Dienstag, 12. April 2016

Das Oderbruch - mein erstes Mal


Ein ehemaliger Verladeturm direkt am Ufer der Oder in Groß-Neuendorf, umgebaut zu einem gänzlich individuellen Erholungsort, in dem man es sich wohergehen lassen kann. Man sieht und spürt noch den Industriebau, die Treppen sind steil und teils aus sichtbarem Beton, die Decken kantig, mit unregelmäßig gesetzten Querbalken, aber die Einrichtung ist mit Bedacht geplant, vorsorglich und praktisch. Also im Turm rauer, doch äußerst bequemer Luxus und draußen ganz viel Oder. Man ist es hier schön. 


Ausblick mit zwei fliegenden und einem schwimmenden Schwan.

 Nach der griechischen Mythologie sollen Adonisröschen aus den Tränen der Aphrodite entsprossen sein, als diese den Tod des Adonis beweinte... sagt Wiki. Man nennt sie aber auch Kleines Teufelsauge.

 Die pontischen Hänge von Lebus (was für ein Name). 
Große Hügel in Puddingform übersät mit dicken, strahlendgelben Blumen, 
eben den Adonisröschen. 

 Weide, vom Blitz zerteilt, vom Sturm umgerissen, aber sie grünt weiter.

 Ein fast zertretenes Veilchen.
 Oderauen grafisch.

 DDR-Fahne mit West-Satellitenschüssel und Graffiti.
 Windstiller Spiegelfluß. Alles zweimal, im Wasser, an Land.
 Riesenbocksgeweih

 Sehr einsames Boot

 Doppelbaum

Kletterbaum

Montag, 11. April 2016

Der Verlorene Zug



Was wir gehört und erfahren
Was unsere Väter uns erzählten
wollen wir nicht ihren Kindern verhehlen
sondern dem kommenden Geschlecht berichten...
damit das nachkommende Geschlecht es erführe, die Söhne, die geboren würden, damit sie aufträten und ihren Söhnen davon erzählten..
Psalm 78

Der 10. April 1945

An diesem Tag verläßt der letzte Transportzug das Konzentrationslager Bergen-Belsen, das nur fünf Tage später von der britischen Armee befreit werden wird, in Richtung Theresienstadt, bis zum Bersten gefüllt mit mehr als 2000 Häftlingen, Juden.
Der Verlorene Zug, auch Zug der Verlorenen genannt, fährt tagelang durch Teile Deutschlands, die noch nicht befreit worden sind. Nachdem er Norddeutschland durchquert hatte, erreichte der Zug am 18. April Berlin und fuhr weiter. Während der Fahrt wurde der Zug mehrmals von alliierten Flugzeugen bombardiert. Erst am 23. April werden die Eingesperrten und von ihren fliehenden Bewachern, Peinigern in den verschlossenen Güterwaggons Zurückgelassenen, bei Tröbitz im Brandenburgischen von russischen Truppen befreit.

Etwa 200 Menschen verstarben während der Irrfahrt, manche an Typhus oder Pocken oder Fleckfieber, andere verhungerten, verdursteten. Nach der Rettung starben noch viele mehr an den Folgen ihrer Qualen.

Die Bergarbeitergemeinde Tröbitz mit ihren damals etwa 700 Einwohnern sah plötzlich rund 2000 ausgehungerte, todkranke Menschen vor sich, denen schnell geholfen werden musste. Viele Tröbitzer leisteten Hilfe, und Angehörige der Roten Armee leiteten Maßnahmen ein, um die Not der Menschen zu lindern sowie eine Ausbreitung der im Zug bereits aktiven Flecktyphus-Epidemie zu verhindern... Es dauerte acht Wochen, bis die Typhus-Epidemie zum Stillstand kam. Bis dahin starben weitere 320 Männer, Frauen und Kinder. Unter ihnen befanden sich auch 26 Tröbitzer, die sich angesteckt hatten. Die letzte Tote des Transportes, die Niederländerin Klara Miller, wurde am 21. Juni 1945 auf dem jüdischen Friedhof beerdigt. (Wiki)

Martha Korngold 


Paul Korngold
 Stolpersteine in der Leibnizstrasse 57 Berlin-Charlottenburg
© unbekannt

