Freitag, 7. Dezember 2018

Mein Name ist Johanna und ich bin Schauspielerin.

Mein Name ist Johanna und ich bin Schauspielerin.
Regelmäßig Theater gespielt habe ich bis 1995, danach nurmehr kleine Notübernahmen, Kinderprogramme und einmal als Ersatz für eine verhinderte Kollegin. 
Jetzt probiere ich seit zwei Wochen in mehr als zwanzig Jahren zum ersten mal wieder ganz gewöhnlich als Schauspielerin.
Es ist toll. Es ist anstrengend. Es ist toll.
Ich bin ausschließlich nur für mich und meinen Part zuständig. Bühne, Kostüme, Licht - was geht's mich an? Der Bogen der Figur liegt in meiner Verantwortung, der Riss des Abends in denen der Regisseurin. Sie kennt die ganze Partitur, ich nur meine Noten.
Ich stelle mich zur Verfügung. 
Bewege Muskeln, lange Zeit unbenutzt. Muskelkater, volksetymologische Eindeutschung von Katarrh, bezeichnet einen Schmerz, der nach körperlicher Anstrengung, besonders bei hohen Belastungen von Muskelpartien, auftritt, sagt Wiki.
Ich erinnere mich an die Freiheit in der Unfreiheit, bin zustimmender Entgegennehmer von Regie-Anweisungen und mein Körper, meine Stimme, mein Hirn realisieren sie, verändern sie.
Wie leicht das von unten, vom Regiestuhl aussieht, wie glasklar. "Warum begreift der Idiot, die Idiotin das nicht?" 
Die Idiotin im Moment bin ich.
Es ist toll. Es ist anstrengend. Es ist toll.



Die Schauspielerin

Das Stichwort fällt, gleich trittst du auf,
es drängen Partner sich zuhauf,
und stets gebeten, nie bedankt
spielst du, was man von dir verlangt,
und wie den vielen es gefiel,
stehst du und alles auf dem Spiel,
und oft gespielt und immer neu
und jeder will, daß er es sei,
und jeder durch die Maske spricht,
der nicht erkennt das Urgesicht
der monotonen Vielgestalt
und Wechselblicks Naturgewalt;
blickst insgeheim dich um und um,
spielt mit das ganze Publikum
und jeder fragt, wer heut sie wär',
man flüstert, Eros sei Souffleur;
süß schwindet diese Stimme hin,
die sich verlor von Anbeginn,
es lebt sich, bis der Vorhang fallt –
Applaus, versunken ist die Welt.
Karl Kraus

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