Freitag, 6. April 2018

Der Raub der Prosperina - Marmornes Fleisch

Eine männliche Hand greift um die Taille und in den Schenkel einer Frau. Scheinbar nur ein Detail. 

 
Bedenken wir, das ist Stein, Marmor, von einem Zwanzigjährigen behauen, bearbeitet oder befreite er das, was der steinerne Block bis dahin verbarg? 
Hartes und Weichestes in einem unauflösbaren Widerspruch. Der metamorphe Stein, beziehungsweise die Haut und das Fleisch der überwältigten Frau empfinden den Druck der zupackenden, großen, doch wohlgepflegten Hand, sie weichen zurück, seitwärts.
Wiki sagt: Die Haut (gr. derma; lat. cutis) ist funktionell das vielseitigste Organ des menschlichen oder tierischen Organismus. Die Haut dient der Abgrenzung von Innen und Außen (Hüllorgan), dem Schutz vor Umwelteinflüssen, der Repräsentation, Kommunikation und Wahrung des inneren Gleichgewichts. Außerdem übernimmt die Haut wichtige Funktionen im Bereich des Stoffwechsels und der Immunologie und verfügt über vielfältige Anpassungsmechanismen.
Aber auch wenn der Titel der Skulptur: "Der Raub oder die Vergewaltigung der Prosperina", eindeutig Gewalt suggeriert, ist auch Zärtlichkeit und Sehnsucht sichtbar und zu spüren. Die Hände sind nicht in den Körper gekrampft, scheinen nicht, unnötigen Schmerz zufügen zu wollen. Er trägt sie von dannen. 
Ganz unten spiegelt Cerberus, der Höllenhund, den Gewaltakt und seine Ambivalenz sogar dreifach.
Im Mythos hören wir mehr über die Trauer ihrer Mutter Ceres, als über ihre eigene Not. Demeter & Persephone wären die griechischen Entsprechungen dieser Geschichte. 
Später wird diese Prosperina, durch den Einsatz ihrer Mutter, der Göttin der Fruchtbarkeit, ein halbes Jahr in der versteckten Unterwelt und das andere auf der Erde zubringen. Eine große Weile ist die Welt kalt, grau, unfruchtbar, aber dann ...
In der Gesamtansicht wirkt ihre Abwehr merkwürdig theatralisch. Hat sie sich nur für die Mutter gewehrt? Persephone wird im alten Griechenland sowohl als Frühlings- und Fruchtbarkeitsgöttin wie auch als Göttin der Unterwelt verehrt.
Will sie etwas, das sie nicht will? Mit Pluto sein und die Liebe der Mutter nicht verlieren? Luft, laue Winde und sprießende Pflanzen UND die harsche Kargheit der blütenlosen Kälte?  
Und so hängen wir wohl alle zwischen einander ausschließenden Wünschen, begehren das Eine und auch das ihm Widersprechende.

 
Persephone

Die Abgründige kam,
stieg aus der Erde,
aufgleißend im Mondlicht.
Sie trug die alte Scherbe im Haar,
die Hüfte an die Nacht gelehnt.

Kein Opferrauch, das Universum
zog in den Duft der Rose ein.
 
Peter Huchel

Ein tiefflutender See ist Hennas Mauren benachbart,
Pergus mit Namen genannt. Nicht häufiger höret Kaystros
Schwanengesäng', als dieser, in sanft hingleitenden Wassern.
Ringsher kränzen die Flut Umwaldungen, welche beständig,
Wie mit laubigem Teppich, die Glut abwehren des Phöbus.
Kühlung streut das Gezweig', und die Au' hellschimmernde Blumen.
Frühling ist ewig im Hain. Als hier Proserpina weiland
Spielete, sanfte Violen und silberne Lilien brechend;
Als sie mit kindlicher aLust sich die Körb' und den Schoß des Gewandes
Anfüllt', und zu besiegen die Freundinnen eifert' im Sammeln,
Wurde zugleich sie gesehn und geliebt und geraubet von Pluto.
Also durchstürmt ihn die Flamme! Sie rief, die erschrockene Göttin,
Mutter und Freundinnen an, doch häufiger rief sie die Mutter,
Bang'; und indem das Gewand sie zerriß am obersten Rande,
Sanken aus gleitenden Rocke hinab die gesammelten Blumen:
Und, so lauter noch war die jugendlich heitere Unschuld!
Auch der Blumen Verlust erregete Kummer dem Mägdlein.
Pluto beflügelt die Fahrt, und jeglichen rufend mit Namen,
Treibt er die Rosse zum Lauf, und über die mähnigen Hälse
Schüttelt er dunkele Zügel, mit Eisenschwärze gefärbet.
Über des Sees Abgrund' enteilet er, ...


Ovid "Metamorphosen"


http://syndrome-de-stendhal.blogspot.de/2016/05/gottliche-gewalt-gianlorenzos-berninis.html

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