Gefunden auf http://www.magdeburg-tourist.de

Dr. Franz Otto Seligsohn
 
Im niederländischen Asyl begegnet der Berliner Emigrant Dr. Franz Otto Seligsohn der verwitweten Gerda Beck geborene Meissner und ihrem Sohn Walter aus Magdeburg. 1939 heiraten sie in Amsterdam und wohnen mit dem kleinen Walter in der Biesboschstraat 67 III. Doch als 1940 die deutsche Wehrmacht die Niederlande überfällt, sitzen die drei in einer tödlichen Falle. Wahrscheinlich 1943 müssen sie Amsterdam verlassen und werden im Kamp Westerbork nahe der deutschen Grenze interniert. Von dort werden die 32jährige Gerda Seligsohn und ihr elfjähriger Sohn Walter am 25. Mai 1943 in das Vernichtungslager Sobibor deportiert, wo sie wie alle Menschen ihres Transportes am 28. Mai ermordet werden. Dr. Franz Otto Seligsohn wird von Westerbork aus in das KZ Bergen-Belsen und von dort am 10. April 1945 in Richtung Theresienstadt deportiert. Doch dieser “verlorene Zug” landet nach Irrfahrten in der Nähe des Eisenbahnknotenpunktes Falkenberg vor einer zerstörten Elsterbrücke. Die SS-Bewacher fliehen und lassen die Waggons verschlossen auf den Gleisen zurück. Wenig später werden die Häftlinge durch Sowjetsoldaten befreit. Viele sind an Typhus erkrankt, alle sind durstig und halb verhungert, zahlreiche Menschen sind verstorben. Franz Otto Seligsohn gehört zu den Kranken. Er kommt wohl erst in das Lager Mühlberg und dann in das Krankenhaus Riesa. Dort stirbt er kurz nach Kriegsende am 29. Mai 1945. Er wird auf dem Friedhof Neuburxdorf/ Mühlberg begraben. Sein Name findet sich heute auf einer Gedenktafel in der Gedenkstätte des Lagers Mühlberg. Die Namen von Gerda und Franz Otto Seligsohn und Walter Beck finden sich auch im niederländischen “Joodsmonument”.

Dr. Franz Otto Seligsohn wurde am 27. Oktober 1899 geboren, er war Rechtsanwalt, wohnhaft in Berlin, ab 1939 in den Niederlanden, ab 1941 in Amsterdam, Biesboschstraat 67; 1943 nach Kamp Westerbork; deportiert nach Bergen-Belsen; am 10. April 1945 von dort mit dem letzten “verlorenen” Transport” Richtung Theresienstadt deportiert und bis Tröbitz gekommen; verstorben am 29. Mai 1945 im Krankenhaus Riesa/Sachsen. 

Im Frieden – April 1945
 
Ganz langsam schleichen wir dahin,
Ganz langsam Friedensfreude kommt
In uns nicht auf. Zu lange sind wir
Geknechtet und gedrückt im Kampf,
Noch nicht vergessen ist die Frohn,
Der Hunger, Dreck, das schlechte Bett.
Doch sehen wir ein bekannt' Gesicht
Dann lächelt unser stiller Gruß:
Du lebst noch! Das ist schön, sehr schön.

Felix Hermann Oestreicher 

Quellen: 

Die Stationen der bösen Irrfahrt

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10. April 1945 Bergen-Belsen
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11. April 1945 Soltau
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Munster
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Uelzen
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14./15. April 1945 Lüneburg
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15. April 1945 Lauenburg
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15. April 1945 Büchen
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15. April 1945 Hagenow Land
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15. April 1945 Ludwigslust
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16. April 1945 Wittenberge
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17./18. April 1945 Nauen
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18. April 1945 Berlin-Spandau
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18. April 1945 Berlin-Baumschulenweg
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Königs Wusterhausen
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Lübben
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Lübbenau
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Senftenberg
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19.–20. April 1945 Schipkau
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20./21. April 1945 Finsterwalde
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Doberlug-Kirchhain
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20./21. April 1945 Tröbitz (Durchfahrt)
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20.–22. April 1945 Langennaundorf
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23. April 1945 Tröbitz (zurückgefahren)


Dienstag, 5. April 2016

Theater hat auch mühselige, mühselige Ebenen und wo ist das Gebirge?

Die Mühen der Gebirge liegen hinter uns,  
Vor uns liegen die Mühen der Ebenen.
b.b.

