Dieter Mann.
Wir haben uns über die vielen Jahre immer gesiezt und doch mit dem Vornamen angesprochen. Eine unfassbar altmodische Form von gegenseitigem Respekt.
Ich war 21, Elevin und in den Proben zu Alexander Langs "Sommernachtstraum" gab es der Witzeleien über meine Jugend die Menge. Eines Tages, wieder mal eine lustige Bemerkung, diesmal von Dieter Mann, über meine jugendliche Erscheinung, genauer meine Brüste. Und ich hatte genug, biss zurück, "Ist Ihnen das nicht irgendwann langweilig?" Pause. Mir schoß durchs Hirn, jetzt hast Du's dir mit einem älteren Kollegen versaut. Nach langer Pause murmelte D.M. "Ich werde sehr bald 40." Seitdem hatte ich ihn gern.
Mit Christine Schorn in "Unterwegs"
Er hat mir, nun schon als Intendant, vorgeschlagen, das Deutsche Theater zu verlassen, sah keine Zukunft für mich. Er hat zwei Jahre später, ich hatte seinen Rat nicht befolgt, seinen Vorschlag zurückgenommen und mich in die DT-Familie aufgenommen. Er war, mir gegenüber, in ganz erstaunlicher Weise ehrlich und klar. Damit konnte ich gut umgehen.
Er hat mir, zusammen mit Ulrike Krumbiegel, als blutige Regie-Anfängerin zu meiner ersten Regie in den Kammerspielen des Deutschen Theaters verholfen und hat sich meinen noch sehr unlockeren Einfällen großmütig und offen ausgesetzt.
Er hat, als wir, 1988/89, "Die Diktatur des Gewissens", von Schatrow, ein wirklich schlechtes Stück, aber auch ein wirklich notwendiger Text zur Zeit, gefühlte 1000 Mal in einem Jahr spielten, den alten Mann aus der Ukraine, um uns aufzuheitern, ein jedesmal anders alt angelegt, mal war er 80, dann 120, gelegentlich noch viel älter.
Er war ein Arbeiterkind, Student der Arbeiter- und Bauern Fakultät, seine Bildung, und sie war beeindruckend, war das Ergebnis von harter Arbeit und Hoffnung. Wenn der verfluchte unsozialistische Sozialismus eine gute Seite hatte, dann, dass Kinder, die nie hätten studieren können, es konnten.
Er war Mitglied der SED und Intendant, sicher ein zweischneidiges Ding, eine solche Position in einem solchen Land. Er hat im aufgeregten und aufregenden Jahr 1989 einige gute Entscheidungen getroffen und versucht, Notwendiges zu ermöglichen.
ZWEI KRAWATTEN Aufzeichnung der Inszenierung des Deutschen Theaters. Was für ein Spaß war das und dann hat Dieter auch noch gesteppt.
Er gab elegante Handküsse.
Er konnte ganz wunderbar Gedichte sprechen und Verse, präzise, unangestrengt, ganz gerade gedacht, nicht betont oder getönt.
Ich hatte ihn sehr gern und es gibt mittlerweile verflixt viele Kränze, die von der Nachwelt, für von mir verehrte Mimen, nicht geflochten werden.
Dem Mimen flicht die Nachwelt keine Kränze,Drum muss er geizen mit der Gegenwart,
Den Augenblick, der sein ist, ganz erfüllen,
Muss seiner Mitwelt mächtig sich versichern,
Und im Gefühl der Würdigsten und Besten
Ein lebend Denkmal sich erbaun – So nimmt er
Sich seines Namens Ewigkeit voraus,
Denn wer den Besten seiner Zeit genug
Getan, der hat gelebt für alle Zeiten.