Der französische, originale Filmtitel bezieht sich auf den Namen des Lehrinstituts des Théâtre des Amandiers in Nanterre, das von 1982 an von Patrice Chéreau und Catherine Tasca geleitet wurde, Les Amandiers = die Mandelbäumchen, eine Klasse junger Menschen, die Schauspieler werden wollen.
Ich bin, wie schon so oft, verwirrt und genervt, was bringt uns dazu, unseren Berufsstand, wenn wir ihn auf die Bühne oder Leinwand bringen, entweder zu denunzieren oder plump versimpelt zu privatisieren?
Schauspieler, die Schauspieler spielen, tragen weiße Schals, sind narzistisch, haben ununterbrochen Sex oder leiden unter Impotenz, jedes ihrer Gefühl ist grandios, abgrundtief, himmelhochbetrübt. Sie haben keine Zeit für langweiliges Stimmtraining, Verslehre oder gewöhnliche Proben, weil ihr persönliches Drama, sie 24/7 im Griff hat. Alk, Drogen sind ihre unvermißbare Requisiten. Auch komisch, sie haben nie Geld, aber immer Drogen. Schauspieler, die Schauspieler spielen, interessieren sich nicht für Theater oder Film, sie interessieren sich ausschließlich für sich.
Schämen wir uns unseres Berufes? Ist er uns peinlich? Oder passen wir uns den Vorurteilen gegenüber unserer Profession an und treiben sie ins Extrem? "Was macht ihr Vormittags?" Wie oft habe ich mir anhören müssen, dass am Theater ja mehr getrunken, mehr rumgemacht wird als anderswo. Schauspieler*innen sind in Außenbeschreibungen meist emotional instabil, übermäßig extrovertiert, nicht vertrauenswürdig. Als wären wir eine ganz andere Sorte Mensch, imaginäre regellose Gefühlsbündel.
Treiben wir immer noch den Hanswurst aus der Stadt? Die Faxenmacher kommen, holt die Wäsche von der Leine.
HAMLET, ein Prinz erklärt gestandenen Profis ihren Job und sie sind ihm dafür dankbar? Dezidierte Kritik am Handwerk durch einen Prinzen? Was weiß der denn, er ist Prinz von Beruf. Shakespeare filtert seine Unzufriedenheit durch den Mund des Prinzen und zwei gestandene Barden müssen nicken.
GRETCHEN 89, die Regisseure sind blöd und faul, die Schauspieler*innen faul und blöd. Eine deutsche Komödie. Aber viele von uns sind nur eines von beidem, manche sogar weder noch.
Beispiele gibt es endlos. Krimiserien in denen hysterische Regisseure ihre Hauptdarsteller morden, anstatt sie umzubesetzen, Filme über Spieltruppen, die vor lauter Intrigen und Affairen nie zum probieren kommen.
Gestern Abend DER BESTE FILM ALLER ZEITEN, tolle Schauspieler bemühen sich heftig, ihre Arbeitsweise zu beschreiben und gleichzeitig zu verachten. Antonio Banderas und Penelope Cruz, großartige, witzige und schlaue Spieler, vereinfachen ihren Arbeitsprozess bis zur Unkenntlichkeit.
Und heute Abend LES AMANDIERS, Valeria Bruni Tedeschi macht einen Film über eine berühmte Schauspielschule und zeigt nicht unser Handwerk, nicht die harte Arbeit, nicht den Spaß, nicht die Bemühung um die Wiederholbarkeit des Unwiederholbaren, sondern nur die übersteigerte Entäußerung unserer privaten emotionalen Verwirrungen. Als wäre unser Beruf nicht mehr als eine bezahlte Verlängerung unserer Privatsphäre.
Kein Tischler baut einen Tisch mit nichts als Eifersucht, ohne die Eigenarten von Holz zu kennen. Kein Ingenieur entwirft eine Maschine nur mit Hilfe seiner Leibesleidenschaft, ohne Kenntnis der notwendigen technischen Fakten. Aber wir Schauspieler machen einfach irgendwie rum, lassen unseren Gefühlen freien Lauf und dann entsteht scheinbar gelegentlich Kunst.
Das ist Mumpitz.
Eine erfreuliche Ausnahme ist "Stage Beauty", ein Film über den Kampf einer Frau spielen zu dürfen, in Zeiten in denen es Frauen verwehrt war.
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