Sonntag, 24. Juni 2018

Schöne Wörter

Heute habe ich gelernt, dass es rechtschaffen heißt und nicht rechtschaffend, wie ich bisher dachte. Im Duden heißt es: Wortart: Adjektiv / Gebrauch: veraltend. Ein rechtschaffener Mann, von rechter Art beschaffen, ist anständig, ehrlich, solide und solcherart. Ich kenne so einen. Glücklicherweise.

Es gibt Wörter in die ich mich verliebe, die verwende ich dann für eine gewisse Zeit so oft wie möglich und wie es mit Verliebtheiten ist, manche vergehen, andere wachsen und gedeihen zur Liebe. 


Nur Klang allein kann ein Liebesgrund sein. Onkel, wankelmütig, Pinkel, kunkeln, Senkel - n und k. Onkel war beim Bühnensprechen ein schwieriges Problem für mich, das e zwischen k und l verschwand in den Untiefen meines Berliner Dialekts, nur ein gutturales Onkl erklang. Da habe ich geübt, üben ist nicht übel, um Nähe zu schaffen. Ich hatte mir den Gebrauch erarbeitet, hatte ein Recht auf das Wort.

Einer meiner Lieblingsregisseure verlangte von mir, dass das ä in Fräulein hörbar werden sollte. Das geht, ehrlich. Warum ist das wichtig? Weil wir eine irre Sprache sprechen, wie es alle Sprachen sind, wenn wir sie näher kennenlernen, mit einem Fuß in den Tiefen unserer Vergangenheit, mit einem im banalen Alltag und mit dem unsichtbaren Dritten in der zukünftigen Verständigung. Durch sie, unsere komplizierte Sprache, versuchen wir uns anderen mitzuteilen, an ihr scheitern wir oft.

Tonfolgen wie Larifari, Sammelsurium, Tohuwabohu, Delirium, penetrant, gackern, rumschlampen, brummen, hammerhart, rumpeln, labern, bittersüß, zimperlich, brabbeln, verplempern, O Jemine, Jammerlappen malen in meinem Mund schmeckbare Bilder.  

Übermütig, glückselig, ermüdet. Das ü, im Ungarischen üblich, hat bei uns einen Seltenheitsbonus. Drüber und nüber.

Die mysteriöse Fremdheit von einem Wort wie Gnade läßt mich nicht los. Was genau ist das? Herrschaftsdenken oder Zuwendung?

Schlamassel, Meschpoke, Maseltov habe ich immer schon gebraucht und erst später als Reste des Jiddischen meiner Großmutter erkannt.

Über das Englische habe ich gelernt, das Wort ficken wahrzunehmen. Schade, dass wir in unserer Sprache kein entsprechendes Fluch- / Jubel- / Füllwort haben.

Immerzu, immerzu - Woyzeck, unser Freund, unser gemeinsamer Fremder schreit es heraus.

Ich liebe Dich. Ein simples i in jedem Wort. Drei Worte. Perfekt.  

Respekt ist auch so ein Wort. Schon wegen des Liedes.

https://www.youtube.com/watch?v=6FOUqQt3Kg0

Schöne Wörter Müssen nicht Schönes ausdrücken. Kitsch und Schönheit sind nur Gelegenheitsfreunde.

 
Lobhudelei, liebes Kind, Lebenslust, Langmut. 

Wenn Wörter sich auch noch zu Worten zusammenfinden, mannomann, da kann es zu überwältigend leidenschaftlichen Begegnungen kommen.

Schwächen
Du hattest keine
Ich hatte eine:
Ich liebte


Kein Punkt.

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