Was wir gehört und erfahren
Was unsere Väter uns erzählten
wollen wir nicht ihren Kindern verhehlen
sondern dem kommenden Geschlecht berichten...
damit das nachkommende Geschlecht es erführe, die
Söhne, die geboren würden, damit sie aufträten und ihren Söhnen davon
erzählten..
Psalm 78
Der 10. April 1945
An diesem Tag verläßt der letzte Transportzug das Konzentrationslager Bergen-Belsen, das nur fünf Tage später von der britischen Armee befreit werden wird, in Richtung Theresienstadt, bis zum Bersten gefüllt mit mehr als 2000 Häftlingen, Juden.
Der Verlorene Zug, auch Zug der Verlorenen genannt, fährt tagelang durch Teile Deutschlands, die noch nicht befreit worden sind. Nachdem er Norddeutschland durchquert hatte, erreichte der Zug am 18. April Berlin und fuhr weiter.
Während der Fahrt wurde der Zug mehrmals von alliierten
Flugzeugen bombardiert. Erst am 23. April werden die Eingesperrten und von ihren fliehenden Bewachern, Peinigern in den verschlossenen Güterwaggons Zurückgelassenen, bei Tröbitz im Brandenburgischen von russischen Truppen befreit.
Etwa 200 Menschen verstarben während der Irrfahrt, manche an Typhus oder Pocken oder Fleckfieber, andere verhungerten, verdursteten. Nach der Rettung starben noch viele mehr an den Folgen ihrer Qualen.
Die Bergarbeitergemeinde Tröbitz
mit ihren damals etwa 700 Einwohnern sah plötzlich rund 2000
ausgehungerte, todkranke Menschen vor sich, denen schnell geholfen
werden musste. Viele Tröbitzer leisteten Hilfe, und Angehörige der Roten
Armee leiteten Maßnahmen ein, um die Not der Menschen zu lindern sowie
eine Ausbreitung der im Zug bereits aktiven Flecktyphus-Epidemie zu
verhindern... Es dauerte acht Wochen, bis die Typhus-Epidemie zum Stillstand kam. Bis dahin starben weitere 320 Männer, Frauen und Kinder.
Unter ihnen befanden sich auch 26 Tröbitzer, die sich angesteckt
hatten. Die letzte Tote des Transportes, die Niederländerin Klara
Miller, wurde am 21. Juni 1945 auf dem jüdischen Friedhof beerdigt. (Wiki)
Martha Korngold
Paul Korngold
Stolpersteine in der Leibnizstrasse 57 Berlin-Charlottenburg
© unbekannt
Gefunden auf http://www.magdeburg-tourist.de
Dr. Franz Otto Seligsohn
Im niederländischen Asyl begegnet
der Berliner Emigrant Dr. Franz Otto Seligsohn der verwitweten Gerda Beck
geborene Meissner und ihrem Sohn Walter aus Magdeburg. 1939 heiraten sie in Amsterdam
und wohnen mit dem kleinen Walter in der Biesboschstraat 67 III. Doch als 1940
die deutsche Wehrmacht die Niederlande überfällt, sitzen die drei in einer
tödlichen Falle. Wahrscheinlich 1943 müssen sie Amsterdam verlassen und werden
im Kamp Westerbork nahe der deutschen Grenze interniert. Von dort werden die
32jährige Gerda Seligsohn und ihr elfjähriger Sohn Walter am 25. Mai 1943 in
das Vernichtungslager Sobibor deportiert, wo sie wie alle Menschen ihres
Transportes am 28. Mai ermordet werden. Dr. Franz Otto Seligsohn wird von
Westerbork aus in das KZ Bergen-Belsen und von dort am 10. April 1945 in
Richtung Theresienstadt deportiert. Doch dieser “verlorene Zug” landet nach
Irrfahrten in der Nähe des Eisenbahnknotenpunktes Falkenberg vor einer
zerstörten Elsterbrücke. Die SS-Bewacher fliehen und lassen die Waggons
verschlossen auf den Gleisen zurück. Wenig später werden die Häftlinge durch
Sowjetsoldaten befreit. Viele sind an Typhus erkrankt, alle sind durstig und
halb verhungert, zahlreiche Menschen sind verstorben. Franz Otto Seligsohn gehört zu
den Kranken. Er kommt wohl erst in das Lager Mühlberg und dann in das
Krankenhaus Riesa. Dort stirbt er kurz nach Kriegsende am 29. Mai 1945. Er wird
auf dem Friedhof Neuburxdorf/ Mühlberg begraben. Sein Name findet sich heute
auf einer Gedenktafel in der Gedenkstätte des Lagers Mühlberg. Die Namen von Gerda
und Franz Otto Seligsohn und Walter Beck finden sich auch im niederländischen “Joodsmonument”.
Dr. Franz Otto Seligsohn wurde am 27. Oktober 1899 geboren,
er war Rechtsanwalt, wohnhaft in Berlin, ab 1939 in den Niederlanden, ab 1941 in
Amsterdam, Biesboschstraat 67; 1943 nach Kamp Westerbork; deportiert nach
Bergen-Belsen; am 10. April 1945 von dort mit dem letzten “verlorenen”
Transport” Richtung Theresienstadt deportiert und bis Tröbitz gekommen; verstorben
am 29. Mai 1945 im Krankenhaus Riesa/Sachsen.
Im Frieden – April 1945
Ganz langsam schleichen wir dahin,
Ganz langsam Friedensfreude kommt
In uns nicht auf. Zu lange sind wir
Geknechtet und gedrückt im Kampf,
Noch nicht vergessen ist die Frohn,
Der Hunger, Dreck, das schlechte Bett.
Doch sehen wir ein bekannt' Gesicht
Dann lächelt unser stiller Gruß:
Du lebst noch! Das ist schön, sehr schön.
Felix Hermann Oestreicher
Quellen:
Die Stationen der bösen Irrfahrt
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10. April 1945 |
Bergen-Belsen |
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11. April 1945 |
Soltau |
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Munster |
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Uelzen |
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14./15. April 1945 |
Lüneburg |
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15. April 1945 |
Lauenburg |
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15. April 1945 |
Büchen |
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15. April 1945 |
Hagenow Land |
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15. April 1945 |
Ludwigslust |
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16. April 1945 |
Wittenberge |
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17./18. April 1945 |
Nauen |
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18. April 1945 |
Berlin-Spandau |
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18. April 1945 |
Berlin-Baumschulenweg |
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Königs Wusterhausen |
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Lübben |
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Lübbenau |
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Senftenberg |
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19.–20. April 1945 |
Schipkau |
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20./21. April 1945 |
Finsterwalde |
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Doberlug-Kirchhain |
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20./21. April 1945 |
Tröbitz (Durchfahrt) |
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20.–22. April 1945 |
Langennaundorf |
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23. April 1945 |
Tröbitz (zurückgefahren) |