Ein Stück wird angeboten, gelesen, nochmals gelesen, angenommen, ein Vertrag wird verhandelt, hin und her diskutiert, von dort und von hier spielerisch oder verlogen erpresst, endlich abgeschlossen.

Wirre Gedanken werden gedacht, wirrere Ideen phantasiert, ein Bühnenbild wird entwickelt, Kostüme entworfen, Pläne werden geschmiedet, verworfen und neue gemacht. Glückselige Zeit.

Und eines Tages kommt die Realität, genannt die Probenplanung des mittelgroßen deutschen Stadttheaters, schaut einem ernst und streng in die Augen und sagt: "Guten Tag, du spinnst wohl?" 

Sänger haben Mucken, Orchester streng einzuhaltende Dienstpläne, Bühnenproben sind selten und kostbarer als alle Goldschätze des sagenhaften Eldorado, Schminkeinfälle müssen der Zahl der zur Verfügung stehenden Maskenbildner angeglichen werden, desgleichen gilt für Umzüge, Requisiten und anderes ja nur äußerliches Zeug. 
Der Hauptdarsteller spricht im März noch kein Wort Deutsch, doch soll er es im Mai leichtfüßig parlieren, die Soubrette hat ein gutbezahltes Gastspiel und muß in letzter Minute ersetzt werden, der Dramaturg vermeidet über Wochen überhaupt jedwede Kommunikation.

"Ich arme Jungfer zart,
ach, hätt ich genommen den König Drosselbart!"


Das einladende Theater befindet sich in der zweihundertsten existentiellen Krise, alle Entscheider sind krank, überfordert, überarbeitet oder depressiv, die Stadtverwaltung, auf ihre Sparvorlagen fixiert, wie der sprichwörtliche Hase auf die Schlange, sagt prinzipiell immer "Nein." und ist zutiefst bestürzt, dass die dummen Künstler, dieses doch so notwendige "Nein" nicht verstehen können.

Es geht eine dunkle Wolke herein.
Mich deucht, es wird ein Regen sein,
ein Regen aus den Wolken
wohl in das grüne Gras.
Volkslied

 
Und so beginnt man die Arbeit mit einem gigantischen "ABER". Ich will dies, ABER ich bekomme nur das. Dies wäre toll, ABER nur das ist möglich.
Der Spielraum wird immer kleiner und nicht nur weil das Geld knapper wird, sondern mehr noch, weil sich kaum jemand von uns noch erinnern kann, warum wir überhaupt Theater machen. 
Wegen des Spielraumes. Des Raumes, in dem wir spielen dürfen, weil ihr nicht spielen dürft, keine Zeit zum spielen habt, es albern und peinlich findet, zu spielen, aus dem Spielen herausgewachsen seid. Wir sind eure verspielten Stellvertreter, eure Ersatzspieler. Wir spielen für euch, genauso verwirrt, ebenso hilflos, aber ihr gebt uns Zeit über unsere gemeinsame Verwirrung und Hilflosigkeit nachzudenken, sie durchzuspielen. 

"Immer ist es der Mißklang zwischen dem Individuum und seiner Umwelt, den er als Künstler besonders stark empfindet, der ihn antreibt, in seiner Phantasie die Harmonie zu schaffen, die ihm in einer aus den Fugen geratenenen Welt versagt ist. Und da diese Kunstwerke die geistige Arbeit verkörpern, die an ihre Gestaltung gewandt worden ist, befähigen sie die anderen Mitglieder der Gesellschaft durch das Erlebnis, sie zu sehen oder zu hören, welches eine Anstrengung ... darstellt, dieselbe Harmonie zu erringen, nach der auch sie verlangen, ohne jedoch die Fähigkeit zu besitzen, sie für sich selbst zu aufzubauen. ... Der Künstler führt seine Gefährten in eine Welt der Phantasie, in der sie Befreiung finden, und rechtfertigt so die Weigerung des menschlichen Bewußtseins, in seine Umwelt einzuwilligen. Auf diese Weise wird ein Vorrat an Kraft gesammelt, der in die Welt der Wirklichkeit zurückfließt und die Phantasie in die Tat umsetzt." 
George Thomson "Aischylos und Athen" 


Der leere Raum, mit dem alles beginnt.