Ich will alles Mögliche denken dürfen. Das ist der Vorteil einer Demokratie, alles darf gedacht werden und auch befragt, gesagt, diskutiert werden. Nur wenn Schaden droht, Menschen gefährdet werden, greift der Staat ein. 

Bemerkung am Rande: Wenn die BVG das Wort "Schwarzfahren"  aussortiert, wirkt das wie vorauseilender Gehorsam, aber vor wem eigentlich? Schwarzfahren stammt ab von dem jiddischen Wort "shvarts", dass heißt Armut. Ist arm sein, möglicherweise auch un-woke? Das wäre zu begrüßen, wenn damit Armut abgeschafft würde.

Ob ich gendere oder nicht ist meine Sache. Und ich muß damit leben, dass andere Leute anders denken. Ob ich Triggerwarnungen für Verhätschelungen halte, die Auseinandersetzungen mit der wirklichen Welt verhindern oder nicht, it's open for discussion. Ich muß aushalten, dass Menschen glauben, die Welt wäre flach, Darwin sei ein Idiot, den Klimawandel gäbe es nicht. Aber, mir scheint, die Akzeptanz meiner Mitmenschen für Abweichungen von der festgelegten Norm nimmt ab. Und das zu einer Zeit, in der die wirklichen Abgründe noch tiefer zu werden scheinen.

Jeder, der nicht meinen Tod, meine Selbstauflösung, meine Unterwerfung fordert, jeder, der mir meine Existenz mit ihren irrationalen Komplikationen zugesteht, jeder, der sich nicht unumstößlich sicher ist, dass er im Recht ist, fühle sich hiermit eingeladen, sich mit mir zu streiten.


Sonntag, 15. August 2021

Ein Caesar Salat, nur ein bisschen anders.

New York ist für mich, among many other things = unter anderem, der Inbegriff des perfekten Ceasar Salates, gewaltig groß, frisch, beißend, überraschend. Die Stadt ist laut, schnell, zu schnell, dreckig und dieser klare, heftige Salat ist wie eine Erholungspause von all der Überforderung, eine klare Ansage, eine Feststellung von Geschmack, eine Auszeit von der Menge der Eindrücke.

Zuhause in Deutschland, in allen möglichen Städten begegneten mir viele Versionen von etwas, dass sich Ceasar-Salat nannte, alle lascher, unentschiedener, im schlimmsten Falle geradezu unerkennbar.

Woraus besteht das Wunderding? Aus Romanasalat, Olivenöl, Zitrone, Knoblauch, Anchovis, Parmesan.

Und wem das nicht reicht, der gibt Worcestersauce (Hä?), Dijonsenf (Ok.), Croutons (Naja!), oder gebratene Hühnerbrüste dazu.

Ich nicht.

Nun hier eine Variante, die ich (wieder einmal) von Nigella Lawson gestohlen habe: Romanasalat halbieren und mit der geschnitten Seite nach oben in eine Backform legen. Ofen auf etwa 210 Grad aufheizen, über die Salatherzen ein Dressing aus 2 Eßlöffeln Olivenöl, einer zerdrückten Knoblauchzehe, dem Saft einer halben Zitrone und dem Abrieb ihrer Schale träufeln, dann in den Ofen schieben und circa 10 Minuten abwarten. Zwischenzeitlich ein oder zwei Spiegeleier braten bis das Weiße fest, das Gelbe aber noch flüssig ist. 

Den Salat aus dem Ofen holen, Parmesan drüber reiben und das Spiegelei oder die Eier drauflegen.

Die Salatstrünke sollten noch Biß haben, damit man was zum Beißen hat.

Warmer Salat, klingt gräßlich, ist aber ein Genuß.